Solarthermie im Mehrgeschosswohnungsbau
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- Jörn Becke
- vor 7 Jahren
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Transkript
1 Solarthermie im Mehrgeschosswohnungsbau Erneuerbare Wärme für Mehrfamilienhäuser nutzbar machen Erfahrungen mit der Einbindung einer Solarthermieanlage in die Wärmeversorgung eines denkmalgeschützen Gebäudeensembles der Wohnungsgenossenschaft Bauverein Breisgau
2 Solarthermie für Mehrfamilienhäuser Wichtiger Baustein der Wärmewende mit viel Potenzial Die erneuerbaren Energien im Wärmebereich spielen bislang nur eine untergeordnete Rolle: 2015 lag ihr Anteil am Gesamtwärmeverbrauch bei rund 13 % - der Großteil hiervon entfiel auf die Nutzung der Biomasse. Solarthermie trägt sowohl bezogen auf den Gesamtverbrauch als auch bezogen auf den Bedarf in privaten Haushalten nur zu einem sehr geringen Anteil dazu bei. Nach Angaben des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW) betrug der durch Solarthermie gedeckte Anteil des Wärme verbrauchs in Privathaushalten im Jahr 2015 nur 1 %. In Politik und Wissenschaft besteht Konsens, dass der Anteil erneuerbarer Wärme im Wärmemarkt substantiell gesteigert werden muss, wenn Deutschland seine Klimaschutzverpflichtungen erreichen will. Dabei ist insbesondere das Potenzial für größere Solarwärmeanlagen auf Mehrfamilienhäusern beträchtlich: Rund die Hälfte aller Wohneinheiten in Deutschland befindet sich in Mehrfamilienhäusern. Von besonderer Bedeutung hierbei sind Gebäude mit 3 bis 12 Wohneinheiten von Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften, privaten Vermietern sowie gewerblichen Nutzern, da sie rund 90 % Mehrfamilienhausbestands ausmachen und immerhin 80 % aller Mietwohnungen umfassen! In neu errichteten Mehrfamilienhäusern wird die Solarthermie bereits rege genutzt: Rund ein Drittel der Gebäude wird derzeit mit Solarthermieanlagen ausgestattet. Nur wenn die Solarthermie auch in Mehrfamilienhäusern genutzt wird, kann die Wärmewende gelingen! Im Bestand allerdings steckt noch viel Potenzial - nur wenige Hauseigentümer nutzen die Fördergelder des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die Stadt Freiburg möchte dazu beitragen, dass das Potenzial der Solarwärme im Mehrgeschosswohnungsbau besser erschlossen wird und hat deshalb ein Solarthermie-Demonstrationsprojekt initiiert, das vom Badenova Innovationsfonds gefördert und vom Bauverein Breisgau eg in Freiburg umgesetzt wurde. Fachlich begleitet wurde das 2015 realisierte Projekt vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE.
3 Bauverein Breisgau lässt die Sonne rein Neue Energie für einen Gebäudekomplex aus den Anfangsjahren der Genossenschaft Das Mehrfamilienhaus-Ensemble in der Emmendinger Straße ist das erste und älteste Gebäude der Wohnungsgenossenschaft Bauverein Breisgau. Die zehn Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 92 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten umfassen knapp Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche. Sie wurden in den Jahren 1903 bis 1904 erbaut und sind denkmalgeschützt. Bis zur Neugestaltung der Wärmeversorgung nutzten die meisten Mieter für Warmwasserbereitung und Heizung eine Gasetagenheizung, manche Wohnungen wurden sogar noch mit Einzelöfen beheizt. Ziel des Bauvereins war es, die Einzelfeuerstellen durch eine zentrale Wärmeversorgung über ein Mikrowärmenetz zu ersetzen. Auf Anregung der Stadt Freiburg und mit Förderung des Innovationsfonds der Badenova wurde sowohl eine große solarthermische Anlage eingebunden als auch ein Blockheizkraftwerk. Der ursprüngliche Plan, die Kollektoren komplett in die Dachhaut zu integrieren, wurde nach Intervention des Denkmalschutzamts aufgegeben. Der Heizenergiebedarf des gesamten Ensembles beträgt rund 630 MWh pro Jahr. Die Kellerdecke ist mit einem zehn Zentimeter starken PUR-Schaum gedämmt (U-Wert: 0,23 W/ m 2 K), der Speicherboden ebenfalls mit PUR, allerdings in einer Stärke von 16 Zentimetern sowie mit einem Gehbelag aus Pressspan. Das Mansardendach ist größtenteils durch eine Zwischensparrendämmung mit Mineralwolle gedämmt (U-Wert: ca. 0,32 W/m 2 K). Die weitere energetische Sanierung der Gebäude steht derzeit nicht im Fokus, da eine Fassadendämmung aus Denkmalschutzgründen nicht möglich ist.
4 Gutes Zusammenspiel von Solarthermie und BHKW Optimale Einbindung verschiedener Wärmequellen in das Mikrowärmenetz Das unten schematisch dargestellte Gesamtheizsystem wurde 2015 in Betrieb genommen. Es besteht aus einem Mikrowärmenetz mit zehn Wärmespeichern, die jeweils 1200 bis 1700 Liter Wasser fassen, aus 76 Flachkollektoren mit einer Gesamtfläche von 191 Quadratmetern und einer Nennleistung von ca. 150 kwth, einem Blockheizkraftwerk mit Leistungen von 20 kwel und 47 kwth sowie einem gasbetriebenen Spitzenlastkessel mit 450 kw Leistung. Hinzu kommt eine Wärmeübergabestation in jeder Wohnung. Das Wärmemanagement erfolgt über dezentrale Kontrollsysteme und ist so ausgerichtet, dass die Solarwärme nicht nur bevorzugt eingespeist, sondern auch dezentral verbraucht wird. Da das BHKW vergleichsweise klein ausgelegt ist, kann es fast ganzjährig unter Volllast betrieben werden. Der dadurch erzeugte Strom wird den Mietern über eine Tochtergesellschaft des Bauvereins für den Eigenverbrauch angeboten. Die sehr effiziente Arbeitsweise von Solaranlage und BHKW wird durch eine möglichst tiefe Rücklauftemperatur im Heizungsnetz sichergestellt. Um dies zu erreichen, mussten die handelsüblichen Wohnungsübergabestationen des Herstellers Meibes werksseitig mit geringem Aufwand konstruktiv modifiziert werden. Ein weiterer Erfolgsfaktor war die vollständige regelungstechnische Vernetzung der Solarthermie, der BHKW- und Kesselanlage sowie des hydraulischen Netzes mit Pumpen, Ventilen und Fernüberwachungssystem. SOLARKOLLEKTOREN ÜBERGABESTATION BHKW WÄRMESPEICHER SPITZENLASTKESSEL
5 Innovatives Energiekonzept hat sich im Betrieb bewährt Effiziente und nachhaltige Wärmeversorgung bei störungsfreiem Betrieb Wie sich nach über einjähriger Betriebserfahrung zeigt, funktioniert das Zusammenspiel der einzelnen Wärmequellen und das Management des Mikrowärmenetzes reibungslos. Wesentliche Erkenntnisse aus dem bisherigen Betrieb sind: Sehr tiefe Rücklauftemperaturen sowohl im Sommer bei der Warmwasserbereitung als auch im Winter in Verbindung mit der bestehenden Raumheizung erlauben einen hocheffizienten Betrieb des Gesamtsystems. Der solare Wärmeertrag von 59 MWh deckt rund 10 % des Gesamtwärmeverbrauchs des Gebäudekomplexes. In den Sommermonaten liegt der solare Deckungsanteil sogar bei über 60 %. Das BHKW steuerte rund 48 % der benötigten Wärmemenge bei, 42 % wurden durch den Spitzenlastkessel abgedeckt. Die prognostizierte Laufzeit des BHKW wurde um 8 % übertroffen. Die Laufzeit im Jahr 2016 betrug rund 6150 Stunden d. h. 70 % des Jahres läuft das BHKW unter Volllast. Mit der Installation einer zentralen Wärmeversorgung greifen in Baden-Württemberg die Vorgaben des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes (EWärmeG). Dieses schreibt vor, dass beim Einbau einer zentralen Heizung 15 % der Jahreswärme regenerativ erzeugt werden müssen. Allein mit der Solaranlage wären die Vorgaben nicht ganz erfüllt, da sie nur rund 10 % der benötigten Jahreswärme liefert. Das Gesetz sieht allerdings sogenannte Erfüllungsoptionen vor, mit denen der nötige Regenerativ-Anteil reduziert werden kann. Eine dieser Optionen ist der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung. Bis zu einer elektrischen Leistung von 20 kw werden die gesetzlichen Anforderungen vollständig erfüllt, wenn das BHKW mindestens 15 kwh elektrische Arbeit pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr erzeugt. Tatsächlich produzierte das in der Emmendinger Straße installierte BHKW im Jahr 2016 mehr als 25 kwh/m 2, also weitaus mehr als gesetzlich gefordert. Der gemessene Gesamtwirkungsgrad des BHKW beträgt im Jahresmittel gut 97 %! (30 % elektrisch, 67% thermisch). Die Mindestforderungen nach EWärmeG liegen bei 80 %. Mehr als 75 % der Mieter beziehen Mieterstrom. Deren Stromverbrauch wurde zu 71 % durch das BHKW gedeckt. Solarthermie liefert im Sommer mehr als 60 % der benötigten Wärme.
6 Auf einen Blick Das Objekt Haustyp Denkmalgeschütztes Mehrfamilienhaus-Ensemble, Baujahr Wohn- und Nutzfläche 4770 m 2, 92 Wohnungseinheiten, 2 Gewerbeeinheiten U-Werte Wand (Mauerwerk ungedämmt): ca. 2,0 W/m 2 K Fenster (Kunststoff): ca. 3,5 W/m 2 K Kellerdecke (PUR): 0,23 W/m 2 K Mansardendach ( größtenteils Zwischensparrendämmung Mineralwolle): ca. 0,32 W/m 2 K Heizwärmebedarf Durchschnittlich 624 MWh pro Jahr für Heizung und Trinkwasser Die Sanierung der Wärmeversorgung Was wurde getan? Einbau eines Mikronahwärmenetzes mit 10 Wärmespeichern, gespeist von einer Solarthermieanlage, einem BHKW und einem Gas-Brennwert-Kessel. Heizquellen 76 Solarthermiekollektoren mit einer Gesamtfläche von 191 m 2 und einer Nennleistung von ca. 150 kwth BHKW mit einer thermischen Leistung bis 46,7 kw und einer elektrischen Leistung bis 20 kw Gasbrennwertkessel mit 450 kw Leistung Beitrag zur Wärmeversorgung 2016 Solarthermie: 10%, BHKW: 48 %, Gas-Brennwert: 42 % BHKW-Strom kwh, davon kwh für den Eigenverbrauch im Rahmen des Mieterstrommodells. Ansprechpartner Realisierung Bauverein Breisgau eg Michael Simon Tel / michael.simon@bauverein-breisgau.de Planung /Bauleitung TGA Planungsgruppe Ewald Zink Tel / zink@tga-freiburg.de Initiierung Stadt Freiburg Nadine Hoffmann-Hauser Tel / Nadine.Hoffmann-Hauser@stadt.freiburg.de Förderung Badenova Innovationsfonds Richard Tuth Tel / Innovationsfonds@badenova.de Wissenschaftliche Begleitung Fraunhofer ISE Axel Oliva Tel / axel.oliva@ise.fraunhofer.de
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