social justice and child poverty Kinderethik Funded by the Gunter Graf Project: P G15

Transkript

1 Kinderethik Gunter Graf Funded by the Project: P G15

2 Übersicht 0 Einleitung I Was ist ein Kind? II Welchen moralischen Status haben Kinder? Drei relevante Eigenschaften Instrumentelle Konzeption der Kindheit Kindeswohl III Kinder und Ihre Eltern Gunter Graf 2

3 Einleitung Kinderethik Eine Ethik für Kinder? Eine Ethik von Kindern? Eine Ethik, die Kinder in Ihrer Besonderheit in Betracht zieht und sowohl als Adressaten moralischen Handelns als auch als moralisch Handelnde ernst nimmt? Gunter Graf 3

4 Einleitung Kinderethik lange Zeit vernachlässigt Fragen der angewandten Ethik oft fokussiert auf vorgeburtliches Leben/Leben in den ersten Tagen und Wochen Kinder als Grenzfälle menschlichen Lebens, um Abrenzungsfragen zu anderen Spezies zu diskutieren. Ethische Reflexion auf Kinder wirft tiefe philosophsiche Fragen auf: etwa zu Identität/ Gerechtigkeit/Wert von Beziehungen/Wert des menschlichen Lebens Gunter Graf 4

5 Einleitung Einige Themen der Kinderethik Entscheidungsfindung in der Medizin Kinderarmut Wählen und politische Partizipation Esstörungen/Adipositas Moralische Verantwortung von Kindern und deren Straffähigkeit Kommerzialisierung der Kindheit Gunter Graf 5

6 Was ist ein Kind? Analyse des Kindheitsbegriffes aus verschiedenen wissenschaftlichen Blickwinkeln möglich Sozialisationstheoretische Perspektive(n) Historische Perspektive(n) Psychologische Perspektive(n) Pädagogische Perspektive(n) (kindheits)soziologische Perspektive(n) Biologische Perspektive(n) Gunter Graf 6

7 Was ist ein Kind? Begriff der Kindheit vs. Kindheitsvorstellungen Kindheitsvorstellungen unterscheidbar hinsichtlich Grenzen Dimensionen Unterteilungen Kindheitsvorstellungen unterscheiden sich massiv durch die Geschichte/in unterschiedlichen Kulturen Gunter Graf 7

8 Was ist ein Kind? Der pragmatische Zugang der UN Kinderrechtskonvention: Im Sinne dieses Übereinkommens ist ein Kind jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt. (UN Kinderrechtskonvention) Gunter Graf 8

9 Moralischer Status Normative Sicht auf die Kindheit Geht über bloße Beschreibung hinaus Zeichnet gewisse (abwesende) Eigenschaften von Kindern als moralisch relevant aus Impliziert Anweisungen, wie man sich gegenüber Kindern verhalten soll Kann nicht einfach durch die Vielfalt der Kindheitsvorstellungen widerlegt werden Macht Aussagen über den moralischen Status von Kindern und ihren Platz in der Gesellschaft Gunter Graf 9

10 Drei relevante Eigenschaften Drei moralisch relevante Eigenschaften von Kindern (1) Kinder sind verletzlich verletzlicher Körper (child battered syndrome) Verletzliche Psyche: Kinder sind in ihrer mentalen und emotionalen Gesundheit/ Entwicklung sehr sensibel und angreifbar. Gunter Graf 10

11 Drei relevante Eigenschaften Soziale Verletzlichkeit Hängt von ihrer Natur und der gesellschaftlichen Ordnung ab Ökonomische Verletzlichkeit Rechtliche Verletzlichkeit Politische Verletzlichkeit Gunter Graf 11

12 Drei relevante Eigenschaften (2) Kinder entwickeln sich Die Kindheit ist eine dynamische Phase der Veränderung Entwicklungsdefizite schwer ausgleichbar Entwicklung betrifft verschiedene Lebensbereiche (psychisch, emotional, kognitiv, physisch etc.) Entwicklung kann gefördert/behindert werden Entwicklungsziele in pluralistischer Gesellschaft umstritten Gunter Graf 12

13 Drei relevante Eigenschaften (3) Kinder sind soziale und moralische Akteure mit einer eigenen Perspektive Sie spielen eine aktive Rolle in ihrer Entwicklung Sie beeinflussen ihre Umgebung Sie nehmen komplexe soziale Rollen ein These: Kinder sind unter Beachtung dieser Charakteristiken als Gleiche zu behandeln! Gunter Graf 13

14 Instrumentelle Konzeption von Kindheit Standardauffassung der neuzeitlichen Philosophie Kindheit als Übergangsphase Autonomie als Ziel des menschlichen Lebens Kinder sind vor allem Wesen, die (noch) nicht autonom sind, es aber werden können. Deficit conception of the child Gunter Graf 14

15 Instrumentelle Konzeption von Kindheit Children [ ] are not born in this full state of equality (which consists of the equal right to natural freedom), though they are born to it. Their parents have a sort of rule and justification over them when they come into the world, and for some time after, but `tis but a temporary one. [ ] Age and reason as they grow up, loosen them till at length they drop quite off, and leave a man at his own free disposal. (Locke, Two Treatises of Government, V/55) Gunter Graf 15

16 Instrumentelle Konzeption von Kindheit Gleichheit für Kinder relevant, aber Kinder werden nur in Hinblick auf ihren zukünftigen Status als Gleiche behandelt. Kinder haben einen eigenständigen moralischen Status, sind nicht das Eigentum der Eltern Der moralische Status ergibt sich in erstern Linie über ihre Fähigkeit zur Autonomie Gunter Graf 16

17 Instrumentelle Konzeption von Kindheit [C]hildhood is a predicament. [T]he condition of childhood is one in which the agent is not yet in a position to speak in her own voice because there is no voice which counts as hers. (Schapiro 1999, What is a child?,729) Gunter Graf 17

18 Instrumentelle Konzeption von Kindheit There is [ ] a concept which [ ] sheds some light upon the liminal status of children. This is the concept of play. It may make sense to see play as a strategy perhaps the strategy for working through the predicament of childhood. By engaging in play, children, more or less deliberately try on selves to be and worlds to be in. This is because the only way a child can have a self is by trying one on. [ ] Play is children s form of work, for their job is to become themselves. (Schapiro 1999, What is a child?, 732) Gunter Graf 18

19 Instrumentelle Konzeption von Kindheit Einige Kritikpunkte an der instrumentellen Konzeption der Kindheit Kinder, die nie autonom werden, haben einen moralischen Status. Es gibt eine starke Intuition, dass die Kindheit einen Eigenwert besitzt Kinder werden nicht als Akteure ernst genommen Es wird nur ein Wert (Autonomie) als moralisch relevant ausgezeichnet. Gunter Graf 19

20 Kindeswohl Kindeswohl als zentrale Ergänzung Multidimensional Objektive und subjektive Faktoren Dynamisch Enthält Elemente, die unabhängig vom Beitrag zur Entwicklung wertvoll sind (intrinsic goods of childhood) Ist in Bezug zur Spezies zu verstehen Reichhaltige Forschung/Literatur zum Thema Gunter Graf 20

21 Kindeswohl Auswahlkriterien: Stand der wissenschaftlichen Forschung beachten Kinder und Betroffene miteinbeziehen Zielsetzung des Vorhabens und Kontext beachten Auf soziale Beeinflussbarkeit der Dimensionen achten Auf objektive Bestimmbarkeit achten Gunter Graf 21

22 Kindeswohl These: Alle Kinder haben einen Anspruch auf eine angemessene Realisierung ihres Wohles in zentralen Dimensionen auf eine angemessene Entwicklung und Wohlergehen/Autonomie als Erwachsene Auf eine angemessene Berücksichtigung Ihrer Perspektive Gunter Graf 22

23 Kindeswohl Debatten um Gewichtung der Dimensionen Schwellen, die überschritten werden sollen Konzeptualisierung und Beachtung der Autonomie von Kindern Gewichtung gegenwärtiger und zukünftiger Interessen Möglichkeiten, zur Sicherstellung von Aspekten wie Liebe, Zuneigung und Aufmerksamkeit Gunter Graf 23

24 Kinder und ihre Eltern Wie soll man die moralischen Ansprüche von Kindern sicherstellen? Kinder sind verletzlich und haben wenig Handlungsmacht Wer ist für sie verantwortlich? Eltern? Der Staat? Andere Akteure? Gunter Graf 24

25 Kinder und ihre Eltern De facto: (Die meisten)kinder wachsen in Familien auf Eltern haben weitgehende Rechte über Ihre Kinder Privatheit und Familienautonomie als zentrale gesellschaftliche Werte Gunter Graf 25

26 Kinder und ihre Eltern Aber Privatheit der Familie und soziale Gerechtigkeit scheinen unvereinbar zu sein. Innerhalb der Familie: Schulen der Ungerechtigkeit, stereotypische Geschlechterrollen Zwischen Familien: Weitergabe von Gütern/Talenten/Fähigkeiten in der Familie; Gunter Graf 26

27 Kinder und ihre Eltern Lösungsvorschläge Auflösung der Familie und staatliche Erziehung Umverteilung der Kinder zu denjenigen Eltern, die am besten passen Warum ist dies unplausibel/moralisch verwerflich? Viele praktische Einwände Probleme von Institutionen Eltern würden sich wehren Kinderinteressen würden im Endeffekt verletzt Wie findet man heraus, wer die besten Eltern sind? Gunter Graf 27

28 Kinder und ihre Eltern Zentraler inhaltlicher Einwand Es gibt zentrale Interessen von Eltern, die zu schützen sind! Die Eltern-Kind-Beziehung ist einzigartig und moralisch schützenswert. Beziehung mit ungleicher Machtverteilung Beziehung ist nur einseitig auflösbar Liebe und Zuneigung ist einzigartig Eltern haben ein Interesse, diese Werte zu verwirklichen und so persönlich zu wachsen Gunter Graf 28

29 Kinder und ihre Eltern Trotzdem müssen sich Elternrechte am Kindeswohl orientieren Elternautonomie hat Grenzen Gunter Graf 29

30 Literatur (Auswahl) Archard, David Children s Rights. Brighouse, Harry, und Adam Swift Parents Rights and the Value of the Family. Ethics 117 (1): doi: / Giesinger, Johannes Autonomie und Verletzlichkeit: der moralische Status von Kindern und die Rechtfertigung von Erziehung. Bielefeld: Transcript. Schickhardt, Christoph Kinderethik: der moralische Status und die Rechte der Kinder. Münster: Mentis. Gunter Graf 30

31 Weitere Informationen Gunter Graf 31