Symphonien, ein guter E-Gitarrenriff wie eine berauschende Droge. Finanzielle Dinge erledigte er am liebsten in Begleitung von Metallica, Motörhead

Transkript

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2 Symphonien, ein guter E-Gitarrenriff wie eine berauschende Droge. Finanzielle Dinge erledigte er am liebsten in Begleitung von Metallica, Motörhead oder Black Sabbath. In Europa hatte die Erhöhung der Leitzinsen für sinkende Aktienkurse gesorgt, vor allem in Deutschland. Der DAX war im Lauf der letzten vierundzwanzig Stunden um drei Prozentpunkte gefallen. Allerdings war Hendriksson davon überzeugt, dass dieser Kursrückgang nur von vorübergehender Natur sein würde, denn die gesamtwirtschaftlichen Daten deuteten auf einen mittel- bis langfristigen Konjunkturaufschwung hin. Vor allem im Exportbereich standen die Zeichen günstig. Hendriksson war sich sicher, dass er mit einer Investition in deutsche Stahlaktien ein gutes Geschäft machen würde. Er brauchte nur noch etwas Kleingeld. Diesmal wollte er sich das Geld über eine

3 kleine Privatbank in Liechtenstein besorgen. Die Sicherheitssysteme des Instituts wiesen Lücken auf, groß wie Scheunentore, und Hendriksson hatte sich dort schon mehrere Male unbemerkt bedient. Er buchte das Geld nie in einer großen Summe ab, sondern in unauffälligen Kleinbeträgen von Hunderten von Konten. Ein paar Euro hier, ein paar Euro dort, mit einem selbst entwickelten Programm, das den Großteil der Arbeit automatisiert erledigte. Innerhalb von zehn Minuten hatte Hendriksson auf diese Weise fünfzigtausend Euro beisammen ein hübsches Spielgeld, wie er fand. Zufrieden lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. Während er seine nächsten Transaktionen plante, verspürte er plötzlich Hunger. Er ging in die Küche, schaltete den Backofen ein und schob eine Tiefkühlpizza in die Röhre. Dann holte er sich aus dem

4 Kühlschrank zwei Dosen Diät-Cola. Als er zurück ins Arbeitszimmer kam, zeigte ein Info-Fenster auf einem der Bildschirme einen Nachrichteneingang an: Uncle Scrooge hatte ihm geschrieben. Scrooge gehörte den Netcrawlern an, genau wie er selbst einer weltweiten Vereinigung von Profi-Hackern, die über ihr eigenes, nur Insidern zugängiges Internetforum in regelmäßigem Kontakt standen. Neugierig öffnete er Scrooges Nachricht: Ey, Leute, das ist echt krass! Seht euch das mal an! Gerade mit dem Handy aufgenommen. Der Vogel wäre mir beinahe in den Schoß gefallen. Urlaubsgrüße aus dem schönen Kalifornien! Uncle S. Hendriksson öffnete den Mailanhang. Scrooge hatte zehn Fotos einer Boeing geschickt, die auf einer breiten Straße, einer Art Autobahn, lichterloh in Flammen stand;

5 drei der Fotos zeigten, wie ein Flügel explodierte und in tausend Teile zerbarst. Hendriksson setzte sich aufrecht hin und runzelte die Stirn. Er klickte auf»antworten«und schrieb Scrooge zurück: Ist das ein Fake? Vielleicht ein paar Bilder aus einem Katastrophenfilm oder eine Reihe perfekt gestalteter Fotomontagen. Doch die Reaktion kam sofort: Ein Fake? Keine Spur! Das Ding ist erst vor fünf Minuten abgeschmiert. Reiner Zufall, dass ich in der Nähe war, und pures Glück, dass es mich nicht unter sich begraben hat. Hendriksson betrachtete nochmals die Bilder und versuchte sich auszumalen, was sich an Bord der Maschine abgespielt haben musste. Auf einem Foto erkannte er jetzt einen Mann, der vor dem Flugzeug auf der Erde lag, brennend, einen Arm und ein Bein in der Luft, als schlage er um sich, um das

6 Feuer zu ersticken. Hendriksson stieß die Luft aus und wandte den Blick ab. Er schloss die Nachricht und widmete sich lieber wieder dem internationalen Finanzmarkt. Der Reuters- Ticker meldete schlechte Absatzzahlen von General Motors und Porsche. Dafür hatte das Bruttoinlandsprodukt der USA im vergangenen Quartal um ein halbes Prozent zugelegt. Erneut poppte ein Info-Fenster auf, diesmal mit einer Nachricht von KremlCracker ebenfalls ein alter, gesichtsloser Bekannter aus dem Netcrawler- Forum. Einen Kilometer vor der italienischen Küste war ein Airbus beim Landeanflug auf Rom ins Mittelmeer gestürzt. Ein Großaufgebot von Feuerwehr, Rettungsdienst und Küstenwache war bereits auf dem Weg zur Unglücksstelle.