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1 Titel

2 Impressum

3 Inhaltsverzeichnis Matthias Jung Fürstenbegriff und Narrativität Michela Vignoli Eine kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise der eisenzeitlichen Kelten Sabine Rieckhoff Wer hat Angst vor Hayden White? Archäologie zwischen Wissenschaft und Kunst Helmut Birkhan Wer hört in unserer hektischen, technokratischen, kapitalistischen Zeit noch die Stimme der Bäume, wer kennt die Weisheit unserer Ahnen? Beobachtungen zum mysterischen Keltenbild besonders in Österreich John Collis Rethinking Celtic Studies Clemens Eibner Keltenstollen, Heidenlöcher und andere Konstrukte der Urgeschichte Manuel A. Fernández-Götz, Gonzalo Ruiz Zapatero Die Kelten im Spannungsfeld von wissenschaftlicher Forschung und populärer Rezeption Raimund Karl Essentiell keltisch? Zum Sinn der Fragen was die Kelten kennzeichnet und woher sie kommen Jan Kiesslich Kelten-DNA? Molekulararchäologische Betrachtungen zur ethnischen Zugehörigkeit im kulturhistorischen Kontext Karin Wiltschke-Schrotta Archäologische Interpretationen Anthropologische Fakten Jan Kysela The ways to use the Boii Marko Mele Frühe Kelten in der Steiermark und Štarjerska? Die Erforschung und museale Rezeption des Übergangs von der Hallstatt- zur Latènezeit

4 Hrvoje Potrebica, Marko Dizdar Celts and La Tène Culture a view from the periphery David González Álvarez, Carlos Marín Suárez Celts, Collective Identity and Archaeological Responsibility: Asturias (Northern Spain) as case study Ian Ralston A Celtic Iron Age in Scotland? Where are we now? Paul Gleirscher Erfundene Kelten am Magdalensberg? Karl Strobel Das norische Königreich der Kelten Zwischen Fiktion und Fakten Stefanie Patzer Die Verwendung des Druidenbegriffs im modernen Druidentum: Alleinpraktizierende vs. Ordensgemeinschaften Bea Schweighöfer Keltischer Neopaganismus im Spiegel zeitgenössischer Literatur Jutta Leskovar Keltische Religion Neuheidnische und wissenschaftliche Sichtweisen Günter Kantilli Die Kelten in der Landschafts-Mythologie und Geomantie Johannes Alex. Haidn Echt, die Kelten hatten schon Betten?! Erfahrungen aus dem Alltag einer Darstellungsgruppe für lebendige Geschichte der Keltenzeit Sabine Zinn-Thomas Glaubi komm nachhause! - Repräsentationen von Celticity zwischen touristischer Vermarktung und regionaler Identitätsbildung Verena Schwartz Der Mythos vom kopfjagenden Kelten. Gegenüberstellung ausgewählter archäologischer Befunde mit inselkeltischen Erzählungen David Stifter Inscriptiones Pseudocelticae Wrong and premature ascriptions of inscriptions as Celtic

5 Holger Müller Herodot, die Kelten und statistische Begriffsanalysen Überlegungen zu einem interdisziplinärem Datenbankprojekt Felix Wiedemann Die Kelten und die weisen Frauen. Zur Konvergenz zweier historischer Mythen Reena Perschke Die Venus im Dolmen. Zur Umwidmung von Megalithgräbern in gallo-römische Heiligtümer

6 Geleit

7 Vorwort Raimund Karl, Jutta Leskovar Im November 2010 wurden zum bereits vierten Mal die Interpretierten Eisenzeiten Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie abgehalten. Zwei wesentliche Änderungen prägten die Tagung: erstmals wurde sie (entgegen des Titels) nicht in Linz abgehalten, und man entschied sich diesmal für ein spezielles Thema. Die erfundenen Kelten sollten das Phänomen einer Begriffsnutzung aus vielen verschiedenen Perspektiven beleuchten, was einen einschlägig vorbelasteten Ort für das Treffen nahelegte. Im Keltenmuseum Hallein und seinem damaligen Direktor Stefan Moser einen diesbezüglichen Partner gefunden zu haben, erwies sich für das Organisationsteam von OÖ. Landesmuseum und Bangor University (UK) sowie die Teilnehmenden als Glücksfall. Drei Tage lang wurde im angenehmen Ambiente des Halleiner Kolpinghauses intensiv vorgetragen und diskutiert, das Keltenmuseum selbst als Ausgangspunkt zahlreicher Diskussionen genutzt. Mehr als 30 Vortragende aus acht Nationen und verschiedenen Fachrichtungen gestalteten das Programm. Insgesamt waren knapp 100 TeilnehmerInnen der Einladung nach Hallein gefolgt Das Thema stieß sichtlich auf großes Interesse. Ziel der Tagung war ein Überblick über die verschiedenen aktuell genutzten Keltenbegriffe in wissenschaftlicher und populärer Kultur dieses Ziel wurde angesichts der Vielfalt der Beiträge großteils erreicht, wenn auch von den drei Begriffen aus dem Tagungs titel (Archäologie,Tourismus und Esoterik) der Tourismus leider zu kurz gekommen war. Die oft langen und intensiven Diskussionen machten deutlich, wie groß die Anzahl und Ausrichtung der Keltenbegriffe ist, für welch unterschiedliche Zwecke sie genutzt werden. Keineswegs wurde die gesamte Bandbreite erschöpfend präsentiert, doch die grundsätzliche Tat sache wurde deutlich: Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Personen mit dem Wort Kelten das gleiche sagen oder schreiben, ist höchst gering. In diesem Sinne wünschen wir uns eine Fortsetzung der spannenden Diskussion um das Wort Kelten vielleicht eines Tages im Rahmen der Interpretierten Eisenzeiten. Nicht alle Vorträge der Tagung fanden ihren Weg in den vorliegenden Tagungsband: Auf Wolfgang David (Kelten in Bayern), Gonzalo Ruiz Zapatero (Celts for Kids: Images in Illustrated Children s Books), Ines Balzer (Der keltische Fürst in der Öffentlichkeit: Ein Buchprojekt zum Fürstensitz Hohenasperg), Stefan Moser und Helga Pucher (Keltenstadt Hallein? Überlegungen zum Archäologietourismus), Albert Bock (Die Sprache der Vorväter? Identitätskonstrukte und Keltenbegriff in der kornischen Sprachbewegung) und Klaus Löcker (Steinkreis und Echowall. Zur Geschichte von Steinen und ihrer Umgebung) musste leider aus unterschiedlichen Gründen verzichtet werden. Zum Ausgleich fand Felix Wiedemanns Beitrag zu Kelten und Weisen Frauen ebenso Aufnahme wie Reena Perschkes zusammenfassende Darstellung ihres Tagungsposters über Die Venus im Dolmen. Während dervorbereitungen für diesen Tagungsband ergaben sich einige Änderungen der Organisationsstrukturen in Hallein, die auch auf die redaktionellen Tätigkeiten Einfluss nahmen. Nach dem überraschenden Ausscheiden von Stefan Moser wurden die Rahmenbedingungen einer Kooperation zwischen der Salzburg Museum GmbH und dem Keltenmuseum Hallein ausgearbeitet. Seit 1. Jänner 20 wird das Keltenmuseum Hallein nun vom Salzburg Museum geführt, neben seinen Schwerpunkten des prähistorischen und historischen Salzabbaus soll in Zukunft

8 auch die Urgeschichte des Landes Salzburg in Hallein präsentiert werden. Aufgrund der knappen personellen Ressourcen konnte die Transkription der bei der Tagung aufgezeichneten Diskussionsbeiträge vom Redaktionsteam nicht mehr zeitgerecht bewerkstelligt werden. Es ist angedacht, diese zu einem späteren Zeitpunkt auf der Website der Tagungsreihe ( eisenzeiten) zur Verfügung zu stellen. Unser Dank gilt den VerfasserInnen der Beiträge, den TeilnehmerInnen der Tagung, Bernhard Prokisch und Peter Assmann für die Möglichkeit, in bewährter Manier in der Reihe des OÖ. Landesmuseums veröffentlichen zu können, sowie Alexandra Bruckböck, Graphik, für die wie immer höchst angenehme Zusammenarbeit. Für die finanzielle Unterstützung bei den Druckkosten des vorliegenden Tagungsbandes bedanken wir uns beim Keltenmuseum Hallein und beim Museumsverein Celtic Heritage.

9 Preface Raimund Karl, Jutta Leskovar November 2010 saw the 4th installment of Interpreted Iron Ages Interpretative Iron Age Archaeology Colloquium Linz. There were two major changes from the pattern established at the previous three conferences: for the first time, the conference (in difference to its name) was not held in Linz, and we decided to focus on a specific theme this time. The Invented Celts aimed at examining the use of the term from many different perspectives, which brought us to a place for the conference with a history of using the term. That the Keltenmuseum Hallein and its then director Stefan Moser offered us a partnership turned out to be a stroke of luck for the usual organising team of the Upper Austrian Museum and Bangor University (UK) and the participants in the conference. The pleasant Kolpinghaus in Hallein provided the excellent frame for three days of intesive presentations and debates, with the Keltenmuseum itself as an exemplary starting point for several discussions. More than 30 presenters from 8 different countries and several different disciplines presented papers, with about 100 participants attending the conference altogether and contributing to the many debates. Aim of the conference was to provide an overview of the different current and historic uses of the term Celts in both academic and popular discourses an aim that was mostly achived, as shown by the multitude of contributions, even though the last fields mentioned in the subtitle of the conference (archaeology, esoterics, tourism) was somewhat underrepresented. Discussions were frequently long and very intensive, demonstrating how many different uses the term Celts has, how different the respective meanings associated with it can be, and for how many different uses it has been employed. While nowhere near the whole range of this could be explored, one fundamental fact became very clear: the probability that any two persons use the term to express the very same concept is very small. Thus, we are looking forward to continue the very interesting debates about the term Celts perhaps even within the frame of another Interpreted Iron Ages. Not all papers presented at the conference could be included in this proceedings: the presentations by Wolfgang David (Celts in Bavaria), Gonzalo Ruiz Zapatero (Celts for Kids: Images in Illustrated Children s Books), Ines Balzer (The Celtic Prince in public perception: A book project on the princely sear Hohenasperg), Stefan Moser and Helga Pucher (Celtic city Hallein? Thoughts on archaeological tourism), Albert Bock (The language of the forefathers? Identity constructs and the term Celts in the Cornish language movement) and Klaus Löcker (Stone circla and echo wall. On the history of stones and their surroundings) could not be included for various different reasons. Not presented at the conference, but included in this volume, are Felix Wiedemann s contribution on Celts and Wise Women, and Reena Perschkes summary of her conference poster on The Venus in the Dolmen. During the preparations of the conference proceedings, some changes were made to the organisational structures at Hallein, which had a direct influence on the editorial work for this volume. Following the surprising departure of Stefan Moser a framework of a collaboration between Salzburg Museum GmbH and Keltenmuseum Hallein was developed. Since 1 January 20 the Keltenmuseum Hallein has become an enterprise directed by the Salzburg Museum, and be-

10 sides its already existing foci on prehistoric and historic salt mining, it will become the main venue for presenting the prehistory collections of the Salzburg Museum in the future. Due to the limited personnel available to the editorial team, the transcription of the discussions, which were recorded during the conference, turned out to be impossible. We hope we will be able to make these available on the website of the conference (www. landesmuseum.at/eisenzeiten) at a later date. 10 To conclude, we would like to thank the authors of the contributions to as well as the participants in the conference, Bernhard Prokisch and Peter Assmann for the opportunity to publish the proceedings in the series of the Upper Austrian Museum, and the graphic artist Alexandra Bruckböck for the very pleasant and efficient collaboration. For the financial contributions to the publication costs, we thank the Keltenmuseum Hallein and the Museumsverein Celtic Heritage.

11 Fürstenbegriff und Narrativität Matthias Jung Zusammenfassung Exemplarisch werden die Konsequenzen einer unausgesprochenen Orientierung archäologischer Darstellungen an dem geschichtswissenschaftlichen Modell der Narration dargelegt, aber nicht anhand der offensichtlichen Meistererzählungen, sondern in für sich genommen unscheinbaren Details. Fallbeispiel ist das späthallstattzeitliche Wagengrab von Offenbach-Rumpenheim, dessen in der Sukzession der Publikationen zu diesem Befund etappenweise sich vollziehende Transformation in ein Fürstengrab nachvollzogen werden soll. Die aufzuzeigenden narrativen Elemente dienen der Suggestion von Kontinuität und Zusammenhang und münden schließlich in den Entwurf anschaulicher Lebensbilder des vermeintlichen Fürsten. Abstract The aim of this paper is to demonstrate the consequences of an (unexpressed) orientation of archaeologists presentations towards the narrative paradigm of historical science. In order to detect those narrative elements, it will not be referred to so called master narratives, but to inconspicuous details in the archaeological argumentation. The late Hallstatt wagon burial of Offenbach-Rumpenheim and its gradual transformation in the wake of the publications following the finding into a Fürstengrab ( princely burial ) serve as a case study. The narrative elements to be pointed out in this transformation aim at suggesting consistency and coherence and peak in the construction of vivid pictures of the alleged Fürst.

12 Gegenwärtig kommt mit einer in sich erklärungsbedürftigen Verzögerung von Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, in den archäologischen Fächern eine Rezeption der geschichtswissenschaftlichen Erzähltheorien allmählich in Gang, und man kann sich von ihr einigen Aufschluss nicht zuletzt zu Eigentümlichkeiten der Eisenzeitforschung erwarten.1 Im Folgenden wird nicht eine Art Überblick zur Narrativitätsproblematik gegeben, sondern im Detail exemplarisch die Wirkmächtigkeit der Orientierung an dem Ideal einer narrativen Darstellung nachgezeichnet, die in dem Bestreben gründet, eine bloße Chronologie und Faktensammlung zu transzendieren und in den Bereich des historischen Erzählens vorzustoßen. Eine solche narrative Orientierung der Archäologie ist meines Erachtens grundlegend verfehlt, denn das Bemühen, durch sinnimputierende Erzählungen die, in einer anschaulichen Formulierung von Moritz Hoernes, Lichtschwäche und Lückenhaftigkeit (Hoernes 1923: 344) der von den archäologischen Quellen gewährten Lebensbilder zu kompensieren, führt letztlich zur Produktion von Artefakten, weil die Quellen eine Erzählung nicht tragen. Schon Droysen hat angemerkt, dass der Historiker keine Geschichte über einen Vorgang erzählen kann, über welchen das historische Material verworren, dürftig, unzuverlässig ist (Droysen 1977: 223), und als Beispiel nennt er die Unmöglichkeit, die attische Verfassungsgeschichte bis Solon erzählend darzustellen. Die Frage, ob gegenstandsadäquate Narrationen im Bereich der Geschichtswissenschaften überhaupt möglich sind, ob, anders formuliert, das Scheitern narrativer Versuche ein grundsätzliches und notwendiges ist oder aber ein empirisches Scheitern an der Verwirklichung eines sehr anspruchsvollen Modells, das selbst davon unberührt bleibt, wird in diesem Beitrag nicht erörtert. Die Bedeutung der Verwendung kohärenz- und sinnstiftender narrativer Elemente soll nicht anhand weit ausgreifender sogenannter Meistererzählungen dargelegt werden bezogen auf die Hallstattzeit wären etwa die Entwürfe von W. Kimmig (1969; 1983) und L. Pauli (1980; 1997) als solche Meistererzählungen anzusprechen2, sondern diese Elemente sind exemplarisch im Kleinen aufzuzeigen anhand der Transformation eines Grabbefundes in ein Fürstengrab. Als Fallbeispiel zu diskutieren ist das späthallstattzeit- liche Wagengrab von Offenbach-Rumpenheim, seine Rekonstruktion und seine Präsentation in der Aschaffenburger Keltenausstellung Keltenland am Fluss im Jahr Die Thematisierung der Präsentation der Grabrekonstruktion im Rahmen dieser Sonderausstellung (und nicht der Dauerausstellung des Offenbacher Hauses für Stadtgeschichte, wo sie ansonsten zu sehen ist), hat ihren Grund darin, dass die nachfolgenden Ausführungen das Nebenprodukt einer Besucherbefragung in Aschaffenburg sind, die sich um diese Rekonstruktion zentrierte. Die Besucher sollten nicht wie bei herkömmlichen Befragungen mit standardisierten Fragen traktiert werden, sondern der Ansatz der Untersuchung bestand darin, abzuwarten, bis ein Besucher sich von sich aus für die Rekonstruktion interessiert und sich mit dieser und den ihr zugeordneten Erläuterungen beschäftigt. Im Anschluss daran war er daraufhin zu befragen, welches Bild er von den Exponaten und darüber hinaus von der Epoche, aus der sie stammen, gewonnen hat. Ein solches Vorgehen, das sich in der Rezeptionsforschung im Bereich bildender Kunst sehr bewährte (vgl. Loer 1996), hat zu seiner Voraussetzung eine vorgängige Analyse der Bedeutung des Rezipierten, auf die hin die Angemessenheit der Rezeption überhaupt erst beurteilt werden kann. Das Wagengrab (Abb. 1) selbst wurde 1972 ausgegraben, man entdeckte es beim Anlegen eines Suchschnittes, der eigentlich einer spätlatènezeitlichen Nekropole galt. Gelegen war es am Rand der Nieder terrasse eines Mainaltarms, Spuren einer Über hügelung waren nicht auszumachen. Unter einer Steinpackung von 4,40 m Länge und 2,80 m Breite waren noch Holzspuren festzustellen, die vermutlich von einer höl zernen Stützkonstruktion stammten, von dem Toten, einem ca. 50-jährigen Mann, hatten sich der Schädel sowie Teile der Arm- und Beinknochen erhalten. Er lag zwischen eisernen Beschlägen der Lauffläche und Naben von vier Wagenrädern. An Beigaben erhalten waren eine eiserne Lanzenspitze mit tauschierter Tülle, ein Kegelhalsgefäß und ein Schälchen, ein Eisenmesser sowie Reste von einem Schaf oder einer Ziege. Datiert wird das Grab anhand des Kegelhalsgefäßes und der Lanzenspitze mit ausgeprägtem Mittelgrat an den Übergang von HaD1 nach D2 (Weber 2001: 109). In einem nüchternen, eineinhalb Textseiten umfassenden Bericht von Klaus Ulrich, seinerzeit Boden-

13 Abb. 1: Wagengrab von Offenbach-Rumpenheim. Grabplan, ohne M. (nach Ulrich 1973: 314 Abb. 1). 13

14 denkmalpfleger des Landkreises Offenbach, wurde der Befund im Archäologischen Korrespondenzblatt 1973 vorgestellt (Ulrich 1973). Als Fürstengrab bezeichnete erstmals Johann Geiß das Rumpenheimer Wagengrab. Ein Kapitel seines Rückblicks auf seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger der Stadt Offenbach trägt den Titel: Ein Fürstengrab der Hallstattzeit auf Offenbacher Boden (Geiß 1982: 75 87). Da Fürst nicht in Anführungszeichen geschrieben ist, hat man von einem Gebrauch in einem buchstäblichen Sinne auszugehen. Worin könnte dieser in dem vorliegenden Fall bestehen? Oder anders gefragt: Was macht den Toten aus dem Wagengrab zu einem Fürsten? Zunächst einmal hat Fürst bekanntlich zwei Bedeutungen, eine relative, auf die Etymologie ( der Erste, der Vorderste ) verweisende und eine davon abgeleitete absolute, einen hohen aristokratischen Würdenträger bezeichnende, der eben nicht nur relativ zu einer räumlich und zeitlich enggefassten Vergleichsgruppe, sondern auch im Epochen- und Kulturvergleich herausgehoben ist. Da umgangssprachlich die erste Bedeutung nicht mehr repräsentiert ist,3 hat man zunächst einmal davon auszugehen, dass ohne nähere Spezifizierung die zweite gemeint ist. Der Gebrauch des Begriffes in der Hallstattforschung lässt sich bekanntlich auf Eduard Paulus (d.j.) und Oscar Fraas zurückführen.4 Paulus bezeichnete die Grabhügel der Gießübel-Gruppe nahe der Heuneburg als die eines Fürstengeschlechts (Paulus 1877: 8),5 Fraas sprach mit Bezug auf den Römerhügel bei Ludwigsburg und das Kleinaspergle bei Asperg aufgrund von Ähnlichkeiten zu den von Schliemann in Kleinasien untersuchten Grabhügeln von Fürstengräbern.6 Paulus und Fraas rekurrieren damit augenscheinlich auf Fürsten in der zweiten Bedeutung, nicht auf die bloß relationale erste, nach der auch ein spärlich ausgestattetes Grab unter noch ärmlicheren als Fürstengrab bezeichnet werden könnte. Das Grab eines Fürsten ist demnach auch in einer epochen- und kulturvergleichenden Perspektive eine Besonderheit, und als eine solche kann das Rumpenheimer Grab sicher nicht angesprochen werden. Entsprechend hoch ist die Begründungslast für eine Bezeichnung desselben als Fürstengrab. In Erwartung latènezeitlicher Befunde vermuteten die Ausgräber eigentlich einen zweirädrigen Wagen und waren erstaunt, als noch zwei 14 weitere Räder zum Vorschein kamen das, so Geiß, widersprach unserer Arbeitshypothese, denn die vierrädrigen Wagen finden sich ausnahmslos in Gräbern der Edlen und Fürsten der Hallstattzeit, der Zeit vor den Kelten (Geiß 1982: 81). Edle und Fürsten ist eine typische Pseudodifferenzierung, die prätendiert, man könne diese beiden Gruppen im Fundmaterial tatsächlich unterscheiden. Edle ist wohl etwas weiter gefasst als Fürsten, aber wenn bereits Anlage und Ausstattung des Rumpenheimer Grabes für die Identifizierung eines Fürsten hinreichend sind dass ein solcher in ihm bestattet wurde, behauptet ja bereits die Kapitelüberschrift, wie sollen dann noch die Bestattungen der Edlen im Unterschied zu den anderen Bevölkerungsgruppen abzugrenzen sein? Zwar konzediert Geiß, daß nicht jeder Sterbliche der Hallstattzeit sich einen solchen Wagen erlauben konnte (Geiß 1982: 85), aber zwischen einem Fürsten und nicht jedem Sterblichen liegt eben ein Spektrum, das überhaupt erst einmal auszuloten wäre.7 Im weiteren Fortgang des Textes werden Sachverhalte, welche die Fürsten -Hypothese in Frage stellen könnten, durch ad hoc gebildete Zusatzhypothesen unverzüglich entschärft. Dem möglichen Einwand etwa, das Grab insgesamt sei für ein Fürstengrab recht dürftig ausgestattet und auch der Wagen zeige keine Anzeichen einer herausgehobenen Gestaltung, beispielsweise durch Metallbeschläge, wird mit der Annahme einer Beraubung begegnet, für die es im Befund selbst wohlgemerkt keine Anzeichen gibt. Geiß vermutet, daß das Verschwinden des Wagens auf Grabräuber zurückzuführen ist (Geiß 1982: 82), die dann gleichwohl die Räder und deren Beschläge verschmäht hätten. In einer Beraubung sei auch der Grund dafür zu suchen, dass wir keinerlei Schmuck oder besondere Gegenstände, wie etwa Bronzegefäße, gefunden haben (Geiß 1982: 82), die man bei einem Fürstengrab eigentlich voraussetzen könne. Auch hier wäre das Desinteresse der Räuber an der Lanzenspitze erstaunlich, von der es zugleich heißt, sie sei mit einer Länge von 56 cm die größte bisher gefundene Lanzenspitze aus dem gesamten Hallstattbereich (Geiß 1982: 85). Alternativ zu der Beraubungslesart schlägt Geiß die Annahme vor, daß der Fürst ( ) besonderen Wert auf eine spartanische Lebensweise legte und dies auch bei seiner Bestattung zum Ausdruck gebracht haben woll-

15 te (Geiß 1982: 82); die eigentlich unstandesgemäße Ausstattung des Fürstengrabes wird so mit einer Idiosynkrasie des Verstorbenen erklärt. Man sieht, welche argumentativen Salti geschlagen werden müssen, damit die Fürsten -Hypothese aufrechterhalten werden kann. Interessant für unser Thema ist nun die narrative Dynamisierung von Versatzstücken, die sich zu einem Lebensbild des Fürsten konfigurieren sollen. Unwillkürlich taucht die Frage auf, was wohl einen Hallstattfürsten oder Edling bewogen hat, hier im Offenbacher Raum sein Domizil aufzuschlagen? (Geiß 1982: 85). Demnach gab es nicht etwa ein autochthones Fürstengeschlecht im Umkreis des Bestattungsplatzes, der Fürst wurde vielmehr durch irgendwelche glücklichen oder unglücklichen Umstände nach Offenbach verschlagen. Meine Beobachtungen und Überlegungen gehen dahin, daß gerade das Eisen es war, das den vermutlichen Fürsten veranlaßte, hier im Raume Offenbach seinen gewiß befestigten, burgähnlichen Wohnsitz zu errichten (Geiß 1982: 85). Hier nun beginnt sich die Kategorie Fürst zu verselbständigen es wird vorausgesetzt und als Gewissheit postuliert, dass der Fürst auch auf einem Fürstensitz Kimmigscher Prägung residiert haben muss.8 An verschiedenen Stellen im Offenbacher Stadtgebiet angetroffene Eisenschlackenfunde werden als Indizien für Produktionsstätten gewertet, die diesem Schlotbaron der Vorzeit ein angenehmes Leben erlaubten (Geiß 1982: 86). Damit ist das Lebensbild vollendet, und aus dem Toten, der in einem Grab mit einem hölzernen Wagen, einer Lanze, einem Messer, zwei Gefäßen sowie etwas Fleisch beigesetzt wurde, ist ein Fürst geworden, der dank einer quasi-industriell betriebenen Eisenverhüttung zu Wohlstand gekommen war und in einer Burg residierte. Dass die Ergebnisse dieser kühnen Generalisierungen untereinander nicht kompatibel sind, dass das Bild des zum saturierten Industriekapitän mutierten Parvenüs das meint Schlotbaron als Kampfbegriff des 19. Jahrhunderts nicht zu dem des auf spartanische Lebensführung (oder zumindest deren Anschein) bedachten Puritaners passt, spielt keine Rolle mehr. Freilich war Geiß kein Wissenschaftler, und fern liegt es mir, mich an Stilblüten delektieren zu wollen worauf es ankommt, ist die Argumentation, und die ist ein Reflex des Fürstendiskurses der traditionellen Hallstattforschung. Man könnte im Detail aufzeigen, wie bestimmte Denkfiguren und auch rhetorische Figuren der Hallstattforschung in dem Text von Geiß ihren Niederschlag gefunden haben, wie sich zum Beispiel in dem affirmativ-apodiktischen Duktus zeigt, der Brüche und Unklarheiten in der Darstellung verdecken soll (vgl. hierzu Jung i.vorb.). Anlässlich einer Neugestaltung der archäologischen Abteilung des Offenbacher Stadtmuseums 2000 wurde der gesamte Fundkomplex ausgestellt, ergänzt um eine Rekonstruktion des Wagens (Abb. 2), über die Gesine Weber, Untere Denkmalschutzbehörde des Kreises Offenbach, in der Festschrift für Fritz-Rudolf Herrmann 2001 berichtet hat (Weber 2001). Dieser Bericht vermeidet mit einer (allerdings in Anführungszeichen geschriebenen) Ausnahme9 konsequent die Vokabel Fürst und deren Komposita. Diese Rekonstruktion sei kurz daraufhin betrachtet, wie sie über das dem Grabbefund zu Entnehmende hinaus ergänzt wurde. Erstens ist eingedenk der von Geiß geäußerten Zweifel daran, ob neben den Rädern überhaupt auch ein Wagen beigegeben wurde, zunächst einmal der Umstand zu nennen, dass überhaupt ein Wagen rekonstruiert wurde, denn Holzspuren vom Wagenkasten wurden trotz genauester Untersuchung nicht ermittelt (Ulrich 1973: 313). Abb. 2: Rekonstruktion des Wagens (nach Weber 2006: 15). 15

16 Zweitens liegt der Tote auf dem Wagenkasten, nicht unter dem Wagen. Auch das geht aus dem Befund nicht hervor, es entspricht den Darstellungsgepflogenheiten, die aber nicht unproblematisch sind, wie etwa ein Blick auf Grab VI des unweit der Heuneburg gelegenen Hohmichele zeigt: Auch wenn dies in Beschreibungen oft behauptet und in Rekonstruktionszeichnungen so wiedergegeben wird, lag in diesem Wagengrab mit einer weiblichen und einem männlichen Toten die Frau eben nicht auf dem Wagenkasten, sondern, wie Grabplan und Fundkatalog erhellen, neben dem Mann auf dem Grabkammerboden, denn beim Zusammenbruch des Wagens wurden Glasperlen der Kette der Frau von einer Achse zerdrückt (Riek 1962: 95; vgl. auch Jung 2006: 98f.). Was sich als Indiz für eine Positionierung des Rumpenheimer Toten auf dem Wagen anführen ließe, wäre die Tatsache, dass sich gemäß dem Grabplan (Abb. 1) die Lanzenspitze eindeutig auf einer Wagennabe befand. Auffällig ist außerdem, dass Ulrich und Geiß, die bei der Ausgrabung zugegen waren und es daher also wissen müssten, die Frage nach der Positionierung des Toten offenlassen und gerade nicht auf die Lage der Lanzenspitze verweisen.10 Das einzige mir zugängliche Bild von der Befundsituation stammt aus einem Zeitungsbericht der Offenbach Post (16./ ) über die Ausgrabungstätigkeiten. Diesem Bild zufolge ist die Überlagerung mitnichten so klar, wie es die Rekonstruktionszeichnung suggeriert. Die Lanzenspitze selbst war bei der Auffindung zerbrochen, ihre Teile bildeten einen stumpfen Winkel, was auf dem Grabplan getilgt ist, der sich somit als Kompromissbildung zwischen Dokumentation und Rekonstruktion erweist, was bei der Klärung von Fragen, für welche die Auffindungssituation entscheidend ist, eine erhebliche Einschränkung bedeutet. Die Rekonstruktion des Wagens jedenfalls entscheidet sich für einen auf dem Wagenkasten liegenden Toten und folgt damit einer Logik der Aufbahrung und Exponierung des Leichnams. Drittens fällt die Verhüllung des Toten mit polychromen Textilien auf, wofür es im Befund keine Hinweise gibt. Obgleich dies nicht erwähnt wird, haben wohl die Textilienfunde aus dem Hochdorfer Grab Pate gestanden (vgl. Banck-Burgess 1999), aber es ist fraglich, ob sich die Elemente dieses exzeptionellen Befundes ohne Weiteres übertragen lassen. Eine Ver- 16 wendung der Textilien bei der Rekonstruktion suggeriert eine ostentative Prachtentfaltung im Zuge der Bestattungshandlungen. Viertens schließlich weist die Wagenrekonstruktion eine lenkbare Vorderachse auf, was einen erheblichen technischen Aufwand bedeutet, der mit der Grablegung der Weiterverwendung entzogen wurde. Überblickt man die vier genannten Aspekte Rekonstruktion eines vollständigen Wagens, Positionierung des Toten auf dem Wagenkasten, Verhüllung mit polychromen Textilien, lenkbare Vorderachse, so konvergieren sie sämtlich in Richtung einer Bedeutungssteigerung des Rumpenheimer Wagengrabes. Das leitet über zu der Präsentation der Rekonstruktion in der Aschaffenburger Keltenausstellung und zu der ihm zugeordneten Erläuterungstafel, die nachfolgend in Gänze diskutiert werden soll. Auf dieser heißt es: Der Fürst von Rumpenheim Ohne dass dies deutlich markiert wäre, soll hier möglicherweise eine leise Ironie durch die Verbindung von Fürst und dem etwas provinziellen Ortsnamen Rumpenheim zu Ausdruck gebracht werden. Wie in dem Titel des Kapitels von Geiß Ein Fürstengrab der Hallstattzeit auf Offenbacher Boden finden sich hier keine einschränkenden oder modifizierenden Anführungszeichen. Vergleicht man die Titel, so ist eine Akzentverschiebung festzustellen: Während Geiß einen Befund zeitlich und räumlich bestimmt, verheißt Der Fürst von Rumpenheim eine umfassende Darstellung der Lebensumstände des Bestatteten, unter diesen Titel könnte auch die Schilderung eines mittelalterliche Feudalherrschers gefasst sein. Auf diese Weise wird Rumpenheim unter der Hand von einem bloßen Fundort zur Residenz oder zum Herrschaftsgebiet des Fürsten. Ausgeschlossen ist damit eine Verwendung des Begriffes im Sinne der auf die Etymologie Bezug nehmenden relativen Bedeutung. Es folgt in etwas kleinerer Schriftgröße: Ein Kleinkönig am Mainufer Kleinkönig wird offenbar als Synonym für Fürst gebraucht, und damit bestätigt sich die Vermutung, dass Fürst nicht relational bestimmt wird, sondern das Grab eine Qualität haben muss, die es nicht nur im Vergleich mit anderen dieser Kultur und Zeitstellung, sondern bereits für sich als fürstlich bzw. (klein-)königlich ausweist. Offen bleibt zunächst,

17 ob Kleinkönig sich auf ein vergleichsweise kleines Herrschaftsgebiet bezieht oder auf den Umstand, dass noch ein Groß könig in der Hierarchie über ihm stand. Am Mainufer bedeutet eine Lokalisierung, die, verglichen mit der Formulierung Ein Kleinkönig am Main, eine unmittelbare Nähe zum Fluss betont. In derselben Schriftgröße wie der Haupttext der Er läuterungstafel, aber durch Fettdruck hervorgehoben, schließt sich nach Titel und Untertitel eine Überschrift an: Das Grab Diese Überschrift macht deutlich, dass es um einen Grabbefund geht, denn würde auch die fürstliche Residenz thematisiert werden, wäre im Normalfall eine Darstellung zu erwarten, die, der Sequenz des Lebens folgend, diese Residenz vor dem Grab behandelt wurde bei Ausgrabungen bei OffenbachRumpenheim ein großes Wagengrab entdeckt. Die Rede von einer Entdeckung des Grabes impliziert, dass die Ausgrabungen nicht ihm galten, sondern es im Zuge von Ausgrabungstätigkeiten mehr oder weniger zufällig entdeckt wurde, was ja auch der Fall war. Wird in der Überschrift nur Rumpenheim erwähnt, so wird es hier als Stadtteil von Offenbach vorgestellt, was die Lesart einer zaghaft ironischen Andeutung stützen könnte, die auch die Funktion hat, Neugier zu erzeugen. Wagengrab ist ein Terminus, der ein Grab bezeichnet, in dem sich als dominierende Beigabe ein Wagen befindet; einem Laien, so eine Erkenntnis der Besucherbefragung, ist diese Bedeutung nicht unmittelbar einsichtig, denkbar wäre eine solche Bezeichnung beispielsweise auch für ein Grab in Gestalt eines Wagens. Von diesem Grab wird außerdem ausgesagt, es sei ein großes Wagengrab, also auch für ein Wagengrab groß, während es bei einem Blick auf den Grabplan (Abb. 1) eher den Anschein hat, dass der Wagen den zur Verfügung stehenden Raum weitgehend in Anspruch nahm. Auch hier im Kleinen zeigt sich damit ganz analog zu der Rekonstruktion ein Bemühen um eine Bedeutungssteigerung. In einer Steinkammer von 4,3 x 2,8 m war eine vergangene Kammer aus Holzbalken eingestellt. Wörtlich genommen sagt dieser Satz aus, eine steinerne Kammer sei zunächst errichtet worden, in die man anschließend eine hölzerne Kammer einbrachte. Zu fragen ist hier, ob man die beiden Kammern tatsächlich in der beschriebenen Weise als getrennte Konstruktionen ansehen kann oder ob nicht vielmehr die Holzkonstruktion eine Stütz- und Stabilisierungsfunktion für die Steinkonstruktion hatte. In dem Ausgrabungsbericht jedenfalls wird von dem organischen Stützmaterial gesprochen, von dem nur noch schwache Holzspuren ermittelt werden (Ulrich 1973: 313) konnten. Etwas irritierend ist außerdem die Rede von der vergangenen Holzkammer, denn zum Zeitpunkt der Einstellung war sie eben noch nicht vergangen. Dies weist auf ein Oszillieren der Darstellung zwischen der Beschreibung des Befundes einerseits und seiner Rekonstruktion andererseits hin, wie sie auch schon für den Grabplan festgestellt worden ist. Darin fand sich die Bestattung eines etwa 50jährigen Mannes, der mit seinen Beigaben auf dem Kasten eines vierrädrigen Wagens beigesetzt worden war. Der Wagen hatte eisenbeschlagene Holzräder, an Waffen besaß er eine große Eisenlanze, mit Bronzeeinlagen verziert, und ein eisernes Hiebmesser. Die Vorbehalte gegenüber der Lesart eines auf dem Wagenkasten liegenden Toten sind oben bereits ausgeführt worden. Das soeben konstatierte Changieren des Textes zwischen Befund und Rekonstruktion zeigt sich auch in der Formulierung eine große Eisenlanze, denn die Lanze war nicht als solche erhalten, sondern nur die Lanzenspitze, und das groß ist daher auf sie zu beziehen. Dazu waren in der Grabkammer noch handgetöpferte Keramik und Speisebeigaben abgestellt. Demnach befanden sich diese Beigaben auf dem Boden der Grabkammer, nicht auf dem Wagenkasten. Interessant ist das dazu, denn es kann zum einen im Sinne bloßer Addition, zum anderen aber auch im Sinne der Komplettierung eines zusammengehörigen Ganzen verstanden werden. Letzteres wäre eine freilich unscheinbare Imputation von Sinn nicht durch Argumentation, sondern allein durch sprachliche Darstellung und damit ein mikrologisches Exempel für Narrativität. Das Grab des Fürsten von Offenbach-Rumpenheim und das seines Nachbarn aus Frankfurt-Stadtwald sind die am nördlichsten gelegenen Wagengräber dieser Art. Nun wird Fürst in Anführungszeichen geschrieben, was eine Distanzierung von der wörtlichen Bedeutung bedeutet, die aber nicht semantisch gefüllt 17

18 wird. Auch der Nachbar aus dem Frankfurter Stadtwald steht in Anführungszeichen, angespielt wird hier, wie man sich nur durch Hinzuziehung von Kontextwissen erschließen kann, auf das Zentralgrab aus Grabhügel 1 der Eichlehen-Nekropole in dem an Offenbach angrenzenden Frankfurter Stadtteil Oberrad. Dieser Grabhügel musste dem Autobahnbau weichen und wurde in den Jahren 1966/67 ausgegraben. Zur Ausstattung des Zentralgrabes gehörten unter anderem eine Situla und eine Rippenschale, ein großes Griffzungenschwert mit Ortband und ein aufwändig mit Bronzezwecken geschmücktes Joch. Zum Fürstengrab hochgemendelt wurde es erst im Jahre 2002, als zeitgleich mit der hessischen Landesausstellung Das Rätsel der Kelten vom Glauberg in der Frankfurter Ausstellungshalle Schirn das in der Nähe gelegene Archäologische Museum die Grabausstattung in einer Sonderausstellung präsentierte, die den Titel Der Keltenfürst aus Frankfurt trug. Die Transformation in der Darstellung des Grabes von Ulrich Fischers sachhaltig-nüchterner Grabungspublikation (Fischer 1979) zu dem von der Fürstlichkeit des Toten durchdrungenen Begleitband der Sonderausstellung (Willms 2002) wäre ein eigenes Thema, es sei nur kurz die in Letzterem vorgenommene Rechtfertigung des Fürstenbegriffs diskutiert. Dort heißt es (Willms 2002: 6): Das Wort Fürst wird im allgemeinen mit mittel alterlichen bzw. frühneuzeitlichen Herrschafts- und Gesellschaftsstrukturen Europas assoziiert. Eine regelkonstituierte sprachliche Bedeutung wird auf bloße Assoziationen reduziert und damit weitgehend der Beliebigkeit anheimgegeben. Während genau die Regelhaftigkeit sprachlicher Bedeutung die Folie bildet, vor deren Hintergrund Strittigkeiten geklärt werden können, sind Assoziationen von vornherein nicht kritisierbar man kann ein Gegenüber auffordern, Begriffe und Argumente zu präzisieren, nicht aber, genauer zu assoziieren. Daher lassen sich Assoziationen auch niemals zur Grundlage einer Methode der Bedeutungsrekonstruktion machen.13 Im Zusammenhang mit der früheisenzeitlichen keltischen Gesellschaft sollte man es nur verwenden, wenn man sich der Übertragungsproblematik bewusst ist. Die angesprochene, aber nicht weiter ausge führte Übertragungsproblematik liegt darin, dass Phäno- 18 menen ein unpassender Begriff übergestülpt wird, aber diese Malaise wird nicht durch Bewusstseinsinhalte des Übertragenden getilgt oder abgemildert. Vielmehr müsste sich der Rezipient derartiger Verwendungen darüber im Klaren sein, dass hier mit unsauberen Begrifflichkeiten hantiert wird, aber dafür gibt es eben keine Gewähr. Dann gibt es gute Gründe, diese alteingeführte Bezeichnung auch auf die frühkeltische Führungsschicht anzuwenden. Worin diese guten Gründe bestehen, wird so wenig erläutert wie die Übertragungsproblematik, aus deren Bewusstsein die angeführte Folgerung resultieren soll, und dies verleiht der ganzen Passage den Charakter einer argumentationslogischen Luftbuchung. Aber zurück zu dem Rumpenheimer Befund: Da dieser Stadtteil östlich der Stadtmitte Offenbachs gelegen ist, das Grab des Frankfurter Nachbarn aber westlich von dieser, liegt keine unmittelbare Nachbarschaft vor, die beiden Gräbern sind ca. fünf Kilometer voneinander entfernt. Ganz abgesehen davon, datiert das Eichlehen-Grab nach HaC und ist somit wesentlich älter als das Rumpenheimer. Eine Kategorisierung als Nachbarn, und das ist mit Blick auf die Narrativitätsthematik von Interesse, suggeriert eine Nähe und eine Zusammengehörigkeit, die nicht gegeben ist und auch gar nicht gegeben sein kann. Zu dieser Suggestion eines Zusammenhangs passt auch die Bezeichnung des Eichlehen-Grabes als Wagengrab, obwohl es keine Hinweise auf einen Wagen als Teil der Grab ausstattung gibt. Nur etwa 240 solcher Gräber sind bis heute aus den Kerngebieten der frühen Kelten bekannt. 240 erscheint zunächst einmal als eine recht stattliche Anzahl, und ganz in diesem Sinne wird das Rumpenheimer Grab in dem Katalog zur Ausstellung als eines von über 240 ( ) bekannten späthallstattzeitlichen Wagengräbern (Marquart 2010: 0) vorgestellt. In dem Katalog wird folglich die Größe der Zahl, auf der Erläuterungstafel dagegen ihre Kleinheit akzentuiert, und auch in dieser auf der Tafel gewählten Formulierung artikuliert sich das Bemühen um die Betonung der Exklusivität und Herausgehobenheit des Befundes. Das besondere Grab von Rumpenheim wurde ganz nah am Main auf einer Niederterrasse, nahe an einer

19 Mainfurt angelegt. Sicher hat sein Reichtum auch mit dem nahen Verkehrsweg auf und über den Main zu tun. Die aus der Lokalisierung am Mainufer zu erschließende unmittelbare Flussnähe bestätigt sich. Mit dieser Nähe ist sein Reichtum zu erklären, nicht wie bei Geiß mit der Kontrolle über die Eisenproduktion. Anders als Geiß vermeidet dieser Text Konkretisierungen, wie der Zusammenhang von Verkehrsweg und Reichtum beschaffen war, am ehesten könnte man wohl an eine Art Zoll denken, die man bei dem Toten zu entrichten hatte, wenn man den Main überqueren oder sich auf ihm fortbewegen wollte. Er hätte somit sekundär von Handelstransaktionen profitiert. Über den Wagen und die Lanzenspitze hinaus erweckt das Grab freilich nicht den Eindruck, exzeptionell reich zu sein, und aufgrund seiner Dürftigkeit für ein Fürstengrab wertete Geiß das Inventar ja auch als Ausdruck einer spartanischen Lebensführung. Offensichtlich ist die Rede von Reichtum hier relativ zu verstehen, das heißt im Vergleich mit anderen Gräbern dieser Epoche in der näheren oder weiteren Umgebung ist das Grab als reich zu klassifizieren. Das steht in gewissem Widerspruch dazu, dass Fürst ganz offensichtlich im Rekurs auf die immanente Qualität des Grabes definiert wurde und gerade nicht relational. Die Bestattung des Regionalfürsten ist noch traditionell angelegt: auf einem vierrädrigen Totenwagen. Doch seine Lanze zeigt in Form und Größe schon den Stil keltischer Waffenschmiede. Der Text schließt mit einer Kennzeichnung des Wagengrabes als eine Art Übergangsphänomen, das zwischen Traditionalität und Neuerung vermittelt. Einerseits liegt der Tote ganz im Sinne der Tradition noch auf einem vierrädrigen Wagen dessen Bezeichnung als Totenwagen im Übrigen durchaus voraussetzungsvoll ist, andererseits weisen Form und Größe der Lanzenspitze bereits in die Zukunft. Damit wird eine Dynamisierung erreicht, eine sinnhafte Einbettung in einen größeren Zusammenhang, in welchem der Befund als Mittler zwischen Tradition und Avantgarde erscheint. Das ist mehr als eine bloß chronologische Einordnung, es ist die narrative Aufladung mit Sinn, wie sich an den für sich unscheinbaren Partikeln noch und doch zeigt: Das noch verweist über das bloß zeitliche Verhältnis hinaus auf ein traditionalistisches Beharrungsvermögen, das bereits tendenziell unter Rechtfertigungsdruck gerät, das adversative doch dagegen markiert in Verbindung mit dem schon ein eigentlich unzeitgemäßes Ausgreifen auf Zukünftiges. Regionalfürst ist wieder eine Pseudodifferenzierung, ähnlich wie bei Kleinkönig ist hier unklar, ob sich die Herrschaftsorganisation in einer Pluralität derartiger Herrscher erschöpfte oder ob es noch einen übergeordneten gab. Ergänzend seien noch kurz zwei ebenfalls auf den Rumpenheimer Toten bezogene Beispiele für das Schillern des Fürstenbegriffes zwischen der relativen und der absoluten Bedeutung angeführt. Ein Beitrag von Gesine Weber über das Wagengrab in einem Band über die Geschichte Rumpenheims trägt den Titel: Das hallstattzeitliche Wagengrab: Offenbachs erster Fürst? (Weber 2006). Hier ist offensichtlich die emphatische, absolute Bedeutung gemeint, der Fürst wird, wenn auch hypothetisch, als Vorläufer der mittelalterlichen Herren von Rumpenheim vorgestellt. Im Text selbst heißt es dann, man komme nicht umhin, in den Gräbern von Eichlehen und Rumpenheim die Grablege einer höhergestellten Person, der eines Fürsten, zu sehen (Weber 2006: 14), und damit wird wieder auf den relationalen Fürstenbegriff zurückgegriffen. Zweites Beispiel: Im Begleittext zu der archäologischen Fundortkarte von Offenbach, die im Haus der Stadtgeschichte gleich neben den Funden und der Rekonstruktion des Wagengrabes hängt, heißt es: Das keltische Wagengrab der Älteren Eisenzeit aus der Flur Am Klingenrain bei Rumpenheim steht hinsichtlich seiner Grabanlage und der Beigaben in der Tradition reich ausgestatteter süddeutscher Fürstengräber. Dort wurde der Angehörige einer Familie bestattet, die Macht und überregionale Bedeutung besaß 14. Die Formulierung, das Grab stehe in der Tradition der süddeutschen Fürstengräber ist außerordentlich raffiniert, weil sie offenlässt, ob es damit selbst ein Fürstengrab ist oder aber eben nur in der Tradition der Fürstengräber steht und mit diesen gewisse Ähnlichkeiten hat. Damit wird aber auch deutlich, in welchem Ausmaß der Leser bzw. Ausstellungsbesucher gezwungen ist, zwischen den Zeilen zu lesen und Exegese zu betreiben, was sicher nicht im Sinne der Wissensvermittlung sein kann. Warum wird mit einer solchen Zähigkeit an dem 19

20 Fürstenbegriff festgehalten, obgleich an terminologischen Alternativen kein Mangel herrscht? Ganz wesentlich scheint mir der Grund hierfür darin zu liegen, dass aus der Orientierung an dem geschichtswissenschaftlichen Ideal der Narrativität die Notwendigkeit folgt, Akteure und Handlungsinstanzen ausfindig zu machen schon Droysen wies darauf hin, dass Vorgänge, die etwa dem Bereich der Strukturgeschichte zuzurechnen sind und bei denen derartige Handlungsinstanzen nicht identifiziert werden können, sich auch nicht erzählen lassen: Ich wüßte nicht, wie man die Geschichte einer Sprache, die Geschichte einer Rechtsinstitution oder zum Exempel der Dreifelderwirtschaft erzählen sollte (Droysen 1977: 234). Aus diesem Bemühen um narrative Anschaulichkeit heraus ist das Insistieren auf dem Fürsten als herausragender Einzelpersönlichkeit und auf den Kelten als kollektiver Handlungsinstanz zu erklären, und genau diese Konstrukte werden dann ihrerseits zum Ausgangpunkt populärer Darstellungen, die den Faden weiterspinnen. Anmerkungen 1 Vgl. Leskovar 2005;Veit 2006; Rieckhoff Vgl. hierzu ausführlich Rieckhoff Wenn wir beispielsweise sagen, dass wir ein fürstliches Abendessen genossen haben, beziehen wir uns auf die zweite, abgeleitete Bedeutung von Fürst bzw. fürstlich. 4 Zur Geschichte der Verwendung des Begriffes Fürst in der prähistorischen Archäologie vgl. ausführlich Schweizer Ohne Zweifel war diese Heineburg der feste Standplatz jenes Fürstengeschlechtes, das in einem der Hügel begraben liegt; denn dass hier ein Geschlecht höchsten Ranges bestattet wurde, beweisen jene Grabbeigaben, vor allem die für diese Zeit so sehr kostbaren und zahlreichen Goldschmucksachen (Paulus 1877: 8). 6 Ich nenne die grossen Hügel Fürstengräber, oder nach dem Vorbilde der Hügel in Kleinasien, welche Schliemann untersucht hat, Heroenhügel und bedaure nur, dass der grosse Hügelforscher selbst, den alle hier erwartet haben, nicht unter uns ist, um seine Hügel mit unseren süddeutschen Hügeln zu vergleichen. Auf mich wenigstens haben die Hügel an der Besikabai und bei Hissarlik, die ich mit eigenen Augen von den Dardanellen aus gesehen habe, ganz denselben Eindruck gemacht, wie etwa unsere schwäbischen Fürstengräber (Fraas 1879: 108). 7 Geiß reserviert den Gebrauch des Terminus Kelten in dem angeführten Zitat für die Latènezeit, er erliegt damit nicht der Versuchung, bezogen auf die Hallstattzeit von frühen Kelten zu sprechen, was gleichfalls eine beliebte Pseudodifferenzierung ist. So schließt der Text denn auch mit den beschwörenden Worten: Man hofft, daß irgendein Zufall eines Tages Spuren der Siedlung an das Tageslicht bringt, Reste einer hallstättischen Burgsiedlung, die dagewesen sein muß! (Geiß 1982: 87). Eine aufwendige Rekonstruktion des Wagens mit dem darauf liegenden Toten und seinen Beigaben geben den Besuchern ein anschauliches Bild der fürstlichen Bestattungen der älteren Eisenzeit (Weber 2001: 107). Geiß spricht nur hypothetisch von dem Toten, der bei der Bestattung wohl auf dem Wagenkasten gebettet wurde (Geiß 1982: 81); vgl. auch Driehaus 1975: 66. Gesine Weber M.A. danke ich für den Hinweis auf dieses Bild und für Einblicke in die Grabungsdokumentation, die in der Frage nach der Lage der Lanzenspitze keinen Aufschluss gibt. Ich danke Dr. Markus Marquart für die Erlaubnis, den Text der Tafel zitieren zu dürfen. Vgl. hierzu die Kritik Ulrich Oevermanns an der psychoanalytischen Methode der Tiefenhermeneutik (Oevermann 1993). Unter fundortkarte.pdf ist die Fundortkarte im Internet einzusehen.

21 Literatur Banck-Burgess, J. (1999), Hochdorf IV. Die Textilfunde aus dem späthallstattzeitlichen Fürstengrab von Eberdingen-Hochdorf (Kr. Ludwigsburg) und weitere Grabtextilien aus hallstatt- und latènezeitlichen Kulturgruppen. Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. Baden-Württemberg 70. Stuttgart: Theiss. Driehaus, J. (1975), Beobachtungen zur Lage des Toten in Wagengräbern der Hallstatt- und frühen Latène-Kultur. Hamburger Beitr. Arch.V/1: Droysen, J.G. (1977), Historik. Rekonstruktion der ersten vollständigen Fassung der Vorlesungen (1857). In: Ders., Historik. Historisch-kritische Ausgabe 1. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog: Fischer, U. (1979), Ein Grabhügel der Bronze- und Eisenzeit im Frankfurter Stadtwald. Schrift. Frankfurter Mus.Vor- u. Frühgesch. 4. Frankfurt am Main: Waldemar Kramer. Fraas, O. (1879), [ohne Titel; Bericht über die Ausgrabungen am Römerhügel ( Belremise ), Ludwigsburg, und am Kleinaspergle, Asperg.] Korrbl. Dt. Ges. Anthr. 8/10: Geiß, J. (1982): Der Vorgeschichte auf der Spur. Offenbacher Geschbl. 32. Hoernes, M. (1923), Prähistorische Archäologie. In: Schwalbe, G., Fischer, E. [Hrsg.], Anthropologie. Die Kultur der Gegenwart. Ihre Entwicklung und ihre Ziele 3. Teilbd., 5. Abt. Leipzig, Berlin: Teubner: Jung, M. (2006), Zur Logik archäologischer Deutung. Interpretation, Modellbildung und Theorieentwicklung in der Urgeschichtswissenschaft am Fallbeispiel des späthallstattzeitlichen Fürstengrabes von Eberdingen-Hochdorf, Kr. Ludwigsburg. Universitätsforsch. Prähist. Arch Bonn: Habelt. (i.vorb.), Hofberichterstattung. Zur Wirkmächtigkeit des narrativen Ideals in der Hallstattforschung. Erscheint in: Ethnogr.-Arch. Zeitschr. Kimmig, W. (1969), Zum Problem späthallstättischer Adelssitze. In: Otto, K.-H., Herrmann, J. [Hrsg], Siedlung, Burg und Stadt. Studien zu ihren Anfängen [Festschr. P. Grimm]. Deutsche Akad. Wiss. Berlin, Schr. Sektion Vor- u. Frühgesch. 25. Berlin: (1983), Die griechische Kolonisation im westlichen Mittelmeergebiet und ihre Wirkung auf die Landschaften des westlichen Mitteleuropa. Jahrb. RGZM 30: Leskovar, J. (2005), ArchäologInnengarn.Vom Nutzen erzählender und mehrfacher Deutung prähistorischer Evidenz. In: Karl, R., Leskovar, J. [Hrsg.], Interpretierte Eisenzeiten 1. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 1. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Stud. Kulturgesch. Oberösterreich 18: Loer, Th. (1996), Halbbildung und Autonomie. Über Struktureigenschaften der Rezeption bildender Kunst. Beitr. sozialwiss. Forsch Opladen: Westdeutscher Verlag. Marquart, M. [Hrsg.](2010), KeltenLand am Fluss. Die Kelten im Rhein-Main-Gebiet. Ausstellungskat. Aschaffenburg Rahden/Westf.: Leidorf. Oevermann, U. (1993), Die objektive Hermeneutik als unverzichtbare methodologische Grundlage für die Analyse von Subjektivität. Zugleich eine Kritik der Tiefenhermeneutik. 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Wotzka, H.P. [Hrsg.](2006), Grundlegungen: Beiträge zur europäischen und afrikanischen Archäologie für M.K.H. Eggert. Tübingen: Francke. 21

22 22

23 Eine kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise der eisenzeitlichen Kelten Michela Vignoli Zusammenfassung* Die eisenzeitlichen Kelten sind ein gutes Beispiel für das Heranziehen von Quellen verschiedener Fachgebiete zur Konstruktion eines Ethnos bzw. einer Kultur bzw. einer Identität. Die Problematik dieser Begriffe ist in der Archäologie ebenso präsent wie in anderen Kulturwissenschaften. Verschiedene Disziplinen haben sich mit den unterschiedlichen Quellen befasst und dazu ihre eigenen Modelle und Perspektiven erarbeitet, nicht immer jedoch die von den Nachbarwissenschaften erarbeiteten Theorien reflektierend. Anhand der eisenzeitlichen Kelten soll zusammengefasst werden, wie antike Begriffe und Konzepte zum Umgang mit frühgeschichtlichen Quellen in der modernen Keltenforschung diskutiert werden. Bei jeder Bezeichnung von kulturellen Prozessen und deren Zeugnissen handelt es sich im Grunde um konstruierte Begriffe, welche die komplexe Realität in ein reduziertes Ordnungsgebilde eingliedern. Auf diese wiederum stützen sich weitere wissenschaftliche Interpretationen. Es sind Versuche, sich so genau wie möglich an die überlieferte Realität zu halten. Doch die Forschungsarbeit wird aus einer bestimmten Perspektive anhand bestimmter Methoden betrieben, durch welche die Ergebnisse beeinflusst werden. Die Herausforderung für die Wissenschaft besteht darin, zwischen den die Realität vereinfachenden, wissenschaftlich konstruierten Kategorien und der historischen, sozialen Realität zu unterscheiden. Kultur als Konzept und als Kategorie, auf die man weitere Interpretationen stützen will, kann nur funktionieren, wenn Komplexität und Dynamik der Lebenswirklichkeit mitberücksichtigt werden. Um der Komplexität und Vielseitigkeit der für uns fassbaren kulturellen Prozesse näher zu kommen, scheint mir eine starke interdisziplinäre Arbeitsweise, die verschiedene Zugangsweisen, Perspektiven und Konzepte thematisiert, der richtige Ansatz zu sein. 23

24 Abstract The Celts of the Iron Age are a good example for the construction of an ethnos, a culture or an identity based on sources of different disciplines. The problematic nature of these terms is present in archaeology as in other cultural studies.various disciplines have created their own models and perspectives based on the different sources, not always reflecting on the theories of their related disciplines. By the example of the Iron Age Celts I want to summarize how ancient terms and concepts are under discussion in the modern Celtic Studies. Each denomination of cultural processes and their testimonies are constructed terms that integrate the complex reality in a reductive ordinal model, on which the further interpretations are based on. The scientists attempt to conform to the traded reality, but their work is marked by their own point of view. The results are always under the influence of the taken perspective and methods. The challenge for the science is to differentiate between the scientistic constructed terms, that simplify the reality, and the historical, social reality itself. Culture as a concept and category as basis of further interpretations can only be fruitful if the dynamics and complexity of the everyday reality are taken count of. It seems to me, that to advance towards a complex and versatile comprehension of cultural processes of the past only an interdisciplinary method, that includes various approaches, perspectives and concepts, is appropriated. 1. Einleitung Die Kelten Menschen aus der Vergangenheit. Über sie werden viele Geschichten erzählt. Sie sind uns namentlich aus der Alten Geschichte bekannt und die wenigen erhaltenen Nachrichten regen Phantasie und Entdeckergeist an. Die althistorischen Quellen verschaffen dem Keltenbegriff historische Hintergründe und bilden die Grundlage für konzeptuelle Begriffe, die sich im Laufe der Forschungsgeschichte herausbildeten und veränderten (vgl. Birkhan 1997: 38 43; Collis 2006 [2003]: 13 26). Über die Sprache, die materielle Kultur und andere kulturelle Eigenschaften der eisenzeitlichen Kelten bieten uns unterschiedliche Quellen Zugang. Diese ermöglichen uns die Rekonstruktion ihrer Lebensweise, ihrer Kultur; wir skizzieren ein bestimmtes Keltenbild. Doch inwieweit ist es möglich, in ihre Vergangenheit zurückzublicken? Wir können versuchen, die Kelten zu beschreiben: Menschen mit einem Ethnos, mit Identität(en), Kultur(en), Sprache(n), materielle Kultur(en), Die se Kategorien sind allesamt Begriffe, dieversuche darstellen, Lebenswirklichkeiten zu beschreiben (vgl. Brather 2004: 333; 338; v.a. 357; Eggert 2003: 455; Bühnen : 507; Habermas 1981: ). Um ein besseres Verständnis der komplexen kulturellen und sozialen Prozesse der Vergangenheit zu ermöglichen, werden anhand der zur Verfügung stehenden Quellen Erklärungsmodelle entwickelt (vgl. beispielsweise die Debatte zur Ethnogenese der Kelten, z. B. Rieckhoff 2007: 24; Birkhan 1997: 38 43; Urban 2007: ; Kommentar von Karl 2008a: 39 43; Karl 2008b: 3 15). Die Rezeption der Quellen und die wissenschaftliche Arbeit tragen zur Konstruktion von Keltenbildern bei, die von den jeweiligen Forschungsperspektiven und Prämissen abhängen. In der wissenschaftlichen Arbeit wird versucht, die komplexe Realität bzw. die Quellen zu ordnen und zu analysieren, um ein besseres Verständnis der Vorgänge und Entwicklungen zu gewinnen (vgl. zur archäologischen Heuristik Eggert 2005 [2000]: 2 143; Hansen 2005: ). Anhand der unterschiedlichen Quellen, die nur zu vereinzelten Teilen der keltischen Lebenswirklichkeit Einblick gewähren und zudem in den geteilten Disziplinen oft separat behandelt werden, entstehen Teilrekonstruktionen von kulturellen und sozialen Prozessen vergangener Gesellschaften, die aber teilweise als ganzheitliche Modelle behandelt werden. (Vgl. Eggerts [2003: 453] Kritik zu archäologischen Deutungen aufgrund von uni-

25 linearem Denken, die beabsichtigen, vielschichtige archäologische Phänomene einer einheitlichen Deutung zuzuführen. Zum Problem der Verknüpfung interdisziplinärer Quellen vgl. Brather 2004: 31 32; ; Birkhan 1997: ) Die Quellen, die Aufschluss über die eisenzeitlichen Kelten geben, lassen sich wie folgt unterteilen (vgl. Birkhan 1997: 32 51; Birkhan 2005: ; ; ; Collis 2006 [2003]: 13 26; 45 56; ; Rieckhoff 2007: 26 33): archäologisch: diese Quellen lassen sich anhand der Überreste von materiellen Kulturen der Eisenzeit kategorisieren und beschreiben; wobei in Frage steht, in welcher Beziehung diese zu den Gesellschaften, die als keltisch bezeichnet werden können, stehen althistorisch: in diesen Zeugnissen haben wir es mit Fremdbildern der griechischen und römischen Antike zu tun, sowie mit antiken Begriffen, die in spezifischem Kontext verwendet wurden; somit beinhalten diese Quellen Implikationen und müssen kritisch analysiert werden sprachwissenschaftlich: für die Eisenzeit sind nur wenige keltischsprachige Zeugnisse überliefert; anhand der Linguistik lassen sich Sprachfamilien rekonstruieren, welche nach wie vor auf die Kultur-Begriffe Einfluss nehmen. Anhand dieser Quellen kann ein Kelten-Begriff erarbeitet werden, der wiederum als Richtlinie dient, um weitere Quellen aus diesen Fachgebieten der keltischen Kultur zuzuordnen. In diesem Beitrag möchte ich zusammenfassen, wie antike Begriffe und Konzepte zum Umgang mit urgeschichtlichen Quellen in der modernen Keltenforschung diskutiert werden. Dabei wird der Fokus auf den eisenzeitlichen Festlandkelten und der archäologischen Perspektive liegen. Abschließend sollen zentrale Aspekte zur Begriffskonzeption der Kelten zusammengefasst werden. Dieser Beitrag basiert auf Auszügen aus meiner Diplomarbeit an der Universität Wien. 2. Keltenbegriffe Der Begriff Kelten stammt aus der antiken Literatur. Es wurden sechs verschiedene Bezeichnungen für die sogenannten Kelten gebraucht: aus den griechischen Quellen keltoi, keltai, galatai und aus den Römischen celti, celtae, galli (Collis 2006 [2003]: ). Die Verwendung dieser Bezeichnungen war jedoch absolut nicht einheitlich.von den Römern und Griechen wurden sie laut Birkhan (1997: 32) als eine Völkergruppe mit einer gewissen kulturellen Einheitlichkeit wahrgenommen, oder zumindest als solche dargestellt (Collis 2006 [2003]: ; Chapman 1992: 33 34; Brather 2004: 167; Birkhan 1997: 32). Durch die Verbindung der Informationen aus den antiken Quellen mit denen aus anderen Gattungen, haupt sächlich den archäologischen und sprachwissenschaftlichen, hat sich im Laufe der Wissenschaftsgeschichte der kulturhistorische Keltenbegriff herausgebildet, der die Kelten als Volk, als Ethnie oder als Wir-Gruppe, gekennzeichnet durch eine Kultur, versteht (Rieckhoff 2007: 24). Dieses Keltenverständnis geht hauptsächlich auf Déchelette zurück, der 1914 sprachliche, archäologische und althistorische Quellen miteinander kombinierte (Collis 2006 [2003]: 87 92; Rieckhoff 2007: 30 31). Die Konzeption des Keltenbegriffes war geprägt durch linguistische und archäologische Perspektiven. Sabine Rieckhoff (2007: 25) reduziert das gängige Interpretationsmuster zugespitzt auf zwei Komponenten: wer keltisch spricht ist Kelte; die Träger der Latènekultur sind keltisch. Die Keltenforschung wurde als Geschichte der Kelten verstanden, die es zu rekonstruieren galt. Das archäologische Material wurde anhand der in den antiken Quellen überlieferten Informationen ethnisch gedeutet und mit nationalistischen Inhalten aufgeladen. Die Suche nach dem Ursprung, die zur Konstruktion von Vergangenheitsmythen beitragen sollte, verhalf der Kontinuität als Schlüsselbegriff der Nationalgeschichte (Rieckhoff 2007: 25) aufgefasst zu werden. In diesem Geiste entstand auch der bis heute gültige Begriff der archäologischen Kultur, geprägt v. a. durch Gustaf Kossinna und Vere Gordon Childe (Rieckhoff 2007: 25; Karl 2004: 9 ). Von diesem Standpunkt ausgehend entwickelte sich die Definition der Kelten; vereinfacht gesagt ein keltisch sprechendes Volk oder ein Ethnos, das oder der durch eine Kultur gekennzeichnet ist, die sich durch bestimmte Formensprachen manifestiert (vgl. Karl 2004: 9 13; Rieckhoff 2007: 24 25). 25

26 2.1. Quellen der Keltizität: Sprache, antike historische Nachrichten und Latènekultur Über das eisenzeitliche Europa sind uns kulturelle und historische Informationen allein aus archäologischen Quellen und, in den späten Phasen, aus antiken Schriftquellen überliefert. Die keltische Kultur der Eisenzeit wird laut Chapman (1992: 94) hauptsächlich durch die materielle Kultur der Latène-Zeit und die wenigen Informationen zur geistigen Kultur, die uns durch antike Autoren überliefert wurden, definiert. Nach wie vor gilt die keltische Sprache als ein wichtiges Merkmal von Keltizität (Birkhan 1997: 55; Rieckhoff 2007: 29). Wie John Collis (2006 [2003]: 45 56) überzeugend aufgezeigt hat, ist der sprachwissenschaftliche Begriff der keltischen Sprachen jedoch ein modernes Konstrukt, das wenig mit einer Einheit der keltischsprachigen Menschen zu tun hat (Collis 2006 [2003]: 45 56; zusammenfassend Rieckhoff 2007: 29 30; vgl. Birkhan 1997: 55; 46 50; Chapman 1992: 14 23; 24; 70 75). In der Antike gab es wohl keine konkreten Versuche, Sprachen und ihre Zusammenhänge zu klassifizieren bzw. zu erklären. Das Sprechen einer keltischen Sprache nach unserem heutigen, sprachwissenschaftlichen Verständnis war demnach nicht zwingend Teil von antiken Keltenbegriffen. Sprache war auch in der Antike ein wichtiges Element, um Völker zu bestimmen, jedoch nicht so zentral, wie es einige Positionen heute vertreten (Collis 2006 [2003]: 16; 45; Chapman 1992: 70; siehe aber Birkhan 1997: 55). Die moderne Benennung der keltischen Sprachfamilie beruht auf dem hergestellten Zusammenhang von antiken Nachrichten über die Sprachen der Kelten und den sprachwissenschaftlich erschlossenen keltischen Sprachen (Collis 2006 [2003]: 48 54; Rieckhoff 2007: 29; Birkhan 1997: 10; 55; Sims-Williams 1986: 72). Die Hauptquellen für die altkeltischen Sprachen sind Orts- und andere Namensbezeichnungen in griechischen und lateinischen Texten und Inschriften. Die erste keltische Sprache, die formell besser bezeugt ist, ist das Gallische. Sie ist auch die einzige der direkt bezeugten altkeltischen Sprachen, die umfangreicher erhalten ist. Sprachverwandtschaften und Sprachräume werden anhand der überlieferten Sprachzeugnisse rekonstruiert, wobei die verwendeten Bezeichnungen alle aus der antiken 26 Ethnographie stammen (Chapman 1992: 7 8; Brather 2004: 165). Häufig werden die antiken historischen Quellen als Richtlinien für Keltizität herangezogen (Chapman 1992: 165; vgl. Brather 2004: 7 135; Birkhan 1997: 22 31; für eine zusammenfassende Liste der wichtigsten Kelten-Nennungen antiker Autoren siehe Collis 2006 [2003]: 16 25; vgl. Brather 2004: ; Birkhan 2005: ). Es gilt jedoch zu beachten, dass diese überlieferten Informationen, wie Chapman (1992: 165) es ausdrückt, in den Kontext einer Begegnung zweier Kulturen eingebettet sind. Die Texte sind in einer Zeit entstanden, in der die eisenzeitlichen Kelten am Rande einer mächtigeren kulturellen Welt lebten (Chapman 1992: 95, meine Übersetzung). Die antiken Quellen liefern uns in erster Linie stereotypisierte Informationen aus der Perspektive von außen. Zudem wurden die antiken Keltenbegriffe nicht einheitlich und eindeutig gebraucht. Collis (2006 [2003]: ) fasst zusammen, dass die Keltenbegriffe von den antiken Autoren auf vier verschiedene Weisen gebraucht wurden: entweder als spezifische Stammesbezeichnung oder als Bezeichnung einer sozialen oder politischen Einheit; des weiteren als generalisierte Bezeichnung von mehreren sozialen Gruppen, die entweder den Namen eines bestimmten, mit ihnen verwandten Stammes übernommen oder die vordergründig gar nichts miteinander zu tun hatten, aber von äußeren Betrachtern mit einem Terminus zusammengefasst wurden. In jedem Fall muss beachtet werden, dass die Bezeichnungen und Beschreibungen rein von der Perspektive von Außen aus niedergeschrieben wurden und somit nicht die indigenen Ansichten der beschriebenen Gemeinschaften reflektieren. Auch Brather (2004: ) unterstreicht, dass Begriffe wie civitas, populus, gens und natio nicht systematisch verwendet wurden. Die Bedeutung kann nur je nach historischem Kontext ermittelt werden. Ethnien wie die Kelten waren Oberbegriffe der antiken Ethnographie und dienten der klassifikatorischen Ordnung der Barbarenwelt (Brather 2004: 131). Diese waren idealtypisch ausgerichtet und reflektierten keine tatsächlichen sozialen bzw. politischen Gegebenheiten, sondern primär eine geographische Einteilung der unzivilisierten Barbarenwelt. Die Barbaren wurden von Römern und Griechen als die anderen

27 portraitiert, das Gegenstück zu ihrer eigenen Kultur, ihrer zivilisierten sozialen Normalität (Chapman 1992; 165). Dieser Standpunkt wurde in allen antiken Quellen über die Kelten reproduziert. Die Barbaren insgesamt wurden einseitig und nach römischgriechischer Moral bewertet. Des Weitern wurden die einzelnen Ethnien kaum voneinander unterschieden. Die antiken Quellen informieren uns also in erster Linie über die Perspektive und die klassifikatorischen Systeme der Römer und Griechen, und nicht über die Kelten selbst (Brather 2004: 33; 7 0; ; ; ; Birkhan 1997: 22 25; 46 50; 55 56; Collis 2006 [2003]: 13 14; 45 52; 61; ; ; ; Rieckhoff 2007: 26 27; James 1999: 52; Chapman 1992: 1 4; 30 38; 95 97; 1; ; Sims-Williams 1986: 77; Díaz-Andreu 1996: 49 50). Seit dem 19. Jh. werden die Kelten archäologisch häufig der Latènekultur zugeordnet. (Ein rezentes Beispiel ist Gebhards Ausstellungskatalog Das keltische Jahrtausend aus dem Jahre 2003: Die archäologische Erforschung ihrer eigentümlichen Zivilisation, nach einem schweizerischen Fundort Latènekultur (ca v. Chr.) genannt, [ ] zitiert aus Karl 2004: 9 10.) Freilich ist es problematisch, archäologischen Fundprovinzen ethnische Einheitlichkeit zu unterstellen. Die von den Archäologen erfassbare materielle Kultur kann als Indiz für eine gewisse Selbstzuordnung der Kelten aufgefasst werden, muss es aber nicht. Oft wird angenommen, dass mit der Ausbreitung der Latène-Kultur auch die Verbreitung von Sprache, bzw. keltischen Ortsnamen einhergeht (Chapman 1992: 41; vgl. Birkhan 1997: 34 37; Karl 2004: ). Nicht zuletzt wird versucht, anhand der archäologischen und onomastischen Quellen die in den antikhistorischen Quellen überlieferten Migrationen von keltischen Stämmen nachzuweisen. Das Thema Migration ist in den antiken historischen Quellen stark vertreten und wurde in der modernen Forschung häufig als Erklärungsmodell für die beobachtbaren Veränderungen verwendet (siehe Brather 2004: ; Collis 2006 [2003]: 107 4; Chapman 1992: 41 48). Die überlieferten Fakten aus der antiken Literatur wurden in der zeitlich und räumlich gleichen Abgrenzung gesucht und gefunden. Archäologische Kulturen werden in diesen Ansätzen als homogen aufgefasst und komplexe, dynamische Vorgänge vereinfacht interpretiert (Chapman 1992: 6 7; 41 48; Birkhan 1997: 8; 34 35; Collis 2006 [2003]: 107; Brather 2004: 169; ). Es gibt auch Versuche, die Kelten auf noch ältere materielle Hinterlassenschaften zurückzuführen (vgl. z. B. Brather 2004: ). Wie jedoch Birkhan (1997: 33 34) betont, können solche Ansätze nur aus der methodisch fragwürdigen unreflektierten Gleichsetzung sprachlicher und archäologischer Indizien heraus begründet werden Problematische Kelten-Definition Die Kelten zu definieren ist, wie sich in den letzten 10 Jahren Keltenforschung deutlich herauskristallisiert hat, bei weitem nicht unproblematisch. Die uns zur Verfügung stehenden Quellen zu den Kelten der Eisenzeit erlauben uns, wenn überhaupt, nur indirekte Einblicke in ihre Kultur und Identität.Wir sind für ein Keltenbild, das die gesamte Lebensweise erfassen soll, auf die Verknüpfung von den unterschiedlichen Quellen angewiesen (vgl. Birkhan 1997: 17 18; siehe aber Urban 2007: und Kommentar Karl 2008a: 33 36; 38 39). Jedoch bietet das von Vorstellungen des 19. und beginnenden 20. Jh. geprägte kulturhistorische, normative Kulturkonzept keinen geeigneten Lösungsansatz (Karl 2004: 9 10; vgl. für eine ausführliche Entwicklungsgeschichte des Kulturbegriffes in der Archäologie Díaz-Andreu 1996: 48 58; Brather 2004: 52 76; Trigger 2008 [1996]: ). Dennoch wird die keltische Kultur in der Forschung tendenziell noch immer als spezifisch für die Kelten dargestellt und erhält dadurch eine implizierte Homogenität und Kontinuität (vgl. Karl 2008b: 2 3; 15; James 1999: 43 44). Dies wird beispielsweise von der aktuellen Ausstellung Die Kelten. Druiden. Fürsten. Krieger. in der Völklinger Hütte (Völklingen im Saarland, Deutschland) suggeriert (vgl. Der Standard ; Völklinger Hütte 2010). Die keltische Kultur wird als klar begrenzte und definierbare Kategorie behandelt, die, sobald nachweisbar, ein Indiz für die Anwesenheit der Kelten darstellt. Keltische und nicht-keltische Kulturelemente werden laut Chapman (1992: 94 95) einander gegenübergestellt und Veränderungen als Einflüsse fremder Kulturen interpretiert. Das dieser Deutungsarbeit zu- 27

28 grunde liegende Modell ist das von klar definierbaren, eigentümlichen Kulturen, die zugleich charakteristisch sind für ihre Kulturträger (Chapman 1992: 94 95; Karl 2004: 9; 19; Brather 2004: 29 31). Dieser Ansatz ist direkt auf den Kultur- und Ethnosbegriff des 19. Jahrhunderts zurückzuführen (vgl. dazu Brather 2004: 32 52; Jones 1997: 106 0; Trigger 2008 [1996]: 2 313; Reckwitz 2000: 65 79; Eagleton 2001 [2000]: 8; 14; 17 26). Wie können wir also die Kelten definieren? Jeder Definitionsversuch ist geprägt von den gewählten Theorien und Methoden und den dadurch gesetzten Schwerpunkten. In archäologisch-methodischer Hinsicht z. B. können die Aufteilungen in chronologische Stufen und die Darstellung der Verbreitung bestimmter Formen durchaus sinnvoll sein (Brather 2004: 208; vgl. Eggert 2005 [2000]: ). Doch wie Brather (2004: 208) betont, stellen sie eine rein künstliche Abgrenzung in einem kulturellen und historischen Kontinuum dar. Ein zusätzliches Problem ist die Zusammenführung der so gewonnenen Informationen mit denen weiterer Quellen aus anderen Fachgebieten (Brather 2004: ). Als Beispiel hierfür möchte ich die archäologische Perspektive auf die Identifizierung der Latènekultur mit den eisenzeitlichen Kelten grob zusammenfassen. 3. Die archäologische Perspektive: Kelten und Latène-Kultur Für die Eisenzeit- und Keltenforschung waren hauptsächlich die beiden Fundorte Hallstatt in Österreich und La Tène in der Schweiz bezeichnend, nach denen große Fundgruppen benannt wurden (vgl. Collis 2006 [2003]: 74 75). Durch die steigende Fundanzahl wurde es möglich, immer detailliertere Artefakt-Typologien zu erkennen. Dass Hallstatt- und La Tène-Funde zwei verschiedenen Kategorien angehörten war auf Anhieb klar. In weiten Teilen Europas traten Funde ähnlichen Stils zutage, was Désor dazu brachte, die Eisenzeit in zwei Perioden einzuteilen: eine frühere Hallstattzeit und eine spätere Latènezeit (siehe Collis 2006 [2003]: 75). Diese Unterteilung war zunächst rein chronologisch und nicht als rassische oder ethnische Interpretation des Fundmaterials aufgefasst (Collis 2006 [2003]: 75, meine Übersetzung). Die 28 keltische Kunst wurde auch schon in der zweiten Hälfte des 19. Jh. definiert. Aufgrund der Ähnlichkeit der Verzierungen auf Funden in Großbritannien und dem Westen des europäischen Kontinents, sowie der durch die Linguistik gestützten Annahme, dass die Ureinwohner Britanniens und Irlands Kelten seien, wurde dieser Kunststil den Kelten zugeschrieben (Collis 2006 [2003]: 80 84). Es können mehrere Gründe für die Identifizierung der Latène-Kultur als keltisch gefunden werden. Die sogenannten Fürstengräber, die im Jh. v. Chr. erscheinen, werden als tiefgreifende soziale Wandlungen interpretiert und in Zusammenhang mit der antik überlieferten Ethnogenese der Kelten gebracht (Brather 2004: 209; vgl. Collis 2006 [2003]: 157. Zu den Fürstengräbern bzw. Fürstensitzen siehe Eggert 1989). Die Fürstengräber treten in der Übergangsphase von der späten Hallstattzeit bis zur frühen Latènezeit auf, kennzeichnen also quasi den Übergang zwischen diesen archäologischen Kulturen. Obwohl es keine direkten Hinweise auf Sprachen oder Identitäten der Kulturträger im Fundmaterial gibt, wird wegen den griechischen Fremdbeschreibungen der Kelten, die zu dieser Zeit einsetzen, die direkte Verbindung von den antik beschriebenen Kelten zur materiellen Latène-Kultur gezogen (Collis 2006 [2003]: 93 98; 157; ; Brather 2004: ; ; ; Birkhan 1997: 38 40). Die der keltischen Ethnogenese zugrunde liegende Annahme einer nachweisbaren keltischen Ethnie geht auch auf antike historische Quellen zurück. Die ersten Kelten -Nennungen gehen auf Hekataios von Milet (um v. Chr.) und Herodot von Halikarnassos (um 490/ v. Chr.), die letzten ins 5.Jh.n.Chr zurück (z. B. Stephanos von Byzanz um n.chr. Für eine zusammenfassende Liste der wichtigsten Kelten-Nennungen antiker Autoren in Collis 2006 [2003]: 16 25; vgl. Brather 2004: ; Birkhan 1997: 36 43; Birkhan 2005: ). Jedoch sind die antiken Klassifizierungen, z. B. laut Brather (2004: 172; ), in erster Linie als geographische Einteilungen zu verstehen, und nicht als ethnologische im heutigen Sinne. Ein paar Autoren (in erster Linie Caesar und Strabo) liefern uns recht präzise Angaben über Gemeinschaften und deren genauen Lokalisierung und Bewegungen (Collis

29 2006 [2003]: ). Jedoch muss auch hier die Perspektive der Autoren beachtet werden und nicht zuletzt ihr Kontext und Wissen um die geographischen Verhältnisse (Brather 2004: 172; ; ; Chapman 1992: 24 40; ; Collis 2006 [2003]: ; ). Das Konzept der archäologischen Kultur geht auf die veraltete Vorstellung zurück, dass die Kulturträger durch Sprache, Kultur und Identität eindeutig charakterisiert seien. Die Suche nach Kohärenzen bestimmt die Kategorisierung archäologischer Kulturen und vereinfacht die komplexen Prozesse. Die Gefahr besteht darin zu glauben, diese deskriptiven Ordnungsbegriffe seien die Realität abbildende, realistische Größen, und nicht von der Perspektive und den Grundannahmen beeinflusste Konstrukte. Typisierungen und räumliche Gruppierungen stellen nicht Abbildungen vergangener Realität dar, sondern dienen allein als beschreibende Ordnungsbegriffe. Die aus den antiken Quellen übernommenen Ethnien, die in der materiellen Kultur wieder gefunden werden wollen, stellen ebenso wenig reelle Gruppierungen aus der Vergangenheit dar. Die Quellen erlauben uns nur Einsicht in Fremdbeschreibungen und erhellen so gut wie nie die ethnische Selbst-Identifikation bestimmter Gruppen. Die kulturellen Merkmale, die als Symbole für die Abgrenzung zu anderen Gruppen dienten, bleiben ebenso unbekannt. Somit sind Archäologische Kulturen als wissenschaftliche Konstrukte anzusehen (vgl. Brather 2004: 30 31; ; 208; Wotzka 1993: 34 36; 40 41; Eggert 2005 [2000]: ; Veit 2003a: ; ; Bühnen 2003: 5; Karl 2004: 24; Brather, Wotzka 2006: ). Durch Identifizierung der Kelten in der Latènekultur scheint sich das Keltenbild der antiken Historie in der materiellen Kultur widerzuspiegeln. Allerdings werden auf diese Weise die Homogenität und Kontinuität von ethnischen Fremdbeschreibungen und archäologischen Kulturen vorausgesetzt, d. h. die Annahme, dass die von den antiken Römern und Griechen beschriebenen Gemeinschaften eindeutig zu identifizieren seien und sich diese Identität auch eindeutig durch eine materielle Kultur äußere. In dieser stark vereinfachenden Deutungsweise wird die Kongruenz von materieller Kultur, Sprache und Ethnos gesucht und regionale Variabilität in den Hintergrund gestellt. Die durchaus beobachtbaren Diskontinuitäten werden zugunsten dieser Prämissen außer Acht gelassen, sowie die Komplexität der sozialen Phänomene und deren verzerrter Niederschlag in historischen und archäologischen Quellen (Brather 2004: ; ; ; ; Collis 2006 [2003]: ; ; Veit 2003a: 486; vgl. Jones 1997: 106 0; Müller-Scheeßel, Burmeister 2006: 18 20). Die Deutung von frühgeschichtlichen kulturellen und sozialen Vorgängen hat sich als viel komplexer herausgestellt als bisher angenommen. Heute wird der dichotomische Ansatz von in sich homogenen, durch einen Stil klar abgrenzbaren Gruppen (Hahn 2005: 152) auch in der Archäologie problematisiert. Die Annahme, dass es für eine Kultur einen bestimmten materiellen Bestand gäbe, der zugleich auf die Identität einer ethnischen Gruppe verweist, wird heute meist abgelehnt (vgl. dazu die Beiträge von Jones, Graves-Brown 1996: v. a. 6 9; 17 20; Hides 1996: 25 43; Pohl 2004: 23 35; Davidovic 2006: v. a ; Müller 2006: 103 6; Brosseder 2006: 9 136; Brather, Wotzka 2006: v. a ; Kommentar von Siegmund 2006: ; Karl 2006: v. a ). Die ethnische Identität ist nur eine mögliche Ebene von Objektbedeutung. Sie ist eine plausible Bedeutungszuweisung durch die Gesellschaft. Doch wichtiger ist die Möglichkeit, Gegenstände übergreifend in mehrere Kontexte stellen zu können, wie z. B. der sozialen Gruppe, Geschlechterrollen usw. (Hahn 2005: ; vgl. Mante 2007: 68 70) Kultur- und sozialwissenschaftliche Aspekte Die Vorstellungen über kulturelle und soziale Prozesse haben sich seit den 1960er Jahren grundlegend verändert (vgl. Gerndt 2002: ; Kaschuba 1995: 28 30; Brather 2004: 46 48; Díaz-Andreu 1996: 54; Hannerz 1992: 10 ; 16 17; Reckwitz 2000: 64 90; ; ; ). In modernen Ansätzen wird versucht, den traditionellen Vorstellungen von nach innen homogenen und nach außen klar abgrenzbaren Kulturen entgegenzuwirken, indem der Fokus auf die soziologische Dynamik von Gruppen gelegt wird. Es werden Erklärungsmodelle entworfen, die das menschliche Handeln in den Vordergrund stellen (vgl. zu handlungstheoretischen Ansätzen Hahn 2005: 29

30 51 52; 54 55; 59 65; Boesch 1983: 4 6; Habermas 1999: ; Bourdieu 1987 [1979]: ; Reckwitz 2000: ; ). Ebenso wird versucht, die geistigen und materiellen Dinge in einen semiotischen und kommunikationstheoretischen Zusammenhang zu stellen (vgl. zu bedeutungs- und strukturalistisch orientierten Ansätzen Hahn 2005: 5 0; 2 8; Habermas 1999: ; ; Müller-Scheeßel, Burmeister 2006: 21 24; Boesch 1983: 40 45; 52; Scholte 1973: ; ; Hudson 1973: 0 1; Reckwitz 2000: ; 187; ). Die Annahme, dass eine Gesellschaft geprägt ist von den materiellen und geistigen Dingen, in denen sie existiert, ist hierbei zentral. Auch in der Archäologie haben die postprozessuellen Ansätze zu einem neuen Verständnis vergangener Kulturen geführt (vgl. dazu Müller-Scheeßel, Burmeister 2006: 18 19; Eggert 2008: ;Thomas 2005: ; vgl. Trigger 2008 [1996]: ; ; ; ; ).Veränderungen im archäologischen Material werden beispielsweise nicht mehr als Veränderung oder Verschiebung von sozialen Gruppen (den Kulturträgern) verstanden. Migration und Akkulturation gelten nicht mehr als die einzigen Erklärungsmodelle für die beobachtbaren Veränderungen in der materiellen Kultur. Archäologische Kulturen werden als Teil eines Kontinuums materieller Kultur mit lokalen Entwicklungen und überregionalen Einflüssen angesehen (vgl. James 1999: 65 66; Collis 2006 [2003]: 214; Karl 2004: 30 32). Dennoch lassen sich die für die anthropologischen Fragestellungen zentralen Aspekte kaum direkt auf die Altertumswissenschaften übertragen. Am Beispiel der materiellen Kultur ist das Dilemma erkennbar: Die Bedeutungen der Objekte können aus den Objekten allein nicht erörtert werden. Dazu braucht es Vergleichsdaten, die in urgeschichtlichen Quellen schlicht Mangelware sind (Eggert, Samida 2009: ; Brather 2004: 54 56; vgl. Müller-Beck 2003: ). Moderne Konzepte von Kultur und soziologischen Prozessen, wie der Identitätsbildung, versuchen auf Dynamik und Konstrukthaftigkeit derselben einzugehen (vgl. Hannerz 1992: 7 10; Hahn 2005: 14; Kaschuba 1995: 28 36; Gerndt 2002: ; Eagleton 2001 [2000]: 38; 48 55; 63-64; Reckwitz 2000: 66 67; 72 78; 79 82; 84 87). Da sich die Theorien und 30 Methoden von Ethnologie und Volkskunde von denen der archäologischen Fächer im Laufe der Forschungsgeschichten stark auseinander entwickelt haben, sind die Konzepte nicht ohne weiteres austauschbar (vgl. Hudson 1973: 1 141). Durch die sich unterscheidenden Quellenlagen werden in der Altertumsforschung andere bzw. angepasste Methoden und Konzepte als in der Gegenwartsforschung benötigt. Im Vergleich zu den gegenwartsbezogenen Kulturwissenschaften ist die Informationsbeschaffung in den Altertumswissenschaften eingeschränkter. Da es sich um vergangene Kulturen bzw. Gesellschaften handelt, sind wir auf die wenigen erhaltenen Informationen aus antiken Quellen angewiesen, durch die wichtige Sphären der kulturellen Bedeutung zwangsweise verschlossen bleiben (Veit 2003a: 470; 483; ; Brather 2004: ; vgl. Mante 2007: 48 49). Die Konsequenzen aus den Erkenntnissen der kulturwissenschaftlichen Anthropologie sollten dennoch gezogen werden (vgl. Bühnen 2003: ; Veit 2003a: ; ; ; Eggert 2003: 432; ; Brather 2004: ). Mit der Einbeziehung des forschungsgeschichtlichen Hintergrundes und den damit verbundenen Erkenntnissen können wir versuchen, geeignete Konzepte bzw. Modelle zur Erfassung vergangener Lebenswirklichkeit zu erarbeiten. (Vgl. Eggert 2003: 455; Brather 2004: 333; 338; 357. Laut Bühnen (2003: 491) ist das Ziel der Geschichtswissenschaften die Erklärung menschlichen Seins aus seinem Werden.) Doch wir brauchen Alternativen zu veralteten Kultur-Konzepten, die Kultur als statische, homogene und normative Kategorie behandeln. Das angestrebte Ziel sollte sein, die Informationen aus antiken Quellen in ein Modell einzubauen, das sinnvolle und an den Forschungsstandard angepasste Hypothesen ermöglicht. Dazu kann die Auseinandersetzung mit anthropologischen Fragestellungen mit altertumswissenschaftlichem Kontext eine wichtige Rolle spielen (Eggert 2005 [2000]: 14 15; Veit 2003b: 24). Zum Beispiel:Welche kulturellen und sozialen Informationen lassen sich anhand der materiellen Kultur beziehen? Was sagt Verbreitung und Chronologie über soziale und kulturelle Prozesse aus? Oder, wie Müller-Scheeßel und Burmeister (2006: 17) es ausdrücken: was ist die gesellschaftliche [ ] Funktion kultureller Äußerungen?

31 4. Kelten als Forschungsfeld Im Rahmen der eisenzeitlichen Kelten bewegen wir uns in einem altertumswissenschaftlichen Umfeld. Es sind also nur wenige Quellen vorhanden, die zudem für kulturtheoretische Fragestellungen einen eingeschränkten informativen Wert haben (vgl. Brather 2004: ). Das gilt sowohl für archäologische, althistorische als auch für sprachwissenschaftliche Quellen: Die materielle Kultur der Latènezeit ist kein genügender Hinweis für die Identifizierung ihrer Kulturträger mit den Kelten (vgl. Brather 2004: ; ; ; ; Collis 2006 [2003]: ; ). Die Beschreibungen von außen der römischen und griechischen Geschichtsschreiber können uns zwar Details zu den eisenzeitlichen Kelten liefern, jedoch lassen sich diese Informationen nicht zu einem eindeutigen Keltenbild zusammenfügen (Chapman 1992: 1 4; 95 97; 1; ; Brather 2004: 7 135; 165; vgl. Collis 2006 [2003]: ; Birkhan 2005: ). Auch die überlieferten keltischen Sprachen ermöglichen keinen Rückschluss auf die Identität ihrer Sprecher (vgl. Collis 2006 [2003]: 45 56; Rieckhoff 2007: 29 30; Birkhan 1997: 55; 46 50; Chapman 1992: 14 23, 24; 70 75). Die Quellen erlauben uns also keine eindeutigen Einblicke in die einstige Lebenswirklichkeit der Menschen, die uns diese hinterließen. Zusätzlich wird die Analyse bzw. Definition dieser Gesellschaften durch die Probleme, die mit der Verknüpfung der Informationen aus den einzelnen Bereichen einhergehen, noch erschwert. Einerseits stehen wir in der kulturwissenschaftlichen Keltologie vor dem Problem der Interdisziplinarität. Wie Brather (2004: ) formuliert, ist [d]ie Zusammenarbeit der drei Disziplinen Historiographie, Linguistik und Archäologie [ ] nicht nur [eine] Chance für die Gewinnung eines umfassenden Bildes der Vergangenheit, sondern auch [ein] methodisches Problem. Andererseits ist auch die Konzipierung eines solchen Kelten -Begriffes, der die Verknüpfungen der Informationen in einem Lebenswirklichkeitsmodell einstiger Gesellschaften ermöglichen soll, problematisch. Trotz der methodischen Schwierigkeiten, die Informationen aus den unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen, ist dies für den Versuch einstige Lebensweisen zu rekonstruieren unerlässlich (vgl. Brather 2004: 31 32; Birkhan 1997: 18). Wenn wir uns einer kulturwissenschaftlichen Konzeption von einstiger Lebenswirklichkeit nähern wollen, muss die Trennung der Quellen, die durch die Behandlung in unterschiedlichen Disziplinen aber auch der unterschiedlichen Zugänglichkeit der Quellen gegeben scheint, problematisiert werden. In einstiger Lebenswirklichkeit standen alle Sphären (Sprache, materielle Kultur, Identität, usw.) im Kontext und in ständiger Wechselwirkung (vgl. Hannerz 1992: 7). Die getrennte Behandlung in Fachdisziplinen ist für die Forschungsarbeit und die geeignete Auseinandersetzung mit den Quellen zwar notwendig, stellt jedoch eine willkürliche Isolierung bzw. Abgrenzung im Raum/Zeit-Kontinuum und innerhalb des sozial-kulturellen Kontinuums damaliger Gesellschaften dar (vgl. Brather 2004: 208; Karl 2004: 21). Es ist legitim, sich mit einem ausgewählten Ausschnitt der damaligen Realität auseinander zu setzen. Doch gerade was kulturtheoretische Fragestellungen angeht, wird man gezwungen, auf mehrere Bereiche einzugehen und dadurch interdisziplinär, bzw. mit interdisziplinären Quellen, zu arbeiten (vgl. Birkhan 1997: v. a ; Chapman 1992: v. a. 1 9; James 1999: v. a ; Collis 2006 [2003]: v. a ; Karl 2004: 29 32). Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt ist, was wir unter Keltizität verstehen möchten, bzw. wie der Kelten -Begriff ausgerichtet sein soll. Kelte im Sinne von keltische Identität ist eher eine ungeeignete Ausrichtung des Begriffes, da wir nicht genügend bzw. nicht die richtigen Informationen haben, um auf ihre einstige Identität zu schließen (das zeigt z. B. die Problematik der keltischen Ethnogenese, vgl. Karl 2008b: v. a. 1 3; 15; siehe auch Müller-Scheeßel, Burmeister 2006: 17 20; 24 34). Wir operieren anhand der Kelten mit einem modern rekonstruierten Begriff, der ein vielseitiges Konstrukt, bzw. mehrere Konstrukte aus der Antike, aufgreift. (Vgl. Birkhan 1997: 22 25; 46 50; 55 56; Collis 2006 [2003]: 13 14; 45 52; 61; ; ; ; Chapman 1992: 1 4; 30 38; 95 97; 1; Vgl. zur Konstrukthaftigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis Ginzburg aus Die Wahrheit der Geschichte 2001: Die Analyse der jeweiligen Verzerrung jeder Quelle impliziert bereits ein kons- 31

32 truierendes Element. zitiert aus Veit 2003a: 486.) Die antiken Keltenbegriffe umfassen verschiedene Begriffe und Bezeichnungen, die über eine lange Zeit hinweg von unterschiedlichen Autoren verschiedener Herkunft in unterschiedlichen Kontexten verwendet wurden (Collis 2006 [2003]: 102). Durch die einseitige, nach Kongruenzen suchende Rekonstruktion in der Moderne vermittelt der Keltenbegriff die Idee, dass es die Kelten gegeben hat: Menschen mit einer Sprache, einer Kultur und einer Identität (vgl. Karl 2004: 9 13; Rieckhoff 2007: 24 25; Brather 2004: 29 32). Von dieser kulturhistorischen Vorstellung geprägt wurde der Keltenbegriff zum Ziel einer holistischen Kulturrekonstruktion eingesetzt (vgl. Díaz-Andreu 1996: 48 58; Brather 2004: 52 76; 169; Trigger 2008 [1996]: ; Reckwitz 2000: 77 88; Collis 2006 [2003]: ; Chapman 1992: 6 7). Die Kombination von Sprache, materieller und geistiger Kultur in ein kongruentes Ganzes geht auf die veralteten Vorstellungen von einheitlich und homogen existierenden Völkern bzw. Ethnien zurück, die durch bestimmte kulturelle Ausformungen charakterisiert sind und sich dadurch erkennen und definieren lassen (vgl. Brather 2004: 32 52; ; Jones 1997: 106 0; Jones, Graves-Brown 1996: 4; Hudson 1973: 1 3; 5 6; Collis 2006 [2003]: 10; 147; 150). Das kulturhistorische, normative Kulturkonzept (Karl 2004: 9) wurde in den letzten zwei Jahrzehnten auch in der Keltenforschung hinterfragt und als mangelhaft erklärt (vgl. Chapman 1992: 1 13; James 1999: 26 85; Collis 2006 [2003]: ; Karl 2004: 9; 14 15; Karl 2006: ; Karl 2008b: 1 3; 15; Brather 2004: ; ). Aktuell vertretene Positionen distanzieren sich explizit von einem Keltenbegriff, der die Kelten als Volk bzw. Ethnos versteht. Raimund Karl (2008b: 3) definiert keltische Kultur als die Summe alles Wissens und aller Fertigkeiten sowie daraus resultierender Erzeugnisse, die als keltisch betrachtet werden können. Zu diesem weiten Kelten-Kulturbegriff können viele Einzelkulturen gezählt werden. Es wird eingeräumt, dass der Keltenbegriff ein rein modernes Konstrukt ist, durch das wir die Vergangenheit beobachten und klassifizieren, um daraus Erkenntnisse gewinnen zu können. Die Unterscheidung zwischen ethnischer Zugehörigkeit und dem Kulturschaffen von Personen soll dabei berücksichtigt werden (siehe Karl 2008b: 15). Ebenso wird betont, dass die als keltisch bezeichneten Gesellschaften nicht als statische Einheiten behandelt werden sollten, da sie sich ständig veränderten und anpassten (James 1999: 43 44; 65 68; ; Karl 2008b: 2 3; 15; Collis 2006 [2003]: 2 214; ; 226; ; vgl. Rieckhoff 2007: 35; Chapman 1992: 70 9; Brather 2004: ). Es besteht also die Notwendigkeit, einen oder mehrere Keltenbegriffe zu formulieren, welche die Komplexität und Prozesshaftigkeit der als keltisch bezeichneten Gesellschaften berücksichtigen (vgl. Karl 2004: 27 32; Karl 2008b: 15;Veit 2003a: ; Eggert 2003: ; siehe auch Hannerz 1992: 7 17; Reckwitz 2000: ; ; ). Ein vielseitiger, interdisziplinärer Zugang, der verschiedene Ansätze und Positionen mit einbezieht, scheint mir die einzige Möglichkeit, die Dynamik und komplexe Wechselwirkung der verschiedenen Lebenswirklichkeitsaspekte modellhaft zu erfassen (vgl. Birkhan 1997: 17 18). Der Mensch, der hinter den kulturellen Zeugnissen vergangener Zeiten steckt, war von Einflüssen der gesamten Lebenswelt geprägt. Selbst wenn wir zu dieser in ihrer Fülle keinen Zugang haben können, sollten wir bedenken, dass die kleinen Ausschnitte, die uns durch die Quellen erhalten sind, darin eingebunden waren. Auch wenn aktuelle Kultur- oder andere Erklärungsmodelle nicht direkt am frühgeschichtlichen Material applizierbar sind, so sollten doch die daraus resultierenden Konsequenzen für die Konzeption geeigneter Begriffe und Erklärungsmodelle vergangener Gesellschaften reflektiert werden. * Dieser Beitrag basiert auf der Diplomarbeit Grundsätzliches zur Kulturtheorie der latènezeitlichen Kelten (Vignoli 2010). 32

33 Literatur Birkhan, H. (1997), Kelten. Versuch eine Gesamtdarstellung ihrer Kultur. Wien: Akademie der Wissenschaften. [Hrsg.] (2005), Bausteine zum Studium der Keltologie. Wien: Praesens. Boesch, E. E. (1983), Die Bedeutung von Objekten. In: ders., Das Magische und das Schöne. Zur Symbolik von Objekten und Handlungen. Stuttgart/Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog: 64. Bourdieu, P. (1987 [1979]), Der Habitus und der Raum der Lebensstile. In: ders., Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Übersetzt von Bernd Schwibs und Achim Reisser. Frankfurt am Main: Suhrkamp: Brather, S. (2004), Ethnische Interpretationen in der frühgeschichtlichen Archäologie. Geschichte, Grundlagen und Alternativen. Berlin/New York: de Gruyter. Brather S., Wotzka H.-P. (2006), Alemannen und Franken? Bestattungsmodi, ethnische Identitäten und wirtschaftliche Verhältnisse zur Merowingerzeit. In: Burmeister S., Müller-Scheeßel N. [Hrsg.], Soziale Gruppen, kulturelle Grenzen. 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35 Wer hat Angst vor Hayden White? Archäologie zwischen Wissenschaft und Kunst Sabine Rieckhoff Für Wolfgang Kimmig ( ), einen großen Erzähler Zusammenfassung Kulturen sind immer auch Erzählgemeinschaften, und Erzählungen berichten von handelnden Menschen. Insofern haben es archäologische Wissenschaften, die die Überreste von Handlungen erforschen, immer auch mit narrativen Medien zu tun, offenen oder verdeckten. Offen narrativ ist im weitesten Sinne alles, was symbolische Bedeutung hatte und geschaffen wurde, um das kulturelle Gedächtnis zu stützen. Die narrativen archäologischen Formen, die bestimmte Erzählungen voraussetzen, die wir nicht kennen, bilden eine erste Ebene. Die Deutungen dieser Erzählformen lassen verschiedene Erzählmuster erkennen, um die es in diesem Beitrag gehen soll. Sie bilden die zweite Ebene und sind ihrerseits in kleine und große Meistererzählungen der dritten und vierten Ebene eingebunden. Am Beispiel einer scheinbar gut erforschten narrativen Kategorie, der so genannten keltischen Kunst, die wie kaum eine andere dazu beigetragen hat, die Kelten als homogene Kultur, als Volk im historischen Diskurs zu etablieren, möchte ich zeigen, wie Erzählmuster entstehen und funktionieren, wie sie den Diskurs beeinflussen und kollektives Wissen konstituieren. Abstract Cultures always also are narrative communities, and narratives report the actions of human beings. Thus, archaeological scholarship, in examining the remains of human actions, is dealing in narrative media, whether these are explicitly so, or whether their narrative character is hidden. Explicitly narrative is everything which had symbolic meaning and was created to prop up cultural memory. A first level of narrative is archaeological forms which, as a prerequisite, depended on a narrative which is unknown today. The interpretations of these forms fall into several narrative patterns, which shall be considered in this paper. They are a second level of narration and themselves are embedded in small and grand masternarratives, third and forth level narratives. Using an apparently well-studied category, so-called Celtic Art, a topic second to none in its contribution to the creation of the Celts as a homogenous culture, a people, in historical discourse, I intend to demonstrate how narrative patterns emerge and function, how they influence scholarly discourse and constitute collective knowledge. 35

36 1. Narratologie eine Theorie des Narrativen Während die Narrationsdebatte in den Geschichtswissenschaften schon in den 1960er Jahren eingesetzt und in den 1980er Jahren ihren Höhepunkt erlebt hat, scheint sie in den historischen Kulturwissenschaften noch nicht angekommen zu sein. Neuere Einführungswerke wie die von Aleida Assmann und Doris Bachmann-Medick, beide 2006 erschienen, schenken einer Theorie des Narrativen, der Narratologie, keine Aufmerksamkeit. Das ist insofern überraschend, weil von den vielen cultural turns der letzten Jahrzehnte zwei der wichtigsten, nämlich der linguistic turn und der iconic turn, die Voraussetzungen geschaffen haben für die Erkenntnis, dass erstens zum Grundbestand jeder Kultur auch Erzählformen gehören, und dass zweitens die vielen Erzählungen dieser Welt durch bestimmte Erzählmuster generiert werden. Der linguistic turn, der neue analytische Blick auf das Verhältnis zwischen Sprache und Wirklichkeit, ist mit zwei Namen und zwei Begriffen verbunden: erstens mit der Diskursanalyse des französischen Wissenschaftshistorikers und -soziologen Michel Foucault ( ) (Foucault 1966; 1969) sowie zweitens mit der Meta-Historiographie, also mit der Geschichte der Geschichtsschreibung des amerikanischen Historikers und Literaturwissenschaftlers Hayden White (*1928) (White 1973; 1978). Foucault und White verbindet die Überzeugung, dass die Sprache unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit bestimmt, dass eine Wirklichkeit jenseits von Sprache nicht existiert; beide zeigen, dass und wie Sprache Realitäten nicht nur abbildet, sondern erzeugt. Die Deutungen der keltischen Kunst,1 um die es im Folgenden gehen wird, böten Stoff genug für eine Analyse der darüber geführten Diskurse, aber ich möchte mich in diesem Beitrag dem Versuch widmen, die für diese Deutungen eingesetzten Erzählstrategien zu analysieren. Im Unterschied zum Diskurs handelt es sich bei der Erzählung mit unterschiedlicher Intention auch als die (den Prozess betreffende) Narration oder als das (das Ergebnis betreffende) Narrativ bezeichnet (Müller-Funk 2008: 15) um eine symbolische Textform, die aus einer zeitlich geordneten, durch Anfang, Höhepunkt und Ende definierten Abfolge von Handlungen besteht. Das Narrativ ist keineswegs auf die Belletristik beschränkt, ganz im Ge- 36 genteil. Ich gehe von Hayden White s zentraler These aus, dass auch ein historiografischer Text ein Narrativ und insofern einen literarischen Text darstellt, der (im Unterschied zur reinen Fiktion) dazu dient, einen historischen Sachverhalt zu erklären. Aber nicht nur subjektseitig, aus der Sicht des Fachwissenschaftlers, haben wir es in einer historischen Kulturwissenschaft wie der Archäologie mit Narrativen zu tun, sondern auch das Objekt, das den Ausgangspunkt meiner Überlegungen bildet, die keltische Kunst, ist ein klassisches narratives Medium. Seine narratologische Verortung führt uns in das Forschungsfeld des iconic turn. Der pictorial turn beziehungsweise iconic turn (Bachmann-Medick 2006: 329ff.) entwickelte sich zu Beginn der 1990er Jahre in den Kulturwissenschaften als Gegenbewegung zum linguistic turn. Die Wendung hin zum Bild folgte der Einsicht, dass sich Kommunikation nicht nur über Sprache vollzieht, sondern auch über visuelle Phänomene aller Art. Um diesem erweiterten Bildbegriff gerecht zu werden, hat der iconic turn an die Stelle der klassischen Kunstgeschichte die Bildwissenschaft(en) entstehen lassen (derzeit noch eine Schnittmenge aus differenzierten Theorien). Obwohl der iconic turn das Monopol der Sprache zum Teil ziemlich radikal in Frage gestellt hat, erweitert er den linguistic turn gewissermaßen nur methodisch, da auch für eine Bildwissenschaft das Bild kein reines Abbild einer so genannten Wirklichkeit mehr ist. Bildwissenschaftliche Theorien gehen vielmehr davon aus, dass erst durch den Umgang mit dem Bild, d. h. erst durch dessen kulturell unterschiedliche Wahrnehmung, Bildlichkeit zu einer der symbolischen Formen wird, mit denen sich der Mensch die Welt aneignet (Cassirer 2002). Die Bildwissenschaft fragt deshalb danach, welche Fähigkeit Bilder haben, Wissen zu formen, Erinnerungen zu prägen oder Mythen zu erzeugen, d. h. also genauso wie Sprache Realitäten zu schaffen. Aufgrund dieser transzendierenden Macht sind Bilder wie Schrift zentrale Medien des kulturellen Gedächtnisses (Assmann 1992). Damit schließt sich der Kreis, denn Gedächtnis ist an Erinnerung und Erinnerung an das Erzählen gebunden, in welcher Form auch immer dies erfolgt, ob durch Text oder Bild. Bereits Roland Barthes hatte deshalb das Erzählen als universelles Phänomen bezeichnet, das menschliche Kultur in Form unterschiedlichster Medien und Ma-

37 Abb. 1: Gürtelhaken von Weiskirchen, Kr. Merzig-Wadern (Saarland). Bronze mit Koralleneinlagen; B. 7,5 cm; frühes 4. Jh. v. Chr. Nach Binding terialien prägt, das zeitlich und räumlich allgegenwärtig ist und das jeden Menschen betrifft (Barthes 1985). Denn so wie jeder Mensch in Sprache und Bilder seiner Kultur hineingeboren wird, so findet er auch eine symbolisch-narrativ geformte Welt vor. Eine narratologische Kulturtheorie betrachtet Kulturen daher als Erzählgemeinschaften und auch deren materielle Hinterlassenschaften als Erzählungen, wie es die niederländische Narrationstheoretikerin Mieke Bal formuliert hat: Narratologie ist dietheorie von Erzählungen und erzählenden Texten, aber auch von Bildern, Schauspielen, Ereignissen und kulturellen Artefakten, die eine Geschichte erzählen. (Bal 1997: 4). Für die Archäologie ist eine narratologische Kulturtheorie ein Segen (Müller-Funk 2008). Da Kulturen Erzählgemeinschaften sind, Erzählungen von handelnden Menschen berichten und wir als Archäologen die Überreste von Handlungen erforschen, haben wir es immer auch mit narrativen Medien zu tun, also mit Objekten, die eine Geschichte erzählen. Prinzipiell ist jeder archäologische Fund narrativ, wenn er irgend etwas auf irgendeine Weise erzählt beziehungsweise wir über ihn. Aber um diese verdeckten narrativen Strukturen soll es nicht gehen. Offen narrativ dagegen sind zum Beispiel Grabmäler, Ritualobjekte und Kunstwerke, aber im weitesten Sinne auch alles andere, was symbolische Bedeutung hatte und in dieser Funktion das kulturelle Gedächtnis verkörperte. Diese ma- teriellen Erzählformen wie z. B. die keltische Kunst bilden eine erste narrative Ebene; für ihre Interpretation benötigen wir Modelle und Theorien, da wir die Erzählungen selbst nicht oder nur unvollständig kennen. Die zweite Ebene bilden die Erzählmuster, mit deren Hilfe wir Archäologen uns über diese primären Erzählformen verständigen. Die dritte und vierte narrative Ebene sind die kleinen und großen Meistererzählungen, die unseren Mustern zugrunde liegen. Diese diversen Ebenen benötigen ebenfalls eine narratologische Theorie, um zu verstehen, wie Erzählmuster entstehen, funktionieren, den Diskurs beeinflussen und kollektives Wissen konstituieren. 2. Keltische Kunst eine archäologische Erzählform Als Ausgangspunkt, als archäologische Erzählform, habe ich die so genannte keltische Kunst gewählt. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch zu zwei kontroversen Thesen, auf die ich kurz eingehen muss. Die erste stammt von Otto-Herman Frey, der betont hat, dass die Kelten in ihren Bildern nicht erzählen wollten (Frey 2002a: 193), weil es weder Bildfolgen, noch Lebensbilder oder Schilderungen alltäglichen Handelns gebe (Frey 2007b: 24). Frey unterscheidet einzelne Gestalten oder wappenartige Gegenüberstellungen zweier Wesen der Kleinkunst einerseits (Abb. 1), die 37

38 Abb. 2: Situla von Kuffarn (Österreich), Ausschnitt. Nach Situlenkunst er den fortlaufenden, dicht mit Personen bevölkerten Friesen der so genannten Situlenkunst andererseits gegenüber stellt (Abb. 2). Während er beispielsweise die Fabelwesen der bekannten Schnabelkannen BasseYutz, Glauberg, Borsch, Dürrnberg (Baitinger, Pinsker 2002: 200, 243, 201, 184) als statische Darstellungen von religiösen Symbolen deutet, erkennt er auf den Situlen erzählende Darstellungen. Frey geht also von einer völlig anderen Definition des Erzählens aus, als sie der oben erläuterten semiotischen Theorie des Narrativen zugrunde liegt.wie bereits für Paul Jacobsthal liegt der Unterschied für Frey zwischen Darstellungen ohne beziehungsweise mit Menschen.2 Die Forschung ist Freys Definition fast ausnahmslos gefolgt. Üblicherweise werden die Situlenfriese als Wiedergabe eines mythischen oder historischen Ereignisses, eines sakralen oder profanen Festes gedeutet und gelten deshalb als Narrationen (zusammenfassend Körner 2009a; 2009b). Christoph Huth spricht sogar von der Situlenkunst als der ersten und einzigen wirklich szenischen Bilderzählung außerhalb der antiken Hochkulturen (Huth 2010: 145). Huths enge Definition ist aber mitnichten empirisch gewonnen, sondern vielmehr die Prämisse seiner religionsphänomenologisch konzipierten Deutung: Weil sich das Numinose (Huths Lieblingswort!) in allen Dingen der profanen Welt offenbaren kann, lassen sich auch alle Akteure, Handlungen und Gegenstände des Situlenfestes zu einem gemeinsamen großen kosmo- 38 logischen Akt (Tod und Apotheose eines Herrschers) zusammenfassen. Wie zuletzt Paul Gleirscher befand, sei dieser nicht nachvollziehbare Schluss jedoch nur das Ergebnis einer Übertragung von Bildinhalten aus den mediterranen Stadtkulturen auf chiffrenartig zu verstehende Bilder (Gleirscher 2009: 219f.). Die zweite These stammt von Leonie C. Koch, die eine ganz andere Lesart der heterogenen Szenerie der Friese anbietet. Ihr zufolge handelt es sich eben gerade nicht um die Illustration von Ereignissen, die sich einst im Ostalpenraum abgespielt haben, sondern nur um bestimmte, aus italischen Vorlagen ausgewählte und standardisierte Motive, die unterschiedlich kombiniert, abwechselnd wiederholt oder gleichmäßig gereiht werden, so dass aus Symmetrie und Rhythmisierung eine ornamentale Wirkung entsteht (Koch 2003: 361f.; 2006: 504ff.). Koch möchte daher selbst im Falle der Situlenkunst nicht von Narrativen, sondern nur von einer Verzierung im narrativen Stil sprechen. Obwohl Koch ebenso wie Gleirscher die unipolare Interpretation von Huth ablehnt, kann sie also doch nicht gänzlich auf den Begriff des Narrativen verzichten. Andererseits sind immer wieder die für die keltische Kunst charakteristischen fließenden Übergänge zwischen Ornament und figürlicher Darstellung betont worden (Müller 2009: 184). Klassische frühlatènezeitliche Beispiele sind die Attasche der Schnabelkanne vom Kleinaspergle und der Goldfingerring von Ro-

39 Abb. 3 : Attasche einer Schnabelkanne vom Kleinaspergle, Kr. Ludwigsburg (Baden-Württemberg). Bronze; H. 7 cm; 1. Hälfte 5. Jh. v. Chr. Umzeichnung nach Müller Abb. 4 : Fingerring aus Rodenbach, Kr. Kaiserslautern (Rheinland-Pfalz). Gold; 5. Jh. v. Chr. Umzeichnung nach Müller denbach (Abb. 3 4). Ihre Ikonografie wird bestimmt von Symmetrie und der rhythmisierenden Addition von Segmenten (Frey 2007b: 14), die nicht nur die frühlatènezeitliche Pflanzenornamentik beherrscht haben, sondern auch zu den fundamentalen Gestaltungsprinzipien der figürlichen, vor allem plastischen keltischen Kunst gehören (von der Großplastik einmal abgesehen). Sollte man angesichts dieser Ambivalenz von Ornament und Narrativ, statt wie Koch nach deren Gegensatz, nicht besser nach den Gemeinsamkeiten fragen? Sowohl die Kleinkunst wie die Situlenkunst lassen sich als ornamental konzipierte Narrative verstehen. In beiden Fällen handelt es sich um Einzelgestalten beziehungsweise um Einzelszenen, die aus dem ursprünglichen narrativen Kontext der italischen Vorbilder herausgelöst und neu verfasst worden sind. Wir wissen nicht, welche inhaltlichen Transformationen sie dabei erlitten haben. Am Ende stehen abgekürzte Texte, die aber den Besitzern oder Benutzern genau so bekannt gewesen sein dürften wie uns die Darstellung des schlafenden Kindes zwischen Ochs und Esel (Kruta 1979: 45). So wie diese Verkürzung die komplette Weihnachtsgeschichte erzählt, verkürzen auch griechische Vasenbilder, zum Beispiel den 9. Gesang der Odyssee auf die Figur eines Mannes unter dem Bauch eines Schafes.3 Der ikonologische Unterschied zwischen figürlicher Kleinkunst und Situlenfriesen besteht daher an erster Stelle darin, dass die Kleinkunst individualisiert, während die Situlenkunst stattdessen verallgemeinert, indem sie typische Handlungen einer bestimmten sozialen Klasse abbildet. Diesen Unterschied finden wir auch zwischen Porträt und Genremalerei in der neuzeitlichen Malerei. Aber so wie jedes Porträt mit einer bestimmten Absicht verbunden war, verbarg sich auch hinter dem Genrebild immer eine allegorische, moralische oder 39

40 soziale Aussage; beide Kategorien implizierten symbolische Bedeutungen. Ob Porträt oder Genrebild, ob Kannengriff oder Situlenfries Bilder kommunizieren symbolische Bedeutungen, d. h. sie erzählen, unabhängig davon, ob und wie die Symbole verstanden werden. Die Situlenkunst macht es uns nur scheinbar leichter, weil wir einzelne Handlungen und Objekte wiedererkennen. Den Sinnzusammenhang, also die Erzählung selbst, verstehen wir ebenso wenig wie die fantastischen Wesen auf Schmuck und Gerät. 3. Keltische Kunst und Keltenbegriff Ausschlaggebend für die Wahl der keltischen Kunst als Beispiel einer archäologischen Erzählform war die Tatsache, dass abgesehen von der keltischen Sprache kein anderes Medium in einem solchen Ausmaß dazu beigetragen hat, die Kelten als homogene Kultur, als Volk im historischen Diskurs zu etablieren. Das war nicht immer so. Latène- Kunst ist ein Phänomen, das lange Zeit wenig Beachtung fand und erst seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre auf dem Vormarsch ist. Ludwig Lindenschmit ( ) hatte latènezeitliche Kunstwerke noch für etruskische Werke gehalten; Otto Tischler ( ) interessierte sich nur für Chronologie; erst Moriz Hoernes ( ) sprach 1892 von der keltischen Latène-Ornamentik, um die Latènekultur zu charakterisieren. Paul Reinecke, der sich 1902 erstmals systematisch mit der Kunst der Latènekultur auseinandersetzte, verdankt die Forschung, wie so oft, apodiktische Behauptungen, die sich im Laufe der Forschungsgeschichte verselbständigten. Reinecke hatte in der Latène kunst nur mehr oder weniger gelungene barbarische Imitationen gesehen, die in den meisten Fällen nicht über eine Verballhornung archaisch-griechischer Vorbilder hinaus gekommen seien; die Hauptaufgabe der prähistorischen Archäologie sei daher eine feinere Chronologie, um die Abhängigkeit der vorgeschichtlichen Altsachen von den überlegenen Kulturgebieten des Südens zu verstehen (Reinecke 1902: 53; 72ff.). Auch wenn dieses einseitig-abwertende Urteil spätestens nach Erscheinen der groß artigen Studie von Jacobsthal revidiert werden musste (Jacobsthal 1944), ist die Abhängigkeit von der klassischen Antike ein Definitionsmerkmal der kontinen- 40 talen Latènekunst geblieben. Dieses Merkmal haftet bis heute jedem Objekt an wie eine zweite Haut; es dominiert nicht nur typologische und stilistische, sondern auch jede sozialhistorische oder religionswissenschaftliche Interpretation. Dazu hatte Jacobsthal, der über das griechische Ornament forschte (Jacobsthal 1927) und vor allem an dessen keltischem Gegenstück interessiert war, allerdings auch selbst beigetragen, weil für ihn die Suche nach den griechisch-etruskischen Vorbildern und die Frage imvordergrund standen, wie sich die Kelten diese fremden Motive aneigneten. Erst die moderne Forschung öffnete, auf der Basis des immensen Fundzuwachses, den Blick für späthallstattzeitliche Traditionen in der Großplastik (Frey 2002b; 2006: 21), für oberitalienisch-estische (Frey 2007a) und ostfranzösische Einflüsse (Verger 1987), sowie nicht zuletzt für eine regional differenzierte Eigenständigkeit der figürlichen Kunst (Frey 2002a: 198; 2006), die zusammengenommen den keltischen Künstler von seiner allzu passiven Rolle erlösten (Bagley, Kost 2010: 185) auch wenn gerade in der Frage der Einflüsse die Meinungen bis heute weit auseinandergehen.4 Reinecke hatte von La Tène-Denkmälern gesprochen. Die konstitutive Rolle der Kunst für die Konstruktion des Keltenbegriffes geht auf Joseph Déchelette zurück. John Collis hat diese forschungsgeschichtlich wichtige Etappe ausführlich dargestellt (Collis 2003: 87ff.; 2007; 2010). Es soll daher genügen, daran zu erinnern, dass Joseph Déchelette als erster historische, sprachliche und archäologische Quellen miteinander kombiniert und damit die Grundlagen für das archäologisch-linguistische Keltenkonzept geschaffen hat, das im Prinzip bis heute weithin unangefochten gilt (Déchelette 1914; Rieckhoff 2007a; 2010b). Déchelette hatte zunächst die Ausdehnung der Westhallstattkultur vor allem anhand von Bestattungssitten definiert. Auf diese Weise konstruierte er eine scheinbar scharf begrenzte archäologische Kulturprovinz (vgl. Kossinna 19: 2), die er unter Berufung auf Herodot den Kelten zuwies. Auf diese Hallstattkultur projizierte er die Verbreitung der Frühlatènekunst zwischen Champagne und Böhmen, die er, da sie sich mit jener teilweise deckte, ebenfalls als keltisch bezeichnete. Halten wir daher fest: Die Grenzen der Westhallstattkultur waren ein Konstrukt; die Ethnizität der Hallstattkultur war eine These; für das

41 keltische Ethnos der Frühlatènekultur in einem Gebiet, in dem nach den Worten Caesars keine Celtae, sondern nur Belgae oder Germani lebten gab es keine historischen Beweise. Bestätigt sah sich Déchelette dennoch und jetzt kommt endlich die Kunst ins Spiel durch die typologische Ähnlichkeit des auffälligen früh latènezeitlichen Kunststils mit spätlatènezeitlichen Artefakten aus Großbritannien, die schon seit Mitte des 19. Jh. als Late Celtic Art bekannt waren aber dies nur deshalb, weil die Sprachwissenschaft bereits 200 Jahre zuvor die Ureinwohner der britischen Inseln zu Kelten deklariert hatte. Wie Collis weiterhin gezeigt hat, wurde Déchelette s Konzeption zur Grundlage aller modernen Verbreitungskarten, die die Ausbreitung der Kelten visualisieren. Seit Déchelette galt nicht nur, wer keltisch spricht, ist Kelte, sondern auch Latènekultur, vor allem aber die Latènekunst sind eo ipso keltisch (Rieckhoff 2006; 2007a; 2009). Dieses Konstrukt wäre freilich nicht international so erfolgreich geworden, wenn es nicht durch Jacobsthal zum Paradigma erhoben worden wäre, weil dieser davon überzeugt war, dass the whole of Celtic art is a unit und deshalb die Kunst the creation of one race, the Celts gewesen sein müsse (Jacobsthal 1944: 160). 4. Erzählmuster und Meistererzählungen zur keltischen Kunst Damit kommen wir endlich zu den narrativen Strategien der zweiten und dritten Ebene, den archäologischen Erzählungen über die keltische Kunst. Als Beispiele lasse ich hier kurz zwei große archäologische Erzähler Revue passieren: Wolfgang Kimmig ( ) und Ludwig Pauli ( ). Beide haben, etwa zur selben Zeit, anhand derselben Fakten und mit ähnlicher Zielsetzung, nämlich für ein breiteres Publikum, dieselbe Geschichte erzählt vom Übergang der Späthallstatt- zur Frühlatènekultur um 500 v. Chr. beziehungsweise die Geschichte der frühen Kelten. In beiden Narrativen spielt die keltische Kunst eine zentrale Rolle, ja sie bildet den eigentlichen Dreh- und Angelpunkt, an dem die historischen Ereignisse aufgehängt werden. Es sind zwei scheinbar völlig unterschiedliche Erzählungen, die völlig unterschiedlichen Erzählmustern folgen, die aber dennoch Teil ein und derselben Großerzählung gewesen sind, Abb. 5 Statue von Hirschlanden, Kr. Ludwigsburg (Baden-Württemberg). Sandstein; H. noch 1,50 m; um 550/500 v. Chr. Nach Spindler die ich nach dem Vorbild der modernen Nationalismusforschung als Meistererzählung bezeichnet habe (Jarausch, Sabrow 2002; Rieckhoff 2007b: 21f.). Die Meistererzählung, um die es sowohl Kimmig als auch Pauli ging, ist so alt wie unser Fach: es ist die Geschichte vom Fortschritt. Wolfgang Kimmig 1983: Romanze und Ethn o zentrismus In Kimmigs Erzählung liegt der Fortschritt in der Entwicklung der späten Hallstattkultur von einer barbarischen Randkultur der mediterranen Welt zu einem höheren Zivilisationsniveau durch die segensreichen Einflüsse, die sie aus dem mediterranen Raum empfängt: Der hochkulturelle Süden wirft der sogenannten Barbariké nicht nur einen Ball zu, sondern er wirbt um sie, ja er bedrängt sie sogar wie ein ungestümer Liebhaber; er schickt ihr luxuriöse Geschenke in Form hochwertiger Gaben; er entsendet Handwerker und Künstler, um die Lehmziegelmau- 41

42 Abb. 6: Erklärungsmodelle einer Theorie des Narrativen. Nach White 1973; er bauen und die Statue von Hirschlanden schaffen zu lassen (Abb. 5). Obwohl es Rückschläge gibt wie im Fall der Statue, weil der Künstler leider vorzeitig wieder verschwindet und die missglückte Ausarbeitung des Brustkorbs seinem einheimischen Schüler überlassen muss, glückt schließlich die zivilisatorische Eroberung der Barbariké aufgrund deren natürlichem Imitationstrieb und erstaunlicher Anpassungsbereitschaft. Die Ergebnisse sind Glanzstücke der Latènekunst, die das etruskische Vorbild endlich an handwerklicher Meisterschaft und ureigenster Phantasie bei weitem übertreffen. Kimmig erzählt die säkulare Heilsgeschichte der vor -geschichtlichen Hallstattkultur, die in der Latènekunst- und kultur gipfelt, die weil sie identisch mit den historisch überlieferten Kelten sei Mitteleuropa endlich in einen geschichtlichen Zustand überführt und damit auf eine höhere Kulturstufe hebt (Kimmig 1983: 5; 19; 22; 61; 65ff.; 72f.). Man kann in Kimmigs Narrativ unterschiedliche Erzählmuster identifizieren. Beginnen wir mit dem neuen, erfrischend unkonventionellen Interpretationsmodus (Müller-Funk 2008: 133ff.), den die Metahistory von Hayden White bereit stellte (Abb. 6). Ganz so neu ist dieser Modus inzwischen nicht mehr, da White seine Theorie des Narrativen, die im Folgenden nur ganz knapp zusammengefasst werden kann, schon zu Beginn der 1970er Jahre an historiografischen und geschichtsphilosophischen Werken 42 des 19. Jh. entwickelt hat. Sie ist allerdings bis heute in der europäischen Geschichtswissenschaft kaum rezipiert worden, geschweige denn in der archäologischen Historiografie (Rieckhoff 2007b: 19f.). Die Ablehnung der Historiker und Archäologen richtete sich sowohl gegen das allgemeine Postulat des linguistic turn, dass es die Sprache sei, die eine so genannte historische Wirklichkeit herstelle, als auch gegen White s These vom historischen Text als literarischem Kunstwerk im Besonderen (White 1994). White ging, wie eingangs bereits erwähnt, davon aus, dass historiografische Texte ebenso Narrative seien wie literarische Texte und dass demzufolge auch für den Historiker gelte, dass narrative Strategien und rhetorische Strukturen einen konstituierenden Einfluss auf den Prozess der Erkenntnisgewinnung und die Sinnstiftung ausüben. Jeder Historiker versuche so White seinen Darstellungen den Anschein von Erklärungen zu geben beziehungsweise der Geschichte Sinn zu verleihen mit Hilfe von drei Modellen, die in jeweils vier Formen auftauchen können (Landwehr 2008: 43ff; Jordan 2009: 192): Das erste Erklärungsmodell ist die narrative Modellierung, d. h. die Erzählung dessen, was geschehen ist, in Form einer Romanze, Tragödie, Komödie oder Satire; das zweite Erklärungsmodell, die formale Schlussfolgerung, deutet den Fortgang der Geschichte durch argumentative (formativistische, organizistische, mechanistische oder kontextualistische)

43 Konzepte; das dritte Erklärungsmodell, die ideologische Implikation, betrifft die weltanschaulichen, nicht wissenschaftlich begründeten (anarchistischen, radikalen, konservativen oder liberalen) Vorannahmen über gesellschaftliches Handeln, die der historischen Deutung zugrunde gelegt werden. Grundlage dieser Erzählmuster, die den jeweiligen Plot einer Geschichte bestimmen, ist Whites Theorie der Tropen (Redewendungen). Dieser Theorie zufolge bestimmt die Sprache nicht nur den Stil der Darstellung, sondern indirekt auch deren historische Deutung. White unterscheidet auch bei den Tropen wiederum vier rhetorische Grundtypen (Metapher, Metonymie, Synekdoche, Ironie). Obwohl White mehrfach darauf hingewiesen hat, dass alle diese Textformen prinzipiell frei kombinierbar seien und dass es durchaus auch weitere Figuren geben könne, suggeriert er doch bestimmte Affinitäten zwischen narrativer Modellierung, Argumentation, Ideologie und Trope. Diese formalistische Sicht auf eine Welt im Viererpack (Kohlhammer 1998) hat entscheidend zur Ablehnung von White s Thesen beigetragen und übersehen lassen, dass die Geschichtswissenschaft ihm etwas sehr Wichtiges verdankt: die Grundlagen einer Theorie des Narrativen in der Geschichtsschreibung. Kehren wir mit diesem Instrumentarium wieder zu Kimmigs Text zurück. Es ist keine Frage, dass sich Kimmigs narrative Modellierung als klassische Romanze denotieren lässt. Die Romanze steht für den Glauben an den ewigen Fortschritt der Gesellschaft hin zum Besseren; sie repräsentiert schlechthin den Sieg des Guten über das Böse. Im Zentrum der Romanze steht das Drama der Selbstfindung des Helden (im vorliegenden Fall der rückständigen HallstattKelten ), das aber schließlich im Triumph endet (hier also im Durchbruch der Latènekunst). Der Romanze ordnet White das formativistische Argumentationsmodell zu, für das Kimmigs Erzählung ebenfalls ein treffendes Beispiel ist. Dieses Modell zielt auf Erklärung durch vollständige Identifizierung aller Gegenstände ab (d. h. in diesem Fall durch Überprüfung der prähistorischen Objekte hinsichtlich Typologie, Chorologie und Chronologie), es fokussiert die Einzigartigkeit von Personen und Ereignissen, es ist lebendig und detailreich, aber auf Grund seiner großräumigen Perspektive mangelt es ihm an Stringenz und Schärfe (Müller-Funk 2008: 133ff.). Die dritte narrative Kategorie, die ideologische Implikation, hat White jeweils am Beispiel des sozialen Wandels exemplifiziert. Kimmigs Ideologie trägt insofern anarchistische Züge, weil das Happy-End in einer raschen Veränderung der Gesellschaft liegt. Die Übereinstimmungen zwischen Kimmigs Text und White s Erklärungsmodellen sollten einen indessen nicht davon abhalten, auch nach anderen narrativen Mustern Ausschau zu halten. Wie ich bereits vor einiger Zeit gezeigt habe (Rieckhoff 2007b: 26f.), entstammen signifikante Begriffe5 und Tropen des Textes, Metaphern und Stereotype, einem Dritte Welt-Diskurs, der in der Zeit, als der Vortrag entstand, noch stark von einer eurozentrischen Alltagssprache geprägt war. Kimmigs Text war kein Einzelfall. Erzählmuster, die im Postkolonialismus und Ethnozentrismus wurzelten, waren in der Nachkriegszeit in der Gegenüberstellung von Kelten und antiken Hochkulturen noch lange wirksam, bis sich das Bewusstsein dafür durchsetzte, dass fremde Verhaltensweisen und Leistungen nicht nur an den eigenen Wertmaßstäben gemessen werden sollten. Die Doppelung des Erzählmusters Romanze und Ethnozentrismus ist kein Widerspruch. Im Gegenteil, White s starres Schema ist in seiner Ausschließlichkeit gar nicht praktikabel. Insofern überrascht es nicht, wenn sich auch die Meistererzählung Geschichte als Fortschritt mit einer zweiten konkurrierenden Meistererzählung überschneidet, in der es um das kollektive Gedächtnis der Nachkriegsgeneration geht, nämlich um Geschichte als Identitätskonstruktion. Den Dreh- und Angelpunkt dieser zweiten Meistererzählung bildet ebenfalls wieder die Latènekunst. Mit deren Durchbruch im 5. Jh. v. Chr. hatte die Zone nördlich der Alpen endlich die naiv-urzeitlichen und provinziell-unselbständigen Züge der Hallstattkunst verloren (Angeli 1980: 19); mit den erwähnten Glanzstücken der keltischen Kunst, die nun endlich mit ihren etruskischen Vorbildern konkurrieren konnten, ließen sich Leistungen einer vorschriftlichen Vergangenheit vorführen, deren sich eine moderne Gesellschaft nicht schämen musste. Kelten und Kunst wurden daher quasi zum Synonym. Diese positive Konnotation fiel mit einer allgemein zu beobachtenden Aufwertung der keltischen Vergangen- 43

44 heit in Süddeutschland zusammen. Begonnen hatte dieser Prozess schon bald nach Kriegsende, als die Lücke, die das Ende der Germanenforschung 1945 gerissen hatte, rasch mit Keltenforschungen gefüllt wurde. Aber obwohl die deutschsprachige akademische Keltenforschung in Europa bald spaten- und federführend wurde, dauerte es noch etwa drei Jahrzehnte, bis auch die deutsche Öffentlichkeit die Kelten für sich entdeckte. Die Erscheinung des ersten deutschen Keltenhandbuches 1981 war kein Zufall (Bittel 1981): Kurz zuvor, 1978, war das Jahrhundertgrab von Hochdorf entdeckt worden, und 1980 wurden die ersten beiden großen mitteleuropäischen Keltenausstellungen eröffnet.6 Der Beitrag des keltischen Volkes zur Identität auch der Deutschen ist seitdem in vielen Veröffentlichungen, Fernsehsendungen und Ausstellungen verfestigt worden. Ludwig Pauli 1980: Tragödie und Historischer Materialismus Wie bereits erwähnt, hat Pauli etwa gleichzeitig mit Kimmig den Übergang von der Späthallstatt- zur Frühlatènekultur erzählt. Paulis Tropen klingen nicht so beschaulich wie diejenige Kimmigs, sondern ver glichen mit jenen geradezu schrill. Zwar wird auch hier wieder der Süden zum Motor der Geschichte, aber der paradigmatische Unterschied zu Kimmig besteht darin, dass in Paulis Modell das Zivilisations niveau der Hallstattkultur durch den Kontakt mit dem Süden nicht angehoben, sondern zerstört wird. Wachsender Reichtum führte zur Machtkonzentration in den Händen weniger Familien, die sich nicht durch friedlichen Handel oder dynastische Heiraten, sondern mit Hilfe von Sklavenhandel und Raubzügen in den Süden in den Besitz fremder Luxusgüter brachten, sich damit hinter ihre Burgmauern zurückzogen und ihre Toten mit glanzvollen Begräbnissen ehrten glanzvoll allerdings nur für die Herrschenden und auf Kosten der Bauern, Hirten und Handwerker. Die Spannungen zwischen den Mächtigen und dem Volk und den Mächtigen untereinander führten im 5. Jh. in eine tiefe Krise, die die Menschen in Unsicherheit stürzte und gründliche, wenn nicht gewaltsame Änderungen des Bestehenden erforderte. Eine der Folgen war der Zulauf, den eine neue Religion erhielt, die sich in der radikal neuen Latènekunst niederschlug, die ihre Anregungen eben- 44 falls dem Süden verdankte. Trotzdem wurde sie von der konservativen Hallstattkultur bewusst abgelehnt, so dass die Anhänger zur Auswanderung in die Randzonen der Hallstattkultur gezwungen waren, in denen nun die Latènekultur aufblühte von der Champagne über das Mittelrheingebiet bis Böhmen. Pauli hat mehrfach betont, dass kein Zweifel daran bestehen könne, dass hinter der Frühlatènekunst neue Götter, neue Kulte, vielleicht neue Jenseitsvorstellungen, kurz: ein neues Verhältnis zu Gott und Welt (Jacobsthal 1934) stecken müssten (Pauli 1980: 28-30; 32; 35). Deshalb kommt auch Pauli zufolge der Latènekunst als religionssoziologischem Phänomen eine hohe Integrationskraft zu bei der Ausbreitung keltischer Kultur und Ethnizität, die ihrerseits wiederum identitätsstiftend geworden seien für die modernen Gesellschaften Europas. Auch Pauli erzählt also eine Geschichte des Fortschritts, aber eine völlig andere. In seiner Version, die er einmal als two centuries of wealth and turmoil charakterisiert hat (Pauli 1985), entwickelt sich der Fortschritt nicht linear, sondern dialektisch, bestimmt durch ökonomische und soziale Widersprüche, die zu gesellschaftlichenveränderungen führen. Pauli war weder ideologisch, geschweige denn parteipolitisch Marxist, und seine narrativen Strukturen haben nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem politisch indoktrinierten Wissenschaftsjargon der DDR. Sein Erzählmuster bedient sich einfach nur vorurteilslos unterschiedlicher Gesellschaftstheorien, u. a. auch solcher, die dem Historischen Materialismus entstammen. Da Pauli zu den wenigen Erzählern gehört hat, die ihren politisch-gesellschaftlichen Standpunkt deutlich werden lassen, ist es nicht schwierig, eine klassische Kombination aus White s Typologie in Paulis Text wiederzufinden. Dies gilt sowohl für die radikale ideologische Implikation, als auch für das mechanistische Argumentationsmodell sowie die narrative Modellierung der Tragödie. Das Thema der Tragödie ist der (vergebliche) Kampf des Helden, dem Guten zum Sieg zu verhelfen; sie beschreibt das Scheitern des Menschen an den Gesetzen dieser Welt. Der Kampf bedeutet für den Protagonisten (d. h. für die Hallstattfürsten) den Untergang, aber selbst den Überlebenden (d. h. den frühlatènezeitlichen Eliten) ist nur ein kurzfristiger Triumph gegönnt, bevor der Konflikt erneut

45 ausbricht und im vorliegenden Falle in den keltischen Wanderungen kulminiert. Die mechanistische Erklärung liegt im Blick auf die außergeschichtlichen Triebkräfte, denen Akteure und Handlungen unterworfen sind; Geschichte und Gesellschaft werden von Kausalgesetzen determiniert. Der mechanistisch argumentierende Historiker präferiert die rasche und radikale Veränderung der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung und nimmt dafür auch heftige Erschütterungen in Kauf (Müller-Funk 2008: 135f.). Martin Guggisberg 2004: Komödie und Teleologie Die Texte von Kimmig und Pauli wandten sich an ein breiteres Publikum. Man könnte daher einwenden, die Autoren seien gezwungen gewesen zu erzählen, also Anfang, Mitte und Ende zusammenzufügen, Lücken zu ergänzen, Sinn zu verleihen und Vermutungen als Aussagen erscheinen zu lassen also all das zu tun, was sie in einem Text für die scientific community vielleicht unterdrückt, offen gelassen oder im Konjunktiv formuliert hätten. Dieser Einwand ließe sich zwar anhand der Literatur widerlegen,7 aber es erschien mir sinnvoller, als tertium comparationis noch einen Kolloquiumsbeitrag von Martin Guggisberg hinzuzuziehen, der über jeden Verdacht der Popularisierung erhaben ist. Guggisberg näherte sich dem Thema, der Rolle der Kunst am Übergang von der Späthallstatt- zur Frühlatènekultur, von einer ganz anderen Seite. Ausgangspunkt sind die Südimporte in früheisenzeitlichen Prunkgräbern, die auffällig älter zu sein scheinen als der Zeitpunkt der Bestattung. Franz Fischer hatte diese Keimelia (ein altgriechisches Wort für Kostbarkeiten) unter Verweis auf Homer als politische Geschenke gedeutet, die aufgrund ihres Erinnerungswertes thesauriert worden seien, so dass sie erst mehrere Generationen später ins Grab gelangten. Der Kern der Idee war nicht so neu wie Fischer glauben ließ. Er übernahm den Begriff Keimelia von Stuart Piggott (Fischer 1973: 438; 442; Piggott 1965), der ihn jedoch seinerseits dem Althistoriker Moses I. Finley ( ) verdankte. Finley unterschied zwischen sakralen und profanen Schatzkammern; die Funktion der letzteren, der dort (wörtlich) lagernden Kostbarkeiten, sah er im politischen Geschenkeaustausch (Finley 1956). Finley nahm nicht nur wesentliche Gedanken Fischers bereits vorweg, sondern ging methodisch über diesen hinaus, weil er Homer mit dem Modell des Gabentausches von Marcel Mauss ( ) verknüpfte, dessen strukturalistische Studie von 1923/24 über Die Gabe in den 1950er Jahren unter den Pariser Soziologen, Ethnologen und Altertumswissenschaftlern ein revival erlebt hatte (Mauss 1990). Guggisberg nimmt dieses traditionsreiche Modell der Keimelia als Ausgangspunkt, erweitert es aber um eine neue Dimension. Das Paradebeispiel für Altstücke, wie Guggisberg sich ausdrückt, ist seit jeher das Prunkgrab Grafenbühl, dessen etruskische Importe Jahre älter datiert werden als die um 500 v. Chr. angelegte Bestattung (Fischer 1990; Jung 2007). Guggisberg zählt noch ein halbes Dutzend weiterer späthallstatt- und frühlatènezeitlicher Grabkomplexe auf, die Altstücke enthalten, die zumeist zwei Generationen älter seien als die übrigen Beigaben. Aus dieser chronologischen Diskrepanz entwickelt er eine über den Gabentausch hinausgehende Interpretation. Er zeigt auf, dass in der Eisenzeit die Beigabe von Altstücken von Griechenland bis Oberitalien fester Bestandteil aristokratischer Bestattungssitten gewesen ist. Er sieht in dieser Sitte einen Verweis auf Ahnenkult und Heroisierung des Toten. Dieses Modell möchte er nun auch auf die nordwestalpine Späthallstatt- und Frühlatènekultur übertragen und verbindet es mit der Entstehung der Latènekunst. Die neuen Machthaber des 5. Jahrhunderts hätten den Frühlatènestil ins Leben gerufen, der sich unverkennbar und sicher bewusst an mediterranen Vorbildern der Vergangenheit orientiert habe, genauer gesagt, an den altehrwürdigen Keimelia, die in den aristokratischen Schatzkammern schlummerten. Sinn dieses Rückgriffs auf die Vergangenheit sei es gewesen, die Keimelia in den Dienst einer konservativen Herrschaftsideologie zu stellen und dadurch den Führungsanspruch einer durch Abkunft, kriegerische Tüchtigkeit und persönliches Charisma qualifizierten Elite zu begründen und zu legitimieren (Guggisberg 2004: 175; 188f.). An der Meistererzählung hat sich nichts geändert. Auch Guggisberg erzählt eine Geschichte des Fortschritts, wenn auch nur am Beispiel des politischen Machtwechsels innerhalb einer kleinen Elite. Doch der Plot, der zur Entstehung der Latènekunst führt, ist neu und originell: Weder schickt er etruskische Händler und Gesandte nach Norden wie Kimmig, noch schickt er 45

46 umgekehrt wie Pauli die Hallstatt-Elite auf Raubzüge nach Süden. Stattdessen bleiben die Fürsten zu Hause und kramen in ihren Schatztruhen nach Vorlagen für den neuen Stil ihrer Rangabzeichen und Statussymbole. Während Kimmig die rückständigen HallstattKelten durch die völlig neue Latènekunst quasi zu zivilisierten Europäern werden lässt, während Pauli die radikal neue Kunst quasi zum Sinnbild des Aufruhrs gegen die Hallstattfürsten hochstilisiert, deutet Guggisberg dieselben Werke als Ausdruck eines kontinuierlich gesteigerten Traditionsbewusstseins einer konservativen Elite, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ihre neue Identität aus dem Rückgriff auf Bilder einer längst vergangenen Zeit bezieht. Gegensätzlicher könnten die drei Erzählmuster die doch immer um dieselben ausgewählten Funde kreisen! nicht ausfallen. Guggisberg vertritt eine konservative Ideologie.Während Jacobsthal immer wieder den kulturellen Bruch zwischen Hallstatt- und Frühlatènekunst betont hat (Jacobsthal 1944: 158: Early Celtic art has no genesis ), geht Guggisberg von der Verwurzelung des frühlatènezeitlichen Ideengutes in hallstättischen Traditionen und einer bewussten Forttradierung aus (Guggisberg 2000: 262). Er konstruiert einen sozialen Wandel, der konfliktfrei verläuft, weil er eingebunden bleibt in den natürlichen Rhythmus des Entstehens und Vergehens kultureller Phänomene. Im Unterschied zu Kimmig und Pauli betrifft dieser Wandel jedoch nicht die Gesellschaft als Ganzes, sondern nur bestimmte Aspekte der aristokratischen Repräsentationskultur. Kennzeichen dieser organizistischen Erzählstruktur ist die Vereinfachung. Sie dient der Einbindung einzelner Ereignisse in ein großes synthetisches Geschehen, dessen Bedeutung diejenige des Einzelphänomens verdrängt. Nicht das individuelle Element, sondern dessen Integration in den historischen Prozess steht im Mittelpunkt des Interesses. Dieser Prozess verläuft teleologisch, aber nicht im Sinne von Gesetzmäßigkeiten, sondern von Prinzipien und Ideen, in diesem Fall z. B. von der Idee der konservativen Herrschaftsideologie. Die konservative Implikation und die organizistische Argumentation ordnet White dem emplotment der Komödie zu, die zwischen Romanze und Tragödie angesiedelt ist. Mit der Tragödie teilt sie ein partielles 46 Scheitern des Helden, das jedoch ein versöhnliches Ende nimmt und ihn, wie in der Romanze, letztlich in eine bessere Welt führt. Versöhnlich ist Guggisbergs Plot auch insofern, als er versucht, damit den chronologischen Widerspruch zu lösen, der die Eisenzeitforschung bis heute vor eine Aporie stellt: Die italisch-etruskischen Vorbilder der Frühlatènekunst sind zum Teil nicht nur in Italien wesentlich älter, sondern nach konventioneller Datierung auch schon zwei Generationen früher über die Alpen gekommen, als hier noch die Hallstattkultur blühte, deren Ende um die Mitte des 5. Jh. v. Chr. angesetzt wird (Frey 2005). Doch so einleuchtend es ist, dass die fremden Kostbarkeiten zunächst in die Schatzkammern gewandert sind, so dunkel bleibt, warum die Schätze just zu diesem Zeitpunkt wieder hervorgeholt worden sein sollen, um zu Symbolen einer an Vergangenheit und Tradition orientierten Aristokratie zu werden. Guggisberg spricht nur vage von einem Machtwechsel. Die einfachste Lösung des Problems scheint die komplizierteste zu sein eine Korrektur der absoluten Chronologie, wie sie Martin Trachsel vorgeschlagen hat (Trachsel 2004: 318ff.). Ihm zufolge würde Lt A schon wesentlich früher (520/500 v. Chr.) beginnen, so dass die zeitlichen Lücken zwischen etruskischem Import und keltischen Imitationen nahezu entfallen würden. Bisher ist das freilich nur eine ver lockende Alternative, weil sie ohne das Konstrukt einer altmodisch gesinnten Elite auskäme, deren künstlerische Inspiration sich ohne erkennbaren Anlass an Antiquitäten entzündete. 4. Fazit: Die Frage ist nicht, was erzählt die keltische Kunst, sondern wie wird über sie erzählt? Die keltische Kunst 8 ist kulturwissenschaftlich gesehen eine dinghafte Erzählform par excellence. Der Beweis für diese These liegt paradoxerweise in der Tatsache, dass wir nicht wissen, was diese Kunst erzählt. Selbst die Bedeutung der figürlichen Werke, sowohl der Großplastik als auch der Kleinkunst, insbesondere der frühlatènezeitlichen Masken (Jacobsthal 1944), Fabelwesen (Pauli 1980) oder Mischwesen (Frey 2002a: 197f.; Jung 2009), ist nach wie vor unbekannt - und wird es bleiben. Im Unterschied zur Architek-

47 Abb. 7: Schaubild zur Narratologie der keltischen Kunst anhand ausgewählter Texte von Kimmig 1983 (Ki), Pauli 1980 (P) und Guggisberg 2004 (G). Zu Kruta 1979 (Kr) vgl. Anm. 10. tur, deren Elemente ihren Sinn durch ihre Funktion offenbaren können (Rieckhoff 2010: 287ff.), enthüllt die latènezeitliche Bilderwelt ihr Geheimnis auch dann nicht, wenn wir beispielsweise maskengeschmückte Ringe als Frauenschmuck identifizieren können (Bagley, Kost 2010). Es geht daher nicht um Wissenslücken, die eines Tages durch glückliche Fundumstände gefüllt werden, sondern wir wissen nicht, was diese Kunst erzählt, weil wir es nicht wissen können, ebenso wenig, wie es uns möglich ist, zwei Kelten beim Erzählen zu belauschen. Wir können die Erzählungen der figürlichen Artefakte nur (re)konstruieren. Dies geschieht üblicherweise durch in aufsteigender Reihenfolge reine Spekulationen, subjektives Wissen, theoretisch begründete Deutungen, erklärende Analogie oder empirisch überprüfbare Wahrscheinlichkeiten (beziehungsweise häufig durch eine Mischung aus all dem). Das bedeutet, dass jede (Re)konstruktion, d. h. jeder wissenschaftliche Text beziehungsweise nach der Theorie von White jede Erzählung über die keltische Kunst abhängig ist von der Vorstrukturierung durch Sprache und Begriffe sowie durch unterschied- liche Sichtweisen, Modelle,Theorien, Paradigmen oder wie immer man es nennen möchte, die hier unter dem Begriff der Erzähltraditionen zusammengefasst werden. Diese Traditionen bilden eine Hierarchie, so dass ich vier Erzählebenen unterscheide (Abb. 7).9 Ebene IV: Metaerzählung. Die so genannte Metaerzählung bildet den Gesamtrahmen, innerhalb dessen sich alle Diskurse bewegen. Mit einer Sinngebung durch Ordnung werden epistemologische Fragen der Geschichtswissenschaft berührt, die hier zu weit führen würden. Ebene III: Meisterzählungen. Diese Ebene bezeichnet eine oder mehrere konkurrierende Meistererzählungen, die sich durchaus in ein und demselben Narrativ treffen können. Ich habe in diesem Beitrag zwei Stränge identifiziert: die Geschichte vom Fortschritt ( Entwicklung und Fortschritt ) sowie die Geschichte der Identitätskonstruktion ( Erinnerung und Identität ), aber das soll nicht heißen, dass damit das Angebot erschöpft sei. So hat Ulrich Veit zum Beispiel zwei Erzählmuster benannt, die Selbstschöpfung des Menschen (nach Childe 1936) im Gegensatz zum 47

48 externen Kulturbringer, bekannt unter dem Schlagwort ex oriente lux (Veit 2006: 207), die ich unter der Meistererzählung Geschichte von Mensch und Umwelt subsumiert habe (Rieckhoff 2007b: 23). Die Rolle der Meistererzählungen im wissenschaftstheoretischen Diskurs der prähistorischen Archäologie ist gerade erst entdeckt worden (Veit 2006; Rieckhoff 2007b); sie bedarf unbedingt noch der Präzisierung durch eine Methodendiskussion. Ebene II: Erzählmuster. Die Erzählmuster standen im Mittelpunkt meiner Erörterung. Als konkrete Beispiele dienten drei Autoren (Kimmig, Pauli, Guggisberg), die jeweils denselben Zeitabschnitt (Späthallstatt- und Frühlatènekultur) unter derselben Fragestellung (Kontinuität oder Diskontinuität?) anhand desselben Mediums, nämlich der keltischen Kunst erzählen.die Texte ließen sich unschwer anhand von White s Theorie des Narrativen typologisieren; gleichzeitig ließen sich aber auch unterschiedliche Geschichtstheorien identifizieren: Romanze und Ethnozentrismus (Kimmig), Tragödie und Historischer Materialismus (Pauli) sowie Komödie und Teleologie (Guggisberg).10 Das frappierende Ergebnis trotz der übereinstimmenden Fakten sind die Erzählmuster so unterschiedlich ausgefallen, wie sie unterschiedlicher kaum denkbar sind muss hier nicht noch einmal zusammengefasst werden; stattdessen möchte ich mit einigen allgemeinen Bemerkungen schließen. Die erste betrifft die grundsätzliche Frage nach Sinn und Zweck der Anwendung von White s Theorie des Narrativen. Lässt sich mit dieser auch die Frage beantworten, wie in der Archäologie erzählt wird? Am konkreten Einzelfall ist das, soweit ich sehe, in dieser Form bisher noch nicht getestet worden. Veit ist in seinen Überlegungen über den Archäologen als Erzähler zwar ebenfalls von White s Prämissen ausgegangen (Veit 2006: 203f.), orientiert sich aber dann doch an der Erzähltypologie von Jörn Rüsen (1982; 1989), die aus meiner Sicht aus epistemologischen Gründen unbrauchbar ist für eine kritische historiografische Analyse (Rieckhoff 2007b: 20f.). Bei einer solchen Analyse geht es, wie White immer wieder betont hat, nicht darum, wer die Vergangenheit besser erklärt, sondern mit welchen Mitteln der Autor den historischen Fakten Sinn verleiht.wie ich im vorliegenden Fall anhand der Rolle der Kunst gezeigt habe, 48 stellt White s Typologie tatsächlich ein ausgezeichnetes Arbeitsinstrument dar, um das herauszufinden um Erzählstrukturen zu klassifizieren und zu interpretieren, um kontingente von signifikanten Unterschieden zu trennen, um die so genannten Plots herauszuarbeiten, die teleologischen Konstrukte der jeweiligen Narrationen (Müller-Funk 2008: 134). Es wurde aber auch deutlich, dass neben White s Typen durchaus noch andere Muster wirksam werden können. Eine weitere Bemerkung betrifft Sprache und Tropen, die hier weitgehend außer Acht gelassen wurden, in White s System jedoch eine wichtige Rolle spielen. Schon Jacobsthal hatte sich einer narrativen Rhetorik bedient, indem er die Akteure personalisierte: The Celts did not decide for Greek humanity, for gay and friendly imagery: instead they chose the weird magical symbols of the East. (Jacobsthal 1944: 162). Auch in den hier analysierten Texten treten die Kelten durch metaphorische Verben als geschlossene Wir-Gruppe auf: Sie schließen sich willig auf (Kimmig 1983: 72), sie bahnen sich den Weg (Pauli 1980: 33) oder rufen (die Latènekunst Anm. S. R.) ins Leben (Guggisberg 2004: 189). Es spielt keine Rolle, ob der jeweilige Autor eine ethnische Entität, eine durch Sprache und/oder eine gemeinsame Ideologie verbundene Wir-Gruppe im Kopf hatte; das Ergebnis ist dasselbe. Die keltische Kunst ist durch solche Texte zu einem festen Bestandteil des wissenschaftlichen Kelten-Diskurses geworden; durch den Rückkoppelungseffekt wird die Kunst nun ihrerseits permanent die Kelten als Wir-Gruppe im öffentlichen Diskurs etablieren. Hier überschneiden sich Narrativ und Diskurs; hier liegt eine Erklärung für die ungebrochene Wirksamkeit längst überholter Kulturkonzepte, die im Kern auf Déchelette und Kossinna zurückgehen (Rieckhoff 2007a; 2007b). Die letzte Bemerkung gilt der zentralen wissenschaftlichen Fragestellung aller drei Texte. Jeder Historiograf sieht als seine Aufgabe die Aufdeckung, Beschreibung und Erklärung von Veränderungen an, die den historischen Prozess strukturieren. Im Mittelpunkt der historiografischen Analyse muss daher die Frage stehen, welche Vorstellungen von sozialer und kultureller Kontinuität oder Diskontinuität sich in den jeweiligen Narrativen verbergen. Das Ergebnis ist nicht überraschend, aber in sich stimmig. Da sich in Kimmigs Ro-

49 manze die viel gesuchte Genesis des Latènestiles im Schoß der Hallstattzeit vollzieht, ist der soziale Wandel zweitrangig gegenüber dem kulturellen Bruch, den der zivilisatorische Höhenflug der Frühlatènekunst verursacht (Kimmig 1988: 279). In Paulis tragischem Plot hingegen müssen die Eliten ausgetauscht werden, damit sich die radikal neue Kunst durchsetzen kann, so dass es zum totalen Bruch kommt.wiederum im Gegenteil dazu hält Guggisberg an seiner Leitidee, der Tradition fest, sowohl in sozialer wie in kultureller Hinsicht. Eine Analyse von drei Texten ist statistisch nicht re- präsentativ. Aber die Tatsache, dass sie so aussagekräftig ist, lässt vermuten, dass eine größere Stichprobe eindeutige Ergebnisse liefern würde. Eindeutig heißt in diesem Fall, dass sich genügend narrative Modellierungen, Argumentationsstränge, ideologische Implikationen und andere Theorien finden lassen würden, um Forschungstraditionen herauszuschälen, offene Fragen aufzudecken und zu neuen Erklärungen anzuregen. Für die Latènekunst, die vor allem im Stil der klassischen Kunstgeschichte betrachtet wird (Guggisberg 2000; Megaw, Megaw 2001; Echt 2004; Frey 2007b), wäre das sicher ein fruchtbarer Ansatz. Anmerkungen 1 Die Anführungszeichen werden im Folgenden beibehalten um zu verdeutlichen, dass es die keltische Kunst ebenso wenig gibt wie die keltische Religion, weil der Singular eine ethnisch homogene Bevölkerung suggeriert (vgl. Rieckhoff 2007a). 2 Early Celtic art is an art of ornament, masks, and beasts, without the image of Man. The only narrative, the figure frieze on the Hallstatt sword, was made by a foreigner (Jacobsthal 1944: 161). 3 Attisch-schwarzfiguriger Lekythos, H. 14, 5 cm (Privatbes. S. R.), Szene aus Odyssee 9, Der 9. Gesang beschreibt die Gefangenschaft des Odysseus und seiner Begleiter bei dem einäugigen Zyklopen Polyphem, einem Menschenfresser. Den Griechen gelingt es, den Riesen betrunken zu machen und zu blenden. Als Polyphem seine Schafe aus der Höhle zur Weide hinauslassen muss, tastet er sie ab, aber die Griechen entkommen trotzdem, weil sie sich unter den Tieren in deren Bauchwolle festklammern und hinaustragen lassen. Vgl. Koch 2003: 355f. 4 Bereits Jacobsthal hatte einen vorderorientalisch-skythischen Beitrag zur Herausbildung des frühlatènezeitlichen Tierund Maskenstils postuliert, obwohl ihm unklar war, auf welche Art und Weise dieser geleistet worden sei (Jacobsthal 1944: 156). Jacobsthal s These schlossen sich frühzeitig Frey (Frey 1980) und später Martin Guggisberg (1998) an, der sogar einen direkten skythisch-keltischen Kulturaustausch entlang der Donau postulierte. Bestritten wurden solche Kulturkontakte u.a. mehrfach von Ruth und Vincent Megaw, die stilistische Übereinstimmungen mit zufälligen Parallelerscheinungen oder umgekehrt mit keltischen Einflüssen auf den Osten erklärten (Megaw 2005). 5 Begriffe sind niemals bloß deskriptiv. Sie sind programmatisch und normativ. Daher hat der Gebrauch von Begriffen bestimmte Wirkungen. (Bal 2006: 13). 6 Die Hallstattkultur. Frühform europäischer Einheit. Landes ausstellung Oberösterreich, Steyr 1980 (Angeli 1980). Die Kelten in Mitteleuropa. Salzburger Landesausstellung, Hal lein 1980 (Pauli 1980). Der Keltenfürst von Hochdorf. Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Stuttgart 1985 Planck 1985). Vgl. Kimmig 1988: 281ff. und Pauli 1978: 413ff. Paulis explizit narrativ konzipierter Versuch einer historischen Auswertung der früheisenzeitlichen Grabfunde vom Dürrnberg war im deutschen Sprachraum insofern etwas völlig Neues, weil er sein Modell am Zeitalter der Reformation entwickelte. Der Einfachheit halber habe ich hier die Begriffe Kunst und Künstler beibehalten, die in der aktuellen Literatur recht bedenkenlos verwendet werden. Die Frage, inwieweit es berechtigt ist, aus historischer, ethnologischer oder moderner Sicht in prähistorischer Zeit im Allgemeinen und in der Latènekultur im Besonderen von Kunst und Künstlern zu sprechen, ist noch nicht ernsthaft gestellt worden, kann aber auch von der Archäologie alleine nicht beantwortet werden. Diese Ebenen überschneiden sich im Mittelfeld terminologisch mit den von Allan Megill (1995) definierten Ebenen. Megill unterschied: 1) die Erzählung selbst (narrative proper); 2) die Meistererzählung (master narrative), die maßgebliche Synthese eines Geschichtsausschnittes, wie z. B. die Darstellung der Westhallstattkultur (hier als II Erzählmuster bezeichnet); 3) die Großerzählung (grand narrative), die maßgebliche Sicht auf die Geschichte als Ganzes (hier als III Meistererzählung bezeichnet); sowie 4) die Metaerzählung (metanarrative), die den geistesgeschichtlichen Rahmen für jede Art von Historiografie bildet wie z. B. die abendländische Weltanschauung (vgl. Rieckhoff 2007b: 22). In Abb. 7 habe ich der Vollständigkeit halber als viertes Erzählmuster White s Satire hinzugefügt, für die Venceslas Krutas Darstellung der Kelten ein treffendes Beispiel bietet (Kruta 1979), das aber in diesem Beitrag außer Betracht bleiben musste, weil es konzeptionell nicht mit den hier ausgewählten Texten vergleichbar ist. Eine Vorstufe stellen meine Überlegungen zur figurativen Sprache (White 1994) in den Texten von Kimmig und Pauli 49

50 dar (Rieckhoff 2007b: 26f.). Für Jutta Leskovar (2005) waren White s Thesen der Anlass, eine neue archäologische Interpretationsmethode zu entwickeln; insofern ist sie einen ganz anderen Weg gegangen (vgl. Rieckhoff 2007b: 20). Dieser öffentliche Diskurs wirkt inzwischen auch auf wissenschaftlich ambitionierte Ausstellungskonzepte zurück: Kunst der Kelten 700 v. Chr. 700 n. Chr. Historisches Museum Bern, Bern 2009 (Müller 2009). Die Welt der Kelten. Zentren der Macht Kostbarkeiten der Kunst. Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg und Landesmuseum Württemberg, Stuttgart 20. Literatur Angeli, W. (1980), Die Hallstattkultur. Archäologischer Befund und museale Darstellung. In: Die Hallstattkultur. Frühform europäischer Einheit. Internationale Ausstellung des Landes Oberösterreich 25. April bis 26. Oktober 1980 Schloss Lamberg, Steyr. Linz: Oberösterreichischer Landesverlag. Assmann, A. (2006), Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. 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53 Wer hört in unserer hektischen, technokratischen, kapitalistischen Zeit noch die Stimme der Bäume, wer kennt die Weisheit unserer Ahnen? Beobachtungen zum mysterischen Keltenbild besonders in Österreich Helmut Birkhan Abstract Who hears in our hectic, technocratic, capitalistic period still the trees voices, who knows our forefathers wisdom? Observations concerning the mysteric idea of the Celts, especially in Austria There are at least six common stereotypes of the Celts: 1) Celts are nonconformist. 2) Celts were in accordance with nature, had deep insights and acted with some regard for the environment. 3) Celts lived in a matriarchal perhaps even in a society without any violence. 4) Celts are outstanding in craftwork. 5) Celts are extremely imaginative. 6) Celts come out of the dark, we don t know much about them; they are simply the mysterious people. Besides these items there is one common notion which could be termed the fascination of big stones. The paper gives examples for some of these items from the viewpoint of Austrian Celtic esoterics. There is the underlying question where do we come from? which leads to some self-identification which I call idiogenetic.there is also a strong tendency to regard places even without any outstanding features as places of druids or/and of some supernatural power which can be transferred to the believing. For sure, some of these places like Roseldorf and Frög are famous for their archaeological finds but the choice of most of them is quite arbitrary. I call this attitude towards nature, places and plants with a new word mysteric as a term including the ideas of esoteric, mysterious und mystic. Besides some objects of landscape like natural rocks (often called standing stones) there are also quite frequent man-made mysteric features e.g. the tree circles with their bogus interpretations. I discuss a few places in more detail, especially the Gaisberg near Vienna, a place of former goats keeping but in mysteric interpretation a holy mountain (connected by false etymology to Oir. geiss taboo ) and the so called druidic way at Hafnerberg, south of Vienna where a whole druidic landscape has been built up on some very scant evidence of solitary rocks and a dubious calendar point. I discuss also a place obviously not yet discovered by celtomania (Hintersdorf,West of Vienna) and a place which had been interpreted as a Celtic mystery but is now only a playground of radioesthetics (Steinpyramide near Zwettl). One of the reasons of modern keltomania is that the Celts came to fill up the vacuum which arose after World War II when the Old-Germanic peoples fell in disgrace. But among the mysteric authors lately Wodan 53

54 comes in now and then, albeit in the Wagnerized name-form Wotan. Besides these mysteric atitudes there is a more playful approach via Asterix in a Styrian skiing area at Galstiland not far from the Dachstein. There the Gaulish village of Asterix has been built up, mainly for children who ski into und through the very houses of Majestix, Panoramix etc. and are invited to drive away Roman soldiers with snow balls.the rest of my paper deals with one of the outstanding arguments of mysteric keltomania namely etymology which usually comes in as King s evidence, of course in a completely random association of Gaulish or more often and without methodological distinction of Insular Celtic words. Thus new roots and words like SEBA or GAIS holy are invented. The whole etymological reasoning takes place without any knowledge of language development or grammar but plays an extremely important role in mysteric evidence. I close with the pessimist statement that elucidation is hopeless and not accepted as it would undermine the whole mysteric construction. Sechs Stereotypen sind mir im Laufe meiner rezeptionsgeschichtlichen Arbeiten über die Kelten untergekommen. Ich fasse sie hier eingangs zusammen: 1. Die Kelten sind nonkonformistisch. 2. Die Kelten waren im Einvernehmen mit der Natur, hatten tiefe Einsichten in sie, kannten an ihr keinen Raubbau und keine Umweltzerstörung. 3. Die Kelten lebten in einer matriarchalischen, vielleicht sogar gewaltfreien Gesellschaft. 4. Die Kelten sind besondere Meister des Kunsthandwerkes. 5. Die Kelten sind besonders phantasievoll. 6. Die Kelten kommen aus dem Dunkel, man weiß von ihnen so gut wie nichts: Sie sind das rätselhafte Volk schlechthin. Dazu kommt noch eine Grundeinstellung, die auch für andere Kulturen gilt, aber gerade in der Keltenrezeption besonders wichtig ist: Das fascinans des großen Steins. Ich habe schon mehrfach zum Wahrheitsgehalt der Kelten-Topoi Stellung genommen (Birkhan 2001; Birkhan 2005; Birkhan 2006 und zuletzt Birkhan 2009: 31 36) und brauche das in gerade diesem Kreis, der meine Arbeiten ja kennen wird, nicht zu wiederholen. Sie und das fascinans des großen Steins bilden auch die Voraussetzungen der Fragen und Unter suchungen von Eva-Maria Winkler (2006) und Stephanie Patzer (2010). Dieses Keltenfascinosum hat einen mentalen Hintergrund, den ich idiogenetisch nennen möchte, insoferne es auf die Frage Wo kommen wir her? antwortet. Dazu bedient es sich gern der Scheinetymologien, so wenn etwa der Name des Kalenderberges 54 bei Mödling anscheinend völlig aus dem Stegreif auf ein keltisches Wort kal für Mutterbauch; Geborgenheit zurückgeführt wird (Steiner 2006: 4). Ich habe diese Argumentationsweise 2009 als fiktionale Wissenschaft oder Fiktionaldidaktik bezeichnet (Birkhan 2009: 26f., 566, 571f. Anm. 4, 577, 714, 737, 768). Es wird von ihr noch mehrfach die Rede sein. Das Keltenfascinosum ist das Ergebnis einer sentimentalisch-neoromantischen Weltkonstruktion, die auf einem quasi-religiösen, auf Unvermitteltheit zielenden Naturverständnis ruht. Dazu ein Beispiel: Die Verlängerung des Parapluibergs im Südwesten Wiens bildet der Gaisberg (auch Geißberg; aber die amtliche Schreibung hat bekannt-

55 Abb. 1: Die Waldfelsen des Gaisbergs bei Kaltenleutgeben. Foto: Birkhan lich wenig Aussagekraft), mit 602 m eine nicht weiter bemerkenswerte Anhöhe, aus deren Waldboden einige bescheidene Kalkfelsen ragen (Abb. 1). Der Name [dialektal 'g a ßbeak], der offensichtlich von einer Ziegenweide kommt (so wie es im parallelen Liesingtal in Kalksburg eine Kuhheide ['kuah a t] gibt), wird fiktionaldidaktisch von Gabriele Lukacs (Bouchal, Lukacs 2009: 24), mit einem (natürlich) nicht-existenten keltisch gais geheiligter Platz, Tabuzone verbunden. Quelle war die Bibel und Hauspostille der deutschsprachigen Keltenesoteriker, vornehmlich in Österreich, das Buch Unser keltisches Erbe von der Wirtschafts wissen schaftlerin Inge Resch-Rauter. Dort liest man: GEIS/GES kelt. Schicksal, Bestimmung; Tabu. Das Namenselement soll sich in den neuzeitlichen Geis-, Gais-, Geß-, Gös-, Göß-, Goess-, Gois-, Gols-, Goss-, Gäns-, Gens-, und Gans-Namen finden (Resch-Rauter 1992: 87 93, 475). Die Verfasserin zitiert die altirische Sage Die Zerstörung der Halle von Da-Derga (Togail bruidne Da-Derga), in der mehrfach von einem dem König Conaire Mór auferlegten Tabu (geiss) etwa: keine Vögel zu jagen die Rede ist (IHK ). Wer wie Resch-Rauter keine Ahnung von der altirischen historischen Grammatik hat, könnte nun glauben, air. geiss Tabu gehe auf ein urkelt. geis(oder wie Lukacs schreibt gais-) zurück. Der Keltologe indessen weiß, dass air. geiss zu guidiu ich bitte gehört, das auf ein akelt. *gued- (< idg. *guhedh-) begehren; bitten (IEW 488) zurückweist und mit dem angenommenen diphthongischen geis/gais- völlig unvereinbar ist. Der Waldläufer Hans Steiner aus Liesing hat die Kalkfelsen schon um 2003 zu Druidensteinen erklärt und in seinem Wanderführer als mystischen Ort gepriesen. Auf die Frage, woher die Vermutung komme, dass der Gaisberg ein Heiliger Ort der Kelten gewesen sei, erfahren wir (Keltenklischee Nr. 2): Bei den Druiden, den Priestern der Kelten, geschah alles im Einklang mit der Natur; denn in freier Natur war es für sie am ehesten möglich, mit Überirdischen in Verbindung zu treten. Also sammelten sich die Kelten auf einem Hügel oder einer Bergspitze, auf einer Waldlichtung oder an einer Quelle, denn Wasser bedeutete Lebenskraft (Steiner 2006: 27 30). Über das Volk, das aus dem Dunkeln kam (Keltenklischee Nr. 6), belehrt uns der Waldläufer : Die Kelten wanderten vor 3000 Jahren aus Asien und dem heutigen Russland, wo ihre kulturellen Wurzeln liegen, in un- 55

56 Abb. 2: Steiners Transkription des Gaisberg-Gipfelbuchs. Foto: Birkhan sere Gegend... Um 500 vor Christus kamen sie bis Britannien und Irland (Steiner 2006: 31). Es ist kurios, wie hier vage Kenntnisse über die vermutete Heimat der Indogermanen, vielleicht mit einer Ahnung von den Skythen, ganz anachronistisch auf die Kelten übertragen werden. Man hat fast den Eindruck, dass sogar mittelalterliche und frühneuzeitliche Theorien über die Abstammung der Kelten von dem nach Asien ausgewanderten Noah-Sohn Japhet überleben (vgl. Birkhan 20). Doch wäre das gewiss Überinterpretation, weil man Steiner wohl nicht diese Kenntnisse zutrauen darf. In einem Gipfelbuch kann man auf dem Gaisberg seine Erlebnisse festhalten. Im Frühjahr 2009 hat Steiner das vollgeschriebene Buch durch ein neues ersetzt, in das er jedoch die relevanten Eintragungen aus dem früheren fein säuberlich transkribiert einklebte (Abb. 2). Danach hat am am Keltenplatz der Druidensteine eine Vorhochzeit honi soit qui mal y pense! stattgefunden, als eine Silvia ihren Robert heiratete, während Günter und Hannelore als Trauzeugen wirkten. Vielleicht tauschten sie keltische Ringe aus Chirurgenstahl, wie sie 2004 in Leipzig zu kaufen waren (Abb. 3). Während eine gewisse Margit den Waldläufer nicht sehr keltisch mit 56 Abb. 3: Keltische Schmuckringe in Leipzig angeboten. Foto: Birkhan Om Mani Padme Hum grüßte, und Gerhard der Gedanke an seine Liebste und eine mystische Macht an jenen himmelsgleich schönen Ort geleitet hatte, führte den verirrten Christian ein Bussard Pärchen zu diesem Kleinod der Natur. Den Wanderer leitende Tiere kennen wir aus Märchen, Sage und Legende. Der Ort hat eine im strengen Sinn des Wortes esoterische, weil die von den Bussarden nicht Geleiteten ausschließende Qualität. Ein pantheistisches Naturgefühl verbindet sich hier speziell mit den Kelten, die man nach Keltenklischee Nr. 2 für besonders naturnah hält und gelegentlich mit ihrem geheimnisvollen Exponenten Merlin, dessen Waldleben als der wahnsinnig gewordene Myrddin Wyllt man in durchaus krauser Weise uminterpretierte, wenn eine empfängliche Seele im Museum von Roseldorf (NÖ) folgende Botschaft hinterließ: Wie Merlin möchte ich durch die Wälder ziehen; Was die Stürme wehen, Was die Donner rollen, Und die Blitze wollen, Was die Bäume sprechen, Wenn sie brechen, Möcht ich wie Merlin verstehen.

57 In das Gaisberggipfelbuch schrieb jemand: Danke für das Verständnis für unser keltisches Erbe! Wer hört in unserer hektischen, technokratischen, kapitalistischen Zeit noch die Stimme der Bäume, wer kennt die Weisheit unserer Ahnen? (Steiner 2006: 29). Ich nenne diese Keltensicht mit einem neuen, mehrere mögliche Assoziationen offenlassenden und doch recht exakten Terminus mysterisch. Wer bei dieser Wortprägung die Brauen runzelt, mag den Begriff inspirational bevorzugen, wie er sich in einer Eintragung von Wolfi und Gabi am Kraftort Michelberg (im Weinviertel) vom findet und dort offenbar das naturhafte Anregende an diesem Kraftort. In dem kleinen Dorf Geyersberg im Dunkel steiner Wald hat Wilhelm Cerveny, ehemaliger Gymnasiallehrer für künstlerisches Gestalten, als seine Frau in den frühen 80er-Jahren an einem seltenen Krebs erkrankte und die Schulmedizin nicht helfen konnte, sich an den 2010 verstorbenen Druiden Raborne (Anton Urszovics) gewandt, der in Sooß bei Loosdorf in einem Lebkuchenhaus residierte (Birkhan 2009: 442, 443 m. Anm. 1, 793; Patzer 2010: Abb. 2). Dieser empfahl ihm die Errichtung eines astronomisch georteten keltischen Steinkreises samt Dolmen, die der Druide am im Namen des Artemisia nemeton daher das Zeichen des Beifuß- oder Wermutblattes auf der Bronzeplakette einweihte. Später setzte Cerveny Aluminium-Profilstangen, in die er in Ogamschrift die Namen heiliger Bäume eingravierte, die er einem Kelten-Tarot entnommen hatte. Hier heißt etwa die Hasel Coll und die Eiche für den Keltologen überraschend Duir (statt richtig Dair oder Daur). Erfreulicherweise stabilisierte sich der Zustand von Cervenys Gemahlin tatsächlich, so dass sie noch 16 Jahre am Leben blieb. Die Inkonzinnität der Verbindung vorkeltischer Steinsetzungen mit uririscher Ogamschrift, nicht immer korrekten Baumnamen und das gallische Artemisiablatt des nemeton hat weder den Druiden noch Cerveny als Stifter des Ensembles gestört, verbanden sie doch das nemeton für gewöhnlich mit einer megalithischen Steinsetzung, ganz wie etwa im ersten Akt der Oper Norma (1831) und es stört auch nur Keltologen. Für den Laien ist allein durch den Begriff Kelte und den großen Stein eine magische, mysterische Potenz vorhanden, die Gegenstände orendistisch auflädt und wie im Falle von Anne Liese Cerveny anscheinend eine die Krankheit verlangsamende Wirkung hat. Bei der neuen Keltenesoterik ist allerdings zu unterscheiden, ob sie sich eines Lokals bemächtigt, das nachweislich den Lebensraum der alten Kelten bildete, oder ob die mysterische Tätigkeit an einem Platz moderner Wahl wie am Kaltenleutgebener Gaisberg stattfindet. Die zuvor zitierte Druidenphantasie vom naturverstehenden Merlin habe ich in Roseldorf (NÖ), also einem tatsächlichen und noch dazu bedeutenden Keltenort gefunden. Auch in Frög bei Rosegg an der Drau (Ktn), wo es ja wichtige archäologische Funde gibt, lässt es sich verstehen, dass die kleine, jedoch blühende Gemeinde aus ihrer Keltenwelt kräftig Kapital schlägt. Hier finden Treffen moderner Kelten statt, es gab aber auch zufällig während meines Besuchs ein Ritschertfest. Dabei ist es bezeichnend, dass das von Fritz Eckhart Barth (1992) rekonstruierte hallstattzeitliche Ritscher(t) den Veranstaltern als Rezept durchaus bekannt ist, man aber keinen Versuch macht, es original nachzukochen man stellte sogar die falschen Bohnen, nämlich die aus Amerika stammenden Wachtel- und Nierenbohnen (Phaseolus vulgaris) statt der den Kelten einzig bekannten Puffbohnen (Vicia faba) aus und gab sich mit der üblichen Rollgerstensuppe zufrieden. Ich wende mich wieder der Keltenmysterik zu, die nicht als archäologisches Erbe, sondern aus der freien Phantasie oder aus merkantilen Überlegungen heraus ihre Lokalitäten sucht. Da sind zunächst Druidensteine, gelochte und ungelochte, samt der Visur wie etwa auf dem Druidenweg beim Wallfahrtsort Hafnerberg (NÖ), dessen Name von Bouchal Lukacs (2009: 38) zu einem kelt. offerende gestellt wird,einem nach Resch-Rauter (1992: 85, 478) keltischen (ins latein übernommenen) Wort OFFERENDE, das Opfer darbringen heißt und in der ganzen keltischen Sprachgruppe sich vorfindet.... Der Literaturfreund denkt hier an das Motiv von der verkehrten Welt, denn natürlich stammen die inselsprachlichen keltischen Wörter aus lat. offerre und nicht umgekehrt! Tatsächlich ist der Ortsname Hafnerberg, den es erst seit 1785 mit der Entstehung der Siedlung gibt, nicht gedeutet (Schuster II 1990: 196). Aber die Annahme, dass er einen Ort bezeichnet, wo Hafner siedelten (vgl. die Orte Hafing und Hafnerbach im 57

58 Abb. 4: Informationstafel am Druidenweg in Hafnerberg (NÖ). Foto: Birkhan Raum St. Pölten), liegt etwas näher als die Vermutung, dass dort Mitte des 18. Jh. ein heidnisches Kultrelikt vorhanden gewesen sei und von einem Wort bezeichnet wurde, das es sonst im dt. Wortschatz nicht gibt! Sieht man beim Fuchshof vom Visurpunkt zwischen den beiden kleinen Hügeln, die eine Art Kimme bilden (Abb. 4), durch, so erblickt man das Kletterparadies des Peilsteins. Die Neodruiden und Magier, welche Wegweiser der Dorfgemeinschaft aufstellen und wie Bouchal Lukacs (2009: 40f.) Wanderrouten beschreiben, sind sich allerdings über die Bedeutung von Kimme und Korn als Zieleinrichtung nicht immer im Klaren. Der Name Peilstein, den Lukacs nach Resch-Rauter (1992: 430) aus dem niederdeutschen anpeilen, einem Terminus der Seemannssprache, ableiten will, gehört in Wirklichkeit wohl zu ahd. p ıl kleiner Pfahl; Pflock (vgl. Schuster 1989: I, 232). Er bezieht sich somit auf die Felsnadeln der Kletterwand. Ein dem Visurpunkt naheliegender auffälliger Felsen im steilen Wald, der angeblich dialektal Seebm-Stein heißt und seinen Namen wohl dem in der Gegend nicht gerade häufigen Sebenbaum (Juniperus sabina) verdankt, wird von der phantasievollen Lukacs im Sinne fiktionaler Didaktik (Birkhan 2009: 26 und öfter) zu einem nicht existenten keltisch seba heilig (vgl. Resch-Rauter 1992: 480) gestellt. Das Kalendarium besteht darin, dass zu Mariae Lichtmeß (2. Februar und 58 natürlich auch am 6. November) die Sonne im Visurpunkt aufgeht. Der dort wohnende Bauer wusste bei wolkenlosem Himmel also immer, wann diese beiden Tage waren und musste danach seinen Kalender einrichten! Letztlich handelt es sich wohl um Spekulationen, die auf den um 1880 dort wirkenden Naturheiler Franz Edelbacher zurückgehen sollen. Käme Kurt Derungs (2000) des Wegs, der es mit Frauenkörper und Landschaft hat, so würden ihm zu diesem Bild vielleicht die Paps of Anu in Co. Kerry und einiges mehr einfallen. Beliebter und eindrucksvoller noch als Visuren und Lochsteine sind Baumkreise und Horoskope. Ich bin (Birkhan 2009: 567, ) der Entstehung des Baumkreisgedankens nachgegangen und muß dies hier nicht wiederholen. Er hat jedenfalls in der altkeltischen Religion keinerlei Hintergrund, sondern ist letztlich das Konstrukt der französischen Frauenzeitschrift Marie Claire anfangs der 1970er-Jahre. Es gibt heutzutage eine große Anzahl solcher Anlagen, etwa bei Eberstein im Görtschitztal (Ktn), wo sie sich in unmittelbarer Nähe eines alten Galgens befin- Abb. 5: Nervenschwächende Keltenstrahlen bei der Araburg (NÖ)? Foto: Birkhan

59 Abb. 6: Die Baumkreisanlage der Gemeinde Wien in Sievering. Foto: Birkhan det, dessen Säulen noch erhalten sind. Ein sich dahinter erhebender natürlicher Felsbogen erhöht die Funktion als radiästhetischer Kraftort, ein modischer Ausdruck, der einem nun ständig begegnet. Überhaupt werden die Kelten gerne mit Ley-Linien und radiästhetischen Phänomenen mit ihren Bovis- oder Ängströmeinheiten, Hartmanngittern und ähnlichen Mutungsergebnissen zusammengebracht, wie etwa auf dem Heil- und Energieweg Kaumberg unweit der Araburg (Abb. 5),1 wo die Kelten präsenz nun auch einmal negative Vorzeichen erhält. Mit Ley-Linien bezeichnen die Mysteriker bestimmte in ihrem Sinn auffällige Punkte in der Landschaft, die etwa aus Megalithen, auffälligen Naturgebilden (Felsen) oder vorchristlichen und christlichen Kultstätten bestehen. Der Name stammt vom Zweitglied englischer Ortsnamen (wie etwa Wensley), wobei -ley (< ags. leah, ahd. l o h) das germanische Wort für heiliger Hain; Heiligtum fortsetzt. Der AmateurArchäologe Alfred Watkins nahm an, dass diese Orte auf geheimnisvollen Linien liegen. Aber nicht selten entstehen keltische Baumkreise gewissermaßen aus dem Nichts, aus einer Beschäftigungstherapie der ländlichen Jugend etwa in Pyhra (NÖ), wie die Kronen-Zeitung am (S. 19) berichtete, oder der mündlichen Überlieferung nach aus der esoterischen Marotte der Ehegattin eines Wiener Finanzstadtrates. Dieser ließ angeblich um 40 Mio. Schilling in Sievering ein Areal in bester Lage und mit herrlicher Aussicht bis zu den Kleinen Karpathen erwerben (Abb. 6) und darauf nach den von Michael Vescoli 1995 verbreiteten Angaben einen keltischen Baumkreis von 20 Bäumen errichten. Eine Gruppe von Botanikern der Universität Wien bat mich um eine keltologische Führung durch den Baumkreis und war nicht wenig enttäuscht, als ich ihnen die völlige Haltlosigkeit der Baumkreis- und Baumhoroskop phan tasien erklären musste. Ein von der Kronen-Zeitung unterstütztes Büchlein Im Lebenskreis der Bäume. Der Baumkalender der Kelten, 1997 bei Ueberreuter erschienen, beruft sich zwar auf meine Keltenstudien (Birkhan: 1997), wobei aus einem Sichelwagen ein Stichelwagen geworden ist (S. 13), behauptet aber Gott sei Dank nicht, bei mir etwas über den Baumkreis gelesen zu haben. Im Übrigen waren die Botaniker höchst erstaunt, dass die alten Kelten mit Bäumen zusammengebracht werden, die sie kaum kennen konnten (wie Feige, Zypresse, Zeder, Kastanie 59

60 Abb. 7: Botanisch zweifelhafte Information der Gemeinde Wien. Foto: Birkhan und Ölbaum), noch erstaunter aber, dass die Gemeinde Wien die Rosskastanie mit der Edelkastanie und die Tanne mit der Fichte verwechselt hatte, was keinem Christbaumhändler passiert wäre. Dagegen ist die Verwechslung von Speierling und Eberesche mit immerhin ähnlichen Blättern eine lässliche Sünde. Kundige dürften dann reklamiert haben, jedenfalls stehen jetzt bei den Bäumen Tafeln, welche die Proteste wegerklären. Neben der dahinkümmernden und zerzausten Fichte liest man, dass man erst seit dem 19. Jh. die Rottanne als Fichte bezeichne (Abb. 7). Ein Blick in das Grimmsche Wörterbuch zeigt freilich, dass dies so nicht stimmt. Der falsche Text auf der Informationstafel kam die Gemeinde billiger, als die Fichte auszugraben und durch eine Tanne zu ersetzen. Vielleicht erklärt es sich als Ergebnis einer Art wissenschaftlichen Unbehagens, dass auf der aktuellen Baumkreistafel das Attribut keltisch nicht mehr vorkommt, sondern der Baumkreis wie bei Bouchal Beck (2007: 30 32) 60 lediglich als Ort der Kraft und Kontemplation angepriesen wird. Die Keltenbotanik ist überhaupt ein unausgeschöpftes großes Kapitel. Seit dem Mittelalter haben die wenigen Angaben über die Zauberpflanzen der Kelten die Gemüter bewegt, am meisten die Nachrichten über Eiche und Mistel. So entstand schon in der ersten Hälfte oder Mitte des 14. Jh. der sogenannte Eichenmisteltraktat, der immerhin in 21 Handschriften überliefert und, was sehr ungewöhnlich ist, auch ins Altfranzösische übersetzt wurde (Keil 1978/79). Er handelt von der Riemenblume (Loranthus europaeus), nicht von der ganz selten auf Eichen wachsenden Nordischen Mistel (Viscum album). Heute wimmelt es von Büchern (auch Pflanzentarotkarten usw.), die sich des altkeltischen angeblichen Kräuterwissens annehmen, obwohl die vielleicht letztlich dahinterstehenden Sagen von den 365 Heilkräutern des Diancécht und den Kräutern der elfischen Ärzte von Myddfai (Birkhan 1997: 627f., 631, Anm.3) meist nicht zitiert werden. Um genügend magische Kräuter zu gewinnen, begnügte man sich nicht mit den vertrauten und z. T. sehr unsicheren bardana Klette, bellinuncium Bilsenkraut, bellocandium Schafgarbe, briginus Beifuss, verbenaca Verbene, selago? und samolus?, sondern behauptete einfach von einer Pflanze wie dem Salbei (Salvia officinalis) in einem sonst botanisch zuverlässigen Wikipedia-Artikel, dass die Druiden der Pflanze so große Kraft zuschrieben, dass sie meinten, man könne mit ihr Tote erwecken. Salbei solle nur in den Gärten von Weisen gedeihen und als kleiner Schnörkel der Matriarchatsphantasien (Birkhan 2009: ) dort, wo die Frau den Haushalt be herrsche ( wiki/echter_salbei [ ]). Vom Gänseblümchen hieß es: Wahrscheinlich keltischen Ursprungs ist der Glaube, dass der Genuss der kleinen Pflanze das Wachstum dämpfen kann. Eine irische Sage erzählt von der Fee Milka [!], die dem Kind des Königs heimlich Gänseblümchenspeise zu essen gibt, damit es nie erwachsen wird ( [ ]).2 Natürlich auch dies ohne Literaturhinweis auf die mysteriöse, so unirisch klingende Milka! Ich übergehe die große mysterische Bedeutung, die dem keltischen Kunsthandwerk zugeschrieben wird. Da ging schon im 19. Jh und geht bis heute vom Gun-

61 Abb. 8: Kopfplastik von Dimbach (OÖ). Foto: Birkhan destrupkessel eine gewaltige Faszination aus. Cernunnos-Anhänger werden gerne als Touristenramsch verkauft, der Gott ist auch im Internet omnipräsent, zumal er mit dem gehörnten Gott des Kabbalisten Eliphas Lévi ( ) verbunden wird. In diesen Umkreis gehört auch der heftig umstrittene Chiemseekessel, eine Fälschung der Nazizeit unter Verwendung von ca. kg sehr reinen Goldes, die eine krude Replik des Gundestrupkessels bietet, mit neuen Sinnangeboten, wie sie der Mystik des Dritten Reiches entsprachen (Birkhan 2009: ). Es gibt auch Gegenstände und Orte, die noch für die Kelten zu entdecken sind: Bei manchen Kopfplastiken wie jener (Abb. 8) in einer Stallmauer in Dimbach (OÖ) geschieht dies bereits (Milfait, 1994: 41). Andere Orte harren noch der mysterischen Erweckung. So das 1982 mit dem Beginn des Wassermannzeitalters bei Hintersdorf (Wienerwald) von Arnold Graf Keyserling ( ) errichtete Erdmutter-Heiligtum,3 das u. a. aus einem zum Polarstern weisenden Pfahl besteht. Bei der letzten Erdmutterfeier im Juni wurde der Göttin eine kleine Devotionalie aus schar- lachrotem Fimo geopfert, auf der die goldgelbe Mutter im Buddhasitz thront und auf ihre Fruchtbarkeitsfunktion etwa durch den Apfel verweist (Abb. 9). Nicht mehr mit den Kelten verbunden ist jetzt m.w. die vielumrätselte, sogenannte Steinpyramide bei Neustift im Waldviertel (Bezirk Zwettl), die möglicherweise von Georg Ritter von Schönerer, dem das naheliegende Schloss Rosenau gehörte, erneuert wurde, mit dem sie durch eine Wald straße verbunden ist. Die aus stufenförmig übereinander gesetzten Zylindersegmenten bestehende Konstruktion erinnert mich frappant an die germanischer Thing stätten, wie sie heute noch in Tynwald zu sehen ist, wo das Parlament der Isle of Man tagt. Der antiklerikale Schönerer soll beabsichtigt haben, die christlichen Feste wie Ostern durch germanische Thingspiele, etwa ein OstaraThing, zu ersetzen. Im umliegenden Wald befinden sich zwei Runen inschriften, die Otto von Bismarck grüßen. Sie sind in dem gleichen etwas unorthodoxen Runenalphabet geschrieben wie eine Urkunde des Floridsdorfer Turnvereins von 1896, die Schönerer zum Ehrenmitglied ernennt (abgebildet in dem vorzüglichen Wikipedia-Artikel org/ wiki/ Georg_von_Schönerer [ ]). Nachdem ich zu dieser Deutung des rätselhaften Gebildes gelangt war, erhielt ich eine mail-zuschrift des Zwettler Stadtarchivars Friedel Rainer Moll, in der er mir mit- Abb. 9: Erdmutter-Votivgabe aus Hintersdorf (NÖ). Foto: Birkhan 61

62 Abb. 10: Das Galstiland am Galsterberg bei Gröbming (Stm). Foto: Birkhan teilte: Ich vertrete die Meinung, dass die Steinpyramide ein Produkt der barocken Landschaftsgestaltung im Umfeld des Schlosses ist und glaube, dafür auch einige Indizien gefunden zu haben. Den endgültigen Beweis muss ich allerdings schuldig bleiben. Moll verweist dazu vor allem auf eine Grußkarte im Stadtarchiv von etwa 1900, welche in floraler Umrandung die verschneite Pyramide zeigt und ihr in einer handschriftlichen Notiz auch einen Namen gibt: Steinerner Turm, (Parnaß) im Neuwald bei Schloß Rosenau. Ich danke Herrn Moll für den liebenswürdigen Hinweis und halte seine Deutung für sehr einleuchtend, jedoch schließt sie die freilich nicht zwingende Annahme einer Uminterpretation des Parnaß als Thingstätte durch den germanomanischen Schönerer mit seiner Vorliebe für Runeninschriften und Thing- 62 spiele nicht ganz aus. Während die Steinpyramide noch vor einigen Jahren als Keltenplatz gefeiert wurde, hat jetzt die Keltenzuschreibung der üblicheren als Kraftort, gestützt auf angebliche radiästhetische Befunde, Platz gemacht. Am sympathischsten sind gewiss jene Celtica, die dem Spaß dienen bzw. einfach unterhalten wollen. Das ist vor allem die Welt des Asterix, die auch an Manfred Deix mit seiner liebenswerten Obelix-Karikatur nicht vorübergegangen ist. Besonders aber tut sich da die Schiregion Gröbming-Schladming im oberen Ennstal hervor. Gab es auf der Fageralm schon lange eine Wickie-Kinderabfahrt und einen Indianertrail, so wartet seit dem Winter 2009/10 der etwas abgelegene und daher von den Schitouristen nicht so frequentierte Galsterberg mit seinem Galstiland auf (Abb. 10). Hier ist auf mittlerer Höhe von etwa 00m das gallische Dorf des Asterix so aufgebaut, dass die Kinder direkt mit den Schiern durch die Häuser des Miraculix und Obelix fahren können. Letzterer schwärmt sogar im Traum von einer Sandrine (wohl nur für Insider des Fremdenverkehrverbandes verständlich, da Obelix ja eingefleischter Junggeselle ist) und von Wildschweinbraten. Daneben sieht man seine abgelegte Garderobe und ein eben am Spieß brutzelndes Schwein. Der das Galstiland durchfahrende junge Abenteurer trifft auch auf Majestix und auf den am Baum hängenden gefesselten Singnix (für Troubadix).Will er den vor der Hundehütte liegenden Knochen entfernen, so erscheint mit bösem Knurren Idefix. Besonders liebevoll ist die Gruppe der Römer gestaltet, die mit Schneebällen zu treffen sind, worauf sie maulend aufschreien. Eine entsprechende Speisekarte mit Gallischem Teller und Hinkelstein rundet den Besuch im Galstiland ab. Ich behaupte nun, dass diese Keltenphantasien, vor allem die mysterischen und idiogenetischen in den Populärvorstellungen der Österreicher nicht eigentlich mit der Konzeption der erfundenen Kelten zu tun haben. Erst indem in unsere vulgärkeltischen Vorstellungen inselkeltische einbezogen werden, wir uns bei den Inselkelten ansippen, wie im Falle der Steinsetzungen Cervenys, in der häufigen Bezeichnung natürlicher Felszacken als Menhire oder der Neuerrichtung von quasi-megalithischen Steinkreisen, kommen die erfundenen Kelten von John Collis ins Spiel.

63 Was das Interesse am Vorstellungskomplex der keltischen Vorfahren und des ererbten Traditionsgutes angeht, so werden die (antiken) Kelten vor allem deswegen herangezogen, weil die Germanen die übrigens letztlich ebenso erfunden wären wie die Kelten uns nach 1945 abhanden gekommen sind und erst langsam wieder auftauchen. So etwa wenn in Bouchal Lukacs (2009), der Michelberg im Weinviertel über den Erzengel Michael mit Wotan verbunden wird. Die Wagnersche aber falsche Namensform des Gottes, der ja in Wirklichkeit altsächs. W o dan, ahd. Wuotan heißt, was einem nhd. Wuten entsprechen würde, verrät allerdings keine tiefere Kenntnis der germanischen Religion. Letztlich werden wir auf die Mentalität von Autoren wie etwa Guido von List ( ) oder Franz X. Kießling ( ) zurückverwiesen, deren germanisch-deutsches Element eben durch ein keltisches ersetzt wird. Zum Abschluss: In Ermangelung deutlich keltischer Bezüge ist das liebste Vehikel mysterischer Keltenforschung die Schein etymologie. Nun hat es allerdings schon keltomanische Etymologien viel früher gegeben. Berüchtigt ist hier als Höhepunkt Wilhelm Obermüllers Deutsch-keltisches, geschichtlich geographisches Wörterbuch zur Erklärung der Fluss-, Berg-, Orts-, Gau-,Völker- und Personen-Namen Europas, Westasiens und Nordafrikas im allgemeinen wie insbesondere Deutschlands, nebst den daraus sich ergebenden Folgerungen für die Urgeschichte der Menschheit (Berlin 1872), das jetzt sogar digitalisiert im Internet zugänglich ist ( [ ])! Es hat neuerdings in Gerhard Joachim Richters Keltische Wurzeln in europäischen Sprachen. Sprache als Zugang zur Geschichte (Leipzig 2002: antonym) einen getreuen Nachfolger gefunden, wenn z. B. der Name der heilkräftigen Ringelblume (Calendula officinalis), der durch die geringelte Samenform motiviert ist, als keltisches Wort (< kymr. rhin secret + kymr. gwell wound ) und das erste Element in Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris) als kymr. hydd stag ( also eigentlich Hirsch -Tasche [Hirsch-Nahrung??] ) erklärt werden (Richter 2002: 265). Das bei Resch-Rauter beschworene Namenselement SEBA/ SEBONA kelt. Heiligtum (Resch-Rauter 1992: 480) und andere Ansätze habe ich bei Richter, der von den konkreten Wortformen in den inselkeltischen Sprachen ausgeht und diese den deutschen Wörtern unreflektiert zugrundelegt, allerdings nicht gefunden. Die Defizite bei diesen mysterischen etymologischen Absicherungen bestehen nicht nur darin, dass die Autoren von den keltischen Sprachen keine Ahnung haben, sondern dass ihnen das sprachgeschichtlich-etymologische Denken grundsätzlich völlig fremd ist, etwa dass oberflächliche, durch keine regelhafte Sprachveränderung begründete Ähnlichkeit eines Ortsnamens mit einem irgendwie anklingenden oder auch nur graphisch ähnlichem irischen, kymrischen, bretonischen oder gallischen Wortelement zunächst überhaupt keine Aussagekraft hat. Selbst wenn Resch-Rauter nicht erkennt, dass altir. geiss gar keinen echten Diphthong enthält, sondern das i nur die Palatalität des folgenden s bezeichnet und daher auch nicht als [gais] auszusprechen ist, was Beschäftigung mit der altirischen Grammatik voraus setzt, so ist doch noch befremdlicher, wie sie glauben kann, dass das Altirische gleichsam automatisch unverändert den Zustand des Festlandkeltischen bewahrt hat. Ob sie wohl ein beliebiges nhd. Wort z. B. Schiene ebenso unbedenklich als altgermanisch ansehen würde? Insgesamt ist der mysterischen Etymologie das sprachhistorische Denken und der Begriff des regelhaften Phonemwandels ( Lautgesetz ) fremd. Für den Linguisten sind die sub canone befindlichen Ethymologien (wie Richter schreibt) der Mysteriker leicht zu kritisieren und lächerlich zu machen. Da sie keineswegs lernwillig sind, wäre es auch verfehlt zu erwarten, dass sie von Zeilen wie den vorstehenden etwas annehmen, selbst wenn sie diesen Sammelband je in die Hand bekämen. Andererseits ist die Ethymologie ein von den Mysterikern sehr ernst genommenes Argumentations instrument, eben weil außer dem Namen oft nicht viel aufzuweisen ist, sie unter ihresgleichen keinen Widerspruch zu gewärtigen haben und die Trennwand gegenüber den Sprachwissenschaftlern von beiden Seiten nicht überstiegen wird. Von den einen nicht, weil ihnen das Wissen fehlt und sie vielleicht ahnen, dass dann das Beibringen ethymologischer Stützen viel schwieriger oder gar unmöglich würde, von den andern nicht, weil sie es unter ihrer Würde und zwecklos finden, sich mit den krau- 63

64 sen Konstruktionen der Mysteriker abzugeben. Damit haben sie gewiss nicht ganz unrecht, und auch ich bin nicht so naiv zu glauben, dass wir mit unserer Halleiner Tagung und Aufklärungskampagne über die Kelten auch der archäologischen eine Änderung des populären Keltenbegriffs und -bewusstseins bewirken können, und schon gar nicht auf etymologischem und philologischem Feld, was ja auch die Ausführungen von Günter Kantilli im Verlauf der Halleiner Tagung bestätigten. Was die Etymologie angeht, so gilt für den Laien, was Mephistopheles über die Theologie sagt: Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift, und von der Arzenei ist s kaum zu unterscheiden. Anmerkungen Literatur 1 Ich habe die Energieweg-Tafeln, deren Texte von Johann Renz, Landwirtschaftsmeister, Dipl.-Masseur, ganzheitlicher Radiästhet und Geistheiler in Innermanzing (NÖ), stammen, 2008 kennengelernt. Sie mußten 2009 abmontiert werden, weil die Zisterzienser von Lilienfeld, die das Waldgebiet und die Wegerechte besitzen, am Text Anstoß nahmen. Derzeit befinden sie sich im Marktamt Kaumberg, wo ich sie nochmals besehen durfte. Besonderen Dank schulde ich Herrn Michael Singraber, dem Bürgermeister von Kaumberg. 2 Durch puren Zufall lernte ich während der Korrekturarbeit an diesem Beitrag einen ambitionierten Wikipedia-Verfasser kennen, der am 22. November 20 die unsinnigen Behauptungen über Salbei und Gänseblümchen zu meiner Freude sofort tilgte. 3 Arnold Keyserling erinnerte sich: Am 7. Dezember 1982 wurde mit 64 Freunden die Einweihung vollzogen. :16 Uhr, als die Sonne genau auf 15º Schütze stand, wurde ein Meteorstein in die Mitte des Rades versenkt und ein Pfeil der später aus Chromnickelstahl ersetzt wurde auf den Polarstern gerichtet; damit wird die elektromagnetische Energie des Himmels mit der Schwerkraft der Erde verbunden. Der Aszendent des Augenblicks war in Hintersdorf 15º Wassermann, was zeigt, daß dieser Ort diese Bestimmung hatte. Nach einer kurzen Vertiefung in die Bedeutung der Gründung und einer Anrufung aller Wesen des Universums umschritten wir siebenmal nach altem Ritus den Kreis in Sonnenrichtung. Die Füße waren schwer von Lehm; leichter Nebel ließ die Wipfel der Buchen, die über dem Rad mit Reif bekleidet einen Dom bildeten, märchenhaft erscheinen. Allen Teilnehmern wurde eine tiefe Freude beschert, eine innere Heiterkeit, die sich den ganzen Tag fortsetzte. Vgl. palme/books/erdheil/?q=1/1/15/0/0/1/2 ( ). Barth, F.E. (1992), Die Leibspeise der Althallstätter Bergleute. In: Barth, F.E., Bohnengeschichten. Beiträge zur Hauptnahrung Althallstätter Bergleute. Hallstatt: Museum Hallstatt: Birkhan, H. (1997), Kelten.Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. Wien:Verlag der Österr. Akad. d. Wiss. (2001), Das Weiterleben der alten Kelten und was sie uns heute bedeuten. In: praesent das österreichische literaturjahrbuch. Das literarische Geschehen in Österreich von Jänner 2000 bis Juni Wien: praesens: (2005), Keltenrezeption und Keltomanie. In: Birkhan, H. [Hrsg.], Bausteine zum Studium der Keltologie. Wien: praesens: (2006), Keltenrezeption der Gegenwart eine Bestandsaufnahme. In: Celtes et Gaulois dans l Histoire, l historiographie et l idéologie moderne, sous la direction de Sabine Rieckhoff, Actes de la table ronde de Leipzig, juin 2005, Collection Bibracte /1. Glux-en-Glenne 2006: (2009), Nachantike Keltenrezeption. Projektionen keltischer Kultur. Wien: praesens. (20), Mittelalterliche und frühneuzeitliche Theorien zur Ausgliederung der Kelten und ihrer Sprachen auf den Britischen Inseln nebst einem Ausblick in die Neue Welt [Vortrag im Rahmen eines Symposions der Österr. Ak. d. Wiss. im Jänner 2009; erscheint 20 im Druck] Bouchal, R., Beck, P. (2007), Kraftorte in Wien. Orte des Lebens, Inseln der Ruhe, Rätselhafte Energien. Wien: Pichler Verlag. Bouchal, R., Lukacs, G. (2009), Kraftorte in Niederösterreich. Heil- und Energiewege, Drachenadern, Plätze der Ruhe und Harmonie. Wien Graz Klagenfurt: pichler. Derungs, K. (2000), Landschaften der Göttin. Avebury, Silbury, Lenzburg, Sion. Kultplätze der Großen Göttin in Europa. Bern: edition amalia. 64

65 IEW = Pokorny, J., Indogermanisches etymologisches Wörterbuch I. Bern München: Francke IHK = Thurneysen, R., Die irische Helden- und Königsage bis zum siebzehnten Jahrhundert,Teil I und II. Halle (Saale): Niemeyer Keil, G. (1978/79), Eichenmisteltraktat, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 2. Berlin: de Gruyter: Sp. 392f. Milfait, O. (1994),Vergessene Zeugen der Vorzeit. Seltsame Steine aus dem Mühlviertel. 2. verb. Auflage. Gallneukirchen: Plöchl. Patzer, S. (2010), Druiden. Ihr Imagewandel von der frühen Neuzeit bis in die Moderne. Wien: praesens. Resch-Rauter, I. (1992), Unser keltisches Erbe. Flurnamen, Sagen, Märchen und Brauchtum als Brücken in die Vergangenheit. Wien: Eigenverlag. Schuster, E. (1989, 1990, 1994), Die Etymologie der niederösterreichischen Ortsnamen. 3 Bde. Wien: Verein f. Landeskunde von Niederösterreich. Steiner, H. (2006), Föhrenberge. Geheimnisvolle Wanderungen durch Kultur und Geschichte. Wien Klosterneuburg: Edition Va bene. Vescoli, M. (2003), Der keltische Baumkalender: über den Men schen, die Zeit und die Bäume. Rheda Wiedenbrück Wien, 3. Aufl. München 2003: Kailash Hugendubel. Winkler, E.-M. (2006), Kelten heute. Das Keltenbild in der Moderne von der Wissenschaft bis zur Esoterik. Wien: praesens. 65

66 66

67 Rethinking Celtic Studies John Collis Abstract This conference witnessed another phase of the knockabout comedy that characterises the on-going debate between myself and Ray Karl about the Celts and how to study them. It is a bit like Prime Minster s question time in the British Parliament which causes much amusement between the partisans of the Government and the Opposition, and occasionally throws some light on the matter under discussion. It also includes some deliberate distortions; at least Karl admits to these, though I would like to claim that I have no need to distort, though this may in itself be a distortion of the truth. However, as with many of Barry Cunliffe s writings, I know I disagree with Karl, and it stimulates me to think why. If I can further upset Karl, I can also compare him with Cunliffe in suggesting that they both have a tendency to write faster than they think; as someone who tries to think before I write, it makes me a slow writer, so I tend to write articles rather than books which is not the way to fame and fortune! Certainly I found Karl s contribution stimulating in clarifying ways of thought even though, in the case of his attack on me, it is fundamentally flawed as I hope to demonstrate, but it does also provide a useful introduction to what I wanted to say in my contribution. Zusammenfassung Es fehlen uns weiterhin allgemein akzeptierte theoretische und methodische Grundlagen für eine Keltologie, oder auch nur eine allgemein akzeptierte Definition der antiken Kelten. Ich argumentiere dass wir die antiken Kelten nicht einfach neu definieren können, sondern nur zu verstehen lernen, wie die antiken Autoren den Begriff benutzt haben. Wir müssen versuchen, die Verzerrungen in unserem Denken zu beseitigen, die von Wissenschaftern der Renaissance bis Gegenwart erzeugt wurden, die ihre eigenen Vorurteile zwischen uns und die antike Welt geschoben haben, durch Verwendung falscher Definitionen auf Basis von Kunst, Materialkultur und insbesondere Sprache statt der antiken Definitionen. Ich erachte die Verwendung eines linguistischen Stammbaums oder Baummodells mit seiner Betonung von Kontinuität als großteils irrelebant für andere Aspekte der Kultur wie Sozialstrukturen und Glaubenssysteme, und nehme einige jüngere Publikationen als Beispiele wo solche Versuche fehlschlagen. Bis wir nicht unsere theoretische Basis geklärt haben sind wir nicht besser als die esoterischen Fantasten die pseudo-wissenschaftlichen Methoden und Nomenklaturen benutzen, die ich mit Melanesischen Cargo Kulten vergleiche. 67

68 Definitions of the Ancient Celts In his contribution, some of it first published in an English version in Celticity from the West (Cunliffe, Koch 2010), Karl s main accusation against me is that I have defined the Ancient Celts as an ethnic group. He compares this to other definitions: 1: as a linguistic group, the definition of most linguists, most recently repeated by Graham Isaac (2010) and John Koch (2009, 2010) but also by some archaeo logists (Cunliffe 2010); 2: by their art as an indicator of a Celtic vision of the world (R. and V. Megaw 1989); 3: as a La Tène Culture Group (however that may be defined ceramics, metal objects, burial rite), a definition which has generally been assumed by traditional archaeologists. One could add other potential definitions, including supposed physical characteristics, as in some of the ancient texts, but also by skull shape (documented by Morse 1999, 2005), or more recently genetically. However, this attack on my position falls at the first hurdle as I never set out to define the Celts myself, but rather have tried to work out how the Celts were defined in the ancient world which is something very different. I could not agree with Karl more that the whole debate about how to define the Celts is a complete waste of time, and my attack has been on those who have tried to redefine the Celts and then to impose this on the ancient world (Collis 2003). The different definitions will never coincide with one another. The distribution of the art style and the language obviously do not correspond though there is some relationship, and it is perfectly legitimate to compare the two to see what effect language may have had in supporting or hindering the spread of the art style. But to use the art as a proxy for the ancient Celts is obviously methodologically wrong and can confuse our discussion and concept of the ancient Celts and channel our way of thinking in an unacceptable way; the same is true for language or any supposed archaeological culture, and it is best to avoid giving these categories the name Celtic, another matter on which Karl and I disagree. But we should also accept that in the ancient world the definition of Celt can vary from one author to another, and so Herodotus 68 concept would have been very different from that of Ephorus, or Posidonius, or Julius Caesar, or of Sidonius Apollinaris. Though the Modern Celts can be defined by their language, this cannot be done for the Ancient Celts; we can continue redefining what we mean by a Modern Celt or a Celtic language as these are living categories. The Ancient Celts as a category died in the 5th/6th century AD, and our only information about who were or were not Celts in the ancient world is entirely derived from the classical written sources.this is already a closed book, it is fossilised, it cannot be renegotiated. We cannot become Julius Caesar and change his mind, or Ephorus or Posidonius. As soon as we use other criteria we are talking about a different category people who spoke a certain language, or wore a certain type of brooch, or who had certain genes or a combination of genes, and these can never be used in the place of the ancient category of Celt. It is perfectly legitimate for us to explore how an ancient Celt was defined and what criteria were used, and this can change as our knowledge of the ancient sources becomes greater, but this is not the same as re-writing the ancient criteria. So how were ancient Celts defined? I have made a preliminary study looking at the different usages of terms such as Keltoi, Galatai, Celtae and Galli (Collis 2003: ), but what is needed is a study similar to that done by the Copenhagen Polis Centre looking at the concepts which lay behind the term polis in the ancient world (Hansen, Nielsen 2004). This has now started for the Celts (see Holger Müller, this volume) with the first stage of simply identifying occurrences of the relevant words in the ancient literature which will now need to be analysed for their precise meaning in their particular context. As I have suggested, I think we will find the primary usage is what we nowadays call an ethnic group, but in the ancient world was called an ethnos by the Greeks, or a gens by the Romans, but we have to be careful not to assume a one-to-one correlation between these words and modern terminology; our concept of ethnicity is certainly not quite the same as the meanings of the Greek and Latin terms which are perhaps closer to the 19thcentury concept of a race or people. But in part the term is also geographical, signifying where people

69 lived. So when Ephorus talked about Keltoi they were the people who inhabited Keltike outside the area of the Mediterranean in the west, and so would have included, for instance, the ancestors of the modern Basques. Britanni are simply the people who lived on the island of Britannia, but who could be given other physical and cultural characteristics by authors such as Caesar and Tacitus, mainly to contrast and compare them with other people. Likewise Narbonitis is considered to be, or to be part of, Keltike by Strabo, and so its inhabitants were Keltoi, though ethnically it was a mix of Celts, Ligurians, Iberians and Greeks. Whatever the features were, as I keep repeating, it was certainly not language, though that may have been one element. I fail to understand why linguists are so obsessed with claiming this as it is so blatantly contradicted by the ancient sources themselves, and by the historiography of Celtic Studies when we consider how the term Celtic came to be applied to the language group.this obsessive idée fixe of the philologists is based on 19th century racial theories which cannot be the basis for modern discourse about the ancient world. Anyone who has read the opening chapter of Caesar s Gallic Wars should know the truth of this: Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur. Hi omnes lingua, institutis, legibus inter se differunt. All Gaul is divided into three parts, of which the Belgae occupy one part, another the Aquitani, and the third the people who in their own language are called Celtae but whom we call Galli. All these differ in their language, their institutions and their laws. In this case we can assume the primary basis for the divisions of Gaul is based on geography with rivers acting as boundaries, on which ethnicity is then imposed. We may argue about how Caesar s use of the word lingua compares to our own categories of language and dialect, but in his own Roman terms he saw a distinction, whereas linguistically we would link the Celtae and the Belgae together as Celtic speaking. But we also need to question whether the concept of Celtic Languages is useful, or whether, like the concepts of Hallstatt and La Tène cultures groups, it has started to outlive its usefulness. As Karl re-states in his paper, the naming and definition of these cultures is decided by the historical chance of discovery, and had other rich sites been discovered first then the names and the definitions of the cultures might have been different. In the same way Celtic languages have been defined by the ones on the northwest periphery of the zone in which a related group of languages was spoken; these languages were mainly those which were spoken in Brittany, Britain and Ireland in the 18th century when Edward Lhuyd (1707) first started a scientific analysis of the language group, though using some input of what little was known of the ancient languages of Gaul (e.g. Boxhorn 1654). But is this applicable to other areas where similar languages were spoken, for instance in central and western Spain (Wodtko 2010)? The Hispano-Celtic languages are tested against criteria used by modern linguists to decide whether this or that language has crossed the threshold of Celticness and some may cross that threshold (e.g. Celtiberian) and others may not (e.g. Lusitanian), when in fact they may be a series of local languages or dialects which are all inter-related, sharing many characteristics and lacking others, but where no clear divisions or boundaries can be defined. This is a very different model from one which sees Celtic and Lusitanian as two distinct and conflicting entities which interact with one another in the same way as they were later to interact with Latin, with concepts such as loan words. The alternative model of many interacting small groups is a very different concept, and might see a large number of linguistic communities from southern Spain to the Shetlands and from Ireland to Moravia developing in parallel with one another and with multiple origins of their characteristics in the same way as, in his paper, Karl envisages the origin and adoption of cultural features in the archaeological record, characteristics which overlap but which do not share identical distributions; this corresponds to the linguistic wave model rather than the tree model. This, of course, has major implications for any linguistic definition of the Celts in the ancient world. As I stated in the introduction to my book my aim was to explore ideas which seemed generally accepted in archaeological circles about the Celts, but for which I could find no archaeological or historical basis, for instance the arrival of the Celts in central France and Britain, or their origin in southern Germany, or the 69

70 hierarchical Celtic social structure of the inhabitants of the hill-fort of Danebury. So my primary aims were not a new definition of the Celts, but: 1: to find out the origins of the preconceived ideas and to see if they were viable; 2: to verify that the ancient sources on which these ideas were based actually say what they are supposed to say; 3: to establish an acceptable epistemology and methodology as a basis of study of the Ancient Celts. When we view the Ancient Celts we are looking through a series of distorting lenses, firstly that of the classical writers (mainly Greek and Roman, but with some Celtic writers like Martial and Sidonius Apollinaris). Then we have the distorted views from the 16th century onwards with concepts like Celtic languages and Celtic culture, and finally our own distorting lens based on our own preconceptions, pre-occupations and paradigms. What I have been doing is to try to remove all the intermediary lenses and reduce it to two, so that we can look directly through our own distorting lens at the lens that the ancient writers hold up for us. This is why I prefer to remove the word Celtic when describing art, archaeological cultures, genes, perhaps even languages, just as at the moment I am trying to reduce the use of terms like Hallstatt and La Tène from describing cultures and chronological phases (Collis 2009a). However much we try, these terms inevitably distort the image that we see and limits the ways in which we view the past, acting like cataracts and blinding us to other possibilities. This then brings us to my main topic at Hallein which deals with how the linguistic lens or model of the Celts imposes itself on interpretations of the Celts, notably in the idea of continuity between the Ancient and Modern Celts, and also in geographical perspectives, the assumption that Celtic speaking people share in common certain features such as aspects of social structure and ways of thinking. The concept of continuity In his recent article Random coincidences, or: the return of the Celtic to Iron Age Britain (2008) Karl wrote: if it looks eastwards like a Celt, separates the household like a Celt, produces like a Celt, and even 70 talks like a Celt, we may very well assume that it actually is a Celt. In my view in this statement Karl is making all the classic mistakes of confusing different criteria as being characteristics of being a Celt, leading us back once again to the pointless debate of what actually defines a Celt. For me none of the criteria that he names is particularly Celtic even the language, and it leads on to the fundamental failure in his methodology which has major consequences both in the way we interpret the past and to explain what is going on both to ourselves and to the wider public, and which can then lead on to nonsense ideas which can affect the way in which we operate, as I shall demonstrate later in this article. These statements follow on from his Habilitation (Karl 2006) looking at Iron Age society through the lens of later Celtic-speaking societies in the British Isles and Ireland, and derives from false concepts which underlie the way in which Celtic Studies has defined itself and operated over the last century and a half. It is what I have labelled linguistic determinism (Collis 2009b); it is something which needs to be challenged, and, I hope, removed from the unquestioned presumptions which underlie our studies of the ancient Celts, based as they are ultimately on unacceptable ideas such as racial stereotyping. Almost by definition Celtic Studies is based on ideas taken over from linguistics; it is the study of the language, literature, history, culture and material culture of peoples who spoke what linguists define as a Celtic language. It is therefore not surprising that its theoretical and methodological framework has largely been taken over from linguistics, indeed philologists studying Celtic languages were pioneers in the field. For archaeology philology provided the dominant paradigm for the late 19th and much of the 20th century in the form of culture history, linking language with ethnicity (or race ) and material culture in the form of culture groups, and looking for the origins and spread of Celts, Germans and, in prehistory, unnamed groups like the Beaker Folk or the Urnfield Culture. It still forms the basis of some recent research like the theories of Koch and Cunliffe about the origin of the Celts and Celtic languages in southwest Iberia. Behind these ideas lies August Schleicher s tree or Stammbaum theory of the origin and spread

71 of Indo-European and Celtic languages which emphasises a genetic family relationship between them, and sees the modern Celtic languages as descendants of an earlier geographically localised Proto-Celtic language (Schleicher 1863). It would thus resemble the origin and spread of the Romance languages derived from Latin, though recognising that the process of language formation was more complex than this simplistic model, for instance that the various Romance languages are not derived from some pure form of Latin as spoken by the aristocracy in Rome, but from regional versions of Latin spoken by the common people. This tree model extends to equating it with population migrations, and so the gradual pushing out of the language to the fringes of Europe is equated with Celtic people equally being pushed out, when in reality the descendants of Celtic-speaking peoples in Europe and Asia Minor form part of the modern population with their identities simply being renegotiated, e.g. the descendants of the Arverni are now French. The question I wish to discuss here is to what extent this linguistic model can be applied to other aspects of culture and population, not only through time but also geographically through space. Karl s article quoted above contains both elements, in that he assumes links between pre-roman central Europe (orientation of Viereckschanzen), Wessex hill-forts and round houses, and early Christian raths and social organisation in early Christian Ireland. He proposes, for instance, that the legal rights of the owner of a rath is not something which evolved rapidly in early Christian Ireland but is innate within Celtic-speaking societies, even though settlement enclosure, indeed any form of enclosure of any sort, is a rare phenomenon in Ireland for the thousand years of the Iron Age, being largely confined to ceremonial sites such as the Navan Fort and Tara. In my riposte to this idea, I have suggested that Celtic-speaking societies in the pre-roman Iron Age in Europe tended to resemble their nearest non-celtic speaking, indeed even non-indo-european speaking, neighbours such as the Iberians rather than one another (Collis 20). That said, language does affect the way in which the world may be perceived, and institutions can be transferred from place to place with expansion by such groups as the Bantu speakers, but I would argue that this has to be demonstrated rather than assumed, and similarities will clearly grow weaker with greater distance of time and space. Many of the characteristics claimed to be features of Celtic societies such as a cult of the head are in fact worldwide phenomena, and often studies of such Celtic features are looked at through the wrong end of the telescope they should be seen from a world context rather than looking out from the narrow confines of Celtic Studies. The concept of continuity derived from this linguistic model has pervaded many of the books written about the Celts in the 20th century. Though many of the books dealing with the classical sources stop at or soon after the Roman conquest despite their titles (e.g. Filip s Celtic Civilisation and its Heritage), many also take in Early Christian Ireland, and many again take it into the modern period with topics such as Irish independence (e.g. Cunliffe 1992; Haywood 2004); the later medieval period is often largely ignored on the grounds that much of it is English or European (e.g. Gothic architecture), even though this was the period when the Irish and Welsh manuscripts on which our knowledge of the literature and evolution of Celtic languages is based were being written or copied. This tendency to create gaps and ignore large periods in history which do not fit the Celtic paradigm extends, for instance, to the majority of the material culture of areas conquered by Rome even though in Iberia and Gaul some individuals such as the poet Martial or Sidonius Apollinaris recognised their Celtic roots and still considered themselves in some way to be Celtic as late as the 5th century AD. It also ignores that the criteria for being Celtic have changed radically (Karl 2010), and indeed may be total antithetical with one another. So the Celts in the ancient world are depicted as being war mad, while those of the 19th century were seen as mystical and other-worldly and a contrast with the more pragmatic and militaristic Germanic-speaking peoples such as the English. Many general books finish by quoting the poetry of W.B.Yeats or Dylan Thomas to depict this Celtic spirit (e.g. Moreau 1958). This brings us to one of the major themes of the Hallein conference, the esoteric and fanciful use of a concept of the Celts used by what we often label as fringe groups or even the lunatic fringe, who use nonscientific or pseudo-scientific approaches on which to 71

72 base their beliefs and understanding of the world. This includes various aspects of the natural world, of earth, sea and sky and life itself, but these are characteristics of societies worldwide. But this can have practical consequences. In Britain the Druids have recently been recognised as a religious group along with various forms of Christianity, Islam, Hinduism, etc. As an agnostic verging on atheism this causes me no great concern as I would consider all religions as based on irrational belief, and in this case it is a purely fiscal measure, allowing Druid groups to be exempt from various areas of taxation in areas like education. What is of greater concern to archaeologists is that one of these Druid groups is claiming continuity of its belief from pre-roman pagan times, and so to speak on behalf of the people whose physical remains we prehistorians excavate. Our Ministry of Justice has decided that we are now obliged to re-bury human remains within two years of their excavation, and all human remains have to be screened off from the view of the public on archaeological excavations (Sayer, Pitts 2010). Yet when we look at the archaeological record it is clear that from at least the Neolithic ancient people were manipulating and reprocessing the remains of their ancestors, a practice which has continued to the modern day, for instance in the veneration by Christians and other religious groups of the relics of saints, or in more secular situations like the 19th century decorated skulls from Hallstatt. How do the activities of archaeologists differ in this respect? Our knowledge of the beliefs of the Ancient Druids is in fact very limited (Owen 1962), so what these groups are doing is inventing a series of beliefs drawn from other sources and then creating an idea of continuity of the past to the present day, a construction of a past as wished for.this continuity is something which cannot be demonstrated, but one must ask what is the difference between what they are doing and what Karl is doing in assuming that the Irish sources are somehow genetically linked with pre-roman Wessex and southern Germany? As I have suggested elsewhere, we can use the Irish sources as we would any other anthropological sources to give us ideas about how to in- 72 terpret the past. Though we might want to claimthat because of the closeness of language, environment and material culture analogies from Ireland may be closer than, say, African societies, this does not make them more correct, and the case has to be argued. Conclusions The esoteric uses to which the Celts are put are perhaps comparable to the cargo cults of the western Pacific islands where, to encourage or perhaps to substitute for, success in trade models are made of trade goods or even the machines such as aeroplanes which transport them (Worsley 1957); they give the appearance of the real thing but without the substance. In the case of esoteric writings the use of archaeological terms and chronologies, and a recourse to reference to archaeological monuments and objects give a similar aurora of scientific rectitude. To combat this pseudo-science as archaeologists we need to be clear what is and what is not an acceptable methodology in dealing with the Celts. My problem is that I consider that reputable scholars such as Cunliffe, Karl and Koch have over-stepped the mark on what we can reasonably infer from our data, and once we do this we are little better that the esoteric writers. In some cases one can point out factual mistakes, such as Cunliffe, in his attempts to demonstrate an early Celtic presence on the Mediterranean coast, states that Hecat aeus said that Narbo was a Celtic city he did not (Gayraud 1981). Likewise one can demonstrate in the same book a misuse of sources such as Herodotus and a deliberate ignoring of other sources such as Avienus which contradict the thesis being put forward. But we are on more slippery ground when it comes to dealing with the relationship between ethnicity, language and material culture and how we define the Celts. This is even more problematic when we deal with things like belief systems and the ideology of the Celts; as I have suggested above, unless rectify our nomenclature confusions such as those of which I accuse Koch and Karl will continue.we need to get our ideas sorted out, and I hope this articlehashelped a bit in this clarification.

73 Bibliography Boxhorn, M.Z. (1654), Originum Gallicarum Liber. Amsterdam, apud Joannem Janssonium (republished in facsimile, Rodopi, Amsterdam, 1970). Collis, J.R. (2003), The Celts: Origins, myths and inventions. Stroud, Tempus Publishing. (Second revised edition 2006). Collis, J.R. (2009a), Die Konstruktion von Chronologien. In: Karl, R., Leskovar, J. [eds.], Interpretierte Eisenzeiten: Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbericht der 3. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich 22: Collis, J.R. (2009b), Celts and Indo-Europeans: linguistic determinism? Vander Linden, M. Jones-Bley, K. [eds.], Departure from the Homeland: Indo-Europeans and Archaeology. Selected papers from the th European Association of Archaeologists (EAA) annual meeting, Krakow, Poland 19th to 24th September Journal of Indo-European Studies Monograph Series 56: Collis, J.R. (20), Reconstructing Iron Age Society revisited. In: Moore, T.; Armada, L. [eds.], Western Europe in the first millennium BC: crossing the divide. Oxford University Press. Cunliffe, B.W. (1992), The Celtic World. London, Constable. Cunliffe, B. (2010), Celticization from the West; the contribution of archaeology. In: Cunliffe, B., Koch, J. [eds.], Celtic from the West: alternative perspectives from Archaeology, Genetics, Language and Literature. Oxford, Oxbow Books. Pp Cunliffe, B., Koch, J.T. [eds.] (2010), Celtic from the West: alternative perspectives from Archaeology, Genetics, Language and Literature. Oxford, Oxbow Books. Filip, J. (1960), Keltská Civilizace a její D eˇ dictví. (Revised edition 1963). English translation Celtic Civilisation and its Heritage(1962). Prague, Akademia. Gayraud, M. (1981), Narbonne Antique des origines à la fin du IIIe siècle. Paris, Boccard. Hansen, M.H., Nielsen, T.H. [eds.] (2004), An Inventory of Archaic and Classical Poleis. Oxford, Oxford University Press. Haywood, J. (2004), The Celts: Bronze Age to New Age. Harlow, Pearson Education Ltd. Isaac, G.R. (2010), The origins of the Celtic languages; language spread. In: Cunliffe, B., Koch, J. [eds.], Celtic from the West: alternative perspectives from Archaeology, Genetics, Language and Literature. Oxford, Oxbow Books. Karl, R. (2006), Altkeltische Sozialstrukturen. Budapest, Archaeolingua 18. Karl, R. (2008), Random coincidences? Or: the return of the Celtic to Iron Age Britain. Proceedings of the Prehistoric Society 74: Karl, R. (2010), The Celts from everywhere and nowhere: A re- evaluation of the origins of the Celts and the emergence of Celtic Cultures. In: Cunliffe, B., Koch, J. [eds.], Celtic from the West: alternative perspectives from Archaeology, Genetics, Language and Literature. Oxford, Oxbow Books. Pp Koch, J.T. (2009), On Celts calling themselves Celts and related questions. Studia Celtica 43: Koch, J. (2010), Paradigm shift? Interpreting Tartessian as Celtic. In: Cunliffe, B., Koch, J. [eds.], Celtic from the West: alternative perspectives from Archaeology, Genetics, Language and Literature. Oxford, Oxbow Books. Pp Lhuyd, E. (1707), Archaeologia Britannica, giving some account additional to what has been hitherto publish d of the Languages, Histories and Customs of the Original Inhabitants of Great Britain, from Collections and Observations in Travels through Wales, Cornwal, Bas-Bretagne, Ireland and Scotland. Oxford, Oxford Theatre. Megaw R. and V. (1989), Celtic Art, from its Beginnings to the Book of Kells. London, Thames and Hudson. Moreau, J. (1958), Die Welt der Kelten. Grosse Kulturen der Frühzeit. Stuttgart, J. G. Cotta sche Buchhandlung Nachfolger. Morse, M.A. (1999), Craniology and the adoption of the ThreeAge System in Britain. Proceedings of the Prehistoric Society 65: Morse, M.A. (2005), How the Celts came to Britain: Druids, skulls and the birth of Archaeology. Stroud, Tempus Publishing. Owen, A.L. (1962), The Famous Druids: a survey of three centuries of English literature on the druids. Oxford, Oxford University Press (republished by Sandpiper Press, 1997). Sayer, D., Pitts, M. (2010), The human remains crisis. British Archaeology, November 2010: Schleicher, A. (1863), Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft. Weimar, H. Boehlau. Wodtko, D. (2010), Ancillary Study: the problem of Lusitanian. In: Cunliffe, B., Koch, J. [eds.], Celtic from the West: alternative perspectives from Archaeology, Genetics, Language and Literature. Oxford, Oxbow Books. Pp Worsley, P. (1957),The Trumpet shall sound: a study of cargo cults in Melanesia. London: MacGibbon&Kee. 73

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75 Keltenstollen, Heidenlöcher und andere Konstrukte der Urgeschichte Clemens Eibner Zusammenfassung: Die Benennungen von Landmarken und archäologischen Denkmalen mit der Zuschreibung an die Kelten wird auf der Basis des Wir-Gefühls, das allen Menschen immanent ist, diskutiert. Eine Bezeichnung als Heide in den Namen ist dabei schon mindestens ab dem 17. Jahrhundert überliefert und könnte die alten Riesen-Zuschreibungen (Heunen, Hunnen) abgelöst haben. Die Etikettierung solcher Namen als Kelten erfolgte erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. Abstract The naming of landmarks and archaeological monuments assigned to the Celts is discussed in the context of the creation of us-group-feelings, a process immanent to all humans.the naming of places as heathen is attested in this context from at least the 17th century onwards and may have replaced old giant -assignations (Heunen, Hunnen). Labelling such places as Celtic only started in the mid 19th century. 75

76 Unter den archäologischen Denkmälern Österreichs ist sicher das prominenteste das so genannte Heidentor in Carnuntum1. Die Identifizierung von Carnuntum geht auf Wolfgang Lazius zurück. Eine vorbildliche Vorlage der neueren Forschung zum Heidentor durch W. Jobst (Jobst 2002) bringt nun auch das vorhandene Bildmaterial. Die erste bildliche Darstellung stammt aus 1655 von C. Beuttler, dessen Beschriftung eine eigenartige und neue Facette zur Forschungsgeschichte bringt. Bevor dieser Befund besprochen werden soll, darf darauf verwiesen werden, dass der Begriff Heidentor im strengen Wortsinn sicher falsch ist! Wie die neuere Forschung auch anhand der archäologischen Zeugnisse darlegen konnte, stammt diese Quadrifrons (dt. etwa: Vier-Stirne) wohl von einem der Söhne von Constantin (dem Großen), somit von einem Christen, und so nimmt es nicht wunder, dass auch römische Altäre unter den Spolien im Baumaterial dieses Prunktores nachzuweisen sind. Das wäre ein unerhörter Vorgang bei einem intakten und aktiven Römischen Staatskult. Beuttler beschriftet nur seine Tuschezeichnung mit Heidenloch Thor der alten Stadt Carnunta. Es bleibt also zu fragen, was ein Heidenloch eigentlich wäre. War der Schutt zu Beuttlers Zeiten schon soweit beseitigt, dass der Torcharakter der Ruine erkennbar wurde und nicht nur ein Loch sichtbar war? Bereits M. Much macht auf ein Heidenloch bei Fieberbrunn in Tirol aufmerksam und verbindet dies mit einem bronzezeitlichen Kupfererzbergbau (Much 1878, ; 1879, 18 36, bes. 35; Menghin 19, 33 unter?6. Fieberbrunn, Heidenschachte am Wildalpensee im Weißenbachtale ). Andererseits heißen zum Beispiel im salzburgischen Mühlbach am Hochkömig groteske Felsformationen DolomitZacken mit großen torartigen Löchern bis heute Teufels lucken, die mit entsprechenden Sagen von frevelnden Sennern und Senninnen in ihrer Begründung untermauert werden. In der ebendort überlieferten Sage von der Übergossenen Alm schwingt wohl die Klimaverschlechterung seit der Ötzi -Zeit nach (Eibner 2003).Während die Verbindung von auffälligen Landmarken mit übermenschlichen Wesen gleichsam der Volks-Phantasie entspringt, sind die Verbindungen mit nicht mehr lebenden Völkern entsprechend zu hinterfragen. Man würde vermuten, dass der 76 Heiden -Begriff mit der Reformation als Eindeutschung des lateinischen Wortes paganus in Zusammenhang stünde2. Die Sache ist allerdings schwieriger. Das Neue Testament ist auf Griechisch überliefert und dort sind die Heiden schlicht ta ethne, also Völker oder auch lat. gentes, eben nicht so scharf abgesetzt, wie es uns scheint. Der Begriff paganus im Sinn von Heide scheint sich überhaupt erst im Lauf des Christentums bei den Kirchenvätern (4. Jh.) durchgesetzt zu haben. Offenbar, wie schon in der gotischen Bibel übersetzung von Ulfila, wird im Althochdeutschen der Begriff Heide im Heliand verwendet 3. Wir tappen also bei Wortzusammensetzungen im Dunkeln, ob dies eine alte Bezeichnung ist oder eher im Sinn einer Verstärkung, wie bei Heidenangst oder Heidendurst, verwendet wird 4. Andererseits ist späterhin auch die Bezeichnung für Fremdländisches mit im Spiel, wie bei dem von türkischen Händlern vermittelten Heidensterz, also dem Mus aus dem aus der Neuen Welt stammenden Mais. Nicht ganz so schwer zu rekonstruieren wie bei den Heidenlöchern ist die Bezeichnung Heidengebirge. F. E. Barth konnte nachweisen, dass diese Benennung nicht älter als das 19. Jh. ist (Barth 1987; zu Haidberg, KG in Bischofs hofen: Much 1893, 251 mit Fußnote 1). Der maßgebliche Geologe in Süddeutschland, K. C. v. Leonhard, ist in einer brieflichen Anfrage von J. v. Russegger involviert, und die Antwort gibt eigentlich der Salinenverwalter zu Hallstatt J. v. Helms. Benennung und Beschreibung wird dadurch der Fachwelt 1835 bekannt gemacht. K. C. v. Leonhard sollte in unserem Fach gut bekannt sein, stammt doch der weltweit verwendete Begriff Löß von ihm benannt nach dem losen Material, das im Neckartal unweit von Heidelberg am sog. Haarlass angetroffen wurde und dessen äolische Herkunft unzweifelhaft nachgewiesen werden konnte (Leonhard 1823). Es hat den Anschein, dass erst das vaterländische Interesse, das ja in der ersten Hälfte des 19. Jh. erstarkt, zu dieser neuen Eigenbezeichnung beiträgt, dann sicher im Sinn von heidnisch also im Sinn von vorchristlich und natürlich auch im Gegensatz zu antik also römerzeitlich. Ein neues Kapitel wird aufgeschlagen durch die Zeit der Keltomanie, also etwa ab 1850, als sich neben germanisch die Bezeichnung keltisch für Vor römisches durchsetzt. So schreibt Wilhelm Raabe

77 seine erstmals 1864 erscheinende Novelle Keltische Knochen und diskutiert in seinem Tagebuch, ob die von G. Ramsauer in Hallstadt (sic!) ergrabenen Toten Germanen oder Kelten waren5. Das romantische Gefühl, die Altvorderen näher an uns heranzurücken, verdrängt vielleicht ältere Vorstellungen von Riesen Heunen, die Gräber und Burgen, wie z.b. die Heuneburg, gebaut haben. Diese, selbst wieder verballhornt und gleichgesetzt mit Hunnen, lassen dann den dahinter stehenden Hünen gar nicht mehr erkennen. Auf gleicher Schiene wird ein Hünenstein also ein Menhir großen Ausmaßes missdeutet zu Hühnerstein, der dann durch den Soziolekt in Hinkelstein umgedeutet wird 6. Als 1878 M. Much das bronzezeitliche Alter der Bergbauspuren auf der Mitterberger Lagerstätte in Mühlbach am Hochkönig bekannt gibt, wird auch das heute in der obersten Teufe wieder zugängliche Keltenloch 7 in der örtlichen Bevölkerung seinen Namen bekommen haben. Zu dieser Zeit denkt die Betriebsleitung noch an eine Öffnung der urzeitlichen Strecke für den Tourismus. Ob eine Anfrage an das Kaiserhaus anlässlich eines zerstörerischen katastrophalen Unwetters je beantwortet wurde, ist unbekannt aber eher unwahrscheinlich (Pirchl 1968). Der Begriff Keltenloch wird in diesem Zusammenhang von den Bergleuten nicht verwendet. Dies hängt damit zusammen, dass ganz generell alte Bergbauspuren als Alter Mann betitelt werden, da sie entsprechende Sicherungsmaßnahmen erforderten und dabei ist es bis heute unerheblich, wie alt dieser angetroffene Abbau wirklich ist8. Auf sicherem Boden sind wir bei der Bezeichnung Keltenstollen im so genannten Südrevier, einem Bereich, den die Mitterberger Kupferbergbau Gesellschaft unter dem Direktor Arthur Krupp nach finanziellen Schwierigkeiten unter gleichzeitiger Verlegung der Kupferhütte nach Außerfelden (heute Mitterberghütten) dazu erwirbt (Günther o. J.). Der von ihr übernommene Stollen in der KG. Einöden erhält in diesem Zusammenhang den Namen Arthurstollen. 19 wird dabei ein altes Grubengebäude entdeckt, entwässert und kurz drauf von G. Kyrle (Kyrle 1920) vorgelegt. Die beiden Hohlräume links und rechts des modernen Stollens werden mit Holztafeln versehen, von denen eine die Aufschrift 4650 Keltenst. trägt und noch erhalten ist. Vor der Übernahme durch den Verein Montandenkmal Arthurstollen ging die Tafel mit der Aufschrift 4635 Keltenst. verloren9. Gemeint ist mit den Ziffern die Entfernung in Metern vom Mundloch in Mühlbach am Hochkönig, eine Beschriftung, die also erst nach dem Durchschlag 1922 erfolgt sein kann. Da der Stollen mit 5032 m Länge auf der Salzachtalseite seine andere Mündung als Förderstollen besitzt, muss man von dort bis zum bronzezeitlichen Grubengebäude 382 m resp. 397 m gehen, um zu diesem Alten Mann zu gelangen. Es entspricht der Zeit Vorrömisches als keltisch anzusprechen, da erst 1936 von J. Pokorny und R. Pittioni Urnenfelderbewegung und Hallstattzeit als illyrisch identifiziert wurden abgeleitetet von der alteuropäischen Hydronymie, einer Vorstellung, die heute wieder obsolet ist 10. Offenbar schwingt bei der Benennung urzeitlicher Fundstätten das Bedürfnis der Bildungsbürger mit, der Sache einen Namen zu geben. Heidnisch ist nun nicht mehr befriedigend und die nahe liegende Frage beim Blick zurück in historische Tiefen geht über germanisch (ist gleich deutsch ), römisch (impliziert eigentlich lateinisch ) eben zu irgend einer Sprache, die davor liegt, fast im Sinne G. Kossinnas, der ethnische Provinzen und Sprachprovinzen durch die Sachgüter gleichzusetzen versuchte. Dass dies nicht eins zu eins möglich ist, hat E. Wahle programmatisch dargelegt (Wahle 1952). Bleiben wir bei dem Thema. Wie haben sich denn Bevölkerungsgruppen im Altertum in neuer Umgebung selbst wahrgenommen? Ein beredtes Beispiel ist dabei die Ansiedlung von Sueben am Neckar durch die römische Reichspolitik. Die erste Generation verwendet durchgehend die Brandbestattung und ist mit germanischen Sachgütern (wie Waffen oder dem Rasiermesser) ausgestattet. Die zweite Generation behält zwar noch die Trinkhornbeschläge für Bier (größer) und Met (kleiner) bei, während die nächste Generation bereits soweit romanisiert ist, dass im Ausstattungsmuster keinerlei Unterschiede mehr zu erkennen sind; die Germanen sind zu diesem Zeitpunkt voll assimiliert. Ob zu Hause noch germanisch gesprochen wurde, wird sich wohl nicht klären lassen, aber auf Grabsteinen taucht die Formel Lopodunum, Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium auf. Ladenburg als damalige Hauptstadt der Ne ckarsueben hat eigentlich einen keltischen Na- 77

78 men (-dunum gleich Zaun oder Befestigung vgl. engl. town). Ein Grabstein des Kundschafters Respectus, der mit 23 Jahren starb, wird durch beigeschriebenes C S (also Civitas Sueborum) als Neckarsuebe gekennzeichnet. Sein Bruder, der den Grabstein mit einer Abbildung des Respectus als Berittenen setzen lässt, hat sicher auch das kleine N über dem S veranlasst also die Kennzeichnung als Neckarsuebe, vielleicht gegenüber anderen Sueben, die nun integriert sind. Immerhin stammt dieser Grabstein aus dem Anfang des 3. Jahrhunderts, die Neckarsueben spielten aber schon in der späten römischen Republik eine entscheidende Rolle. Der eben besprochene Grabstein ist übrigens als Deckplatte einer fränkischen Bestattung des 6. Jh. auf uns gekommen. Wir können aus der Innen- und Außenwahrnehmung von Gruppen ablesen, dass ein Wir -Gefühl wohl bis heute der Motor zu solchen Benennungen ist. Neben überlieferten, vielleicht zunächst kaum reflektierten Benennungen (von Landmarken) kommt es zur bewussten Interpretation als Bildungsauftrag, wobei sowohl die Befindlichkeit des jeweiligen Forschungsstandes, als auch politisch intendierte Abgrenzungen einen nicht unerheblichen Einfluss nehmen. Es lässt sich festhalten: Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist nicht erst eine Erfindung des Historismus. Die Urängste, sich mit dem Anderen nicht adäquat, also auf Augenhöhe, verständigen zu können, münden in dem Bedürfnis, einen Namen, ein Etikett zu besitzen, mit dem man den Anderen versehen kann. Dass dies neben anderen Zugehörigkeiten auch über die Sprache erfolgt, und dass das Sprachetikett als Abgrenzung als genügend angesehen wird, muss so nicht verwundern. Anmerkungen 1 Entgegen K. Strobel (siehe Beitrag in diesem Band) sehe ich keine Veranlassung, an der Gleichsetzung von Carnuntum mit dem Lager von Petronell zu zweifeln. Dazu kommt, dass es mehrere Vorgänger-Wehranlagen gibt, darunter den Braunsberg mit eisenzeitlicher Besiedlung seit der Hallstattzeit, zusätzlich ein römisches Kultzentrum auf dem Pfaffenkogel, einer Kuppe der Hundsheimer Berge, deren Archäologie seit dem Altpaläolithikum (Nashorn nach Hundsheim benannt!) der massiven Steinbruchtätigkeit seit dem Anfang des 18. Jh. zum Opfer gefallen ist und noch immer fällt. 2 Z. B. in dem Kirchenlied Nun kommt der Heiden-Heiland, das einem dazu spontan einfällt. 3 Grimm Wörterbuch, s.v. Heide, Bd. 10, Sp ( woerterbuchnetz.de/dwb/) sprachgeschichtlich dazu skeptisch: Seebold E. (1999), s.v. Heide 1 sprachgeschichlich. In: Reall. German. Altertumsk. Bd. 14: 142f. Auf die Sprachgeschichte geht überhaupt nicht ein Hödl L. (1999), s.v. Heide, -ntum, In: Lexikon d. Mittelalters Bd.4: Sp Die Gebrüder Grimm meinen, dass das Wort Heide erst durch die Goten in Italien und nicht schon durch Wulfila benutzt wurde, machen anderseits auf den Verstärkungscharakter in den composita aufmerksam. 5 Raabe W. (1864), Keltische Knochen.Vergleiche dazu: ( de.wikipedia.org/wiki/keltische_knochen eingesehen am ). 6 Die Hinkelsteinkultur also eine lokale Gruppe der späten Linienbandkeramik hat tatsächlich nach einem solchen Menhir in Worms seinen Namen. Die Zuschreibung dieser Menhire an die Kelten in Frankreich lässt sich mit Asterix und Obelix nachvollziehen. Bezeichnender Weise sind ja Sternchen und Kreuz (eigentlich Bratspieß) bis heute bei Fußnoten geläufig, im Hellenismus unter den Namen asteriskos und obeliskos aufgekommen, zunächst zur Kennzeichnung von Schwierigkeiten oder Dubletten bei Homer-Versen. Auf einer Tafel des Erzwanderweges in Mühlbach am Hochkönig, Salzburg, so bezeichnet. Veith H. (1871), Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen, Ratibor (Reprint Wiesbaden 1968), s.v. alt: 15 f. Vgl. auch Fellner A. (1999), Bergmännisches Handwörterbuch für Fachausdrücke im Salzbergbau- und Sudhüttenwesen, Wien, s.v. Ater Mann: 39. Die detaillierte Erforschung des Begriffes Heidengebirge von F. E. Barth (1987) wurde in diesem Spezialwörterbuch leider nicht zur Kenntnis genommen! Da der Stollen fast sechzig Jahre als Wasserüberleitungsstollen für ein Elektrizitätskraftwerk bauhaft gehalten wurde, ist die endgültige Verschließung abgewendet und durch die Übernahme des Stollens vom Verein Montandenkmal Arthurstollen auch weiterhin archäologischen Untersuchungen zugänglich. Leider musste der Schaubetrieb eingestellt werden, da die Sicherheitsvorkehrungen erheblich verschärft wurden. Pittioni, R. (1940), Die Urnenfelderkultur und ihre Bedeutung für die europäische Geschichte, Zschr. f. Celtische Philologie 21: in Anschluss an die Ergebnisse von Pokorny, J. (1936), Zur Urgeschichte der Kelten und Illyrer, Zschr. f. Celt. Philol. 20: Ebenda: Ebenda (1940) 21: Ablehnend bereits Krahe H. (1964), Vom Illyrischen zum Alteuropäischen, Indogerman. Forschungen 69:

79 Noch immer in diesem Zusammenhang wichtig: Pauli L. (1980), Die Herkunft der Kelten. Sinn und Unsinn einer alten Frage, In: L. Pauli (Red.), Die Kelten in Mitteleuropa. Kunst. Kultur. Wirtschaft. Salzburger Landesausstellung 1. Mai 30. Sept im Keltenmuseum Hallein. Salzburg: Ludwig R. (1997), Kelten, Kastelle, Kurfürsten. Archäologie am Unteren Neckar. Katalog. Stuttgart: 36 mit Abbildung. Die Neckarsueben werden von Frau Ludwig als Neckarschwaben angesprochen, um dem modernen Sprachgebrauch Rechnung zu tragen. Literatur Barth, F.-E. (1987), Zur Geschichte des Begriffes Heidengebirge. Annalen d. Naturhistor. Museums Wien 89, (Paget Festschrift): Eibner, C. (2003), Mittelalterarchäologie und mündliche Tradition am Beispiel des Berg- und Hüttenwesens. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich Beiheft 6, (Festschrift S. Felgenhauer-Schmiedt), Wien: Günther, W. (o.j.), Von der Mitterberger Kupfergewerkschaft zur Kupferbergbau Mitterberg Ges.m.b.H. in Mühlbach am Hochkönig. In: Günther, W., Eibner, C., Lippert, A., Paar, W. [Hrsg.], 5000 Jahre Kupferbergbau Mühlbach am Hochkönig Bischofshofen. Mühlbach am Hochkönig: Jobst,W. [Hrsg.] (2002), Das Heidentor von Petronell-Carnuntum. Ein Führer, Wien. Kyrle, G. (1920), Der prähistorische Bergbaubetrieb in den Salzburger Alpen. In: Kyrle, G., Urgeschichte des Kronlandes Salzburg. Österr. Kunsttopographie XVII, Wien: Leonhard, K. C. v. (1823), Taschenbuch für die gesamte Mineralogie. Frankfurt a. M.: Menghin, O. (19), Archäologie der jüngeren Steinzeit Tirols. Jb. f. Altertumskunde, Bd.VI. Much, M. (1878; 1879), Das vorgeschichtliche Kupferbergwerk auf dem Mitterberg (Salzburg). Mitt. d. Zentral Komm. Wien: ; Much, M. (1893), Die Kupferzeit in Europa. Jena. Pirchl, J. (1968), Geschichte des Mitterberger Kupferbergbaues neuer und alter Zeit. Archaeol. Austriaca 43: Strobel, K. (20), Das norische Königreich der Kelten Zwischen Fiktion und Fakten. In: Karl, R., Leskovar, J., Moser, S. [Hrsg.], Die erfundenen Kelten Mythologie eines Begriffes und seine Verwendung in Archäologie, Tourismus und Esoterik. Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden,Theorie. Tagungsbeiträge der 4. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie Tagung im Keltenmuseum Hallein Nov Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich. Wahle, E. (21952), Zur ethnischen Deutung frühgeschichtlicher Kulturprovinzen. Grenzen der frühgeschichtlichen Erkenntnis I. Sitzungsber. Heidelberger Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Kl. Jg. 1940/42, in den Fußnoten leicht ergänzte 2. Auflage. Heidelberg. 79

80 80

81 Die Kelten im Spannungsfeld von wissenschaftlicher Forschung und populärer Rezeption Manuel A. Fernández-Götz, Gonzalo Ruiz Zapatero Zusammenfassung Es gibt nur wenige Begriffe, die so vielseitig und auch unterschiedlich angewendet werden wie Kelten, und dies sowohl in der Forschung als auch in der breiten Öffentlichkeit. Ausgehend von einigen allgemeinen, theoriegeleiteten Überlegungen, werden im Rahmen des vorliegenden Beitrages die Wechselbeziehungen zwischen wissenschaftlichem Diskurs und populärer Kultur anhand von zwei konkreten Fallbeispielen analysiert. Als erstes der Norden der Iberischen Halbinsel und insbesondere die Region Galizien, die in der Öffentlichkeit geradezu als Inbegriff des Keltischen gilt. Und zweitens Baden-Württemberg, ein Bundesland, das aufgrund der berühmten Herodotstelle oft als Kernland der Kelten dargestellt wird. In dieser Studie sollen Irrwege der Forschung aufgezeigt, Identitätsbildungsprozesse erklärt und Missbräuche denunziert werden. Abstract There are not many terms that are used in such a versatile and diverse manner as Celts by both researchers and the wider public. Based on some general, theory-based considerations, the present paper uses two specific case studies to analyse the correlation between scientific discourse and popular culture: first, the north of the Iberian Peninsula and in particular the region of Galicia which, for the general public, is almost the embodiment of everything Celtic, and second, Baden-Württemberg, a Bundesland that, due to the famous passage by Herodotus, is often regarded as the Heartland of the Celts. This paper aims to demonstrate research missteps, clarify identity-building processes, and denounce misuses. 81

82 Von den Makrokategorien zu den ethnic communities. Oder: die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in der Eisenzeitarchäologie In den letzten zwei Jahrzehnten ist eine Fülle an Literatur erschienen, die sich kritisch mit dem Begriff Kelten und seiner Benutzung befasst. Neben den grundlegenden und umfangreichen Werken von John Collis (vgl. beispielsweise 1997, 2003, 2009), wahrscheinlich derjenige Forscher, der am meisten zur Aufklärung dieser Thematik beigetragen hat, muss man auch Arbeiten wie die von Simon James (1999), Michael Dietler (1994), Raimund Karl (2004, 2010), Sabine Rieckhoff (2007a, 2010) oder Gonzalo Ruiz Zapatero (1993, 2001) zitieren. Trotz einiger Unterschiede zwischen ihnen sind sich alle genannten Autoren weitgehend einig, dass man nicht von den Kelten im Sinne eines Ethnos sprechen kann, mindestens nicht aus einer emischen Perspektve (zur Problematik der ethnischen Interpretationen in der archäologischen Forschung siehe Brather 2004; Fernández-Götz 2008; Jones 1997). Eine ausführliche Darstellung der in diesen Arbeiten dargelegten Argumenten würde den Rahmen unseres Artikels natürlich überschreiten. Festzuhalten bleibt, dass es weder eine keltische Ethno genese noch ein keltisches Kernland gab (Karl 2008a, 2010;Vitali 2010). Auf beide Punkte wird im Laufe des vorliegenden Beitrages noch zurückzukommen sein. Die Festellung, dass man unter die Kelten nicht ein einheitliches Volk verstehen soll, bedeutet aber unseres Erachtens keineswegs, dass ethnische Identitäten für die Menschen der Eisenzeit keine Rolle gespielt haben (Fernández-Götz 2008, 2009a; Fernández-Götz, Ruiz Zapatero im Druck; Karl 2008b; Ruiz Zapatero 2009). Wie schon Renfrew (1996: 131) vor über zehn Jahren zutreffend bemerkt hat, besteht kein Widerspruch darin, einerseits die Existenz einer keltischen Ethnizität zu verneinen, andererseits aber die Wichtigkeit der Ethnizität unter den Bevölkerungen, die wir normalerweise als Kelten bezeichnen, anzuerkennen. Zweifellos stellten in vielen Fällen kleinere Gruppierungen wie Lokalgruppen, Dorfgemeinschaften oder Households sowie unterschiedliche soziale Identitäten wie Alter, Geschlecht, Beruf oder Klasse wesentlich wichtigere Elemente im Alltag der meisten Men- 82 schen dar als ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe (Brather 2004; Fernández-Götz 20). Dennoch konnten ethnische Identitäten, vor allem in Momenten grösserer Spannung und Konkurrenz zwischen den Gruppen, eine tragende Rolle spielen (Fernández-Götz 2008; Fernández-Götz, Ruiz Zapatero im Druck; Ruiz Zapatero 2009). So problematisch, fragmentarisch und tendenziös sie auch sein mögen, öffnen die schriftlichen Quellen für das erste vorchristliche Jahrtausend neue Möglichkeiten für eine Annäherung an diese Fragestellung (Woolf 2009). Die moderne Forschung sollte aber ihren Blickpunkt von Makro kategorien wie Kelten, Germanen oder Iberer abwenden und sich dafür auf kleinere Gruppierungen wie etwa Vettonen, Edetaner, Haeduer oder Helvetier konzentrieren, die aufgrund ihrer Merkmale besser dem zu entsprechen scheinen, was aus einer modernen kulturanthropologischen Perspektive als ethnische Gruppen im engeren Sinn verstanden werden kann (Derks, Roymans 2009; Fernández-Götz 2009a; Fernández-Götz, Ruiz Zapatero im Druck; Roymans 2004). Die Erforschung von makrorregionalen Phänomenen wie die Entstehung und Verbreitung der Latènekultur (vgl. hierzu Milcent 2006 für eine anregende und wegweisende Annäherung) oder die wachsende Standardisierung in verschiedenen Bereichen der materiellen Kultur am Ende der Eisenzeit (Haselgrove 2006) ist zwar weiterhin unerlässlich, sollte aber nicht an die oben erwähnten Makrokategorien Kelten oder Germanen gekoppelt werden. Wie wir schon in der vergangenen Edition der Interpretierten Eisenzeiten anhand verschiedener Fallbeispiele zu zeigen versucht haben, gab es nie die keltische Gesellschaft oder die Gesellschaft der Eisenzeit, sondern verschiedene eisenzeitliche Gesellschaften (Ruiz Zapatero, F ernández-götz 2009). Von grosser Wichtigkeit für ein besseres Verständnis eisenzeitlicher Identitäten und soziopolitischer Organisationsformen erscheint uns der rezente Aufsatz von Karl (2008b) Feine Unterschiede. Zu Keltengenese und ethnogenetischen Prozessen in der Keltiké. In dieser Arbeit wird eine klare Trennung vorgenommen zwischen der Keltengenese als Prozess der Kulturontogenese einerseits und den ethnogenetischen Prozessen innerhalb der sogenannten Keltiké andererseits. Die Keltengenese ist nach dieser Definition keinesfalls

83 Abb. 1: Praktisches Beispiel von verschiedenen Ebenen identitärer Zuordnung (nach James 1999) eine Ethnogenese, da mit ihr nicht die Entstehung eines Ethnos gemeint ist. Zur selben Zeit vollzogen sich aber während der Eisenzeit eine Vielzahl an ethnogenetischen Prozessen, die von einem stetigen Dynamismus geprägt waren. Ferner unterscheidet Karl zwischen Ethnien erster, zweiter und dritter Ordnung, ein Ergebnis, zu dem man etwa gleichzeitig auch im Rahmen einer gerade abgeschlossenen Dissertation gekommen ist (Fernández-Götz 20). Um ein Beispiel aus dem spätlatènezeitlichen Gallien zu nennen (Collis 2007; Fichtl 2004), könnte man Ethnien erster Ordnung mit den verschiedenen pagi identifizieren, Ethnien zweiter Ordnung mit Gruppen wie Haeduer oder Helvetier und schliesslich Ethnien dritter Ordnung mit Kategorien wie Belger (Fernández-Götz 20). Diese anhand der Schriftquellen vorgenommene Differenzierung stimmt durchaus mit den modernen Erkenntnissen der Kulturanthropologie und der Soziologie überein, nach denen es immer unterschiedliche Ebenen ethnischer oder identitärer Zuordnung gibt, die überlagert erscheinen und je nach situativem Kontext im Vordergrund stehen (Díaz-Andreu et al. 2005; Fernández-Götz 2008) (Abb. 1). Aber auch ein weiteres Modell kann für die besprochene Problematik von Relevanz sein. Dieses basiert auf den neuesten Vorschlägen des britischen Soziologen Anthony Smith (2008) und wird hier von uns leicht modifiziert dargestellt und auf die Eisenzeitforschung übertragen (vgl. auch Fernández-Götz, Ruiz Zapatero im Druck). Demnach ist es möglich, zwischen zwei Benutzungen des Begriffes Ethnizität zu unterscheiden: eine begrenztere, in der die Selbstbezeichnung, also die emische Perspektive, das zentrale Kriterium ist, und eine breitere Benutzung, in der auch etische Fremdbezeichnungen ins Spiel kommen. Für letztere, breitere Anwendung kann in Anlehnung an Smith eine dreifachige Klassifikation in ethnic categories, ethnic networks und ethnic communities vorgeschlagen werden. Bei den ethnic categories handelt es sich hauptsächlich um etische Konstrukte, die verschiedene Bevölkerungen gruppieren, die aus einer Außenperspektive einige ähnliche kulturelle Merkmale und 83

84 Abb. 2: Anwendung auf die Eisenzeit der dreifachigen Klassifikation in ethnic categories, ethnic networks und ethnic communities (Autoren) vielleicht auch ein geographisches Gebiet teilen, aus einer Innenperspektive aber weder ein Ethnonym, noch einen gemeinsamen Ursprungsmythos noch ein Solidaritätsgefühl besitzen. Sie sind also vorwiegend für die Identität des Aussenstehenden von Relevanz, als Ordnungsmittel und als Kontrast zur eigenen Identität, nicht aber für die so bezeichneten Bevölkerungen. Die ethnic networks besitzen zwar normalerweise keine politische Einheit, dafür aber einen höheren Grad an gemeinsamen Interaktionen und Solidarität, zumindest zwischen den Eliten, sowie meistens auch ein Ethnonym und einen Ursprungsmythos. Schliesslich wären die ethnic communities named and self-defined human populations with myths of common origins, shared historical memories, elements of common culture, and a measure of ethnic solidarity (Smith 2008: 30-31). Während ethnic categories somit überwiegend etische Konstrukte darstellen, benötigen ethnic communities ein klares Wir-Gefühl 1. Die Unterscheidung zwischen ethnic networks und ethnic communities ist dagegen viel fliessender und besteht hauptsächlich in der Intensität der gemeinsamen Bindungen und meistens auch in der Grössenordnung. Eine Anwendung dieser dreifachigen Klassifizierung ermöglicht unserer 84 Ansicht nach ein besseres Verständnis der zahlreichen Ethnonyme, die in den antiken Schriftquellen erscheinen, und die neben Selbst- auch zahlreiche Fremdbezeichungen sowie zum Teil sehr unterschiedliche Dimensionen beinhalten. Demnach könnten Makrokategorien wie Kelten als ethnic categories bezeichnet werden, Belger als ethnic networks und Haeduer oder Helvetier als ethnic communities (Abb. 2). Die Kelten in Öffentlichkeit und Forschung (1): das Fallbeispiel Galizien Nach diesen aus Platzgründen nur kurz dargestellten Ausführungen zum Keltenbegriff und zu den verschiedenen Ebenen ethnischer Identität während der Eisenzeit, kommen wir jetzt zum zweiten Teil unseres Beitrages, der den Wechselbeziehungen zwischen wissenschaftlichem Diskurs und populärer Kultur gewidmet ist. Dafür haben wir zwei konkrete Fallstudien ausgewählt, die nordspanische Region Galizien und das deutsche Bundesland Baden-Württemberg. Die Analyse unseres ersten Beispiels muss im Rahmen der allgemeinen Entwicklung betrachtet werden, die sich in Spanien während der letzten Jahrzehnte

85 vollzogen hat (Ruiz Zapatero 2006b). Die Reaktion auf das zentralistische Staatsmodell der Franco-Diktatur hat dort zu einer Wiederbelebung peripherer Nationalismen geführt, die ihre Identität durch den Rückgriff auf einen mehr oder weniger entfernten Ursprung zu verstärken versuchen (Ruiz Zapatero 1996).Vor allem in Nordspanien sehen viele Personen die Wurzeln ihrer heutigen Identität in vorrömischen Gruppen. Archäologische Debatten wie z. B. über den keltischen oder nicht keltischen Charakter dieser oder jener eisenzeitlicher Kulturgruppe überschreiten in vielen Fällen die akademischen Kreise, um in einer breiteren Öffentlichkeit Widerhall zu finden (DíazSantana 2002; Ruiz Zapatero 2006a; vgl. auch González Álvarez, Marín Suárez im vorliegenden Band). Besonders klar geschieht dies in Galizien, einer Region, die normalerweise für Laien geradezu als Inbegriff des Keltischen gilt (Ruiz Zapatero 2006a). Diese vermeintliche Keltizität sucht aber keinerlei Verbindungen zu den antiken keltischsprachigen Be- völkerungen in Zentralspanien oder Mittel europa, sondern konzentriert sich auf die Beziehungen mit dem atlantischen Raum, besonders mit den sogenannten modernen keltischen Nationen wie Irland, Schottland,Wales oder die französische Bretagne, zwischen denen sich eine Art von Solidarität entwickelt hat (James 1999). Mit Begriffen wie Latènekultur, Gallier oder Keltiberer kann man hier wenig anfangen, vielmehr besteht das Bild des Keltischen in der galizischen Öffentlichkeit aus einem willkürlich hergestellten Mischmasch, in dem sich Dudelsack, Druiden, Megalithen und grosse Musikfestivals wie das jährliche Festival do Mundo Celta in Ortigueira zu einem scheinbar harmonischen Eins vereinen (DíazSantana 2002; Ruiz Zapatero 2006a, 2006b) (Abb. 3). Aber vielleicht noch wichtiger für die Fragestellung, die uns hier beschäftigt, erscheint die Tatsache, dass der Rückgriff auf diese vermeintlich keltische Identität einer der wichtigsten Bausteine für die Konstruktion und Legitimierung des galizischen Nationalismus ist Abb. 3: Plakat des grossen internationalen Musikfestivals Festival Internacional do Mundo Celta in Ortigueira ( und Abbildung aus einem Internetforum von Anhängern des galizischen Fussballvereins Celta de Vigo ( 85

86 Abb. 4: Sind wir Galizier Kelten? Artikel in der Zeitung La Voz de Galicia, (nach Ruiz Zapatero 2006a) (Díaz-Santana 2002). Ob die benutzten Argumente und Symbole etwas mit der historischen Realität zu tun haben, erscheint im Rahmen dieser bewussten oder unbewussten Instrumentalisierung natürlich zweitrangig. Nur so kann man verstehen, dass Anhänger des Galizischen Nationalistischen Blocks (BNG) eine Rede vor einer Replik von Stonehenge halten, oder dass man die galizische Sprache mit dieser keltischen Identität assoziert, obwohl sie aus linguistischer Sicht eine romanische Sprache ist, die nichts mit der Gruppe der sogenannten keltischen Sprachen wie Gälisch oder Walisisch zu tun hat. Nicht nur für die heutigen Bewohner Galiziens selbst, auch für die meisten Spanier sind Galizien und die kantabrische Region insgesamt die keltischen Regionen par excellence (Ruiz Zapatero 2006a). Andere Gebiete wie die zentralspanische Provinz Soria, wo sich das berühmte keltiberische Numantia befindet, werden im besten Fall erst an zweiter oder dritter Stelle genannt, obwohl dort die historischen und linguistischen Zeugnisse keineswegs geringer sind, eher im 86 Gegenteil (Lorrio, Ruiz Zapatero 2005). Dies hat in Galizien zu einem regelrechten Boom an allerlei Tourismusartikeln und Angeboten geführt, in denen in welcher Form auch immer der Name keltisch auftaucht: von T-Shirts mit der Überschrift Galicia Celta ( keltisches Galizien ) bis Musik-Cds, Milchmarken, Tätowierungen, Golfrouten oder traditionelle Sommerfeste, die man in den letzten Jahren mit dem Titel keltisch geschmückt hat; alles ist recht, um zugleich regionales Selbstbewusstsein und wirtschaftliche Profite zu erhöhen. Diese weitgehende Unanimität über die Keltizität Galiziens in der Öffentlichkeit findet aber kein entsprechendes Gegenstück von Seiten der wissenschaftlichen Forschung (Ruiz Zapatero 2005). Hier sind die Lager in zwei entgegengesetzte Fronten geteilt: zum einen zahlreiche Archäologen, die jegliche Verbindung mit dem Begriff Kelten ablehnen und dagegen den einheimischen Charakter der eisenzeitlichen CastroKultur hervorheben; und andererseits verschiedene Archäologen und Althistoriker, die vor allem eine Art sozio-ideologischen Keltismus befürworten, oft unter Rückgriff auf Dumezils Arbeiten. Keltophile und Keltophobe karikaturisieren in vielen Fällen die Position des Gegners, und nur vereinzelt finden Annäherungsversuche oder Kompromisslösungen statt. Das Interesse an diesen Debatten und an der Problematik insgesamt spiegelt sich in ausführlichen Berichten in einigen der wichtigsten Zeitungen wider, so zum Beispiel in La Voz de Galicia unter dem Titel Sind wir Galizier Kelten? (Abb. 4). Die Kelten in Öffentlichkeit und Forschung (2): das Fallbeispiel Baden-Württemberg Ganz anders sieht die Lage in Baden-Württemberg aus, und gerade dieser Kontrast macht den Vergleich zwischen beiden Regionen interessant. Vor allem die modellhaften und spektakulären Ausgrabungsergebnisse von der Heuneburg und Hochdorf verschaffen Baden-Württemberg einen festen Platz in fast jedem wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Buch, das sich, in welcher Form auch immer, mit Kel ten beschäftigt. Durch Veranstaltungen wie die regelmässig stattfindenden Keltenfeste in Hochdorf (www. keltenmuseum.de), die zahlreichen Aktivitäten, die

87 vom Keltenmuseum Heuneburg ( de) organisiert werden oder qualitätvolle Publikationen für das breite Publikum (z. B. Ade, Willmy 2007; Hajdu, Bofiner 20; Krausse 2009), wird Fachwissen auf didaktische Art und Weise vermittelt. Darüber hinaus stammt die wahrscheinlich beste Kelten-Reenactmentgruppe Deutschlands, Carnyx, aus dem Tübinger Raum ( (Abb. 5). Dass ein Interesse der Öffentlichkeit durchaus vorhanden sein kann, zeigen die ca Besucher, die 1985 die Stuttgarter Ausstellung Der Keltenfürst von Hochdorf besucht haben (Biel 1985, 2007). Es bleibt zu erwarten, dass die grosse Landesaustellung Die Kelten, die ab September 20 in Stuttgart zu sehen sein wird und unter anderem den hochinteressanten Ergebnissen aus dem DFG Schwerpunktprogramm Frühkeltische Fürstensitze gewidmet ist (Beilharz, Krausse 2010; Krausse 2004, 2008, 2010; siehe auch einen vergleichbaren oder sogar noch grösseren Erfolg feiern kann. Trotzdem spielen die Kelten in der Öffentlichkeit Baden-Württembergs, ganz im Gegensatz zu Galizien, kaum eine Rolle und wenn, dann nur unter interessierten Laien2. Als Identitätsstifter stehen die Alamannen sehr weit vorne, Kelten sind im öffentlichen Bewusstsein wenig verankert. Darüber hinaus gibt es praktisch keine wissenschaftliche Studien zum Keltenbild in der Bevölkerung, was an sich schon vielsagend ist und zugleich zeigt, dass in diesem Forschungsbereich noch Nachholbedarf besteht. Alles in allem scheinen aber auch hier die populären Vorstellungen stärker von Romanen und Filmen über die Artussage oder von irischer Musik geprägt zu sein als durch Grabungsergebnisse wie die von Heuneburg oder Hochdorf. Wie Jörg Biel in seinem Aufsatz von 2007 Kelten in Süddeutschland? zutreffend bemerkt hat: Die Kelten sind heute ein Volk, das zwar früher hier gewohnt hat, mit dem uns aber kaum etwas verbindet, abgesehen von esoterischen Verirrungen (Biel 2007: 153). Diese geringe Bedeutung der Kelten in der baden-württembergischen Öffentlichkeit steht im Kontrast zum hohen Stellenwert, den Süddwestdeutschland für die Forschung der Eisenzeit und insbesondere der Späthallstattzeit besitzt.vor allem im deutschsprachigen Raum aber bei weitem nicht nur! wird dieses Gebiet häufig als Kernzone der Kelten bezeichnet Abb. 5: Rekonstruktion der berühmten Lehmziegelmauer im Freilichtmuseum Heuneburg und Photo der Kelten-Reenactmentgruppe Carnyx (nach Krausse 2009) (Abb. 6). Diese Annahme beruht in erster Linie auf zwei Argumenten: die irrtümliche Gleich setzung von Kelten und Latènekultur sowie die viel zitierte Herodotstelle (Historien, II, 33), nach der die Donau im Land der Kelten entspringt, nahe der Stadt Pyrene. Gerade dieser letzte Name hat gelegentlich Zweifel an der Identifizierung mit Süddwestdeutschland geweckt, da auch eine Verwechslung mit dem Gebirge der Pyrenäen in Betracht kommen könnte (Fischer 1972). Dennoch ist es gut möglich, dass Herodot die Donauquellen zumindest annähernd richtig lokalisiert hat (Tomaschitz 2002), und sogar die Identifizierung der Heuneburg mit Pyrene, ist als Hypothese durchaus vertretbar (Krausse 2006). Auch die Bezeichnung Frühe Kelten kann man unter Umständen gelten lassen, vor allem, wenn es darum geht, die Attraktivität der Vergangenheit in der Öffentlichkeit zu steigern (Holtorf 2007). Was man aber unserer Ansicht nach keineswegs machen sollte ist, von der Information Herodots auf einen einseitigen Ursprung der Kelten im südlichen Mitteleuropa zu schliessen (Collis 2003; Karl 2010; 87

88 Abb. 6: Eine der am meisten verbreiteten und reproduzierten Karten über Ursprung und Ausbreitung der Kelten (nach Megaw und Megaw 1989). Dieses traditionelle Modell ist wissenschaftlich nicht mehr akzeptabel und sollte bald nur noch als Teil der Forschungsgeschichte in Erinnerung bleiben Vitali 2010). Es gibt eine Fülle an Argumenten, die die Irrtümlichkeit dieser These aufzeigen; aus Platzgründen seien hier nur vier genannt: 1) Erstens kann man Kultur nicht einfach mit Ethnos gleichsetzen (Fernández-Götz 2008; Jones 1997), man darf also die kulturelle Kontinuität zwischen Späthallstatt- und Frühlatènezeit nicht zwangsläufig auch als ethnische Kontinuität deuten. 2) Zweitens ist die simplistische Formel Kelten = Latènekultur schlichtweg inkorrekt, wie zahlreiche Studien der letzten Jahre ausreichend gezeigt haben: Elemente der Latènekultur wurden auch von nicht keltischen Gruppen übernommen, und gleichzeitig gab es keltische Bevölkerungen, wie die Keltiberer, die nicht Teil der Latènekultur waren (vgl. z. B. Collis 2003; Lorrio, Ruiz Zapatero 2005;Vitali 2010). 3) Drittens ist das Konzept eines keltischen Kernlandes schon an sich falsch, da es die Kelten als ein- 88 heitliches Volk nie gegeben hat und man nicht von einer keltischen Ethnogenese und Ausbreitung sprechen sollte3 (Collis 2003; Karl 2008a, 2010). 4) Und viertens widerspricht die Herodotstelle der oben genannten Konzeption eines ausschliesslich mitteleuropäischen Ursprungslandes (Almagro-Gorbea 2004; Fernández-Götz 2007, 2009b). In der Tat wird das Zitat in vielen Fällen nicht vollständig wiedergegeben, was sich aber durchaus lohnt: Der Istros (die Donau) entspringt bei den Kelten und der Stadt Pyrene und fliesst mitten durch Europa. Die Kelten aber wohnen jenseits der Säulen des Herakles und sind Nachbarn der Kynesier, die von allen Völkern Europas am weitesten im Westen leben (Herodot, Historien, II, 33). Herodot lokalisiert also auch Bevölkerungen, die er als Kelten bezeichnet, hinter den Säulen des Herakles, das heisst jenseits der Meerenge von Gibraltar.

89 Dies würde dem heutigen südwestlichen Andalusien und Süden Portugals entsprechen. Eine relativ genaue Kenntnis über Kelten was auch immer darunter verstanden wurde in diesem Gebiet dürfte an sich nicht verwundern, da griechischen Seefahrern Tartessos gut bekannt war, genau wie die Informationen über den Ursprung der Donau aufgrund der Handelskontakte mit der Zone der späthallstättischen Fürstensitze a priori gut erklärbar wären. Was aber noch interessanter ist: gerade aus dem Südwesten der Iberischen Halbinsel sind eine ganze Reihe von Inschriften bekannt, die hauptsächlich aus dem 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. stammen und in denen manche Forscher wie Correa (1989) oder Koch (2009) keltische Personennamen identifiziert haben. Ferner hat Almagro-Gorbea (2002, 2004) die Inschrift Niethos publiziert, die in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. datiert und im heutigen Huelva gefunden wurde. Seiner Ansicht nach handelt es sich um den Namen einer keltischen Gottheit und somit um eines der ältesten Zeugnisse in einer keltischen Sprache überhaupt. Zugegeben, diese Deutungen sind nicht unbestritten, und es ist auch nicht unser Anliegen, im vorliegenden Aufsatz für einen iberischen bzw. westlichen Ursprung der sogenannten keltischen Sprachen zu plädieren, so wie es Cunliffe und Koch (2010) neulich gemacht haben. Wir wollen lediglich zeigen, dass es beim heutigen Kenntnisstand keine Argumente gibt, die dem südlichen Mitteleur- opa gegenüber anderen Regionen wie dem Südwesten der Iberischen Halb insel eine Vorrangstellung verschaffen. Der Hauptirrtum besteht aber in der eigenen Suche nach einem Ursprungsgebiet für ein keltisches Volk, das es in Wirklichkeit nie gegeben hat (Karl 2004, 2010; Rieckhoff 2007a). Darüber hinaus sollte man nicht keltische Ethnizität mit keltischen Sprachen gleichsetzen, eine Tatsache, auf die u. a. Collis wiederholt hingewiesen hat: genetics must not be confused with language groups, ethnic groups, social structures, or material culture; these are all separate categories which can be fruitfully compared, but they cannot be equated with one another (Collis 2009: 42). Ein kurzer Vergleich zwischen den zwei genannten Fallbeispielen zeigt, dass, während in Galizien der Rückgriff auf eine vermeintlich keltische Vergangenheit ein wesentlicher Bestandteil der regionalen (für viele Leute sogar nationalen!) Identitätsbildung ist, in Baden-Württemberg die Kelten so gut wie keine identitätsstiftende Rolle in der breiten Öffentlichkeit spielen. Ganz anders sieht die Lage im akademischen Bereich aus, denn während im letzten Fall von Frühen Kelten und manchmal sogar vom Kernland die Rede ist, steht in Galizien ein Grossteil der Forscher der Keltenproblematik skeptisch gegenüber bzw. weist jegliche Verbindung mit derselben vehement zurück (Abb. 7). Abb. 7: Die Kelten im Spannungsfeld von wissenschaftlicher Forschung und populärer Rezeption: Vergleich zwischen Galizien und Baden-Württemberg (Autoren) 89

90 Rück- und Ausblick Zum Abschluss möchten wir die zwei wichtigsten Punkte unseres Beitrages nochmal kurz zusammenfassen. Der erste Punkt betrifft unser Verständnis über die Identitäten der Eisenzeit. Hier muss ein tiefgreifender Paradigmenwechsel stattfinden (FernándezGötz, Ruiz Zapatero im Druck). Die Vorstellung, dass es ein einheitliches keltisches Ethnos gab, das sich von Mitteleu ropa aus während der Eisenzeit durch Europa verbreitet hat, ist eine Fiktion4 (Collis 2003; Rieckhoff 2007a; Ruiz Zapatero 2001; ). Zur selben Zeit muss aber anerkannt werden, dass während des ersten vorchristlichen Jahrtausends eine Vielzahl an ethnischen Gruppierungen verschiedener Grössenordnung existierten, die für die Identität der damaligen Menschen von Belang waren, und die einem ständigen Wandel unterworfen waren (Fernández-Götz 2009a; Fernández-Götz, Ruiz Zapatero im Druck; Ruiz Zapatero 2009). Der zweite Punkt, auf den wir aufmerksam machen möchten, ist die Rolle der Archäologen bei der Vermittlung der Vergangenheit. Es ist unzweifelhaft, dass ethnische Interpretationen generell und die Kelten konkret aus politischen Gründen manipuliert worden sind (Collis 2003; James 1999; Rieckhoff 2006, 2010; Rieckhoff, Sommer 2007), aber wenn Archäo- logen sich nicht kritisch mit dieser Problematik auseinandersetzen, können wir sicher sein, dass andere Interessengruppen sie weiterhin mit ideologischen Zielen benutzen werden (Fernández-Götz 2008; Ruiz Zapatero 1996, 2006a). Ob es uns gefällt oder nicht, es wird weiterhin über Kelten geschrieben werden und man wird die Vergangenheit weiterhin für vielseitige Zwecke instrumentalisieren. Das Beispiel Galizien zeigt, dass eine blosse Ablehnung des Keltenbegriffes durch die Archäologen keineswegs seinen Missbrauch mindert (Díaz-Santana 2002; Ruiz Zapatero 2006a). Gerade deswegen müssen wir uns als Fachleute engagieren, um kritischere Bilder der Vergangenheit zu entwerfen und diese auf verständliche Art und Weise an die Öffentlichkeit weiterzugeben (González Ruibal 2006; Holtorf 2007). Gewiss ist dies keine leichte Aufgabe und man muss sich natürlich immer im Klaren sein, dass unsere archäologischen Interpretationen nur Erzählungen bleiben, die heute anders als früher gestaltet werden und die auch in Zukunft anders aussehen werden (Rieckhoff 2007b). Es gibt aber Erzählungen, die wesentlich besser fundamentiert sind als andere, und gerade um diese und um deren Vermittlung sollten wir uns bemühen. Anmerkungen 1 Es müssen allerdings immer die ständigen Wechselbeziehungen zwischen Innen- und Aussenansichten berücksichtigt werden: ethnic identities can arise both from insider perceptions and from the views of outsiders subsequently internalised (Morgan 2009: ). 2 An dieser Stelle möchten wir sowohl Herrn Prof. Dr. Dirk L. Krausse (Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg) als auch den Mitgliedern der Kelten-Reenactmentgruppe Carnyx für zahlreiche und wertvolle Hinweise zum Keltenbild in der baden-württembergischen Öffentlichkeit herzlich danken Exemplarisch für die traditionelle Sicht der keltischen Ethnogenese kann u. a. die Arbeit Fischers (1986) genannt werden, für den Paradigmenwechsel dagegen Karl Selbstverständlich gab es zahlreiche Migrationsprozesse, deren Wichtigkeit nicht unterschätzt werden sollte (Fernández-Götz 20; Kristiansen 1998; Tomaschitz 2002). Hier geht es uns ausschliesslich um die Kritik an den traditionellen Modellen der Ethnogenese eines vermeintlichen keltischen Volkes, das sich durch Wanderungen quer durch Europa verbreitet hätte.

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94 94

95 Essentiell keltisch? 1 Zum Sinn der Fragen was die Kelten kennzeichnet und woher sie kommen Raimund Karl Zusammenfassung Seit Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Kelten stellten wir, und stellen immer noch, die Fragen: Was ist es, das jemanden, das etwas wirklich keltisch macht, und woher kommt das, was wir keltisch nennen? Abhängig von der Antwort, die jeder einzelne Wissenschafter darauf gibt, behauptet er dann, dass die Kelten dies oder das, hier oder dort waren und spricht über sie als ob ihre Existenz selbstverständlich vorausgesetzt werden könnte oder falls er zu einer negativen Antwort gelangt dass es sie niemals gab und es daher sinnlos ist über sie zu sprechen. Die grundlegende Prämisse, von der alle diese Antworten abhängen, ist jedoch die, dass um sinnvoll über etwas sprechen zu können es auch existieren muss und um die Existenz eines Dinges annehmen zu können es durch bestimmte, charakteristische Eigenschaften gekennzeichnet sein muss, die in allen seinen Teilen gegenwärtig sind. In diesem Beitrag wird argumentiert, dass diese Prämisse grundsätzlich falsch ist und daher die auf ihr beruhende Frage samt allen möglichen Antworten darauf sinnlos sind: es handelt sich dabei um nicht mehr als einen sophistischen Streit um Worte. Denn diese Prämisse zwingt uns zu einer aristotelischen Definition; dazu die Kelten durch eine Beschreibung ihres wirklichen Wesens, ihrer Essenz zu definieren: Wir können ein Ding nur kennen, indem wir sein Wesen kennen (Aristotles, Metaphysik 1031b7). Das macht erforderlich, dass wir die Definition als Grundprämisse akzeptieren: eine unmittelbare Wahrheit, die sich nicht bezweifeln lässt (Aristotles, Zweite Analytik 1, 3), die wir intuitiv erkennen können und die nicht aus Erfahrungen oder Beobachtungen hergeleitet werden muss. Doch das ist offensichtlich unmöglich und daher ist es uns bis heute nicht gelungen zu einer allgemein anerkannten Definition zu gelangen, was essentiell keltisch ist, denn letztendlich handelt es sich dabei um eine Glaubensfrage, die außerhalb der Reichweite vernünftiger wissenschaftlicher Diskussionen liegt. Und von diesem Glauben hängt in weiterer Folge auch ab, wo wir die Herkunft der Kelten suchen. Die Antwort auf diese Fragen wird daher stets dogmatisch bleiben, die einander widersprechenden Meinungen inkommensurabel. Daher wird vorgeschlagen diese unsinnige Sophistik zu beenden, eine nominalistische Definition des Begriffs keltisch anzunehmen und statt zu fragen, woher die Kelten kommen, zu fragen, wie das entsteht, was wir keltisch nennen.verstehen wir das Wort keltisch als beliebiges Etikett, als Signifikand, vermeiden wir die Notwendigkeit darüber zu reden, was es bedeutet. Das erlaubt uns endlich das zu diskutieren, worüber wir eigentlich reden sollten, das, was sich auch zu vernünftiger wissenschaftlicher Diskussion eignet: das Signifizierte. 95

96 Abstract Since the beginning of scholarly research into the Celts we were, and still are asking: What is it that truly makes someone, or something, Celtic, and where does this Celtic come from? Depending on the answer each scholar arrives at, he would argue for the Celts being this or that, having been here or there and talk about them as if their existence was self-evident, or if the answer was in the negative that they never existed at all, making it meaningless to talk about them. The fundamental premise upon which all these answers are based, however, is that to be able to meaningfully talk about something, it must exist, and for something to exist, it must be characterised by unique characteristic features ubiquitous in all of its parts. In this paper it will be argued that this premise is fundamentally flawed and that, therefore, the question and any answer to it are meaningless: they are nothing but a sophistic game of words.the premise requires us to come up with an Aristotelian definition; to define the Celts by describing their true nature, their essence : there is knowledge of each thing only when we know its essence (Aristotle, Metaphysics 1031b7). This requires that we accept this definition as a primary premise: an immediate truth which cannot be questioned (Aristotle, Posterior Analytics Book 1, 3), which we thus must identify intuitively, not by means of demonstration.yet, this is evidently impossible, and as such, we have not arrived at an agreed definition of what is, essentially, Celtic, because this ultimately is a matter of belief, beyond the limits of any reasoned scholarly debate.the answers to the two central questions we have been pursuing thus will always remain dogmatic, the opposed views incommensurable. I thus propose to stop this silly sophistry, adopt a nominalist definition of the Celtic, and ask how that which we call Celtic emerged, rather than trying to find out where it originated. If we treat the word Celtic as an arbitrary label, a signifier, the need to discuss what it means is removed. This will allow us to finally discuss what we ought to discuss, that which can actually be subjected to reasoned scholarly debate: the signified. Schon 1980 schrieb Ludwig Pauli anlässlich der Austellung Die Kelten in Mitteleuropa im Keltenmuseum Hallein im Ausstellungskatalog über Sinn und Unsinn der alten Frage nach der Herkunft der Kelten (Pauli 1980). Diese Frage stellt seit den Anfängen der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Kelten, und damit verbunden auch der Auseinandersetzung mit der Archäologie der europäischen Eisenzeit, eine der, wenn nicht sogar die, zentrale Frage dar, der wir nachgehen, die wir zu beantworten versuchen. Klarerweise ist damit auch eng die Frage verbunden, wer oder was die Kelten denn nun eigentlich sind, bzw. was jemanden zu einem Kelten oder etwas zu etwas Keltischem macht. Um sich diesem Fragenkreis anzunähern soll zuerst ein Überblick gegeben werden, welche Antworten bisher auf die Frage nach der Herkunft der Kelten vorgeschlagen wurden, ehe in einem grundlegenderen 96 Teil der Frage nachgegangen werden soll, weshalb wir uns überhaupt mit der Frage nach der Herkunft der Kelten und mit der Frage, was die Kelten überhaupt zu Kelten macht, beschäftigt haben und immer noch beschäftigen. Der Überblick ist vor allem deshalb notwendig, weil derzeit insbesondere im deutschen Sprachraum, aber auch generell in weiten Bereichen der ur- und frühgeschichtlichen Forschung, die Meinung vorherrscht die Kelten seien ein Phänomen, das insbesondere oder sogar ausschließlich mit der (mittel- und west-) europäischen Eisenzeit in Verbindung zu bringen sei obgleich bereits Ludwig Pauli (1980: 18 20) in seiner Kritik der Herkunftsfrage deutlich ausgeführt hat, dass die Herkunft der Kelten keineswegs von allen Wissenschaftern, die sich zu dieser Frage geäußert haben, in eben dieser gesucht wurde. Zwar ist die Vorstellung einer eisenzeitlichen Herkunft der Kelten zweifellos dominant,

97 aber andere Datierungsvorschläge existieren ebenso, von denen viele wenigstens ebenso seriös sind wie das herkömmliche Modell der Herkunft der Kelten aus der Eisenzeit. Alternative Theorien zur Herkunft der Kelten Die Vorschläge, auf welche Zeit die Herkunft der Kelten zu datieren sei, erstrecken sich derzeit über einen Zeitraum, der vom Spätpaläolithikum bis in die jüngere Eisenzeit reicht. Ludwig Pauli (1980: 18 20) und John Collis (2003: ) haben bereits zahlreiche dieser Vorschläge zusammenfassend dargestellt, weshalb hier keine Gesamtdarstellung notwendig erscheint, sondern spezifisch einige von diesen noch nicht erwähnteversuche die Herkunft der Kelten zu bestimmen hervorgehoben und bereits bekannte Vorschläge nur soweit notwendig kurz zusammengefasst werden sollen. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Argumentation zu legen, die diesen Vorschlägen zu Grunde liegt, die nämlich fast durchgehend dem gleichen Muster folgt und zwar unabhängig davon, ob es sich bei den Vorschlägen um wissenschaftliche oder (wenigstens heute) nicht (mehr als) wissenschaftliche (betrachtete) Versuche handelt. Darüber hinaus sind selbstverständlich alle Vorschläge jeweils Kinder ihrer Zeit, also stark von allgemeinen Vorstellungen über die Geschichte geprägt. Von Babylon in die Bretagne frühe Versuche Frühe Versuche die Herkunft der Kelten oder von Teilen der Kelten zu bestimmen zeigen diese Abhängigkeit von allgemeinen Vorstellungen der Zeit, in der sie geschaffen wurden, für den modernen Beobachter besonders deutlich: antike Erklärungen sind in pseudohistorischen Kontexten der Frühgeschichte der Welt angesiedelt, so z. B. bei Timaios die Abstammung der Galater von Galates, dem Sohn des Kyklopen Polyphem und der Nereide Galateia (Hofeneder 2005: 56 8), oder bei Parthenios die Abstammung der Kelten von Keltos, dem Sohn von Herakles und dem Mädchen Keltine, Tochter des Bretannos (Hofeneder 2005: 161 2). Mittelalterliche irische Texte hingegen sprechen z. B. von der Abstammung der Iren von Magog, Sohn des Iafeth, Sohn des Noah (MacAlistair 1938: 21 3), postulieren also eine biblische Abstammung der Iren. Die Briten hingegen stammen laut Geoffrey of Monmouth von Brutus, Sohn des Silvius, Sohn des Ascianus, Sohn des aus Troja nach Italien geflohenen Aeneas ab (Thorpe 1966: 54 75), sind also von klassischer Abstammung. All diese Beispiele entsprechen im Wesentlichen einer genealogischen Abstammungsidee, nach der diverse Bevölkerungsgruppen der jeweiligen Gegenwart des Autors durch eine Herkunftserklärung mit mythologischen oder pseudohistorischen Figuren der mythischen Vorgeschichte der Bevölkerung des Autors verbunden werden, wie sie in Antike, Mittelalter und auch früher Neuzeit charakteristisch waren. In diese Tradition reiht sich auch die Gründungssage der modernen, wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Kelten ein, die vom bretonischen Abbé Paul-Yyves Pezron (1703) veröffentlichte Abhandlung über die biblische Abstammung der Bretonen, die er als die Nachfahren der bei Caesar erwähnten antiken Kelten betrachtete. Pezron versuchte in diesem Werk zu zeigen, dass das Keltische eine der Sprachen gewesen sei, die bei der babylonischen Sprachverwirrung entstanden sei und deren Sprecher anschließend in komplizierten Wanderungen von Babel bis letztendlich in die Bretagne gewandert seien. Derartige Erklärungen werden zwar heute abgelehnt, entsprachen aber jeweils den Chronologie- und Geschichtsvorstellungen ihrer jeweiligen Zeit, waren also damals ernst zu nehmende, wissenschaftliche Erklärungen der Herkunft der Kelten. Die jeweils gewählte Argumentationsstruktur (soweit man, insbesondere bei den sehr kurzen antiken Erklärungen, von einer solchen Struktur sprechen kann) ist jene, dass von der Abstammung der Kelten von einer bestimmten Person, also von einem bestimmten Punkt in Raum und Zeit, ausgegangen wird, von dem eine quasi-biologische, stammbaumhafte Entwicklung ausgeht, die letztendlich dazu führt, dass eine mehr oder minder große Bevölkerung als Kelten bezeichnet werden kann. Die Probleme mit solchen Erklärungsversuchen sind zwar bis zu einem gewissen Grad offensichtlich, sollen aber dennoch wenigstens in aller Kürze erwähnt werden. Das vielleicht größte Problem mit diesen Erklärungen ist, dass sie nicht durch unabhän- 97

98 gige Evidenzen gestützt werden, sich also jedweder Überprüfbarkeit und damit auch Nachvollziehbarkeit entziehen. Man kann sie also entweder glauben oder nicht. Darüber hinaus sind sie auch nicht selten in sich inkohärent, vor allem aber mit moderneren Chonologien und aus diesen abgeleiteten großen historischen Erzählungen nicht vereinbar. Deshalb lehnen wir sie heute als falsch ab. Das derzeitige Standardmodell Das in den letzten Jahrzehnten dominante Modell der Erklärung der Herkunft der Kelten kann als hinreichend bekannt vorausgesetzt werden um hier nicht genauer dargestellt werden zu müssen. Auch wurde es bereits deutlich inhaltlich kritisiert (z. B. Collis 2003), es genügt an dieser Stelle also sich auf die Argumentationsstruktur zu konzentrieren, die zum Standard modell geführt hat, sowie einige Probleme mit diesem kurz darzustellen. Das derzeitige Standardmodell geht davon aus, dass die Kelten in Mitteleuropa entstanden seien und, in der engsten Auslegung, die Herkunft der Kelten mit der Entstehung der Latènekultur gleichzusetzen sei oder in dieser wenigstens ihren Ausdruck finde (z. B. Urban 2007: 607). In weniger engen Auslegungen werden diesen Kelten im engeren Sinn noch frühe Kelten vorangestellt, die im Wesentlichen mit der westlichen Hallstattkultur gleichzusetzen seien (z. B. Krausse 2006; Spindler 2007). Die Struktur der Argumentation ist bei diesem Modell (gleichgültig welcher Fassung) im Wesentlichen die, dass historische Nachrichten die Existenz von Kelten etwa zu der Zeit und etwa in dem Raum belegen würden, in dem bestimmte archäologische Kulturen (eben die westliche Hallstatt- und/oder die Latènekultur) ebenfalls verbreitet wären und in dem auch keltische Sprachen nachgewiesen wären. Diese Daten werden anschließend in die alte KossinnaFormel Für alle Zeiten t1-tn gilt: jeder beliebige Raum Rx (gekennzeichnet durch Eigenschaften a, b, c) entspricht dem Verbreitungsgebiet eines bestimmten Volkes Vx (Karl 2010a: 98) eingesetzt und zum Ursprungspunkt der ältesten nachweisbaren Eigenschaft zurückverfolgt, der mit der Ethnogenese, also der Herkunft des gesuchten Volkes, gleichgesetzt wird. 98 Abgesehen davon, dass dieses Modell auch am Problem leidet, dass sich mit Ausnahme einer wenigstens als fraglich zu betrachtenden frühen Nennung der Kelten in Mitteleuropa bei Herodot (Historien II, 33) alle frühen Belege für die Kelten und für Keltisches auf Regionen außerhalb Mitteleuropas beziehen (Hekataios, die anderen Nennungen in Herodot Historien II, 33 und IV, 49, die Nachweise für Lepontisch in Norditalien und neuerdings wenn man der Interpretation von Koch 2009 folgen möchte für Tartessisch im Südwesten der iberischen Halb insel), leidet es auch an ganz grundsätzlichen Problemen. Diese sind in erster Linie, dass die von Kossinna (1920: 3) kodifizierte Gleichsetzung von Ethnizität und Materialkultur nicht notwendigerweise gegeben sein muss, dass daher natürlich auch die Rückverfolgung von Ethnizität auf Basis der (materiellen) Kultur nicht zulässig ist, aber auch und ganz besonders daran, dass ihm ein viel zu simplistisches Verbreitungsmodell von Kultur zu Grunde liegt: Kultur verbreitet sich gemäß dieses Modells nur in einer Richtung, nämlich von den Überlegenen zu den Unterlegenen. Schon allein aus diesen Gründen ist es heutzutage nicht mehr haltbar. Gleichzeitig illustriert dieses Modell auch ganz deutlich ein von Pauli (1980) andeutungsweise identifiziertes Problem: was bedeutet es eigentlich keltische Geschichte zu schreiben? Das derzeitige Standardmodell versteht die Kelten als ein Ding, dessen Geschichte geschrieben wird (die konkrete Vorstellung ist wohl am ehesten als eine Nation, deren Ereignisgeschichte geschrieben werden soll), ähnlich als wenn man eine Biografie schreiben wollte, z. B. einer historischen Person oder aber eines Objekts wie eines Tisches oder eines Stuhls. Dies entspricht übrigens wenigstens grundsätzlich den Vorstellungen, die auch den frühen Erklärungsversuchen zu Grunde liegen, in denen der mythische Ahnherr der jeweiligen Erklärung letztendlich auch als Platzhalter für alle seine Nachfahren dienen kann. Das Palaeolithic Continuity Paradigm (PCP) Die frühen Versuche und das Standardmodell sind aber keineswegs die einzigen Vorschläge, die in Bezug auf die Herkunft der Kelten gemacht wurden. Ein

99 weiteres Modell, das etwa seit den 1990ern von einigen Kollegen, insbesondere in Italien, vertreten wird, kommt zu ganz anderen Ergebnissen (Alinei 2010; Alinei & Benozzo 2008): das von seinen Proponenten als paläolithisches Kontinuitätsparadigma bezeichnete Modell geht davon aus, dass keltische Sprachen bereits im Spätpaläolithikum im Bereich ihrer späteren Verbreitungsschwerpunkte gesprochen wurden und die Entstehung der Kelten daher ebenfalls in dieser Zeit anzusetzen ist (Alinei & Benozzo 2008: 20 5). Die Argumente, die hierfür ins Feld geführt werden, müssen hier nicht im Detail besprochen werden, denn diese habe ich erst zuletzt (Karl 2010b) anhand eines Beispiels dargestellt, aber die Grundstruktur ihres Arguments, das die Proponenten des PCP selbst in ihrer veröffentlichten Einleitung zu ihrem Paradigma darstellen, verdient eine genauere Betrachtung: If the demonstration of continuity, as James Mallory has had to admit, is the archaeologists easiest pursuit (Mallory 1989, 81), then it follows: (1) that also for the question of European origin, the easiest working hypothesis is the continuity model, and no other alternative; (2) that consequently the burden of proof now lies on the (Chalcolithic or Neolithic) invasionist s shoulders, and not on the anti-invasionist s; (3) that as long as no alternative theory provides irrefutable counter-evidence, the Paleolithic Continuity can be considered as the winning theory. (Alinei 2010) Auf den ersten Blick wirkt dieses Argument nicht unattraktiv Kontinuität ist in der Archäologie am leichtesten nachzuweisen, daher kann sie vorausgesetzt werden. Muss sie aber tatsächlich immer dann vorausgesetzt werden, wenn kein unwiderlegbarer Gegenbeweis geführt werden kann? Wohl kaum, denn bekanntermaßen sollte die Absenz (vor allem eindeutiger) Evidenz niemals als Evidenz für Absenz bewertet werden. Und noch bedeutender, warum sollte archäologische Evidenz in irgendeiner Weise aussagekräftig sein, was Sprachkontinuität betrifft? Das PCP leidet also, noch stärker als viele andere Herkunftsmodelle, am Problem der Koppelung von Sprache und Archäologie, die in der dem Modell zu Grunde liegenden Art keinesfalls vorausgesetzt werden kann. Selbst wenn sich archäologisch tatsächlich eine Kontinuität vom Spätpaläolithikum bis ans Ende der Eisenzeit nachweisen lassen sollte, sagt das nichts über die Kontinuität von Sprachen im gleichen Zeit-Raum aus einmal davon abgesehen, dass sich archäologisch stets nicht nur Kontinuität, sondern ebenso stets auch dauernder Wandel nachweisen lässt das Kontinuitätsmodell kann also überhaupt nur dann halten, wenn man Kontinuität (so wie das PCP tut) a priori größere Bedeutung zuschreibt als Wandel. Damit wird jedoch das Kontinuitätsmodell zur selbsterfüllenden Prophezeiung (Watzlawick 1999), der Schluss des PCP erweist sich als klassischer Zirkelschluss. Schließlich ist es noch wert zu bemerken, dass sich auch die dem Modell des PCP zu Grunde liegende Vorstellung letztendlich wenig von anderen bisher vorgeschlagenen Herkunftsmodellen unterscheidet: das PCP versteht die Kelten ebenso sehr als ein Ding bzw. als eine Person, deren Biografie geschrieben werden kann, quasi als organische Einheit, bei der jedes einzelne Element (jeder einzelne Kelte ) als Platzhalter für das Ganze (alle Kelten ) stehen kann, wie die frühen Erklärungsversuche und das Standardmodell. Die neolithische Variante wandernde Bauern aus dem Osten In den späten 1980ern entwickelte Colin Renfrew (1989) ein neues Modell zur Herkunft der Indogermanen, die gemeinhin als (mehr oder minder ferne) Vorfahren der Kelten betrachtet werden. Dieses Modell kennzeichnet sich in erster Linie durch drei Kernaussagen: Erstens schlägt Renfrew eine weit frühere Ent stehungszeit des Indogermanischen vor als vom dominanten Modell der Indogermanisierung angenommen. Das Standardmodell der Herkunft der Indogermanen geht von einer Entstehung der indogermanischen Sprachen und der damit herkömmlicherweise verbundenen kulturellen Eigenheiten im Zeitraum zwischen ca v.chr. aus (Mallory 1989: 7). Renfrew (1989: 266) hingegen geht von einer Entstehung der indogermanischen Sprachen spätestens im 7. Jahrtausend v.chr. aus. Zweitens schlägt Refrew einen anderen als von Standardmodell der Herkunft der Indogermanen angenommenen Entstehungsort vor: geht das Stan- 99

100 dardmodell der Indogermanisierung von einer Herkunft der Indogermanen in der Region nördlich von schwarzem und kaspischem Meer aus (Mallory 1989: ), schlägt Renfrew (1989: ) eine Entstehung dieser Sprachfamilie im östlichen Anatolien vor. Drittens, und für uns am bedeutendsten, schlägt Renfrew einen anderen als den herkömmlichen Verbreitungsmechanismus für die indogermanischen Sprachen vor: statt der vom Standardmodell der Indogermanisierung bevorzugten Modell der frühen Ausbreitung durch nomadisierende Kriegerverbände, hauptsächlich während der Bronzezeit, will Renfrew (1989: ) stattdessen dieverbreitung der indogermanischen Sprachen mit der Neolithisierung Europas koppeln (etwas, das später zum universellen frühen Sprachverbreitungsprinzip erhoben werden sollte, vg. Bellwood & Renfrew 2002). Dies hat gemäß Renfrew (1989: 266) den Vorteil die Sprachverbreitung an einen wohldefinierten demographischen Prozess zu koppeln, der diese leichter zu erklären erlaubt als herkömmliche Modelle. Dem Modell Renfrews zufolge erreichen damit die indogermanischen Sprachen (mit der Neolithisierung) etwa im 5. Jahrtausend v.chr. Westeuropa (Renfrew 1989: , ), wo sich aus ihnen vor Ort (d. h. in ihrem später historisch belegten Verbreitungsgebiet) in weiterer Folge die keltischen Sprachen entwickeln. In seiner Struktur unterscheidet sich Renfrews Modell damit allerdings nur sehr wenig sowohl vom Standardmodell der Herkunft der Kelten als auch vom Herkunftsmodell des PCP: es werden nur andere Orte und Zeiten eingesetzt und ein anderes archäologisches Phänomen zum maßgeblich die Sprachentstehung und -verbreitung anzeigenden Phänomen erklärt.tatsächlich gesteht das sogar Renfrew (1989: 266) selbst bis zu einem gewissen Grad ein, sieht jedoch einen maßgeblichen Unterschied zu früheren Erklärungsversuchen in der besseren demographischen Erklärung, die seinem Modell zu Grunde liegt etwas, das sicherlich nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist (siehe dazu auch seine Ausführungen zu Sprachwandel in Renfrew 1989: 0 44). Wenngleich auch Renfrews Modell sicherlich eines der besten Modelle ist, die uns derzeit zur Verfügung stehen, leidet auch dieses Modell an zahlreichen Män- 100 geln und Problemen, nicht zuletzt daran, dass es, dem PCP sehr stark vergleichbar, großteils auf einer ursprünglichen Einwanderung von Sprechern vorkeltischer Sprachen beruht, die sich später lokal in keltische Sprachen verwandeln, und damit ein sehr statisches Modell ist. Wodurch sich Renfrews Modell allerdings wohl tuend von den anderen derzeit vorliegenden Vorschlägen für die Herkunft der Kelten unterscheidet, ist sein Rückgriff auf eine Idee von Christopher Hawkes (1973), die der kumulativen Keltizität. Wie Hawkes sieht Renfrew (1989: 246) eine Akkumulation keltischer Eigenschaften und schließt daraus, dass es nicht eine eindeutig lokalisierbare Herkuft der Kelten geben muss, sondern das Herkunftsland der Kelten der gesamte Bereich sei, in denen keltische Sprachen gesprochen wurden. Dies stellt meiner Meinung nach einen Schritt in die richtige Richtung dar, auch wenn die Modelle Hawkes und Renfrews letztendlich meiner Meinung nach nicht weit genug gehen, sondern weiterhin davon ausgehen, dass diese Akkumulation letztendlich zu einem Ding führt, dass keltisch ist. Dazu aber erst später. Keltisch aus dem Westen ein neuer Vorschlag? Das meines Wissens neueste Modell zur Herkunft der Kelten wurde hauptsächlich in den 2000ern von John T. Koch und Barry Cunliffe entwickelt und wird in den jüngsten Publikationen, in denen es vorgestellt wird, als radikal neues Paradigma dargestellt: das Keltische entstand im fernen Westen Europas (Koch 2010; Cunliffe 2010), nicht wie vom Standard modell postuliert in Mitteleuropa. Damit unterscheidet es sich in seiner Herkunftsbestimmung allerdings eigentlich kaum, und schon gar nicht maßgeblich, von Renfrews (1989) Modell, das ja bereits ebenfalls die lokale Entstehung der keltischen Sprachen im Gebiet ihrer späteren Verbreitung postuliert hatte. Cunliffe hängt seine Überlegungen auch tatsächlich mehr oder minder explizit an Renfrews Modell an bzw. an genauere Ausformungen dieses Modells von Seiten der historischen Sprachwissenschaft (Cunliffe 2010: 34), beschäftigt sich jedoch genauer mit dem Ausbreitungsmechanismus, der keltische Sprachen in der Zeit zwischen ca v.chr. über

101 den Raum ihrer später historisch bezeugten Verbreitung verbreitet haben soll: er schlägt vor, dass eine sich eventuell bereits vor 3000 v.chr. ausgeprägt habende keltische Sprache als lingua franca in den prähistorischen Kontaktnetzwerken entlang der europäischen Atlantikküste gedient haben und sich somit verbreitet haben könnte (Cunliffe 2010: 34 5; aber siehe für Gegenargumente bereits Isaac 2004). Die Hauptausbreitungsphase des Keltischen vermutet Cunliffe in den altantischen Glockenbecherkulturen, in denen er archäologisch einen besonders hohen Grad an, ja nachgerade eine Explosion von, Mobilität zu er kennen glaubt (Cunliffe 2010: 27 31). Koch (2010: 192) hingegen akzeptiert, dass aus linguistischen Gründen östliche Elemente im Keltischen vorkommen, die eine Nahebeziehung von wenigstens einer Vorform der keltischen Sprachen zu ostindogermanischen Sprachen wie Indo-Iranisch und Griechisch nahelegen (z. B. Isaac 2004), wenn auch wenigstens einige Jahrhunderte vor ca v.chr., ja vermutlich sogar im 3. Jahrtausend vor Christus.Wenn man Renfrews Modell der Verbreitung der indogermanischen Sprachen folgte, käme man eventuell sogar bis ins 5. Jahrtausend vor Christus zurück (Koch 2010: 193). Es wäre daher vorstellbar, dass eine Gruppe von (vergleichsweise frühen) Indogermanen als Seefahrer das Mittelmeer in westlicher Richtung überquerten, bis sie die europäische Atlantikküste erreichten, wo sich anschließend ihre Sprache zum Keltischen entwickelte und sich mittels der von Cunliffe vorge schlagenen Mechanismen verbreitete. Das von Koch (2009; 2010) als keltisch identifizierte, ab dem 8. Jahrhundert v.chr inschriftlich belegte, Tartessisch im Süd westen der iberischen Halbinsel lege ein solches Modell wenigstens insofern nahe, als die herkömmliche Identifikation der Kelten mit der europäischen Eisenzeit auf Grund dieser frühen Datierung der nunmehr ältesten keltischen Sprache nicht mehr haltbar sei (Koch 2010: 190 2). Cunliffe (2001) folgend argumentiert Koch daher für eine Verbreitung des Keltischen als lingua franca der atlantischen Spätbronzezeit. Trotzdem Cunliffe und Kochs Vorschlag (bzw. vielleicht besser: Vorschläge) weit komplexer ist als manche frühere Modelle inklusive des Standardmodells der Herkunft der Kelten, leidet ihr Modell an den gleichen Problemen wie bisherigevorschläge und stellt daher meiner Meinung nach, wie ich auch bereits andernorts ausgeführt habe (Karl 2010c), keineswegs ein neues Paradigma dar. Immer noch wird versucht die Sprachentstehung an einem bestimmten Ort in Raum und Zeit zu lokalisieren von dem sich diese Sprache und ihre Nachfolgesprachen dann verbreitet hätten (cf. Cunliffe & Koch 2010: 7), und diese Sprachverbreitung dann auch archäologisch zu zeigen versucht, indem man bestimmte archäologische Phänomene mit angeblich mit ihnen verbundenen linguistischen Phänomenen zu koppeln versucht. Das grundlegende Argumentationsmuster bleibt also das Gleiche, es unterscheidet sich dieses Modell von anderen nur dadurch, mit welchen konkreten archäologischen Phänomenen die Verbreitung der betreffenden Sprachen zu koppeln versucht wird und die Herkunft der Kelten anschließend mit der (postulierten) Herkuft der keltischen Sprache gleichgesetzt wird. Die Kelten Das Volk das aus dem Dunkel kam? Neben diesen wissenschaftlichen Erklärungen der Herkunft der Kelten gibt es auch eine Reihe anderer, heutzutage nicht (mehr) als wissenschaftlich betrachteter, Erklärungen, die aber dennoch insbesondere in der Öffentlichkeit einigermaßen weit verbreitet sind. Ohne genauer auf diese eingehen zu wollen kann man zusammenfassend sagen, dass ihnen gemein ist, dass die Kelten jeweils als ein Volk verstanden werden, das neuerlich als Objekt bzw. Person quasi-biografisch behandelt werden kann. Als Einheit verstanden gehen diese Erklärungen gewöhnlich davon aus, dass Sprache, immaterielle Kultur (Glaubens- und andere gemeinsame Vorstellungen, soziales Verhalten, politisches Verhalten und gemeinsames politisches Handeln) und seltener auch materielle Kultur und biologische Abstammung aneinander gekoppelt sind und somit eine Herkunft der Kelten in bestimmten, mehr oder minder genau lokalisierbaren, historischen Kontexten zu bestimmen erlauben. Dabei sind diese populären Vorstellungen gemeinhin mehr oder minder deutlich von (teilweise oder gänzlich veralteten) fachlichen Vorstellungen beeinflusst: es wird entweder das herkömmliche Standardmodell übernommen oder die Kelten mit 101

102 den Erbauern der Megalithen gleichgesetzt, als erste (paläolithische) Einwohner Westeuropas betrachtet oder auch als bronzezeitliche Einwanderer aus den östlichen Steppengebieten Europas. Darüber hinaus spielen auch (teilweise wenigstens ebenso veraltete) politische und/oder religiöse Ideologien eine Rolle in populären Antworten auf die Herkunftsfrage, so die Vorstellungen, dass die Kelten die echt rassenreinen Indogermanen (Arier) oder aber von biblischer Abstammung wären. Konsequenterweise entsprechen die Argumentationsmuster in derartigen populären Theorien zur Herkunft der Kelten den im Fach gängigen Argumentationsmustern, d. h. es wird teilweise über (pseudo-)sprachwissenschaftliche Spekulationen, teilweise über eine Interpretation historischer Quellen, teilweise durch Anbindung an archäologische Quellen ein Herkunftsort und eine Herkunftszeit der Kelten zu zeigen versucht. Das Spektrum an Ergebnissen ist hier naturgemäß etwas breiter als in fachwissenschaftlichen Herkunftserklärungen (so wird z. B. auch die Herkunft der Kelten aus Atlantis oder Vergleichbares argumentiert), aber unterscheidet sich ansonsten nur unmaßgeblich von den seriöseren fachwissenschaftlichen Erklärungen. Die Kelten vom Mars? Allgemeines zur Struktur von Herkunftserklärungen Wenngleich sich alle diese Erklärungen der Herkunft der Kelten natürlich in vielen Aspekten unterscheiden, sind sie sich alle strukturell auch in gewisser Weise ähnlich. Sie kennzeichnen sich (nahezu) alle dadurch, dass ein bestimmter, konkret bestimmbarer Herkunftsort und eine ebenso konkrete Herkunftszeit zu bestimmen versucht wird, von dem das Keltische seinen Ausgang genommen haben soll. Dieser wird entweder a priori postuliert oder aber von einem vorgeblich unbestreitbaren Punkt in Raum und Zeit, an dem das Keltische sicher existiert haben soll, auf die eine oder andere Methode bis zu seinem angeblichen Anfängen zurückzuverfolgen versucht. Wodurch sich die verschiedenen Modelle unterscheiden, ist in erster Linie, welche Verfolgungsmethode von den jeweiligen Autoren eines Modells als akzeptabel oder sogar notwendig erachtet wird. 102 Um dies noch zusätzlich zu verdeutlichen, soll hier ein alternatives Modell entwickelt werden, das in seiner Argumentationsstruktur den bisher entwickelten Modellen gleicht, aber hoffentlich als ausreichend abstrus erkennbar ist, dass es nicht als ernst zu nehmendes Alternativmodell betrachtet werden wird: ich werde zu zeigen versuchen, dass die Kelten in Wirklichkeit kleine grüne Männchen von Mars waren. Alles, was dafür notwendig ist, ist ein Ausgangspunkt, eine Annahme und ein paar mehr oder minder willkürlich gewählte Daten (archäologische Funde): Der unbestreitbare Ausgangspunkt, von dem ich ausgehe, ist, dass die Erzeuger der Latènekultur sicherlich die Kelten waren, die Gründe dafür (historische Nachrichten etc.) sind hinreichend bekannt und bedürfen keiner weiteren Ausführung. Die Annahme, von der ich ausgehe, ist, dass sich niemand selbst in falscher Farbe und Größe darstellen würde. Die Evidenzen, die ich heranziehen möchte, sind die figürlichen Kleinbronzen der Latènezeit, z. B. die figürliche Fibel von Dürrnberg bei Hallein Grab 134 (Moser 2010: 75) Daraus lässt sich logisch einwandfrei entwickeln, dass die Kelten kleine grüne Männchen gewesen sein müssen (noch dazu mit sehr seltsamen Gesichtszügen, die ganz und gar nicht menschlich wirken). Und nachdem jeder weiß, dass kleine grüne Männchen vom Mars kommen, muss die Herkunft der Kelten folgerichtig am Mars gesucht werden. Daraus ließe sich dann in weiterer Folge auch eine Datierung entwickeln, nämlich wenigstens unmittelbar vor dem ersten Auftreten solcher Kleinplastiken. Dieses Modell ist natürlich offensichtlich absurd, zeigt aber deutlich die Argumentationsstruktur, die auch allen anderen bisherigen Modellen zur Herkunft der Kelten zu Grunde liegt: wesentlich ist für alle verschiedenen Modelle einzig und allein die zentrale Annahme, was die Kelten zu Kelten macht, das heißt jene Eigenschaft(en), die als zur Bestimmung der Herkunft der Kelten maßgeblich erachtet wird. Daraus, welche Eigenschaft das ist (bzw. welche Eigenschaft ein bestimmter Autor zur Herkunftsbestimmung wählt), ergibt sich dann, welche Evidenz verfolgt werden muss um die Herkunft der Kelten bestimmen zu können.

103 Das nächste Problem, dem wir uns widmen müssen, ist daher, wie man die Eigenschaft bzw. die Eigenschaften bestimmen kann, die maßgeblich sind um die Kelten überhaupt erst als Kelten bestimmen zu können. Dies ist tatsächlich auch die andere zentrale Frage, mit der sich unsere Wissenschaften seit ihrer Entstehung beschäftigen: Was sind die Kelten überhaupt? Was sind die Kelten? Bevor wir uns der eigentlichen Frage zuwenden, auch hier ein kurzer historischer Überblick um wesentliche Gemeinsamkeiten bisheriger Vorschläge herauszuarbeiten. Die frühen Antiquare Als frühe Antiquare bezeichne ich hier jene Personen, die sich (hauptsächlich zwischen dem späten 16. und Mitte des 19. Jahrhunderts n.chr.) vor der Entwicklung der wissenschaftlichen Spezialdisziplinen, die sich heute mit den Kelten beschäftigen, mit der (Vor-) Geschichte der Kelten beschäftigt haben. Diese gingen, aufbauend auf den historischen Nachrichten aus der klassischen Antike, davon aus, dass ein Volk bzw. eine Rasse namens Kelten existierte bzw. in der Antike existiert hat. Gemäß den in diesen Zeiten vorherrschenden wissenschaftlichen Praktiken, die letztendlich der aristotelischen Logik folgten (dazu später noch mehr), waren die frühen Antiquare in erster Linie daran interessiert die charakteristischen Eigenschaften, die diese Kelten auszeichneten, zu beschreiben. Dass Völker bzw. Rassen (eine strenge Unterscheidung zwischen diesen beiden Begriffen wurde zu dieser Zeit gemeinhin nicht vorgenommen) bzw. die Angehörigen solcher sich durch bestimmte, charakteristische Eigenschaften auszeichneten, war der Praxis der antiken Ethnographie folgend weitgehend unbestritten, ebenso dass es sich dabei sowohl um charakteristische physische, mentale und spirituelle, aber auch um kulturelle und linguistische Eigenschaften handelte. Um zu Ergebnissen zu kommen verließen sich die frühen Antiquare dabei durch die Bank auf ein wenig ausgeformtes Verständnis induktiver Logik, gewöhnlich auf Basis von eigenen Beobachtungen und / oder Beschreibungen verlässlicher Gewährsleute. Wurde eine Beobachtung eines einzelnen Elements oder Vertreters der angenommenen Gruppe (des Volks bzw. der Rasse ) X ist gekennzeichnet durch Eigenschaft Y wiederholt gemacht, wurde daraus erschlossen, dass auch die allgemeine Aussage alle X sind gekennzeichnet durch Eigenschaft Y wahr sei. Auf dieser Basis wurde der Begriff keltisch bzw. die Bezeichnung Kelten als eine generische ethnische bzw. rassische Bezeichnung für alle in der westeuropäischen Urgeschichte gelebt habenden Personen und deren Hinterlassenschaften verwendet. Die Verwendung basierte dabei in erster Linie auf biblischen Chronologien und Erklärungsmodellen (so z. B. die Wanderungen nach dem Fall des Turms zu Babel und der babylonischen Sprachverwirrung; cf. Collis 2003; Morse 2005). Erklärungen waren wenigstens im Sinn der sich später abspaltenden Einzeldisziplinen noch weitgehend holistisch, d. h. die Begriffe keltisch und Kelten wurden quer über die sich erst entwickelnden fachlichen Spezialisierungen hinweg verwendet. Die frühen Fachwissenschafter Als frühe Fachwissenschafter bezeichne ich hier jene Personen, die sich (hauptsächlich von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts n.chr.) darum bemüht haben ihre sich (unter anderem auch) mit Kelten befassenden jeweiligen wissenschaftlichen Spezialgebiete in eigenständige akademische Disziplinen zu verwandeln bzw. innerhalb der sich bereits entwickelt habenden akademischen Einzelfächer ihren jeweiligen Forschungsgegenstand präziser zu fassen. Diese haben, manchmal zum Zweck ihre eigene Spezialdisziplin von anderen antiquarischen bzw. historischen Disziplinen abzuheben, öfter aber wohl rein der inneren Logik ihrer im Entstehen begriffenen oder bereits entstandenen Disziplin folgend, zu bestimmen versucht, was bzw. welche Eigenschaften bestimmte klassifikatorische Gruppen innerhalb ihrer jeweiligen Disziplin charakterisierten. Dabei ist dieser disziplinäre Ausformungsprozess natürlich nicht in allen Einzelfächern exakt gleichzeitig abgelaufen: die Konkretisierung einer historischen Sprachwissenschaft begann zweifellos bereits im frühen 18. Jahr- 103

104 hundert mit Arbeiten wie jener von Lhuyd, auch wenn sie wohl erst im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zu einem Abschluss kam. Geschichte und physische Anthropologie folgten hauptsächlich im frühen bis mittleren 19. Jahrhundert, die ( keltische ) Kunstgeschichte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Archäologie gegen Ende des 19. und im frühen 20. Jahrhundert (cf. Collis 2003). Bereits mehr oder minder stark dem Positivismus verpflichtet, versuchte man nun in erster Linie mittels induktiver Logik die charakteristischen Eigenschaften des eigenen Forschungsgegenstandes genauer zu definieren und entfernte sich damit natürlich bis zu einem gewissen Grad voneinander. Dennoch wurde, den antiken Zeugnissen und der antiquarischen Tradition folgend, die Existenz eines (antiken) keltischen Volkes bzw. einer ebensolchen Menschenrasse weiterhin vorausgesetzt. Und nachdem man ebenfalls der antiquarischen Tradition folgend, aber auch um weiterhin wenigstens bis zu einem gewissen Grad auch miteinander über entstehende disziplinäre Grenzen hinweg sprechen zu können, von jeder einzelnen Fachwissenschaft versucht die eigenen disziplinären Erklärungen und Klassifizierungen mit einer großen Metaerzählung der europäischen (Vor-) Geschichte zu verbinden. Dennoch entwickelte jede Einzeldisziplin nun ihre eigenen wenigstens einen, manchmal mehrere Keltenbegriffe und Keltendefinitionen. In der Sprachwissenschaft wurden nun Sprachen mit bestimmten, charakteristischen Eigenschaften als keltisch klassifiziert, in der Kunstgeschichte ein bestimmter Stil, in der Archäologie bestimmte Materialkulturen, etc. Die jeweiligen Keltenbegriffe wurden also nun nur mehr bedingt (nämlich soweit das zur Einbindung in die Metaerzählung notwendig war) holistisch verstanden, sondern ihre innerdisziplinäre Bedeutung stand im Vordergrund. Dennoch hatte sich daran, was gesucht wurde, wenig geändert: das, was charakteristisch keltisch war. Die traditionellen Keltologen Als traditionelle Keltologen bezeichne ich, mehr oder minder der Diktion von John Collis (2010: 37) folgend, jene Wissenschafter, die sich (hauptsächlich zwi- 104 schen spätem 19. und frühem 21. Jahrhundert n.chr.) mit den Kelten in interdisziplinärer Weise beschäftigt haben und die dabei wenigstens bis vor kurzem vor allem das oben als Standardmodell bezeichnete Modell vertreten haben, vor allem aber ebenfalls davon ausgegangen sind, dass ein Volk (moderner eventuell als Ethnie bezeichnet) bzw. eine Rasse namens Kelten in der Antike existiert hat. Diese Annahme beruht natürlich in erster Linie neuerlich auf den historischen Berichten aus der klassischen Antike, zusätzlich verstärkt durch die antiquarischen und frühen fachwissenschaftlichen Traditionen die Kelten als real existierendes Objekt zu betrachten. Als mehr oder minder interdisziplinär arbeitende Wissenschafter versuchten und versuchen diese traditionellen Keltologen die einzelnen disziplinären Traditionen auf die eine oder andere Art zu synkretisieren und kamen dadurch zum oben genannten Standardmodell, das sozusagen als der kleinste gemeinsame Nenner der einzelnen disziplinären Traditionen und Erklärungsmodelle angesehen werden kann. Ziel der Synthetisierung war und ist dabei die gemeinkeltischen Eigenschaften zu identifizieren, die die Kelten überhaupt erst zu den Kelten machen. Die dem Standardmodell zu Grunde liegende Snythetisierung hat sich dabei deshalb besonders angeboten, weil sie durch eine gewisse Korrespondenz bestimmter, in den einzelnen Fachwissenschaften maßgeblicher, Eigenschaften deutlich begünstigt wird: die wenigstens in der späten Eisenzeit tatsächlich gebenene, doch einigermaßen deutliche, wenn auch nicht exakte, Überschneidung der Verbreitungsgebiete von sprachwissenschaftlich bestimmten keltischen Sprachen, kunstgeschichtlich bestimmter keltischer Kunst, archäologisch bestimmter keltischer Materialkultur (Archäologie) und historisch nachweisbarer Keltenbelege in antiken Nachrichten. Dass diese Überschneidung besteht, beruht zwar wenigstens teilweise auch darauf, dass die sich entwickelnden Einzeldisziplinen ihre jeweiligen Fachbegriffe in antiquarischer Tradition in Hinblick auf eine gemeinsame Metaerzählung entwickelt haben, ist aber auch bei unvoreingenommener Betrachtung der Evidenz tatsächlich gegeben, wenigstens im späteisenzeitlichen Gallien. Das ermöglichte bzw. erleichterte die Anwendung (probabilistischer) induktiver Logik

105 auf die Kelten als Gesamtheit: wenn sich die Beobachtung Sprache X überschneidet sich mit Kunst X, Archäologie X und historischen Nennungen von X wenigstens einigermaßen oft wiederholen lässt, lässt sich daraus der wahrscheinlichkeitsinduktive Schluss Sprache X überschneidet sich (so gut wie) immer mit Kunst X, Archäologie X und historischen Nennungen von X ziehen und lassen sich somit charakteristische keltische Eigenschaften scheinbar identifizieren. Annahmen und Aufgaben Was alle diese Ansätze, seien sie die der frühen Antiquare, der Fachwissenschafter oder der traditionellen Keltologen, verbindet, sind einige grundsätzliche Annahmen und eine bestimmte Vorgehensweise. Die erste grundsätzliche Annahme, die alle diese Ansätze verbindet, ist der als Grundprämisse zu verstehende Glaube, dass die Kelten als eine ontische Entität existiert haben (oder auch noch existieren), das heißt als ein Ding, das eo ipso, also unabhängig von Beobachtern oder unseren Denkprozessen, existiert hat oder noch existiert. In anderen Worten: etwas, das es wirklich gab (oder auch noch gibt), etwas, das völlig unabhängig davon, was wir uns denken, da war oder da ist, wie ein Tisch oder ein Sessel. Die zweite grundsätzliche Annahme, die alle diese Ansätze verbindet, ist die ebenfalls als Grundprämisse zu verstehende Vorstellung, dass die Kelten als ontische Entität ebenso zu betrachten, zu verstehen, zu behandeln und natürlich auch zu untersuchen sind wie alle anderen (physischen, eo ipso existierenden) Dinge. Nachdem in klassischer westlicher Logik Aristoteles und Platon folgend davon ausgegangen wird, dass Dinge eine charakteristische (eindeutige) Form haben, also Eigenschaften haben, die eindeutig und ausschließlich nur für das eine Ding charakteristisch sind, werden solche ontischen Entitäten als (intern) einheitlich und gleichförmig, also als uniform, betrachtet. Gleichzeitig wird damit auch angenommen, dass ihre Ontogenese (die Geschichte des strukturellen Wandels einer Einheit ohne Verlust ihrer Organisation) der anderer (physischer) Dinge entspricht: dass sie an einem bestimmten Punkt in Zeit und Raum entstehen, dass sie dann eo ipso existieren, dass sie sich zwar ändern können, aber wenn sie sich ändern, dennoch ihre Uniformität bewahren (so wie ein Mensch oder ein Gegenstand zwar altern und sich dadurch verändern kann, aber dennoch weiterhin der Mensch bzw. der Gegenstand bleibt, der er früher war und auch weiterhin, wenigstens zu jedem konkreten Zeitpunkt innerhalb seiner Ontogenese, intern einheitlich und gleichförmig bleibt), und dass sie gegebenenfalls auch aufhören können zu existieren, also z. B. sterben oder zerstört werden. Daraus leiten sich dann die Aufgaben ab, die man als in der oben ausgeführten Tradition keltologisch forschender Wissenschafter erfüllen muss um das Keltische auch korrekt identifizieren zu können: man muss die Eigenschaften finden, die wiederholt beobachtet werden können (also die einander ähnlich oder gar gleich sind) und die einzigartig für die Kelten sind, die also das Keltische eindeutig charakterisieren. Hat man diese eindeutig charakteristischen Eigenschaften erst einmal gefunden, dann erweist sich alles, was diese Eigenschaften ebenfalls aufweist, als keltisch. Indem man diese Eigenschaften dann in die Vergangenheit zurückverfolgt, kann man sich zum Ursprung des Keltischen zurückhanteln und somit die Frage nach der Herkunft der Kelten beantworten. Die essentialistische Methode von Aristoteles ( v.chr.) Diese Vorgehensweise geht letztendlich auf einen jener Autoren zurück, dem wir auch einige antike Nachrichten zu den Kelten verdanken, nämlich auf den bekannten griechischen Philosophen Aristoteles. Die Bestimmung dessen, was die Kelten nun wirklich zu den Kelten macht, beruht nämlich letztendlich auf Aristoteles Erklärung, wie man zu wahrem Wissen über die Welt gelangen kann, also auf seiner Epistemologie. Aristoteles hat dazu eine Methode entwickelt, die auf sogenannten essentialistischen Definitionen beruht. Er unterscheidet nämlich zwischen zwei Arten von Wissen: demonstrativem und intuitivem Wissen. Demonstratives Wissen ist solches Wissen, das bewiesen werden kann, indem man auf Prämissen aufbauend logische (induktive, abduktive oder deduktive) Schlussfolgerungen zieht: sind die Prämissen richtig, ist, so kann man verkürzt sagen, auch die Schlussfolge- 105

106 rung richtig. Nun besteht jedoch ein ernstes logisches Problem mit demonstrativem Wissen: nachdem demonstratives Wissen stets auf Prämissen aufbauen muss, können wir nicht alles Wissen beweisen, denn die Prämissen würden wiederum selbst bewiesen werden müssen, was jedoch weitere Prämissen voraussetzt, die ihrerseits wieder bewiesen werden müssten, ad infinitum. Der Versuch alles Wissen zu beweisen führt also in einen unendlichen Regress. Daher, sagt Aristoteles, müssen wir die Existenz von Grundprämissen annehmen. Grundprämissen sind solche Prämissen, deren Wahrheit nicht bezweifelt werden kann und die daher keines Beweises bedürfen (Popper 1980: 16). Nachdem ihre Wahrheit nicht gezeigt (demonstriert) werden muss, ja gar nicht demonstriert werden soll oder kann, kann ihre Wahrheit nur intuitiv erfasst werden. Aristoteles schreibt dazu: das Wissen um ein Ding besteht in der Kenntnis seines Wesens (Aristoteles, Metaphysik 1031b20; zitiert bei Popper 1980: 16). Dieses Wesen, so nimmt Aristoteles an, kann man erkennen, indem man die ontische Wirklichkeit beobachtet. Was ist nun aber dieses nur intuitiv zu erfassende Wesen eines Dinges? Es ist dies eine Beschreibung der wesentlichen, der essentiellen, einzigartigen Eigenschaften eines Dinges, seine Definition: Eine Definition ist ein Satz, der das Wesen eines Dinges beschreibt (Aristoteles, Topica I 5, 101b36; zitiert bei Popper 1980: 359) und: Die Grundprämissen von Beweisen sind Definitionen (Aristoteles, Post. Analytik II 3, 90b23; zitiert bei Popper 1980: 16, 359). Dabei ist es natürlich von eminenter Bedeutung, dass solche Definitionen tatsächlich die essentiellen, und nicht etwa nur akzidentielle, d. h. nicht wesentliche, Eigenschaften des intuitiv erkannten Dinges beschreiben: ein Satz wie Ein Fohlen ist ein Tier mit vier Beinen ist zwar an sich wahr, aber es gibt auch zahlreiche andere Tiere mit vier Beinen, die Eigenschaft vier Beine zu haben ist also für die Fohlenheit nicht wesentlich. Der Satz Ein Fohlen ist ein junges Pferd hingegen beschreibt eine (die) wesentliche Eigenschaft der Fohlenheit, weil ein junges Pferd zu sein eben die einzigartige, charakteristische Eigenschaft ist, die ein Fohlen zu einem Fohlen macht (Popper 1980: 17). Daraus folgt, dass letztendlich alles Wissen in den Grundprämissen bereits enthalten ist (Popper 1980: ) und dass, wenn wir nur unsere Definitionen richtig wählen, die Antwort auf jede Frage, die Lösung eines jeden (wissenschaftlichen) Problems sich nahezu ganz von selbst ergibt: es muss nur mit stringenter Logik aus den Grundprämissen die Antwort bzw. Problemlösung abgeleitet werden. Darum ist der Bestimmung der Grundprämisse, was nun die Kelten zu den Kelten macht, was ihre essentiellen Eigenschaften sind, in den bisherigen Beschäftigung mit den Kelten derart maßgebliche Bedeutung zugemessen worden. Um nur ein Beispiel dafür zu bringen, dass den Definitionen bis heute solch eminente Bedeutung zugemessen wird, ein Zitat aus einer jüngeren Arbeit von Otto H. Urban zu einer Methode der keltischen Archäologie: Am Anfang jeglicher Methode stehen insbesondere in der Tradition deutschsprachiger Wissenschaften Definitionen bzw. Wort erklärungen, welche den Rahmen abstecken sollen. (Urban 2007: 595). Die neuen Keltologen Als neue Keltologen bezeichne ich, wiederum mehr oder minder der Diktion von John Collis (2010: 34 9) folgend, jene Personen, die sich (hauptsächlich im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert n.chr.) kritisch gegen das Standardmodell und generell den Ansatz der traditionellen Keltologen geäußert haben. Diese wurden in der Vergangenheit (auch von mir selbst) oft, hauptsächlich einem Artikel von Patrick SimsWilliams (1998) folgend, als Keltoskeptiker bezeichnet, ein Begriff der jedoch inzwischen auch meiner Meinung nach eine Fehlbezeichnung ist (cf. Collis 2010: 34). Abgesehen von wissenschaftsgeschichtlichen und -poli tischen Überlegungen,die aber hier von geringerer Bedeutung sind, kennzeichnet sich das Kernargument der neuen Keltologen in erster Linie dadurch, dass diese (auf methodisch stringentere und auf wesentlich detaillierterer Beobachtung der Evidenz beruhender Weise) gezeigt haben, dass die von den traditionellen Keltologen (angeblich oder tatsächlich) angenommene Uniformität der antiken Kelten keineswegs so uniform ist, wie (angeblich oder tatsächlich) von den traditionellen Keltologen behauptet. Um dies zu erreichen haben sich die neuen Kelto-

107 logen in erster Linie darauf konzentriert darauf hinzuweisen, dass die angebliche Überschneidung der Verbreitung von keltischen Sprachen, keltischer Kunst, keltischer Archäologie und von Keltenbelegen in historischen Nachrichten nicht vollständig ist, sondern eben nur in gewissen Gebieten zu gewissen Zeiten besteht, in anderen Regionen der traditionellen keltischen Welt hingegen nicht (cf. Collis 2003). Ein klassisches und nahezu mantraartig wiederholtes Argument ist dabei insbesondere in Bezug auf die (angeblichen) Kelten der britischen Inseln, dass diese weder in irgendwelchen antiken Nachrichten als Kelten bezeichnet wurden (zuletzt wieder Collis 2010: 33), aber dennoch von den traditionellen Keltologen, Edward Lhuyd folgend, stets als Kelten bezeichnet und betrachtet werden. Für das Standardmodell und die (angeblichen oder tatsächlichen) Argumente der traditionellen Keltologen noch problematischer haben die neuen Keltologen (wenigstens teilweise) auch gezeigt, dass sogar eine keltische Sprache nicht gleich beliebige andere keltische Sprachen ist, eine keltische Archäologie nicht gleich beliebige andere keltische Archäologien, ja sogar Keltenbelege in einer historischen Nachricht keineswegs mit Keltenbelegen in anderen historischen Nachrichten übereinstimmen (cf. Collis 2003). Daraus haben die neuen Keltologen dann abgeleitet, dass es die (angeblich notwendige) Uniformität der Kelten der traditionellen Keltologen nicht gibt und daher die von diesen als essentielle Eigenschaften der Kelten bestimmten bzw. betrachteten Eigenschaften keine essentiellen Eigenschaften der Kelten sein könnten und daraus gefolgert, dass es die Kelten der traditionellen Keltologen nicht gab bzw. gibt. Immer noch die gleiche essentialistische Denkweise Trotz dieses scheinbar maßgeblichen Unterschieds zwischen traditionellen und neuen Keltologen hat sich jedoch an der zu Grunde liegenden Denkweise kaum etwas geändert. Für die traditionellen Keltologen war die logische Formel zur Bestimmung der Keltizität einer be- stimmten Region, Zeit oder eines bestimmten Untersuchungsgegenstandes die Folgende: X (das Keltische) ist charakterisiert durch die Koinzidenz (das gemeinsame Auftreten) von Eigenschaften a (z. B. Sprache), b (z. B. Latènekunst), c (z. B. Latènekultur), etc.. Nachdem sich die traditionellen Keltologen tatsächlich traditionellerweise auf die Beobachtung von Ähnlichkeiten konzentriert haben, sind sie normalerweise zum gleichen Ergebnis gekommen, eben (großteils) zum oben beschriebenen Standardmodell und der Vorstellung einer weitgehend einheitlichen keltischen Kultur. Die neuen Keltologen haben sich hingegen bei ihren Beobachtungen auf Unterschiede zwischen diesen Regionen, Zeiten etc. konzentriert und diese Unterschiede in die gleiche Formel eingesetzt. Nachdem sie durch das Einsetzen von Unterschieden nicht zu einer Koinzidenz der als essentiell postulierten Eigenschaften gelangen, schließen sie daraus, dass die traditionelle Definitionsformel für das Keltische eben nicht die essentiellen Eigenschaften des Keltischen erfasst und daher die Kelten nicht in der von den traditionellen Keltologen postulierten Form existiert haben können. Die grundsätzliche Suche nach der essentiellen Eigenschaft der Kelten haben aber auch die neuen Keltologen keineswegs aufgegeben, ganz im Gegenteil: es wird nur eine andere Eigenschaft gewählt und zur essentiellen Eigenschaft der Kelten erklärt, nämlich ihre Ethnizität. Ist Koinzidenz das Kernproblem? Tatsächlich ist der Unterschied hier zwischen den traditionellen und den neuen Keltologen bestenfalls marginal: das Problem der nicht gegebenen (bzw. bloß unvollständig gegebenen) Koinzidenz ist seit langem auch den traditionellen Keltologen nicht nur bekannt, sie haben es auch (durch ihre Vorgehensweise gezwungener Maßen) schon seit langem dadurch zu lösen versucht, dass sie einfach eine bestimmte Eigenschaft als primär essentiell hervorgehoben, die anderen (teilweise mit der als primär essentiell überlappenden) Eigenschaften hingegen als von nur sekundärer Essentialität, oder sogar als nur akzidentielle Eigenschaften, betrachtet haben. Ein aktuelles Beispiel dafür: 107

108 Of the various possible definitions of Celtic, a proven a ffiliation with the Celtic languages or (for non-linguistic evidence) a demonstrable close connection with them holds the advantages of detailed scientific precision and a remarkable theoretical stability since the Celtic linguistic f amily was discovered by the Oxford Welshman Edward Lhuyd over 300 years ago. (Cunliffe & Koch 2010: 1 2) Für Cunliffe und Koch ist also die essentielle Eigenschaft, die die Kelten erst zu den Kelten macht die Affiliation mit keltischen Sprachen, alle anderen Eigenschaften sind für sie akzidentiell, d. h. letztendlich nicht maßgeblich. Kurz zusammengefasst könnte man ihre Definition (d. h. ihre Grundprämisse) wie folgt ausdrücken: Ein Kelte ist, wer keltisch spricht. Die neuen Keltologen folgen in dieser Beziehung aber dem exakt gleichen Prinzip, setzen bloß eine andere Eigenschaft als primär essentielle Eigenschaft der Keltizität ein. Sie gehen sogar, wie die folgenden Beispiele zeigen sollen, so weit ganz explizit die Existenz von Kelten zu behaupten: Despite constant repetition by the Megaws, especially verbally, we have never claimed that the Celts, either Ancient or Modern, did not exist. My own simple definition of ethnicity is that people are what they believe they are and secondly can be what other people think they are (Collis 2010: 34; cf. Collis 2003: 228) sowie As we have seen, Celtic is a genuine term in the context of ancient continental Europe, although its exact meaning, and the geographical extent of the Celts, are disputed. (James 1999: 34 5) und Currently, the concept of the ethnic group has been adopted as an acceptable alternative to the more loaded terms used to describe human groupings: we have seen that words like race or culture are seriously compromised.the key change is that the definition of such groups now depends not on outsiders such as anthropologists, but on self-definition, by the group in question. It expresses the recognition that other people s own views of their identity and affiliations should be given prominence. On this definition, true ethnic groups must have an ethnonym, a self-name: names imposed by outsiders do not count, unless they are taken up by those who are labelled. (James 1999: 67). Wo also Cunliffe und Koch keltische Sprachen als Grundprämisse bzw. Definition einsetzen, setzen Collis und James keltische Ethnizität ein. Kurz zusammengefasst könnte man diese Definition (d. h. die 108 Grundprämisse der neuen Keltologen ) so ausdrücken: Ein Kelte ist, wer sich für einen Kelten hält oder von seinen Zeitgenossen für einen Kelten gehalten wird. Das Problem ist also nicht die Koinzidenz von Eigenschaften, das Problem ist, welche Eigenschaften als wirklich essentiell betrachtet werden. Das Problem mit intuitivem Wissen Das eigentliche Problem, das traditionelle und neue Keltologen sowohl trennt als auch vereint, ist, dass beide Lager ihre Argumente auf intuitivem Wissen im aristotelischen Sinn aufbauen. Weder die einen noch die anderen fragen sich, was denn die Kelten ausmacht, sondern wissen es, ganz wie Platons Philosophen-König (cf. Watzlawick 2001: 102), bereits a priori, wissen es intuitiv und werfen sich dann gegenseitig vor, dass die jeweils anderen die Kelten falsch definieren. Für die traditionellen Keltologen können das verschiedene Eigenschaften sein: so weiß zum Beispiel John Koch (2007: 3; Cunliffe & Koch 2010: 1 2) intuitiv, dass keltische Sprache essentiell für die Bestimmung des Keltischen ist. Vincent und Ruth Megaw hingegen wissen ebenso intuitiv, dass keltische Kunst bzw. keltische Archäologie (Megaw & Megaw 2001: ) essentiell für die Bestimmung des Keltischen ist. Ludwig Pauli (1980: 21 3) und Otto Urban (2007: 600, 607) wissen hingegen intuitiv, Richard Pittioni (1959) folgend, dass es die keltische Kunst in Verbindung mit historischen Kelten nennungen ist, die die Kelten überhaupt erst zu den Kelten macht. Für die neuen Keltologen ist es hingegen mehr oder minder exklusiv die keltische Ethnizität bzw. die Selbst- oder Fremdbezeichnung als Kelten : so weiß John Collis (2003; 2010), dass es die Ethnizität ist, die die Kelten überhaupt erst zu den Kelten macht, und so weiß auch Simon James (1999) intuitiv, dass nur diese Definition akzeptabel und jede andere inakzeptabel (James 1999: 81) ist. Ob traditioneller oder neuer Keltologe, es wird also die gleiche Logik verwendet, es wird bloß von anderen (Grund-)Prämissen ausgegangen. Unter dieser Voraussetzung ist es nicht nur wenig überraschend, dass man bei unterschiedlichen Ergebnissen anlangt, es

109 zeigt auch das grundsätzliche Problem, dass der ganzen Diskussion zu Grunde liegt: ganz offensichtlich ist das Problem, dass intuitives Wissen nicht besonders verlässlich ist (oder eigentlich, um es etwas deutlicher zu formulieren, dass intuitives Wissen komplett unverlässlich und nicht Wissen, sondern reiner Glaube ist). Einige Gedanken von Karl R. Popper ( ) zum Thema Definitionen Karl R. Popper hat sich bereits vor geraumer Zeit recht ausführlich zu dem Problem wenn auch nicht im Zusammenhang mit der Keltendiskussion, sondern ganz allgemein geäußert: Die Entwicklung des Denkens seit Aristoteles läßt sich, wie mir scheint, so zusammenfassen: Jede Disziplin, die die aristotelische Methode des Definierens verwendet hat, blieb in einem Stadium leerer Wort macherei und in einem unfruchtbaren Scholastizismus stecken, und das Ausmaß, in dem die verschiedenen Wissenschaften fähig waren, Fortschritte zu machen, hing ab von dem Ausmaß, in dem sie fähig waren, sich von dieser essentialistischen Methode zu befreien. (Das ist der Grund, warum ein so großer Teil unserer Sozialwissenschaften noch immer im Mittelalter steckt.) (Popper 1980: 15). Genau das machen wir seit Jahrhunderten für die Bestimmung der Frage, was die Kelten denn nun wirklich seien: wir versuchen die richtige aristotelische Definition zu finden, die die essentiellen Eigenschaften der Kelten intuitiv richtig erfasst und scheitern damit kläglich. Dennoch beharren wir darauf, dass es unsere Definitionen sind, die wir besser, schärfer fassen müssen, damit wir endlich weiter kommen: so argumentiert John Collis, dass die Unschärfe und Ungenauigkeit, die Mehrdeutigkeit der von uns verwendeten Definitionen eines der hauptsächlichen Probleme ist, mit denen wir zu kämpfen haben (cf. Collis 2003: besonders 223 9), dass diese schon in der Antike zu vieldeutig sind, und dass klarere, schärfer gefasste Definitionen notwendig wären. In die gleiche Kerbe schlägt das Argument von Barry Cunliffe und John T. Koch (2010: 1 2): die Definition über die Sprache hat angeblich den Vorteil der wissenschaftlichen Genauigkeit. Dabei bringen uns aber genauere, eindeutigere, weniger vieldeutige Definitionen keinesfalls weiter: wie ebenfalls Popper (1980: 24 9) schon vor geraumer Zeit gezeigt hat, führen genauere Definitionen ebenfalls bloß in einen unendlichen Regress. Denn letztendlich besteht auch eine noch so genau bestimmte Definition nur aus Begriffen, die um den definierten Begriff genau erfassen zu können ihrerseits wieder definiert werden müssen, was aber neuerlich nur durch weitere Worte geschehen kann, die ihrerseits wieder definiert werden müssen, neuerlich ad infinitum. Daraus hat Popper den folgenden zwingenden logischen Schluss gezogen: Daraus folgt, daß in der Wissenschaft alle wirklich notwendigen Begriffe undefinierte Begriffe sein müssen. (Popper 1980: 26). Epistemologischer Keltoskeptizismus Das angebliche Fehlen einer facheigenen Epistemologie oder die Notwendigkeit die Wissenschaftstheorie zu bemühen um besser zu verstehen, wie wir den Keltenbegriff schaffen, ist etwas, das zuletzt bereits von mehreren an der Debatte beteiligten Kolleginnen und Kollegen angemerkt wurde (z. B. Collis im Abstract zu seinem Tagungsbeitrag in Hallein; Rieckhoff 2007: 35). Ich bin jedoch der Ansicht, dass wir einen solchen erkenntnistheoretischen Ansatz eben einen essentialistischen Ansatz seit Anbeginn unserer wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Kelten verfolgen und die Debatte in erster Linie deshalb in leeren Wortgefechten stecken geblieben ist, weil wir uns eben nicht mit den erkenntnistheoretischen Grundlagen dessen, was wir tun, beschäftigt haben, oder wenigstens nicht ausreichend beschäftigt haben ein Problem, das übrigens insbesondere auch die deutschsprachige Archäologie betrifft (cf. Karl 2010). Ernsthafte Versuche die Debatte in dieser Richtung voranzutreiben sind allerdings bisher ausgeblieben (aber cf. Karl 2004). Nominalistische statt essentialistische Definitionen Ein möglicher Weg zur Lösung unseres Keltenproblems ist meiner Meinung nach der unseren (bisher weitgehend unerkannten und vor allem nicht diskutierten) erkenntnistheoretischen Ansatz zu ändern und von einem Keltoessentialismus weg zu einem echten, epistemologischen Keltoskeptizismus zu wechseln. Der erste Schritt dazu ist die aristotelische Methode des 109

110 essentialistischen Definierens endlich aufzugeben und stattdessen nominalistische Definitionen zu verwenden (Popper 1980: 21 2). Nominalistische Definitionen unterscheiden sich insofern von essentialistischen Definitionen, dass Letztere eine Antwort auf die Frage Was ist X? geben sollen, während Erstere nur die Frage Wie sollen wir X nennen? beantworten. In einer nominalistischen Definition ist das Definiendum (z. B. das Wort keltisch ) ein beliebiger Signifikand, also ein Code, der nicht notwendigerweise auf irgendetwas Bezug nimmt, das tatsächlich eo ipso existiert. Im Gegensatz zu einer essentialistischen Definition, die die ontische Existenz des Definiendums als ein unabhängig vom Beobachter tatsächlich existierendes Objekt, als etwas, das einem physischen Gegenstand entspricht, voraussetzt, können mittels einer nominalistischen Definition auch Abstrakta beschrieben werden, also auch Konzepte, die ausschließlich in unserer Vorstellung existieren, die wir sozusagen erfunden, nicht gefunden haben. Das Definiendum in einer nominalistischen Definition ist nicht mehr als ein Etikett, ein kurzes Wort, das wir benutzen um nicht jedesmal, wenn wir über das, worüber wir sprechen, sprechen wollen, eine lange Definitionsformel sagen zu müssen, die das Definiens ausmacht, also das, was das Signifikat ist, die Beschreibung dessen, was wir mit diesem kurzen Wort bezeichnen. Es ist das Definiens, das Signifizierte, nicht das Definiendum, worüber wir eigentlich reden wollen und das Definiendum dient ausschließlich dem Zweck ein lange Rede kürzer zu machen. Das Definiendum ist letztendlich nicht mehr als eine Beschreibung dessen, worüber wir tatsächlich reden wollen, z. B. eine klassifikatorische Zusammenfassung bestimmter Daten, eine einschließende (nicht ausschließende) Liste von Eigenschaften, die etwas miteinander zu tun haben können, aber nicht notwendigerweise etwas miteinander zu tun haben müssen. So zum Beispiel benutzt man im Englischen das Wort chair als bezeichnendes Etikett, als Definiendum, für eine Art von Sitzmöbel (den Stuhl ), aber auch als Bezeichnung für eine Universitätsprofessur (den Lehrstuhl ) und die leitende Position z. B. in Sitzungen ( the chair of a meeting ). Das gleiche Beispiel funktioniert, wenn auch etwas anders, in der deutschen Sprache, in der das Wort Stuhl sowohl für das 0 schon genannte Sitzmöbel als auch für bestimmte Ausscheidungen des Menschen verwendet werden kann. Zwar lässt sich in beiden Fällen die Polysemie dieser Begriffe historisch erklären (so zum Beispiel bei der Bedeutung Universitäts professor dadurch, dass Universitätsprofessoren wenigstens bis vor einiger Zeit sich dadurch ausgezeichnet haben, dass sie einen Sitz und damit natürlich auch einen Stuhl in den Leitungsgremien ihrer jeweiligen Universität hatten), ein direkter Zusammenhang zwischen den verschiedenen Bedeutungen besteht jedoch (wenigstens heute) nicht (mehr) und schon gar nicht ist das eine das Gleiche wie das andere (ich persönlich würde mich zum Beispiel normalerweise dagegen wehren, wenn mich jemand als Sitzmöbel benutzen wollen würde). In ähnlicher Weise kann auch der Begriff Kelten nominalistisch definiert werden z. B. als: Das Wort keltisch benutze ich für eine bestimmte Sprachfamilie oder einen bestimmten Kunststil oder bestimmte archäologische Materialkulturen oder für ethnische Identität(en) in der Antike oder (eine) andere ethnische Identität(en) in der Gegenwart etc. (cf. Karl 2010: 47). Wichtig ist dabei auch zu akzeptieren, dass dies als nominalistische Definition eine einschließende, keine ausschließende Definition ist: sie nennt nicht die einzigartigen, charakteristischen, das Definiendum von allen anderen Definienda eindeutig unterscheidenden, Eigenschaften, sondern nennt die Eigenschaften oder Dinge, die wir aus welchen Gründen auch immer (auch) mit dem von uns verwendeten Begriff bezeichnen (wollen). Wenn Collis (2010: 37 8) also argumentiert, dass die Bausteine, die meiner Meinung nach viele (wenngleich nicht unbedingt alle) keltische Gesellschaften (von Antike bis Mittelalter) im Aufbau ihrer sozialen Organisation benutzen (Karl 2006), wie z. B. ein Königtum (auch wenn ich dieses eher als Produkt der sozialen Prozesse betrachte, die ich als die eigentlichen Bausteine der keltischen sozialen Systeme ansehe), nicht einzigartig für keltische Gesellschaften seien, sondern weltweit auftreten würden (Collis 2010: 38), so hat er nicht verstanden, dass ich nicht behauptet habe, noch behaupten möchte, dass das Königtum eine einzigartige, wesentliche, d. h. essentielle Eigenschaft keltischer Sozialstrukturen sei (was auch absurd wäre), durch die sich diese von allen anderen Sozialsystemen dieser Welt unter-

111 scheiden würden, sondern vielmehr sage, dass Königtümer auch in vielen keltischen Sozialsystemen auftreten würden. Eine Unterscheidung zwischen keltischen und nicht keltischen Königstümern erfolgt nicht etwa dadurch, dass Königtümer einzigartig keltisch sind und daher nur bei Kelten auftreten, sondern dadurch, dass manche Königtümer (z. B. zum Beispiel solche, die zur Bezeichnung der Funktion König Worte aus keltischen Sprachen benutzen) aus bestimmten Gründen als keltisch bezeichnet werden können, andere hingegen nicht (z. B. weil diese für die Bezeichnung der Funktion König Worte aus nicht keltischen Sprachen benutzen). Unter einem nominalistischen Verständnis von Definitionen ist dies auch überhaupt kein Problem, nur wenn man Definitionen essentialistisch versteht, spielt es eine (dann allerdings entscheidende) Rolle, dass Königtümer nicht nur bei Kelten auftreten, sondern auch im Rest der Welt. Ebenso ist es bei derartigen nominalistischen Definitionen zwar vielleicht von wissenschaftsgeschichtlichem Interesse, aber keinesfalls in Bezug auf die Sache, das eigentlich zu Diskutierende, wichtig, wie und warum wir den Begriff Kelten für dies oder das, für diese oder jene Eigenschaft benutzen (im Gegensatz zur Meinung von Sabine Rieckhoff 2007: 34 5). Zwar ist es sicherlich richtig und wichtig sich sowohl der Abhängigkeit der eigenen Vorstellungen von bestehenden Traditionen bewusst zu sein als auch die Methoden und Begriffe, die man verwendet, ständig (auch wissenschaftsgeschichtlich und -theoretisch) zu hinterfragen und zu reflektieren (cf. Karl 2010), sowie sich bewusst zu sein, dass unser akademisches Wissen stets (auch) vom Zeitgeist abhängig ist. Aber in der Sache ist es unmaßgeblich, wie und warum wir unsere Keltenbegriffe, wie und warum wir dieses oder jenes Etikett erfunden haben, wichtig ist nur, dass wir uns klar sind, dass es sich bei allen diesen Begriffen eben um nicht mehr als Etiketten, um arbiträre Signifikanden handelt, die nicht eo ipso irgendein Wissen oder auch nur eine Meinung beinhalten, sondern bloß eine lange Geschichte auf abgekürzte Weise darstellen (Popper 1980: 22). Im Zweifelsfall muss man eben diese lange Geschichte ausschreiben, sagen, worüber man spricht, die langwierige und komplizierte Definitionsformel explizieren, statt nur den verkürzenden Begriff zu benutzen. Die Diskussion über die Herkunft unserer Begriffe, so interessant und wichtig sie auch in mancher Hinsicht sein mag, ist, nicht anders als die Diskussion dieser Begriffe selbst, eine Diskussion über unsere Worte, nicht über unseren Untersuchungsgegenstand. Die Kelten gab es nie! Der zweite und ebenso bedeutende Schritt ist endlich die Idee, die Vorstellung, aufzugeben, dass unser Untersuchungsgegenstand, die Kelten, tatsächlich genau so existiert haben oder existieren wie ein physisches Objekt. Denn bei dieser Vorstellung handelt es sich um einen klassischen Kategorienfehler: ein Abstraktum wird als etwas Reales, als ein ontisch existierendes Ding betrachtet, eine Klasse als Sache. Die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher ist unter anderem für einen vielkritisierten Einzeiler berühmt, der gewöhnlich aus dem Zusammenhang gerissen zitiert wird, eine Sünde, die ich hier ebenfalls begehe. Thatcher sagte in einem Interview für das Magazin Women s Own, veröffentlicht am : And you know, there is no such thing as society.there are individual men and women.... Obgleich ich die darin verklausuliert enthaltene politische Einstellung zutiefst verabscheue, ist die Aussage wenigstens in einem Punkt nicht von der Hand zu weisen: Gesellschaft ist nicht ein Ding, das eo ipso existiert, sondern vielmehr der Begriff, den wir dazu verwenden die vielfältigen, flüchtigen, großteils immateriellen und oft sogar unausgesprochenenen Beziehungen (Assoziationen im Sinne von Bruno Latour 2005) zwischen einzelnen Individuen (sozialen Akteuren) zu bezeichnen, Beziehungen, die im stetigen Wandel sind und ihren Ausdruck in erster Linie in den emergenten Mustern individuellen und kommunalen Verhaltens finden (die dann wiederum materielle Spuren hinterlassen können, aber keineswegs müssen). Das Gleiche gilt meiner Meinung nach für die Kelten und das Keltische : die Kelten gab es nie, weder in der Antike noch gibt es sie heute, noch gab oder gibt es etwas wie das Keltische. Die Kelten und das Keltische sind ein Konstrukt (cf. Karl 2004; Rieckhoff 2007), sind nicht mehr als Etiketten, die wir als abgekürzten Begriff für (tatsäch- 1

112 lich oder angeblich signifikante) Assoziationen in der Evidenz, die wir untersuchen, verwenden. Eine dieser Assoziationen ist zum Beispiel die der zwar nicht exakten, aber doch signifikant erscheinenden, teilweisen Überschneidung (Koinzidenz) der Verbreitungsgebiete einer bestimmten Sprachfamilie, bestimmter Kunststile, bestimmter archäologischer Evidenz, historischer Nennungen von Kelten und (vielleicht auch) einiger antiker Ethnizitäten. Eine andere derartige Assoziation ist die ebenso nicht exakte, aber dennoch signifikant erscheinende, teilweise Überschneidung der Verbreitungsgebiete einer bestimmten Sprachfamilie, gewisser Kunststile und einiger ethnischer Selbstidentifikationen, die als zu einer größeren ethnischen Selbstidentifikation gehörend betrachtet werden, in der Gegenwart. Diese Assoziationen sind allerdings nicht etwa des halb signifikant, weil sie eine Uniformität aller, oder auch nur einiger weniger, kulturellen Eigenschaften implizieren würden denn das tun sie keineswegs sondern vielmehr deshalb,weil kulturelle Eigenschaften miteinander wenigstens bedingt zusammenhängen und sich daher wenigstens teilweise gegenseitig beeinflussen. Nachdem diese gegenseitige Beeinflussung häufig für das Verständnis einzelner kultureller Eigenschaften relevant ist, ist die Assoziation signifikant: zum Beispiel bedarf eine Erklärung irischer Volksmusik wenigstens teilweise eines gewissen Verständnisses irischer Sprache, weil die irische Sprache eines (wenngleich keineswegs das einzige) der Elemente ist, die irische Volksmusik von anderen Arten von Volksmusik unterscheiden. Ebenso kann die Assoziation alleine dadurch signifikant sein, dass ein Aspekt von Kultur ein Medium ist um andere Aspekte von Kultur zu transportieren: ein Fernsehapparat in Wales, auf dem Programme in walisischer Sprache gesehen werden (können), ist signifikant für den Transport walisischer Kultur, selbst wenn das Gerät zur Gänze made in Taiwan ist. Und die Assoziation kann auch deshalb signifikant sein, weil ein Aspekt in einem Bereich der Kultur zu Entwicklungen in anderen Bereichen von Kultur führen kann: wird zum Beispiel eine neue Technologie im Bereich der Materialkultur eingeführt und verwendet, dann kann dies zu lokalen Veränderungen in sozialer Praxis, Sprache oder anderen Bereichen kultureller Produktion führen. 2 Sicheres Wissen gibt es nicht, alles Wissen ist konstruiert Als dritten Schritt müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass es sicheres Wissen gibt oder auch nur geben könnte, vor allem sicheres Wissen über die Vergangenheit. Wir müssen nicht nur wie das in letzter Zeit ohnehin häufig geschieht sagen, sondern tatsächlich akzeptieren und verinnerlichen, dass die Forderung von Rankes (1824: vi), die Aufgabe der Geschichtswissenschaften sei es herauszufinden, wie es eigentlich gewesen ist, nicht erfüllbar ist. Alles, was wir tun können, ist mehr oder minder gute Vermutungen anzustellen, wie es eventuell gewesen sein könnte, und diese Vermutungen sind niemals mehr als unsere Konstruktionen der Vergangenheit, niemals eine tatsächliche Entsprechung dessen, was in der Vergangenheit war (oder nicht war). Das bedeutet einerseits zu akzeptieren, dass Wissen niemals auf wahren Grundprämissen (wie z. B. auf exakten Beobachtungen oder Definitionen ), sondern stets auf (mehr oder minder willkürlich gewählten, gesetzten) Annahmen bzw. Hypothesen2 aufbaut. Die Wahrheit, oder, um es richtiger zu sagen, die Brauchbarkeit (von Glasersfeld 1998: 14 31, insbesondere 30) dieser Annahmen bzw. Hypothesen kann niemals a priori oder intuitiv bestimmt werden, sondern ausschließlich dadurch, dass man die Ergebnisse, die sich aus den Annahmen ableiten lassen, an der Evidenz überprüft: there is no need for these hypotheses to be true, or even to be at all like the truth; rather, one thing is sufficient for them that they should yield calculations which agree with the observations (Andreas Osiander,Vorwort zu Kopernikus De revolutionibus, zitiert bei von Glaserfeld 1998: 15). Es gibt keinen logisch haltbaren Weg, mittels dessen von Beobachtungen gleichgültig wie genau, wissenschaftlich präzise oder angeblich korrekt diese definiert sind auf die Wirklichkeit geschlossen werden kann, logisch haltbar ist nur der Schluss aus Annahmen auf Beobachtungen (cf. Karl 2010). Daraus folgt, dass wir unser Verständnis von Wahrheit, Richtigkeit und wissenschaftlicher Vertretbarkeit maßgeblich umstellen müssen: ein Thema, das bei Diskussionen bei der Tagung in Hallein angeschnitten wurde, war das der Richtigkeit bzw. Vertretbarkeit von Rekonstruktionen, z. B. von keltischen

113 Häusern, und ob es z. B. akzeptabel ist nicht belegtes Mobiliar in die architektonischen Rekonstruktionen zu stellen. Aus erkenntnislogischer Perspektive gibt es hier nur zwei Möglichkeiten: wenn wir annehmen wollen, dass z. B. eisenzeitliche Häuser am Dürrnberg gänzlich unmöbliert gewesen sind, dann dürfen wir keine Möbel in diese Rekonstruktionen stellen.wenn wir hingegen annehmen, dass es am eisenzeitlichen Dürrnberg auch nur irgendein Mobiliar gegeben hat, dann müssen wir unbedingt Möbel in die Rekonstruktionen stellen, weil leere Häuser unter dieser Annahme sicherlich falsch sind, möblierte Häuser jedoch und zwar gleichgültig wie sie jetzt genau möbliert sind, wenn es nicht gerade moderne IKEA-Möbel sind möglicherweise nicht. Die direkte Evidenz aus den Grabungsbefunden gestattet übrigens beide Annahmen, die wissenschaftlich vertretbarste Rekonstruktionsvariante wäre also, das gleiche Haus wenigstens zweimal zu rekonstruieren und einmal mit Mobiliar auszustatten, einmal hingegen nicht und Besucher der Rekonstruktionen deutlich darauf aufmerksam zu machen, dass wir bei unserer derzeitigen Quellen lage zwischen den beiden Varianten nicht unterscheiden können (cf. Karl 1999; 2010d). Andererseits bedeutet es zu akzeptieren, dass Wissen immer notwendigerweise das ist, was wir heute denken, was wir aus den uns zu Verfügung stehenden Daten und Beobachtungen machen, dass alles Wissen stets im Beobachter verortet ist und niemals das widerspiegelt, was wirklich ist, geschweige denn ikonisch mit der (beobachteten) Wirklichkeit übereinstimmt. Das Wissen, selbst das Wissen, das wir über Dinge haben, die wir selbst mit unseren eigenen Sinnen wahrnehmen können, ist nicht identisch mit dem beobachteten, dem wahrgenommenen Ding eo ipso, mit der ontischen Wirklichkeit, sondern ist immer ein Konstrukt, meistens sogar ein klassifikatorisches Konstrukt oder erklärendes bzw. prognostizierendes Modell unseres Denkens (von Glasersfeld 1998).Wissen ist daher immer ausschließlich demonstrativ, niemals intuitiv zweiteres ist nämlich Glaube, nicht Wissen. Es gibt daher kein wahres Wissen und auch kein richtiges Wissen, ja man könnte sogar sagen, dass es nicht einmal falsches Wissen gibt, sondern nur brauchbares und unbrauchbares Wissen, nützliche und nutzlose Argumente. Brauchbares bzw. nützliches Wis- sen ist dabei solches, das unsere Evidenz, unsere Beobachtungen erfolgreich zu erklären vermag bzw. mit diesen Evidenzen bzw. Beobachtungen nicht im Widerspruch steht, das die Überprüfung an der Evidenz überlebt, weil es durch unsere Beobachtungen nicht widerlegt wird (von Glasersfeld 1998: 29 31; Popper 1994). Unbrauchbare bzw. nutzlose Argumente sind hingegen jene, die an den Hindernissen, die unsere Beobachtungen, die unsere Evidenz Erklärungsversuchen in den Weg legen, scheitern und somit als mögliche Erklärungen dessen, was wir zu erklären versuchen, ausscheiden. Warum ein epistemologischer Keltoskeptizismus notwendig ist Ein typisches Beispiel, weshalb eine solche Änderung unseres Ansatzes notwendig ist, findet sich im Text eines der Poster, das John Collis bei der Tagung in Hallein präsentiert hat. Ich zitiere daraus die meiner Meinung nach relevante Stelle im englischen Originaltext3: From the time of Pezron, the modern Celts have been defined as speakers or descendants of speakers of Celtic languages.this cannot be applied to the ancient world.though all people called Celtae or Keltoi in the ancient world seem to have spoken Celtic languages, there were also other Celtic speakers who were not called Celts: the Leponti of northern Italy, the Ligues (Ligures) of Provence, the Vettones of Spain, the Belgae of northern Gaul and southern Britain, the Britanni of the British Isles, and some Germani like the Treveri. Zentral ist hier meiner Meinung nach die Behauptung von Collis, der Begriff Kelten im Sinn Sprecher einer keltischen Sprache könne nicht auf die antike Welt angewendet werden, in Verbindung mit seiner bereits vielfach (Collis 2003; 2010) getätigten Feststellung, dass dies für die modernen Kelten sehr wohl zulässig sei. Dabei stellt sich die Frage, weshalb die Anwendung für die antike Welt nicht zulässig sei, für die Neuzeit hingegen schon? Immerhin verstanden sich die Sprecher moderner keltischer Sprachen wenigstens bis zur Zeit Lhuyds und sogar noch geraume Zeit danach selbst ebenfalls nicht als Kelten ; noch verstehen sich viele Bretonen, Kornen, Iren, Schotten oder Waliser heutzutage als solche; noch haben die Galizier in Spanien, von denen sich heute viele 3

114 als Kelten identifizieren, wenigstens seit der Antike irgendeine (sprachwissenschaftlich als solche definierte) keltische Sprache gesprochen. Macht also die Tatsache, dass nicht alle selbst- oder fremdbestimmten Gemeinschaften, die in der Antike keltische Sprachen sprachen, in der Antike auch als Kelten bezeichnet wurden oder sich selbst als solche verstanden haben, die Anwendung des Begriffs keltisch auf die antike Welt unzulässig, dann ist die Anwendung dieses Begriffs auch in der Neuzeit aus exakt den gleichen Gründen ebenfalls unzulässig. Ist hingegen die Anwendung des Begriffs Kelten in der Neuzeit trotz dieser Tatsachen zulässig, dann ist seine Anwendung wohl auch für die antike Welt zulässig. Hinzu kommt die Frage, warum diese Anwendung des Keltenbegriffs auf die antike Welt unzulässig sei, wenn so offensichtlich viele Menschen diesen Begriff auf die antike Welt anwenden, nicht zuletzt so gut wie alle unsere Kollegen in der historischen Sprachwissenschaft, aber auch die Mehrheit der Öffentlichkeit? Weshalb sollte eine Fremdbezeichnung durch irgendwelche antiken Autoren, von denen viele Kelten bestenfalls aus zweiter oder dritter Hand kannten und von denen sicherlich keiner eine vollständige Umfrage unter allen möglichen antiken Kelten durchgeführt hat, ob sich diese sich selbst als Kelten identifizieren würden, oder auch die Privatmeinungen einiger weniger antiker, sich selbst wenigstens teilweise als Kelten identifizierender Autoren irgendwie richtiger oder auch nur maßgeblicher sein als Fremdbezeichnungen durch Wissenschafter oder Öffentlichkeit in der Neuzeit? Nur wenn man, ob bewusst oder unterbewusst, davon ausgeht, dass John Collis einen privilegierten, intuitiven Zugang zur Wahrheit hat, dass John Collis (aus welchem Grund auch immer) weiß, wie es eigentlich gewesen ist (von Ranke 1824: vi), nur dann kann man diese Behauptung von John Collis als relevant, als wahr oder richtig betrachten. Aber warum sollten wir John Collis und nicht etwa Barry Cunliffe und John T. Koch (2010: 1 2) glauben? Der Kern des Problems ist der, dass die derzeitige Keltizitätsdebatte notwendigerweise eine dogmatische Debatte ist: sie macht es erforderlich, dass wir die Prämissen (d. h. die Annahmen, Vorurteile, Unterstellungen) des einen oder des anderen Wissen schafters 4 als unanzweifelbare Wahrheit, als Grundprämisse im aristotelischen Sinn, akzeptieren; als Dogma unseres Glaubens. Wenn man dem neuen keltologischen Glauben von John Collis anhängen will, muss man das Dogma akzeptieren, dass Ethnizität (so wie sie John Collis großteils ad hoc bestimmt) das essentielle Kriterium für Keltizität ist. Will man hingegen dem traditionell keltologischen Glauben Barry Cunliffes und John T. Kochs folgen, muss man das Dogma akzeptieren, dass Sprache das essentielle Kriterium ist. Das logisch zwingende Resultat daraus sind jedoch inkommensurable Ergebnisse (Kuhn 1976: , insbesondere 161, ): keine vernünftige De batte kann entscheiden, ob Ethnizität oder Sprache das essentielle Kriterium für Keltizität ist. Daher kann diese Debatte auch kein nützliches Ergebnis produzieren: sie ist nicht mehr als unproduktiver Scholastizismus (Popper 1980: 15). Überwinden lässt sich dieser unproduktive Scholastizismus, diese leere Wortmacherei (Popper 1980: 15) nur, wenn man akzeptiert, dass alle Annahmen, von denen wir ausgehen, eben nicht mehr als Annahmen, nicht mehr als Unterstellungen, nicht mehr als Hypothesen, eben Prämissen sind, von denen keine mehr oder weniger akzeptabel ist als die andere, sondern die (gegebenenfalls) für die eine oder andere Frage, die wir haben, für das eine oder andere Problem, das wir lösen wollen, nützlich, für andere Fragen oder Probleme jedoch unbrauchbar sein können. Um dies zu erreichen müssen wir jedoch echte (und nicht nur fälschlich als solche benannte) Keltoskeptiker sein, eben epistemologische Skeptiker, die von der Annahme ausgehen, dass ihr Untersuchungsgegenstand nicht existiert und dass sie über diesen bestenfalls Aussagen machen können, die der Evidenz nicht widersprechen, aber niemals richtige, niemals wahre Aussagen (cf. von Glasersfeld 1998; Popper 1994). Von Sinn und Unsinn der alten Frage Damit kehre ich wieder zur Frage nach der Herkunft der Kelten zurück: warum suchen wir eigentlich nach dieser? Der bekannte französische Historiker Marc Bloch ( ) kritisierte bereits in seinem unvollendeten Werk Apologie pour l histoire, ou Métier d historien

115 (Bloch 2010) heftig die Besessenheit der Historiker mit der Klärung von Anfängen und Herkunft (Bloch 2010: 24). Er stellte fest, dass es dabei einerseits um den Beginn eines bestimmten historischen Phänomens gehen könne, bemerkte dazu jedoch unmittelbar, dass der Anfang der meisten historischen Phänomene sich als ausnehmend schwer fassbar erwiesen habe und fraglos davon abhinge, wie man seine Definitione wähle. Andererseits könne es sich bei den Fragen um Anfänge bzw. Herkunft historischer Phänomene um einen Versuch einer kausalen Erklärung bzw. Begründung eines historischen Phänomens handeln. Diese beiden Bedeutungen würden jedoch oft vermischt und die Klärung der Frage nach den Anfängen oder der Herkunft oft mit einer vollständigen Erklärung des untersuchten Phänomens gleichgesetzt (Bloch 2010: 25). In der Debatte um die Herkuft der Kelten geht es meiner Meinung nach, wenigstens in der bisher gewählten Form, um das Letztere; die Klärung der Frage nach der Herkunft der Kelten wird gemeinhin fälschlich als vollständige Erklärung der Kelten verstanden. Und das ist ein gravierendes Problem. Die Vorstellung, dass die Klärung der Frage nach den Anfängen bzw. der Herkunft eines historischen Phänomens wie der Kelten gleichzeitig eine Erklärung dieses Phänomens darstellt, beruht auf eben der dinghaften Sichtweise von Geschichte, die aus der essentialistischen Obession mit intuitiv erfassten Definitionen erwächst. In dieser Sichtweise werden historische Phänomene eben, wie schon weiter oben angedeutet, wie Dinge betrachtet, also als innerlich weitgehend einheitlich und nach außen hin klar abgegrenzt, und als ebenso real existierend wie z. B. ein Tisch oder Stuhl. Und sie werden dann natürlich auch bei Erklärungsversuchen so behandelt, als ob es sich um real existierende Dinge handeln würde. So wie man, wenn man weiß, wann und wo der Tisch entstanden ist, (leicht) zu erkennen können glaubt, von wem er erzeugt wurde, wie er erzeugt wurde und wofür bzw. warum er erzeugt wurde d. h. die Ursachen bzw. Gründe für seine Entstehung und damit auch für seine Existenz erkennen zu können so glaubt man dies auch bei historischen Phänomenen (einigermaßen leicht) erkennen zu können, wenn man nur ihren Anfang bzw. ihre Herkunft kennt. Darum wird auch der Frage nach der Herkunft der Kelten eine so große Bedeutung zugemessen. Das Problem dabei ist, dass das für die meisten (prä)historischen Phänomene wie z. B. die Entstehung der Kelten nicht funktionieren kann. Für reale Dinge gilt im Wesentlichen, dass sie meistens (wie eben ein Tisch) relativ uniform sind oder wenigstens eine kohärente Struktur bzw. Organisation aufweisen (wie z. B. ein Mensch, der zwar aus vielen verschiedenen Organen und anderen voneinander wenigstens in gewisser Weise verschiedenen Teilen besteht, aber als geschlossenes System kohärent ist, selbst wenn er sich z. B. durch Alterung verändert), meistens einen (relativ eng umgrenzten) Ursprungspunkt in Raum und Zeit haben ( unigenetisch sind), gewöhnlich von einer (relativ eng begrenzten) Zahl von Personen geschaffen werden und dies zumeist aus konkreten Gründen und für bestimmte Zwecke. Für (prä)historische Phänomene (im Gegensatz zu Objekten) gilt hingegen all das nicht: sie sind gewöhnlich polyform, sind also vielfältig, oft intern stark variabel und weisen auch meistens keine kohärente Struktur oder Organisation auf, haben gewöhnlich auch keinen (eng umgrenzten) Ursprungspunkt in Raum und Zeit (sind polygenetisch ), es sind normalerweise auch viele Menschen an ihrer Entstehung beteiligt und, vielleicht am wichtigsten, sie entstehen meist völlig unbeabsichtigt und oft auch ohne konkrete Zwecke. Das eine wie das andere zu behandeln stellt also einen klassischen Kategorienfehler dar. Hinzu kommen noch einige weitere Probleme, teilweise praktischer, teilweise ebenfalls grundsätzlicher Natur. Eines dieser Zusatzprobleme ist die starke Definitionsabhängigkeit jeder Herkunftsfrage, die wiederum mit der Definition des Untersuchungsgegenstandes zusammenhängt, wenigstens solange man mit essentialistischen Definitionen arbeitet, wie ja bereits oben im Detail ausgeführt wurde. Ein ebenso bedeutendes Zusatzproblem ist allerdings auch die Quellenlage, soweit die Frage nach der Herkunft der Kelten betroffen ist: nahezu gleichgültig, welchem der bisherigen Ansätze man folgt, ist sich die Wissenschaft einig, dass die Herkunft der Kelten in der Urgeschichte, also in Zeiten vor schriftlichen Aufzeichnungen zu suchen ist. Wir reden also, wenigstens in Bezug auf die Anfänge, über ein prähistorisches 5

116 Phänomen. Die bisher vorgeschlagenen Definitionen dafür, was die Kelten nun überhaupt erst zu den Kelten macht, beruhen aber großteils und maßgeblich auf Sprache oder Ethnizität. Nun ist es jedoch so, dass sich die Existenz, geschweige denn die Herkunft, einer bestimmten Sprache oder auch nur Sprachfamilie vor dem Beginn von schriftlichen Aufzeichnungen (also in jenen Zeiten, die ob des Fehlens solcher schriftlichen Sprachzeugnisse überhaupt erst als prähistorisch zu klassifizieren sind) nicht wirklich datieren oder lokalisieren lässt, weil jegliche Evidenz, mittels der diese Frage beantwortet oder ein Argument überprüft werden könnte, per definitionem fehlt. Das bedeutet nichts anderes, als dass jede mögliche Antwort auf die Frage notwendigerweise im Bereich der reinen Spekulation (im Sinne Kants) verbleiben muss, was die Suche nach einer Antwort auf die gestellte Frage müßig macht ob Ost oder West, Süd oder Nord, Mitte oder doch ganz woanders, ob 1000, 3000, 5000 oder doch v.chr., es lässt sich immer mit der gleichen Qualität auch das Gegenteil dessen behaupten, was als Antwort auf die Frage vorgeschlagen wird, oder auch etwas beliebiges anderes. Nicht anders verhält es sich mit der Ethnizität : wird diese als selbstbestimmte Zuordnung zu einem bestimmten Volk verstanden, dann lässt sich die Frage nach der Herkunft des Keltischen in Bezug auf Tote, die keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben, die die Frage nach ihrer Selbstidentifikation möglicherweise zu beantworten erlauben, niemals beantworten. Wird hingegen Fremdbestimmung durch Zeitgenossen als relevantes Kriterium betrachtet, dann lässt sich die Frage ohne schriftliche Aufzeichnungen ebenfalls nicht beantworten. Genau aus diesem Grund versuchen auch alle wissenschaftlichen Theorien, die eine Antwort auf die Frage nach der Herkunft der Kelten zu geben versuchen, sich auf die eine oder andere Weise an die einzige Art von Quellen anzuhängen, die wir für prähistorische Zeiten tatsächlich zur Verfügung haben, nämlich archäologische Quellen. Sei es Sprache oder Ethnizität, alle bisherigen wissenschaftlichen Versuche die Herkunft der Kelten zu bestimmen haben sich entweder ein archäologisches Phänomen (sei es eine Kultur oder ein anderes Phänomen wie die 6 Neolithisierung oder Güteraustauschnetzwerke ) gesucht, mit dem sie das Element, das sie als essentielles Charakteristikum des Keltischen betrachten, zu verbinden versucht haben (bzw. eine solche Verbindung zwischen archäologischem und essentiell keltischem Phänomen postuliert haben), oder sich einfach auf die Position zurückgezogen zu sagen, dass wir über Kelten erst reden können, wenn wenigstens ein antiker Autor diesen Namen verschriftlicht hat (so z. B. Pauli 1980: 23). Und genau aus diesem Grund scheitern letztendlich auch alle: ein Versuch der Bestimmung der Herkunft der Kelten auf diesen Wegen ist aussichtslos und daher auch sinnlos. Hinzu kommt schließlich noch das schon von Marc Bloch (2010: 25) angesprochene und von Ludwig Pauli (1980: 16) am Vergleichsbeispiel der Herkunft der Preußen illustrierte Grundsatzproblem: was wird durch die Bestimmung der Herkunft eines Phänomens überhaupt erklärt? Nehmen wir als alternatives Vergleichbeispiel die keltische Sprache Walisisch. Diese wird bis heute aus verschiedenen guten Gründen als keltische Sprache klassifiziert, aber: sie enthält heute zahllose englische, lateinische und Lehnworte aus anderen Sprachen, die im ursprünglichen Walisisch, als der Sprache zur Zeit der Herkunft des Walisischen, noch nicht vorhanden waren. Aber macht das diese Lehnworte irgendwie weniger wichtig für ein Verständnis des heutigen Walisisch als die Worte, die schon am Zeitpunkt der Entstehung der walisischen Sprache in dieser vorhanden waren? Macht es diese Worte (und auch ganz allgemein das Walisische ) weniger walisisch als das ursprüngliche Walisisch? Könnte man das heutige Walisisch ohne sie erklären? Wohl kaum! Das Gleiche gilt auch für die Herkunft der Kelten und natürlich auch für alle anderen nicht räumlich und zeitlich eng begrenzten historischen Phänomene: die Beantwortung der Frage nach ihrer Herkunft erklärt wenig bis gar nichts. Auch das präventive Argument Barry Cunliffes und John T. Kochs in ihrer Einleitung zu Celtic from the West greift hier nicht: We accept the basic linguistic principal that all languages, as attributes of specific human communities, have locations in space and time und In our view, [ ] the proposition that Celtic emerged somewhere and at some time can only be denied by also denying all such propositions as

117 Latin originated in central Italy in the 1st millennium BC (Cunliffe & Koch 2010: 7). Natürlich sind Sprachen als spezifische Kulturerscheinungen räumlich wie zeitlich konkret lokalisiert.aber das bedeutet nicht, dass sie eine konkret bestimmbare Herkunft, einen Ursprung haben: natürlich wird wahrscheinlich etwa das, was wir heute als Keltisch bezeichnen, irgendwann und irgendwo gesprochen worden sein. Aber seine Entstehung, sein Ursprung, seine Anfänge sind in der Gegenwart gesetzt, dadurch, dass wir eine bestimmte, kontinuierlich erfolgende und sich langsam weiterräumig durchsetzende Änderung im Sprachverhalten vergangener Menschen in der Gegenwart zum entscheidenden Element für die Bestimmung der nunmehr veränderten Sprache als keltisch erklärt haben. Die ersten Sprecher der Sprache, die wir heute als keltisch bezeichnen, haben einfach gesprochen und vermutlich nicht im Mindesten bemerkt, dass sie jetzt plötzlich eine neue Sprache gesprochen hätten. Gut, zugegeben, vielleicht haben sich ein paar Leute darüber beschwert, dass die Jungen oder die über dem nächsten Hügel nicht ordentlich reden, sondern die schöne althergebrachte Sprache dieser sich aufregenden Leute verschandeln. Aber das ist völlig unwesentlich; wesentlich ist, dass die Grenze zwischen vorkeltischer und keltischer Sprache von uns, und das weitgehend willkürlich, gezogen wird. Wir könnten diese Grenze auch an nahezu beliebigen anderen Punkten ziehen, oder auch gar nicht, denn Sprache ändert sich ständig, sowohl räumlich als auch zeitlich. Die Bestimmung, wann und wo in der Vergangenheit die Grenze, die wir in der Gegenwart gezogen haben, zu lokalisieren ist, sagt uns nichts weiter als wann und wo in der Vergangenheit wir willkürlich eine Grenze ziehen wollen (cf. Karl 2010c). Die Frage nach der Herkunft der Kelten ist also, wenigstens so wie sie bisher gestellt wurde, falsch gestellt und daher sinnlos (cf. Pauli 1980: 21). Das bedeutet aber natürlich nicht, dass sie gänzlich sinnlos sein muss: sie muss nur, um sinnvoll zu werden, auf andere Art gestellt werden; auf eine Art, die nicht auf die Anfänge als Ereignis abzielt, die (prä)historische Phänomene nicht dinghaft versteht, die nicht schon in ihrer Form die Uniformität und Unigenesis des Untersuchungsgegenstandes voraussetzt. Stattdessen sollte sie in einer Weise gestellt werden, die auf die dauernd fortgesetzten, ununterbrochen ablaufenden Entstehungsprozesse abzielt, die unseren Untersuchungsgegenstand zu dem machen, über das wir sprechen wollen (also die Frage wie entsteht ein (prä)historisches Phänomen zu beantworten versuchen), die auf ein Verständnis dieser Prozesse abzielt ( warum entsteht etwas ) und die wenigstens die Möglichkeit die Polyformität und polygenetische Natur dieser Entstehungsprozesse zu berücksichtigen erlaubt. Die Entstehung der Kelten, die es nie gab Wie könnte also eine bessere Lösung für das Problem der Herkunft, oder genauer des Entstehungsprozesses, der Kelten aussehen? Zuerst einmal sollten wir jedenfalls (egal was wir bezüglich der Frage, ob es die Kelten nun tatsächlich gab oder nicht, jetzt glauben mögen) von der Annahme, d. h. der Prämisse, ausgehen, dass es die Kelten nie gab, dass sie daher auch kein Ding sind, das einen Anfang haben könnte oder uniform und unigenetisch sein müsste. Wir sollten das übrigens schon allein deshalb als Prämisse (und nicht etwa als Grundprämisse), als Hypothese annehmen um nicht ein mögliches Ergebnis allfälliger Untersuchungen, die schließlich auch zum Resultat führen können sollten, dass es die Kelten doch gab, vorwegzunehmen. Es soll sich dabei eben nicht um ein Vorurteil handeln, sondern um ein Postulat, dessen Richtigkeit wir aus argumentativen Gründen (vorerst) voraussetzen. Nachdem wir (trotzdem) über sie reden (wollen), nehmen wir also als Ausgangspunkt unserer Überlegungen an, dass wir die Kelten erfinden. Um auch zu wissen, worüber wir reden (wollen), gehen wir des Weiteren (als weitere Prämisse) davon aus, dass die Begriffe Kelten und alle Ableitungen davon (wie keltisch ) frei erfundene Etiketten sind, die zur abgekürzten Bezeichnung verschiedener, teilweise miteinander assoziierter (prä)historischer Phänomene benutzen wollen. Phänomene, die wir mit diesem Etikett bezeichnen wollen, sind z. B. bestimmte, aus Antike und Gegenwart überlieferte, Sprachen (wie z. B. Gallisch, Keltiberisch, Irisch, Walisisch, Bretonisch etc.), bestimmte materielle Kulturerscheinungen (z. B. die sogenannten Hallstattkulturen; aber auch 7

118 moderne irische, walisische etc. Materialkultur), bestimmte ethnische Fremd- und Selbstbestimmungen (z.b. Celtae, ãtai, Waliser, Iren, Kornen, Bretonen etc.), bestimmte immaterielle bzw. ideelle Kulturerscheinungen (z. B. die religiösen Vorstellungen der Druiden, irische Volksmusik etc.), und so weiter. Dabei ist wichtig, gleich von Beginn weg festzuhalten, dass diese teilweise miteinander assoziierten Phänomene niemals deckungsgleiche raum-zeitliche Verbreitungen aufweisen, ja sogar teilweise überhaupt nicht unmittelbar miteinander assoziiert sind (so sind z. B. die Materialkulturen der europäischen keltischen Eisenzeit mit moderner irischer Volksmusik überhaupt nicht direkt miteinander assoziiert, sondern nur darüber, dass beide wenigstens teilweise mit keltischen Sprachen assoziiert sind). Das Etikett Kelten wird allerdings nicht völlig beliebig verwendet, sondern die Verwendung dieses Etiketts beruht auf einer Assoziation, die ich hier als Primärassoziation bezeichnen möchte die Assoziation, auf der letztendlich die Benennung der zu untersuchenden Phänomene beruht. Diese Primärassoziation findet sich im eisenzeitlichen Gallien, denn dort überlappen sich verschiedene historische Phänomene, die uns überhaupt erst auf die Idee gebracht haben irgendetwas als Kelten zu bezeichnen. Die dort miteinander assoziierten Phänomene sind z. B. die (jeweils nachweisliche) Präsenz von Sprachen einer bestimmten (der keltischen ) Sprachfamilie, die Präsenz bestimmter Materialkultur(en) (der keltischen Latènekulturen), die Präsenz gewisser immaterieller kultureller Erscheinungen (z. B. der keltischen Druiden), bestimmter Fremd- (z. B. Kelto, Celtae) und möglicherweise ähnlich lautender Selbstbestimmungen (z. B. Celtillus), sowie möglicherweise einiger weiterer kultureller Phänomene (z. B. eventuell bestimmter Arten der Organisation von Familienverbänden, bestimmte Vorstellungen zu sexuellen Beziehungen, Vertragsformen etc.; cf. Karl 2006). Diese Überlappung bzw. Assoziation im eisenzeitlichen Gallien ist aus dem schon oben genannten Grund signifikant: diese kulturelle Erscheinungen hängen ob ihrer gleichzeitigen Präsenz in diesem Zeit-Raum wenigstens bedingt miteinander zusammen und beeinflussen einander daher wenigstens teilweise. Die einzelnen, Teil der Primärassoziation bildenden, 8 Phänomene bilden dann die Basis für weitere Assoziationen und Assoziationsketten, z. B. die Assoziation von antiken mit modernen keltischen Sprachen, und in weiterer Folge die Assoziation moderner irischer Volksmusik mit einer modernen keltischen Sprache. Die Tatsache, dass zwei historische Phänomene wie z. B. die Latènekulturen und irische Volksmusik durch eine keltische Assoziationskette miteinander verbunden werden können, bedeutet dabei natürlich keineswegs, dass diese mittels einer Assoziationskette verbundenen Phänomene miteinander direkt zu tun haben oder Informationen vom einen Ende der Assoziationskette (z. B. der irischen Volksmusik) ans andere Ende der Assoziationskette (z. B. in die Latenezéit) übertragen werden können: bloß weil zwei Dinge über Umwege miteinander assoziiert sind, müssen sie noch lange nichts miteinander zu tun haben. Ein allfällig postulierter Zusammenhang zwischen nur durch Assoziationsketten verbundenen Phänomenen in unserem Untersuchungsgegenstand hat also stets unabhängig von der bestehenden Assoziation gezeigt zu werden (cf. Karl 2006; 2007). Schon die Primärassoziation ist jedoch polygenetisch (und alle späteren Assoziationen wenigstens ebenso), wenigstens so weit wir das auf Basis der uns zur Verfügung stehenden Quellen sagen können. Nehmen wir zum Beispiel grob vereinfachend an, dass die keltischen Sprachen tatsächlich wie von Barry Cunliffe (2010) und John T. Koch (2010) postuliert an der Atlantikküste entstehen: Die ebenfalls keltischen Latènekulturen entstehen sicherlich nicht nur an der Atlantikküste, sondern (wenigstens wenn wir einen neuerlich polylokalen und polygenetischen Prozess stark vereinfachen) hauptsächlich in Mitteleuropa, und das noch dazu erst viel später als die keltischen Sprachen nach Cunliffes und Kochs Modell. Und wenn wir uns entscheiden die Meinung der Gewährsleute für Caesars Bericht in dieser Beziehung für verlässlich zu halten und es gibt keinen besonderen Grund, warum wir das in diesem Fall nicht tun sollten entstand das Druidentum in Britannien (b.g. 6,13.10 ), wohl neuerlich zu einer anderen Zeit. Und dabei vernachlässigen wir bereits, dass jedes einzelne der hier genannten assoziierten Phänomene ganz für sich wiederum eine mindestens ebenso polylokale und polygenetische Entstehungsgeschichte hat wie die Primärassoziation

119 selbst, d. h. in Wirklichkeit die Poly lokalität und Polygenese der Primär assoziation noch viel komplexer, d. h. die Herkunft jedes der zur Primärassoziation beitragenden Phänomene noch viel weniger klar fassbar ist als die Herkunft der Primärassoziation selbst. Dieses keltisch etikettierte Assoziationsprinzip kann und sollte selbstverständlich auch verall gemeinert werden: als keltisch etikettieren wir jede beliebige Assoziation zwischen zwei oder mehreren Phänomenen, von denen wir bereits eines auf Grund seiner Beteiligung an der Primärassoziation als keltisch etikettiert haben (das hält allfällige Assoziationsketten auch einigemaßen kurz wenngleich nicht unbedingt die chronologische Distanz, die durch die Assoziationskette überbrückt wird) und die wir (aus welchen Gründen auch immer) als (wissenschaftlich) signifikant erachten. Die bereits mehrfach genannte Assoziationskette, die vom eisenzeitlichen keltischen Gallien über die keltischen Sprachen zur keltischen irischen Volksmusik führt, ist ein Beispiel dafür. Ob und inwieweit man diese Assoziationsketten noch weiter verlängern kann und möchte, kann man dann selbstverständlich noch disktutieren, ich würde allerdings grundsätzlich eher dazu neigen das nicht zu tun. Die Herkunft bzw. Entstehung von uns als keltisch bezeichneter Phänomene kann man sich dann kurz zusammengefasst etwa wie folgt vorstellen: diese Phänomene entstehen großteils unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeiten (bis heute) und an verschiedenen Orten (heute über die halbe Welt verstreut, nachdem Sprecher keltischer Sprachen heute nicht nur in Europa, sondern wenigstens auch in den Amerikas und in Australien leben und sich dort selbstverständlich auch kulturell weiter verändern, also neue keltische Kulturerscheinungen schaffen). Diese Kulturerscheinungen entstehen dabei, wie ich bereits andernorts genauer ausgeführt habe (Karl 2008: 207 ), auf drei hauptsächliche Arten, nämlich erstens durch kreative Neuschöpfung von kulturellem Wissen durch Personen, das von Anfang an (also schon zum Zeitpunkt seiner Neuschöpfung) mit anderem, von uns bereits als keltisch bezeichnetem kulturellen Wissen, assoziiert ist, zweitens durch Diversifikation (Abwandlung) und Rekombination bereits keltisch assoziierten, internalisierten kulturellen Wissens, also kulturellen Wissens, das wir schon vor seiner Abwandlung oder Rekombination als keltisch bezeichnet hätten (ein Beispiel dafür sind Veränderungsprozesse innerhalb von Sprachen, Kunststilen oder anderen materiellen oder ideellen Kulturerscheinungen), und drittens durch Adoption und Adaption zuvor noch nicht keltisch assoziierten (externen) kulturellen Wissens in keltische Assoziationen (ein Beispiel dafür sind z. B. beliebige Importstücke, die in einem keltischen Assoziationsbereich Verwendung finden). Diese Entstehung ist daher ein stetig fortlaufender Prozess, ein Prozess, der bis heute nicht geendet hat und der auch nicht an einem Ort zu einer Zeit begonnen hat die Kelten kommen daher von überall und nirgendwo (cf. Karl 2008; 2010c). Die Keltiké der Zeit-Raum, den wir (auch) als keltisch bezeichnen können (Abb. 1) ist hingegen erst nachträglich, durch uns, als Beobachter von außen konstruiert, die wir diese dauernd entstehenden und sich auch dauernd verändernden Assoziationen, die uns als signifikant erscheinen, mit dem Begriff Kelten bezeichnen. Natürlich wird es trotzdem einen Punkt in Zeit und Raum gegeben haben, an dem zum ersten Mal zwei kulturelle Erscheinungen miteinander assoziiert wurden (denn die Wahrscheinlichkeit, dass dies genau gleichzeitig an zwei oder mehreren verschiedenen Orten geschehen ist, ist verschwindend gering), die wir nachträglich betrachtet heute als keltisch bezeichnen würden. Aber dieser Punkt ist nicht bedeutender als beliebige andere Punkte in Raum und Zeit, an denen ebenfalls solche Assoziationen entstanden sind. Daher ist es auch völlig unnütz und daher sinnlos diesen Punkt zu suchen. 9

120 Abb. 1: Modell der Keltengenese, der Ontogenese der historischen Phänomene, die wir mit dem Begriff keltisch bezeichnen (Karl 2008: 2) Anmerkungen 1 Dieser Beitrag stellt eine Verbindung aus meinen beiden Vorträgen (Tagungsvortrag und öffentlicher Abendvortrag) bei den Interpretierten Eisenzeiten 4 in Hallein dar. 2 Hypothese ist hier nicht wie oft im umgangsprachlichen Gebrauch vorkommend mit Theorie gleichzusetzen, sondern im Sinne des ursprünglichen griechischen U ` pòyesiw als Unterstellung, Voraussetzung, Grundlage zu verstehen bzw. im Sinne der Logik als Prämisse eines Arguments, deren Wahrheit 0 (wenigstens vorläufig) unterstellt bzw. vorausgesetzt wird um das Argument zuerst einmal ausführen und seine Ergebnisse anschließend gegebenenfalls überprüfen zu können. 3 Diesen Text hat mir John Collis freundlicherweise zur Übersetzung ins Deutsche für das auf der Tagung präsentierte Poster zur Verfügung gestellt. Ich zitiere hier den englischen Originaltext um mögliche sinnverzerrende Übersetzungen meinerseits auszuschließen.

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122 rand der Alpen. Schriften aus dem Keltenmuseum Hallein Band 1. Hallein:Verlag des Keltenmuseums Hallein. Pauli, L. (1980), Die Herkunft der Kelten Sinn und Unsinn einer alten Frage. In: Pauli, L. [Hrsg.], Die Kelten in Mitteleuropa. Kultur, Kunst, Wirtschaft. Salzburg: Amt d. Salzburger Landesregierung: Pezron, P.-Y. (1703), Antiquité de la Nation et de la Langue des Celtes autrement appellez Gaulois. Paris. Pittioni, R. (1959), Zum Herkunftsgebiet der Kelten. Sitzungsber. Öst. Akad. Wiss., phil.-hist. Kl. 233/3. Wien: Rohrer. Popper, K. R. (1980), Die offene Gesellschaft und ihre Feinde II. Falsche Propheten. 6. Aufl. München: Francke. (1994), Die Logik der Forschung. 10. Aufl. Tübingen: J.C.B. Mohr. Renfrew, C. (1989), Archaeology and Language. The Puzzle of Indo-European Origins. London: Penguin Books. Rieckhoff, S. (2007), Die Erfindung der Kelten. In: Karl, R., Leskovar, J. [Hrsg.], Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbericht der 2. Linzer Gespräche zur interpretative Eisenzeitarchäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich Folge 19, Linz. Oberösterreichisches Landesmuseum: Sims-Williams, P. (1998), Celtomania and Celtoscepticism. Cambrian Medieval Celtic Studies 36: Spindler, K. (2007), Die frühen Kelten Historische und archäologische Evidenz. In: Birkhan, H. [Hrsg.], Kelten-Einfälle an der Donau. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: Thorpe, L. [Übers.] (1966), Geoffrey of Monmouth. The History of the Kings of Britain. London: Penguin Books. Urban, O. H. (2007), Gedanken zu einer Methode der Keltischen Archäologie und zu einem Modell der Keltengenese. In: Birkhan, H. [Hrsg.], Kelten-Einfälle an der Donau. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: von Glasersfeld, E. (1998), Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität. In: Gumin, H., Meier, H. [Hrsg.], Einführung in den Konstruktivismus. 4. Aufl. München: Piper: von Ranke, L. (1824), Geschichten der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis Leipzig: Reimer. Watzlawick, P. (1999), Selbsterfüllende Prophezeiungen. In:Watzlawick, P. [Hrsg.], Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? Beiträge zum Konstruktivismus.. Aufl. München: Piper: (2001), Vom Schlechten des Guten oder Hekates Lösungen. 8. Taschenbuchaufl. München: Piper.

123 Kelten-DNA? Molekulararchäologische Betrachtungen zur ethnischen Zugehörigkeit im kulturhistorischen Kontext Jan Cemper-Kiesslich1,4, Karin Wiltschke-Schrotta3,4, Franz Neuhuber1, Edith Tutsch-Bauer1,4, Jutta Leskovar2,4 & Stefan Moser4 1 Universität Salzburg, Interfakultärer Fachbereich Gerichtsmedizin 2 Oberösterreichische Landesmuseen, Abteilung für Ur- und Frühgeschichte 3 Naturhistorisches Museum Wien 4 CAMAS Center of Archaeometry and Applied Molecular Archaeology, c/o Universität Salzburg, Interfakultärer Fachbereich Gerichtsmedizin Zusammenfassung Der Begriff Kelten als Bezeichnung für eine ethnische, soziale und kulturelle Entität hat sich in der jüngeren einschlägigen Forschung zunehmend als unzulänglich bzw. inadäquat erwiesen ( Keltoskeptizismus ). In diesem Artikel wird versucht anhand dreier Fallbeispiele mittels einer alternativen Methode, basierend auf historischer genetischer Information ( ancient DNA, adna), die Hypothese von den Kelten als homogene ethnisch-kulturelle Gruppe der europäischen Eisenzeit zu prüfen. Neben anthropologischen Grunddaten wird die Methode der adna-analyse im Kontext erörtert und die Ergebnisse sowie deren Interpretation diskutiert. Abstract The label Celts as a term for an ethnic, social and cultural entity has increasingly been shown to be inadequate ( celtoscepticism ) in the course of recent research. In applying the alternative method of ancient DNA analysis (adna) to three distinct case studies, this paper tries to test the hypothesis of The Celts seen as a homogenous ethno-cultural group in the European Iron Age. Besides basic anthropological data, the methodology of adnaanalysis is exemplified and the results are discussed within their (pre)historic context. 3

124 Einleitung Materialien und Methoden Die molekulare Archäologie bzw. Anthropologie, verstanden als alternative Methode der historischarchäo logischen Quellenkritik, erlaubt einen, vom konventionellen Kanon unabhängigen Zugang zu über liefertem Quellenmaterial in Form menschlicher Überreste. Unter der Voraussetzung, dass sich im Unter suchungsmaterial analysierbare Erbsubstanz erhalten hat, erlauben modifizierte und verfeinerte Verfahren der forensischen Molekularbiologie (DNA-Spuren analytik) eine sichere Identifizierung des biologischen Geschlechts, die Rekonstruktion der biologischen Verwandtschaft sowie den Nachweis von Erb- und Infektionskrankheiten. Überdies kann ein Abgleich molekular-archäologischer Daten mit rezenten Datenbanken Hinweise auf die populationsdynamische- und geographische Zugehörigkeit und Migrationsbe wegungen eines Individuums bzw. von Individuengruppen geben. Anhand dreier Fallstudien vom Dürrnberg bei Hallein (Salzburg) und aus Mitterkirchen (Ober österreich) wird ein kleiner Ausschnitt aus fast 13 Jahren Zusammenarbeit zwischen dem Österreichischen Forschungszentrum Dürrnberg, den Oberösterreichischen Landesmuseen (Abteilung für Ur- und Frühgeschichte), der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien und des IFFB Gerichtsmedizin der Universität Salzburg präsentiert. Der Begriff Kelten stellt sich bezugnehmend auf archäologische, (prä)historische bzw. historiographische Quellen als problematisch dar (Collis 2003: ). Nach wie vor besteht keine eindeutige ethnische, linguistische oder objektgebundene (kultur historische) Definition bzw. hängt diese stark von den einschlägig arbeitenden Fachdisziplinen ab. Die fehlende Schriftlichkeit der als Kelten subsumierten prähistorischen Bevölkerungsgruppen erschwert die Situation zusätzlich. In diesem Artikel wird die Möglichkeit einer Kelten-Definition anhand genetischer Information dis kutiert und in Aussicht gestellt. Das zu Grunde liegende Untersuchungsmaterial (Knochen und Zähne) stammt von archäologisch/kulturhistorisch als keltisch angesprochenen Individuen. Sämtliche Laborarbeiten wurden nach allgemein an erkannten Regeln (Hummel 2003) zur Bearbeitung alter DNA im forensisch-molekularbiologischen Labor des IFFB Gerichtsmedizin der Universität Salzburg (akkreditiert nach EN/DIN ISO 17025) durchgeführt. Das Untersuchungsmaterial (Knochen und Zähne) wurde vor der DNA-Isolierung und Reinigung getrocknet, oberflächlich mechanisch dekontaminiert; die physikalische Aufarbeitung der Hartgewebe erfolgte mittels einer Handfräse bzw. mit einer Retsch MM200 Kugelmühle. Zur Darstellung des Roh extraktes wurden 60 mg Knochen bzw. Zahnpulver in 625 µl 0,5 M EDTA (ph=8,0) ca. 48 Stunden bei 56 C decalzifiziert und anschließend mittels Schwimm filterdialyse (Kiesslich et al. 2002) aufgereinigt. Alternativ erfolgte die DNA-Reinigung nach einem modifizierten Protokoll (Schilz et al. 2006) auf einer Qiagen M48 Plattform (Cemper-Kiesslich et al. 20), ca. 240 mg Probenpulver, ansonsten wie oben. Derart gereinigte DNA wurde für die Darstellung eines autosomalen genetischen Fingerabdrucks (Kiesslich et al. 2002) mittels AmpFlSTR Identifiler (Applied Biosystems) bzw. eines gonosomalen,y-chromosomalen Fingerabdrucks (Kiesslich et al. 2006) mittels PowerplexY System (Promega) bei 34 Zyklen vermehrt und gemäß den Angaben des Herstellers auf einem Applied Biosystems 310 Genetic Analyzer kapillar elektrophoretisch analysiert und mit der Geno typer 2.5 Software ausgewertet. In keiner der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Analysen konnte eine Kontamination durch eine andere Probe oder durch Dritte (Gelegenheitspersonen) nachgewiesen werden. Die für die hier präsentierten Y-chromosomalen Analysen verwendete Referenzdatenbank (Willuweit, Roewer 2007) stand zum Zeitpunkt der Datenabfrage in der Version (Release) 33 vom. März 2010 zur Verfügung. Mittels kann eine Y-chromosomale Merkmalskombination auf ihre Häufigkeit bezogen auf die in der Datenbank gespeicherten Vergleichsdaten abgefragt werden und es kann eine ethnisch/geographische Abschätzung (Zuordnung einer Y-chromosamlen Merkmalskombinati- 4

125 on zu einer Metapopulation) getroffen werden. Eine ähnliche, aber gröbere ethnisch geographische Abschätzung erlaubt die Internetplattform PopAffiliator (Pereira et al. 20) ( Release 2, 20): Über die autosomale Merkmalskombination ist hier eine Zuordnung zu einer Großpopulation (Asien, Eurasien, Sahara-Afrika, Nord Afrika und Naher Osten) möglich. Die menschlichen Überreste der 1999 und 2003 am Putzenkopf bei Hallein Dürrnberg geborgenen Gräber 344 und 376 wurden zur wissenschaftlichen Untersuchung in die Anthropologische Abteilung des Naturhistorischen Museums gebracht. Die Skelette von Grab 344 wurden erstmals von Höger (2002) vorgestellt und für die vorliegende Publikation überarbeitet und ergänzt. Die Skelette wurden im Museum gereinigt und identifiziert. Wie bei den meisten prähistorischen Gräbern vom Dürrnberg ist auch das Grab 344 mit mehreren Individuen belegt worden, die bei der archäologischen Bergung zwar bestmöglich identifiziert wurden, sich aber bei der detaillierten anthropologischen Untersuchung als sehr vermischt darstellten. So erfolgten nach der Reini- gung zunächst eine Feststellung der Mindestindividuenzahl und danach eine mögliche Zusammenführung der Skelettelemente eines Individuums. Erst danach wurde eine anthropologische Bestimmung nach den gängigen Methoden durchgeführt (Ferembach et al. 1979; Bruzek 2002; Kósa 1989; Höger 2002; Schultz 1988; Szilvássy 1988; Sjøvold 1990). Eine detaillierte Zusammenführung der anthropologischen und molekularbio logischen Daten mit den archäologischen Befunden steht jedoch für beide Gräber noch aus. Ergebnisse Kasuistik #1 Der Fall 344 Im Rahmen einer Nachgrabung im Jahr 1999 unter der Leitung von Dir. Mag. Kurt W. Zeller konnte unter der Umfassungsmauer (Abb. 1) des Grabkomplexes 10 (Putzenkopf Nord, Dürrnberg bei Hallein) eine Mehrfachbestattung (Grab 344) aus augenscheinlich drei Individuen (Abb. 2) festgestellt werden. Eine zeitliche Einordnung des Fundes in das LaTène B2 (ca. 330 v. Chr.) war typologisch über eine Fibel vom Typ Abb. 2: Übersichtsaufnahme Grab 344 nach Entfernen des Steinhaufens und Freilegung der Gebeine. Cemper-Kiesslich, 2000 Abb. 3: Detailaufnahme Grab 344: Lokalisation des Armreifens (links oben), der Fibel vom Münzger Typ (oben Mitte) und des Fußringes (unten), Cemper-Kiesslich, 2000 Abb. 1: Übersichtsaufnahme der Umfassungsmauer des Grabes 10 mit auffälliger Anhäufung von Steinen. Cemper-Kiesslich,

126 Abb. 4: Detailaufnahme der Fibel vom Typ Münsingen, Cemper-Kiesslich, 2000 Münsingen (Abb. 4) aus dem Unterarmbereich des Individuums 344 II gegeben. Abgesehen von der speziellen Lage des Grabes (unter/ in der Umfassungsmauer eines größeren Komplexes) ist die Bestattung von mindestens drei Individuen in einer Kammer von ca. 1,9 mal 1,3 Meter (erkennbar an dunklen, sich vom umgebenden Lehmboden abhebenden Begrenzungen der Kammer) sowie die spärliche Beigabensituation (einer Fibel, vgl. oben, ein Fußring sowie die Bruchstücke zweier Keramikgefäße, Abb. 3 und 4) besonders auffällig: Verglichen mit anderen Bestattungen aus dem Grabkomplex 10, wäre in einer solchen Kammer lediglich mit einem Individuum bei wesentlich reicherer Ausstattung zu rechnen. Folglich darf davon ausgegangen werden, dass dramatische Umstände innerhalb kürzester Zeit (geschätzt ein bis zwei Wochen) zur Mehrfachbelegung dieses Grabes geführt haben. Aus Sicht der physischen Anthropologie konnten an den Skeletten keine offensichtlichen Traumaspuren festgestellt werden dennoch kann eine Gewalteinwirkung (z. B. durch scharfe Gewalt) an den Weichteilen als Todesursache ebenso wenig ausgeschlossen werden wie eine Seuche oder eine Vergiftung. Primärfragestellung für die DNA-Analytik war die Feststellung des biologischen Geschlechts und der Verwandtschaft ( Familiengrab?). Grab 344 Individuum 1 stammt von einem Mann der zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr verstorben ist. Der Schädel ist fragmentiert, das postkraniale Skelett ist robust und relativ vollständig erhalten. Es kann eine Körperhöhe von 162 cm errechnet werden. Die Sterbealtersbestimmung lässt anhand der fortgeschrittenen Zahnabrasion, der intravitalen Zahnverluste, der verschlossenen Schädelnähte, der zahlreichen degenerativen Veränderungen sowie der osteoporotischen Knochen auf ein seniles Individuum schließen. Alle Merkmale des Beckens und des Schädel sind eindeu- 6 tig männlich ausgeprägt. Die Zuordnung der Skelettreste zur archäologisch Grabungsdokumentation, die anthropologische und genetische Identifikation sind eindeutig. Grab 344 Individuum 2 stammt von einer Frau, die im Lebensjahr verstorben ist. Es sind zahlreiche Schädelfragmente, Rippen, linker Oberarmschaft, Fragmente der Schultern und proximale Ulnaschaftstücke einer eher grazilen Person erhalten. Das Sterbealter wurde anhand der offenen Schädelnähte und der geringen Abrasion der Zähne bestimmt. Die Merkmale des Schädels sind weiblich ausgeprägt, die Knochen der oberen Extremität sind nicht sehr robust ausge bildet. Nach der Grabungsdokumentation liegt von Skelett 2 nur der Schädel und Teile des Oberkörpers in situ. Alle übrigen Knochen dürften vom Archäologen interpretativ diesem Skelett zugeordnet worden sein, zumal die Knochen des postkranialen Skelettes teilweise über oder unter denen von Skelett 3 gelegen waren. Deshalb lag Skelett 2 als Fundkomplex stark vermengter Knochenreste vor. Es fanden sich darunter u. a. Beckenteile, ein Schlüsselbein und Langknochenteile von Skelett 3 und Reste von Beckenschaufeln von mindestens drei anderen Individuen. Grab 344 Individuum 3 stammt von einem jungen Mann, der im Lebensjahr verstorben ist. Es sind ein massives Unterkiefer, Teile des Ober kiefers, eine linke Beckenschaufel, Arm und Beinknochen, und die kleinen Knochen der Hände und Füße vorhanden. Der geringe Abrasionsgrad der Zähne, die Facies symphysealis eines jungen Individuums, die offene sternale Epiphysenfuge der Clavicula sprechen für ein frühadultes Individuum, die obliterierten Epiphysenfugen des Beckens, der Oberarm- und Beinknochen sowie die ausmineralisierten Weisheitszähne deuten auf ein adultes Individuum. Der sehr maskuline Unterkiefer und das Beckenfragment deuten eindeutig auf ein männliches Individuum, die Langknochen und Fußknochen sind dagegen nicht sehr robust ausgebildet, allerdings robuster als die von Individuum 2 und 4. Die Knochen wurden aufgrund der maskulinen Merkmale dem Fundkomplex Individuum 3 zugeordnet. Die Wirbel aus dem Fundkomplex Skelett 2 könnten aufgrund der maskulinen Merkmale ebenfalls zu Individuum 3 gehören. Die vermengten Knochen einer älteren Frau wurden aus dem Fund-

127 komplex Individuum 3 herausgelöst und als Individuum 4 beschrieben. Grab 344 Individuum 4 ist das Skelett einer Frau, die im Lebensjahr verstorben ist. Es liegen zahlreiche verdickte Schädelknochen mit obliterierten Schädelnahtabschnitten vor. Die Zähne und Kieferreste deuten ebenso wie die arthrotisch veränderten Wirbel und Femurköpfe auf ein höheres Alter hin. Das Sterbealter wurde durch die fortgeschrittene Zahnabrasion, den intravitalen Zahnverlust, die obliterierten Schädelnähte und die degenerativen Veränderungen an den Wirbeln und den Gelenken auf eine maturesseniles Alter bestimmt. Die Merkmale des Schädels deuten auf ein weibliches Individuum. Alle Skelettelemente aus dem Fundkomplex Individuum 3 und teilweise aus Fundkomplex Individuum 2, die Hinweise auf ein älteres grazileres Individuum zeigten, wurden zu Individuum 4 zusammengestellt. Archäologisch ist dieses Individuum nicht dokumentiert worden. Zahlreiche Knochen aus dem Fundkomplex Individuum 2 konnten nicht eindeutig einem der oben beschriebenen Individuen zugeordnet werden. So gehören die Wirbelknochen mit einem eher männlich ausgeprägtem Kreuzbeinfragment eines jüngeren Individuums möglicher Weise zu Individuum 3. Die Zugehörigkeit weitere Beckenfragmente ist fraglich und zu welchem Individuum der rechte grün verfärbte distale Unterschenkel sowie die dazugehörenden Fußknochen gehören, kann vielleicht noch anhand der Beigaben archäologisch geklärt werden. Ein wesentlich robusteres und anatomisch anders geformtes linkes Tibiaschaftstück, ein mäßig robustes mittleres Femurschaftstück, sowie zwei unterschiedlich robuste rechte Patellae sind ebenfalls nicht einem Individuum direkt zuzuordnen. Zusammenfassung Grab 344: Aus Grab 344 konnten anthropologisch die menschlichen Überreste von mindestens 4 erwachsenen Personen festgestellt werden. Individuum 1, das Skelett eines alten (60 80 Jahre) Mannes, Individuum 2, die unvollständigen Skelettreste einer jüngeren, jährigen Frau, Individuum 3, das Skelett stammt von einem jungen (20 25 Jahre) Mann, Individuum 4 das Skelett einer älteren, jährigen Frau. Durch die komplizierte Grab situation sind die Proben für die DNA Untersuchung nur für Individuum 1 und 3 eindeutig nachvollzieh- bar gewesen. Da die anthropologische Zuordnung mit Berücksichtigung der Kontaminationsgefahr erst nach der Probenentnahme erfolgte, war die Identifizierung der Individuen noch gar nicht geklärt. Der anthropologische Erstbefund (mindestens 4 Individuen, vermutlich mehr) konnte über die Erstellung der autosomalen genetischen Fingerabdrücke bestätigt und erweitert werden: Insgesamt konnten 5 verschiedene Individuen anhand ihrer individuellen DNA-Merkmalskombinationen festgestellt werden (siehe Tabelle 1), die morphologische (so weit möglich) und molekulare Identifizierung des biologischen Geschlechts war konsistent: Es konnten zumindest 3 Frauen und 2 Männer (Tabelle 1, Merkmal AMEL) festgestellt werden. Aufgrund der 5 individuellen auto somalen Merkmalskombinationen kann eine bio logische Verwandtschaft im Sinne einer Elternschaft zu 100 % ausgeschlossen werden (siehe Tabelle 2). Über alternative Verwandtschaftsverhältnisse kann an dieser Stelle keine Aussage getroffen werden, da nur von einem Individuum ein Y-chromosomales Teilprofil (paternale Linie) erstellt werden konnte und keine mitochondrialen Daten (maternale Linie) vorliegen. Aufgrund der vergleichsweise schlechten DNAQualität konnte nur für das Individuum 344-I ein Ychromosomaler Teilbefund erstellt werden (Tabelle 3). Eine Abfrage auf ergab 62 Treffer in vergleichbaren Einträgen (dies entspricht einer Frequenz von f=0, oder 1 aus 1396). Die 62 Übereinstimmungen verteilen sich wie folgt auf: Y-chromosomale Loci Individuum 344-I DYS 19 DYS389 DYS 390 DYS 319 DYS392 DYS Tabelle 3: Y-chromosomaler Befund für das Individuum 344-I Eurasische Metapopulation davon Europäische Metapopulation: davon Westeuropäische Metapopulation: und Osteuropäische Metapopulation: und Südosteuropäische Metapopulation: sowie Altaische Metapopulation: und Kaukasische Metapopulation: und Indo-Iransiche Metapopulation: Ostasiatische Metapopulationen: davon Japanische Metapopuation: und Sino-Tobetische Metapopulation:

128 Afro-Amerikanische Metapopulation: Amerind Metapopulation: Semitische Metapopulation: gemischte Metapopulation: Australische und Ost-Asiatische Metapopulationen Die ethnisch/geographische Abfrage ergab Überein stimmungen in Südostdeutschland, Ungarn/Rumä nien, Nordost-Spanien, Mittelitalien, Sizilien, Zen traltürkei und östliches Schwarzmeergebiet, wobei in den beiden letztgenannten die höchste Übereinstimmung gefunden wurde. Ethnisch-geographische Abschätzung der Individuen aus Grab 344, basierend auf den autosomalen Daten wie in Tabelle 1 mittels PopAffiliator2 (höchste Übereinstimmung fett hervorgehoben): Eurasien Naher Osten Afrika-Nord Afrika-Sub-Sahara Asien Individuum 344-I,9% 46,8% 34,9% 4,3% 1,2% Individuum 344-II 45% keine Angabe keine Angabe 53,3% 1,7% Individuum 344-III 39,4%,9% 23,8% 0,4% 23,4% Individuum 344-IV 46,7% 27,2% 25,2% 0% 0,9% Individuum 344-V keine Angabe möglich, zu wenig Merkmale typisierbar! Autosomale Loci Individuum Individuum Individuum Individuum Individuum 344-I 344-II 344-III 344-IV 344-V D8S79 D21S D7S820 CSF1PO D3S1358 TH01 1 D13S317 D16S539 D2S1338 D19S vwa TPOX D18S AMEL X X X X X D5S818 Y X Y X X FGA Tabelle 1: Individuelle autosomale DNA-Profile der Individuen aus dem Grab 344. Jede Zeile entspricht einer hochindividualisierten, gleichsam einzigartigen Merkmalskombination. Autosomale Loci D8S79 Individuum 344-I Individuum 344-II 13 Autosomale Loci D8S79 D21S D7S820 CSF1PO D3S1358 TH01 1 D13S317 D16S539 D2S1338 D19S43 Individuum 344-I Individuum 344-III Autosomale Loci D8S79 Individuum 344-I Individuum 344-IV Autosomale Loci D8S79 Individuum 344-I Individuum 344-V Autosomale Loci D8S79 Individuum 344-II Individuum 344-III 13 Autosomale Loci D8S79 Individuum 344-II Individuum 344-IV 14 Autosomale Loci D8S79 Individuum 344-II Individuum 344-V 10 Autosomale Loci D8S79 Individuum 344-III Individuum 344-IV Autosomale Loci D8S79 Individuum 344-III Individuum 344-V Autosomale Loci D8S79 Individuum 344-IV Individuum 344-V D21S D21S D21S D7S820 CSF1PO D3S1358 TH01 1 D13S317 D16S539 D2S D7S CSF1PO D3S1358 TH01 1 D13S317 D16S539 D2S D3S1358 TH01 1 D13S D21S D21S D7S D7S CSF1PO D19S D19S D3S1358 TH01 1 D13S317 D16S539 D2S1338 D19S D3S1358 TH01 1 D13S317 D16S539 D2S1338 D19S D3S1358 TH01 1 D13S317 D2S1338 D19S D21S D7S TH01 1 D13S317 D16S539 D2S D3S1358 TH01 1 D13S CSF1PO 9 7 D16S D7S820 CSF1PO D3S1358 D21S D7S820 CSF1PO D16S D21S CSF1PO D2S1338 D19S D7S820 CSF1PO D16S D21S CSF1PO D7S D19S D19S D3S1358 TH01 1 D13S317 D2S1338 D19S D16S539 D2S vwa vwa vwa vwa vwa vwa vwa vwa vwa vwa TPOX TPOX 8 8 TPOX TPOX D18S D18S D18S D18S TPOX TPOX TPOX D18S D18S D18S TPOX TPOX D18S D18S TPOX D18S AMEL X X Y X AMEL X X Y Y AMEL X X Y X AMEL X X Y X AMEL X X X Y AMEL X X X X AMEL X X X X AMEL X X Y X AMEL X X Y X AMEL X X X X D5S818 D5S818 D5S818 D5S818 D5S818 D5S818 D5S818 D5S818 D5S818 D5S818 FGA FGA FGA FGA FGA FGA FGA FGA FGA FGA Tabelle 2: Paarweiser Vergleich der autosomalen Merkmalskombinationen der Individuen aus dem Grab 344; Im Falle einer möglichen elterlichen Verwandtschaft muss in jedem der Merkmale (z. B. D8S79, D21S, etc.) zumindest einer der beiden aufgeführten Allel-Werte übereinstimmen. Auch wenn einzelne Allelwerte übereinstimmen ist Falle einer Nicht-Übereinstimmung schon bei einem einzigen Merkmal eine elterliche Verwandtschaft zu 100 % auszuschließen. Nicht-Übereinstimmungen (sog. Ausschlüsse) sind fett unterstrichen dargestellt, steht für ohne Befund die DNA-Qualität beim Individuum 344-V erlaubte lediglich die Erstellung eines Teilprofils. 8

129 Kasuistik #2: Das Grab 376 Die Bestattung 376 (Putzenfeld am Dürrnberg, Hallein) wurde im Jahr 2003 archäologisch erschlossen (siehe Abb. 5 und 6). Neben den menschlichen Überresten konnte eine Reihe von Keramikbruchstücken sowie einige Schmuckgegenstände festgestellt werden. Grab 376 Individuum 1 stammt von einem Mann, der zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr verstorben ist. Er war vermutlich um die 173 cm groß. Das relativ vollständi- ge aber sehr stark zerbrochene Skelett hat einen robusten Knochenbau. Die Knochenoberfläche ist teilweise erodiert. An den Oberschenkelköpfen sind so genannte Reiterfacetten ausgebildet. Das Sterbealter ist durch die offenen Schädelnähte, die geringe Zahn abrasion aber auch durch die bereits verschlossenen Wachstumsfugen als junges adultes Individuum zu definieren. Alle Merkmale des Beckens und die meisten Merkmale des Schädels sind eindeutig männlich ausgeprägt. Das Unterkiefer und das Os zygomatikum sind dagegen eher grazil. Auffallend an dieser Bestattung war die inkohärente Geschlechtsidentifizierung: Aus archäologischer Sicht (bewertet anhand der Beigaben) ist die Bestattung als weiblich anzusprechen. Morpho metrisch und molekularbiologisch (Tabelle 4, Merkmal AMEL, Tabelle 5, Y-chromosomale Merkmalskombination) ist hier aber eindeutig von einem biologisch männlichen Individuum auszugehen. Dies ist insofern bemerkenswert, zumal hier zwischen sozialem und biologischem Geschlecht differenziert worden sein dürfte! Eine Abfrage auf ergab 33 Treffer in vergleichbaren Einträgen (dies entspricht einer Frequenz von f=0, oder 1 aus 2569). Die 33 Übereinstimmungen verteilen sich wie folgt auf: Abb. 5: Übersichtsaufnahme Grab 376, Putzenfeld, Dürrnberg bei Hallein, Moser, 2007 Eurasische Metapopulation davon Europäische Metapopulation: davon Westeuropäische Metapopulation: und Osteuropäische Metapopulation: und Südosteuropäische Metapopulation: sowie Altaische Metapopulation: Afro-Amerikanische Metapopulation: Amerind Metapopulation: Semitische Metapopulation: gemischte Metapopulation: Australische, Ost-Asiatische und pazifische Metapopulationen Abb. 6: Umzeichnung Grab 376, Putzenfeld, Dürrnberg bei Hallein, Moser, 2007 Autosomale Loci D8S79 D21S D7S820 Individuum CSF1PO ()? D3S1358 TH01 1 D13S317 D16S539 D2S1338 D19S vwa TPOX 8? D18S51 (17)? AMEL X Y D5S818 FGA 21? Tabelle 4: Autosomale Merkmalskombination, Individuum 376 Y-chromosomale Loci Individuum 376 DYS391 DYS389I DYS439 DYS389II DYS DYS437 DYS19 DYS392 DYS393 DYS390 DYS /14 Tabelle 5: Y-chromosomale Merkmalskombination, Individuum 376 9

130 Die ethnisch/geographische Abfrage ergab Übereinstimmungen in Mittel- bis Nordosteuropa, Iberische Halbinsel (Süd-Westen), Sizilien und Zentraltürkei, wobei in Sizilien die höchste Übereinstimmung gefunden wurde. Individuum 376 Ethnisch-geographische Abschätzung des Individuums aus Grab 376, basierend auf den autosomalen Daten wie in Tabelle 4 mittels PopAffiliator2 (höchste Übereinstimmung fett hervorgehoben): Eurasien Naher Osten Afrika-Nord Afrika-Sub-Sahara Asien 97% 0,5% 0% 0% Kasuistik #3 Der Mitterkirchner Papi...Das Gräberfeld von Mitterkirchen (Leskovar 1998) wurde in den Jahren von 1981 bis 1990 unter der Leitung von Manfred Pertlwieser und Vlasta Tovornik unter reger Beteiligung von Mitarbeitern des Oberösterreichischen Landesmuseums archäologisch erschlossen. Für eine DNAAnalyse wurden, ausgehend vom archäologischen Befund, 5 Individuen ausgewählt und beprobt um anhand einer DNAAnalyse das biologische Geschlecht und die Verwandtschaftsverhältnisse zu bestimmen. Die ovale Grabkammer (HU-X) enthielt eine Doppelbestattung (HÜ-X/2-A und HÜ-X/2B) sowie ein Wagengrab einer (höchstwahrscheinlich) weiblichen Person (HÜ-X/1). Neben diesen bemerkenswert reichhaltig ausgestatteten Bestattungen fand sich ein beigabenloses Hockergrab (HÜ-X/H). Weiters wurden Proben von der ebenfalls reich ausgestatteten benachbarten Zentralbestattung (HÜ-I/8 siehe Abb. 7 und 8) genommen.... aus: Sonius #07, 2010 (Kiesslich 2004; CemperKiesslich et al. 2010). Von den 5 untersuchten Individuen konnte für ein Individuum HÜ/I-8, männlich, siehe Tabelle 6 und 7 ein komplettes und für ein weiteres Individuum HÜ/X/1, weiblich, siehe Tabelle 6 ein partielles DNA-Profil erstellt werden. Der interindividuelle Abgleich der Allelwerte der typisierbaren Marker er Autosomale Loci Individuum HÜ-I/8 Individuum HÜ-X/1 D8S D21S D7S820 CSF1PO D3S gab, dass mit 99,2232 % Wahrscheinlichkeit zwischen diesen beiden Individuen eine Elternschaft bestand (Alternativhypothesen: 0,7287 % Geschwister und weniger als 0,0481 % für eine zufällige Übereinstimmung / Nicht-Verwandtschaft).Weiters konnte für das Individuum HÜ/I-8 ein kompletter Y-chromosomaler Fingerabdruck erstellt werden. Eine Abfrage auf ergab 107 Treffer in vergleichbaren Einträgen (dies entspricht einer Frequenz von f=0, oder 1 aus 792). Die 107 Übereinstimmungen verteilen sich wie folgt auf: Eurasische Metapopulation davon Europäische Metapopulation: davon Westeuropäische Metapopulation: und Osteuropäische Metapopulation: und Südosteuropäische Metapopulation: sowie Kaukasische Metapopulation: und Indo-Iranische Metapopulation: Afrikanische Metapopulation: Amerind Metapopulation: gemischte Metapopulation: Australische, Ost-Asiatische und pazifische Metapopulationen TH01 1 D13S317 D16S ,5% D2S D19S vwa TPOX 8 9 D18S AMEL X X Y X D5S818 FGA Tabelle 6: Autosomale Merkmalskombinationen, Individuen HÜ-I/8 und HÜ-X/1; übereinstimmende Allelwerte sind je Merkmal fett und unterstrichen hervorgehoben. Y-chromosomale Loci Individuum HÜ-I/8 DYS391 DYS389I DYS439 DYS389II DYS DYS437 DYS19 DYS392 DYS393 DYS390 DYS /14 Tabelle 7: Y-chromosomale Merkmalskombination, Individuum HÜ-I/8 130

131 Abbildung 7: Übersichtsaufnahme Grab HÜ-I/8, Mitterkirchen, Oberösterreich, Leskovar, 1998 Die ethnisch/geographische Abfrage ergab Übereinstimmungen in Zentraleuropa, Osteuropa, im nördlichen Italien, auf den Balearen und im östlichen Schwarzmeergebiet, wobei die höchste Übereinstimmung auf den Balearen und im ungarisch-rumänischen Grenzgebiet und im der östlichen Schwarzmeerregion gefunden werden konnte. Abbildung 8: Umzeichnung Grab HÜ-I/8, Mitterkirchen, Oberösterreich, Leskovar, 1998 Ethnisch-geographische Abschätzung der Individuen HÜ-I/8 und HÜ-X/1, basierend auf den autosomalen Daten wie in Tabelle 6 mittels PopAffiliator2 (höchste Übereinstimmung fett hervorgehoben): Eurasien Naher Osten Afrika-Nord Afrika-Sub-Sahara Asien Individuum HÜ-I/8 58,2% 15,5% 18,3% 0,2% 7,7% Individuum HÜ-X/1 84,4% 4,8% 2,1% 6,3% 2,4% Diskussion Das Potential autosomaler und gonosomaler genetischer Marker als Indikator für die ethnische Zugehörigkeit darf für rezente Populationen mittlerweile als hinlänglich demonstriert angesehen werden (z. B. Bulayeva et al. 2003; Fosella et al. 2004; Willuweit, Roewer 2007). Ein bestimmter Genotyp (autosomale Merkmalskombination) oder Haplotyp (Y-chromosomale oder mitochondriale Merkmalskombination) wird in einer Datenbank auf Häufigkeit und Verortung abgefragt, wobei sich das Ergebnis auf rezente, ca Jahre zurückreichende Analysen bezieht. Die Anwendung dieses Prinzips auf historische Individuen bzw. deren genetische Konstitution hat in manchen Einzelfällen (z. B. Ricaut et al. 2004; Vernesi et al. 2004; Williams 2005; Cemper-Kiesslich, Zink 2009) den Gesamtbefund essentiell bereichert darf aber keinesfalls unhinterfragt bleiben! Findet sich für ein (prä)historisches Individuum ein ethnisch-geographisches Korrelat in einer dieser (rezenten) Datenbanken, sind aus Sicht der Autoren in diesem Kontext einige prinzipielle Unwägbarkeiten zu bedenken: Haben sich die Nachfahren des historischen Individuums dort, wo heute die höchste Übereinstimmung gefunden wurde, niedergelassen und vermehrt? Oder entstammt die betreffende Person einer Population, die seit grauer Vorzeit, also Jahrhunderte bis Jahrtausende vor ihrer Lebenszeit, in dem betreffenden Raum gelebt hat und deren genetische Besonderheiten bis heute nachzuweisen sind? Welche Rolle spielen individuelle und massenhafte Migrationsereignisse (wie z.b. die Völkerwanderung im frühen Mittelalter)? 131

132 Zufällige Übereinstimmungen (prä)historischer In di viduen mit heutigen Populationen. Die untersuchten Individuen sind nicht für die Bezugspopulation bzw. Ethnie repräsentativ (Zu wanderer?). Welche Rolle spielen molekularbiologisch-evolutionäre Faktoren wie Gendrift oder sog. bottlerneck -Effekte (Seuchen, Hungersnöte, Kriege etc.) Die verwendeten Daten sind keineswegs vollständig und bilden die tatsächlichen Verteilungsmuster nur teilweise wirklichkeitsgetreu ab. Manche Gegenden sind bis dato überhaupt noch nicht erfasst. Folglich kann eine DNA-basierte Abschätzung des ethnisch-geographischen Hintergrundes einer Person ( ethnic estimation Fosella et al. 2004; Pereira et al. 20; Williams 2005; Willuweit, Roewer 2007) bestenfalls eine Ergänzung zu anderen Daten wie Tracht, Schmuck-, Waffen- oder Keramik-Typologien, die herkömmlicherweise für die Beschreibung einer ethnisch-kulturellen Entität herangezogen werden, liefern. In dieser Studie wurde versucht, anhand von einigen wenigen Individuen aus zwei verschiedenen, in der allgemeinen Diskussion und Rezeption auch als keltisch bezeichneten Fundzusammenhängen, ein exemplarisches Muster herauszuarbeiten. Ausgehend von den Daten, welche sich auf die heutige Verteilung Y-chromosmaler Muster beziehen, konnte für das Individuum 344-I der zentraltürkische Raum und das östliche Schwarzmeergebiet; für das Individuum 376 Sizilien; und für das Individuum HÜI/8 die Balearen, Norditalien und bemerkenswerterweise wie bei 344-I die östliche Schwarzmeerregien als Herkunftsgebiet eingeschätzt werden. Die Ergebnisse der autosomalen Datenabfrage bei zeigte für 344-II, 344-III und 344-IV, für 376 (97%!) sowie für 132 HÜ-I/8 und HÜ-X/1 jeweils die höchste Übereinstimmung in der Eurasischen Population. Lediglich 344-I fällt mit einer höchsten Übereinstimmung von 46,8% im Nahen Osten gefolgt von Nord-Afrika mit 34,9% aus diesem groben Schema deutlich heraus was bemerkenswerterweise mit dem Y-chromosomalen Befund (Zentraltürkei und Schwarzmeergebiet) auffällig korreliert. Schlussbemerkung Die in dieser Arbeit präsentierten Daten und daraus abgeleiteten ethnisch geographischen Korrelate dürfen keinesfalls als repräsentativ angesehen werden, ins besondere weil sich die Verortungen auf rezente Referenzdatensätze beziehen. Eine valide(re) Verortung würde zu den beiden geographischen Dimensionen noch eine dritte, die Zeit, erfordern: Aufgrund einer biostatistischen Abschätzung anhand rezenter menschlicher Populationen (Butler 2005: ) sind ca. 200 (mindestens 100) nicht verwandte Individuen für die Erstellung einer aussagekräftigen Populationsstatistik erforderlich. Außerdem ist nach wie vor ungeklärt (Collis 2003: ) ob es sich bei den von der heutigen prähistorischen Forschung als keltisch bezeichneten Populationen und Gesellschaften wirklich um eine ethnische, und damit auch genetisch fassbare Einheit gehandelt hat bzw. ob der Terminus Kelten überhaupt noch verwendet werden sollte. Danksagung Die Laborarbeiten am IFFB Gerichtsmedizin der Universität Salzburg für diese Studie wurden aus Mitteln der TuBa-Privatstiftung finanziert. Dieser Artikel ist Dir. Mag. Kurt W. Zeller gewidmet.

133 Literatur Bulayeva, K., Jorde, L. B., et al. (2003), Genetics and population history of Caucasus populations. Hum Biol 75(6): Butler, J. M. (2005), Forensic DNA typing: Biology, Technology and Genetics of STR markers. Amsterdam; Boston, Elsevier Academic Press, Chaptes 19 & 20. Bruzek J. (2002), A Method for Visual Determination of Sex, Using the Human Hip Bone. Am. Journ. of Phys. Anthrop. 7: Cemper-Kiesslich, J., Zink, A. (2009), Adalbert & Ottokar Die Tegernseer Klosterbrüder? Eine archäometrische Bestandsaufnahme als alternative Methode historischer Quellenkritik. In: Huber, W., Risy, R. [eds.] St. Pölten, Diözesanmuseum St. Pölten, Katalogbuch zur Sonderausstellung des Diözesanmuseums St. Pölten in Kooperation mit dem Österreichischen Archäologischen Institut: Cemper-Kiesslich, J., Neuhuber, F., et al. (2010), Der Mitterkirchner Vaterschaftstest 2700 Jahre alte Spuren von Erbsubstanz werfen ein neues Licht auf die früheisenzeitlichen Gräber von Mitterkirchen, Oberösterreich. Sonius, Archäolog. Botschaften aus Oberösterreich 07: 5 6. Cemper-Kiesslich, J., Schwarz, R., et al. (20), Dialysis vs. Qiagen M48 Two Alternative Procedures for Purifying Ancient DNA from Bone and Teeth Extracts. In: Cemper-Kiesslich, J. et al. [eds.] Tagungsband zum Zweiten Österreichischen Archäometriekongress, 13. & 14. Mai Salzburg: 1 4. Collis, J. (2003). The Celts: origins, myths & inventions. Stroud, Gloucestershire, Tempus. Ferembach, D., Schwidetzky, I., Stloukal, M. (1979), Empfehlungen für die Alters- und Geschlechtsdiagnose am Skelett. Homo 30: Fosella, X., Marroni, F., et al. (2004), Assigning individuals to ethnic groups based on 13 STR loci. Progress in Forensic Genetics 10 61: Höger, A.M. (2002), Amulette als Beigaben in Gräbern am Dürrnberg bei Hallein. Eine archäologisch-paläopathologische Studie. Dissertation. Universität Wien, Wien. Hummel, S. (2003), Ancient DNA Typing Methods, Strategies and Applications. Berlin, Heidelberg, New York. Kiesslich, J., Radacher, M., et al. (2002), On the Use of Nitrocellulose Membranes for Dialysis-mediated Purification of Ancient Teeth and Bone Extracts. Ancient Biomolecules 4(2): Kiesslich, J., Neuhuber, F., et al. (2004), DNA Analysis on Biological Remains from Archaeological Findings Sex Identification and Kinship Analysis on Skeletons from Mitterkirchen, Upper Austria. In: Karl, R., Leskovar, J. [eds.], Interpretierte Eisenzeiten Fallstudien, Methode, Theorie Tagungsbericht der 1. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie, Linz, Oberösterreichisches Landesmuseum. 18: Kiesslich, J., Schwarz, R., et al. (2006), First Experiences Using The Powerplex Y System in Ancient Nuclear DNA Genotyping. Identity (Summer 2006): 1 3. Kósa, F., (1989), Age estimation from the fetal skeleton. In Age markers in the human skeleton. In: M.Y.Iscan, Charles, C. [ed.], Thomas Publisher, Springfield, Illionois, U.S.A., Chapter 2: Leskovar, J. (1998), Drei Wagengräber im hallstattzeitlichen Gräberfeld von Mitterkirchen / OÖ. (Die DNA-Analysen Geschlechtsbestimmungen). Diplomarbeit, Universität Wien, Wien: 5 8. Pereira, L., Alshamali, F., et al. (20), PopAffiliator: Online calculator for individual affiliation to a major population group based on 17 autosomal short tandem repeat genotype profile. Int J Legal Med 5(5): Ricaut, F. X., Keyser-Tracqui, C., et al. (2004), Genetic analysis and ethnic affinities from two Scytho-Siberian skeletons. American Journal of Physical Anthropology 3(4): Schilz, F., Schmidt, D., et al. (2006), Automated Purification of DNA from Bones of a Bronze Age Family Using the BioRobot EZ1 Workstation. Qiagen Application Note 02/2006: 1 6. Schultz, M. (1988): Paläopathologische Diagnostik. In: Knußmann, R., [ed.], Anthropologie Handbuch der vergleichenden Bio logie des Menschen. Band I, 1: Sjøvold, T. (1990), Estimation of stature from long bones utilizing the line of organic correlation. Human Evolution Vol. 5 N.5: Szilvássy, J. (1988), Altersdiagnose am Skelett. In: Knußmann, R. [ed.], Anthropologie Handbuch der vergleichenden Biologie des Menschen. Band I, 1: Vernesi, C., Caramelli, D., et al. (2004), The Etruscans: a population-genetic study. Am J Hum Genet 74(4): Williams, S. R. (2005), Ethnicity, kinship, and ancient DNA. In: Us and Them: Archaeology and Ethnicity in the Andes 53: Willuweit, S., Roewer, L. (2007), Y chromosome haplotype reference database (YHRD): update. Forensic Sci Int Genet 1(2):

134 134

135 Archäologische Interpretationen Anthropologische Fakten Karin Wiltschke-Schrotta Zusammenfassung Das Bild der Kelten als heroische Krieger, reiche Salzherren und Fürsten soll mit den anthropologischen Ergebnissen der latènezeitlichen Bevölkerung vom Dürrnberg hinterfragt werden. Mit anthropologischen Untersuchungen an den menschlichen Überresten dieser Bevölkerung versuchen wir vorerst ein vom Mythos unabhängiges Bild zu schaffen. Unser Ziel ist es mit verschiedenen Analysen Fragen zur Demographie,Verwandtschaft, Arbeitsbelastung und zum Gesundheitszustand zu beantworten. Erst das Zusammenspiel dieser Daten mit den Ergebnissen anderer Disziplinen ermöglicht es neue, komplexere Fragen zu stellen und das überlieferte Bild der Kelten zu testen. So manch gängiges Klischee mag vielleicht für die Kelten vom Dürrnberg zutreffen. Umso spannender ist es, wenn aufgrund der interdisziplinären Befunde revidierte oder neue Bilder der damaligen latenézeitlichen Bevölkerung entstehen. Abstract The perception of the Celts as heroic warriors, rich salt miners or dukes form Hallein Dürrnberg is to be proofed with the means of physical anthropology.the anthropological investigations of the human remains give us a scientific approach to this population primarily independent from the cultural aspects. Our aim is to give insight in demographical changes, familiar relationships, epidemiological aspects and workload of this population. As a base, the derived anthropological data have to be connected with the results of other disciplines, especially the archaeological data.this is the premise to answer more complex questions and to review the public perception of the Celts from Dürrnberg. 135

136 Einleitung Die Aufarbeitung der menschlichen Überreste der Gräber des Dürrnberges stellt eine anthropologische Herausforderung dar. Die meisten Toten der früh latènezeitlichen Bevölkerung vom Dürrnberg wurden in Grabkammern aus Holz mit Bodenbrettern und zahlreichen mehr oder weniger wertvollen Grab beigaben bestattet. Neben Waffen- und Nah rungs gaben wurden den Toten auch wertvolle Schmuck stücke mitgegeben, die oft im Zuge des weit verbreiteten antiken Grab raubes gestohlen wurden. In manchen Fällen lassen gezielt angelegte Beraubungstrichter auf eine Beraubung kurz nach der Grablegung schließen. Auch die unnatürliche anatomische Position mancher Toten deutet auf eine noch im Sehnenverband erfolgte Dislokation hin. Neben dieser Art der Grabstörung kam es auch durch Nachbestattungen zu Veränderungen der ursprünglichen Grabsituationen. So wurden bei einer weiteren Belegung einer Grabkammer oftmals die menschlichen Überreste einer älteren Bestattung an den Rand der Kammer gelegt. Bei manchen Gräbern konnte die Errichtung einer neuen Grabkammer, über der alten, vermutlich zerfallenen, beobachtet werden. Im Laufe der Zeit verfiel auch diese und durch den Bodendruck wurde alles verdichtet. Weitere Störungen in Form von späteren Beraubungen oder rezenten Bautätigkeiten führten zu stark vermengten und komplexen Grabsituationen. So war es oftmals während der Ausgrabung unmöglich die Anzahl der Bestatteten in einem Grab festzustellen, da manchmal verschiedene Horizonte durch die Verwitterung nur schwer auseinanderzutrennen waren. Störungen und Beraubungen, aber auch bewusst auf die Seite gelegte Skelettreste, betrafen meist mehrere Individuen. Erst durch die anthropologische Analyse eines gesamten Grabkomplexes konnte auf eine Mindestindividuenzahl geschlossen werden. Diese Daten sind notwendig um das Ausmaß der Vermengung festzustellen, und hilfreich bei der Interpretation der Grabsituation. So kann es vorkommen, dass ein Knochenpaket archäologisch interpretiert als von einem pietätvoll beiseite geräumten Individuum (Grab 343, Moser 2010) Reste von drei unterschiedlichen Individuen repräsentierten. Auch die anthropologische Geschlechtsbestimmung ist vor allem bei atypisch bestatteten Individuen von 136 I nteresse. Die vermutete Frauenbestattung aus dem Grab 376 (Moser 2007), wurde als anthropologisch eindeutig männlich bestimmt. Eine unabhängige DNAAnalyse (s. Cemper-Kiesslich Beitrag in diesem Band) bestätigte, dass es sich um die Überreste eines Mannes handelte. Diese zwei exemplarischen Beispiele zeigen wie wichtig es ist, speziell bei den komplexen Grabbefunden vom Dürrnberg, eine interdisziplinäre Auswertung durchzuführen und gemeinsam den Befund zu interpretieren. Aktuelle Ansätze Am Beispiel der 1981 gegrabenen Gräbergruppen Kammelhöhe und Sonneben (Zeller 1981) wird aufgezeigt, wie eine Aufarbeitung von Altmaterialien funktionieren kann und wie wichtig es ist die Daten der Archäologie mit der Anthropologie zusammenzuspielen. Jede Disziplin erhebt zunächst ihre eigenen Daten zu den jeweils vorliegenden Befunden. Danach wurden die anthropologisch und die archäologisch definierten Individuen anhand der Grabungsdokumentation zusammengeführt und erhielten ihre neue Individualnummer. Weiters erfolgte eine Korrelation der anthropologischen Geschlechts- und Sterbealtersbestimmungen mit den im Grab vorhandenen Grabbeigaben. Daraus ergab sich eine grobe zeitliche Abfolge und der Grabbefund konnte neu interpretiert werden. Erst die Kombination der Daten ermöglicht sinnvolle Aussagen. Dieser Vorgang soll am willkürlich herausgegriffenen Beispiel des Grabes Kammelhöhe 216 kurz veranschaulicht werden. Nach der anthropologischen Untersuchung konnten aus Grab 216 Reste von zumindest drei Individuen festgestellt werden. Von Individuum 1 waren nur die durch Metalloxyde grün verfärbten Skelettreste der Unterarmknochen und der Beinknochen eines jährigen Individuums erhalten, bei dem das Geschlecht anhand der vorhandenen Knochen nur als indifferent beschrieben werden konnte.von Individuum 4 waren zwei lose grün verfärbte Zähne, ein linker oberer erster Schneidezahn und der linke obere Eckzahn, ein eher robustes ebenfalls grün verfärbtes Knochenfragment und ein graziles Schienbeinfragment eines jährigen Individuums vorhanden.

137 Diese Knochenreste oder Teile davon könnten theoretisch auch von Individuum 2 oder 5 stammen, wurden aber als ein Individuum geborgen und abgepackt. Weiters war aus diesem Grab 369 Gramm Leichenbrand erhalten, der als Individuum 3 bezeichnet wurde. Dieser stammte von einer jährigen Person, deren Geschlecht unbestimmbar war. Unter den Schädel- und Langknochenresten waren auch einige verbrannte Tierknochensplitter zu finden. Die archäologische Grabungsdokumentation spricht von einem Grab mit mindestens zwei Bestattungshorizonten. In der gemeinsamen Auswertung sind Stefan Moser, Georg Tiefengraber und die Autorin für dieses Grab zu folgendem Befund gekommen: Der Leichenbrand (Individuum 3) ist vermutlich die älteste Bestattung dieser Grabkammer. Er datiert nach den Beigaben in die Hallstattzeit. Archäologisch ist weiters eine Waffenausstattung (Schwert, Helm, Pfeile) eines Latène A-zeitlichen Mannes vorhanden (Individuum 2) von dem aber keine menschlichen Überreste erhalten sind. Ebenfalls nach Latène A datiert ein Frauenarmreif, zu dem die Knochenreste von Individuum 4 gehören könnten. Die zwei Latène A Bestattungen dürften für die Nachbestattung eines weiteren Mannes (Individuum 5) aus der Latène B Zeit auf die Seite geräumt worden sein. Diese Bestattung wurde jedoch antik stark beraubt und ist bis auf wenige archäologische Reste einer Schwertscheide und ev. eines Lanzenschuhs komplett zerstört; es sind keine Skelettreste erhalten. Der mit Steinen verfüllte Beraubungstrichter in der Kammermitte war gut zu erkennen und ist archäologisch dokumentiert worden. In der Latène C Zeit ist eine neue, etwas kleinere und versetzte über der alten Grabkammer liegende Grabkammer angelegt worden. In dieser lagen fast ungestört die Reste einer durch Arm- und Fußringe definierten weiblichen Bestattung (Individuum 1). Durch das Zusammenspiel der Daten erweiterte sich die Mindestanzahl der in diesem Grab beigesetzten Individuen von den drei anthropologisch greifbaren auf fünf anthropologisch/archäologisch nachweisbare Individuen. Durch die Chronologie der Grabbeigaben kann auf eine Nutzung der ursprünglichen Grabkammer für mindestens vier Individuen zu mindestens drei unterschiedlichen Zeitpunkten geschlossen werden. Die in Latène C neu angelegte Grabkammer oberhalb der alten wurde dagegen nur einmal genutzt. Leider sind die menschlichen Überreste zu schlecht erhalten um Aussagen über etwaige Verwandtschaft machen zu können. In ähnlicher Weise wurde jedes einzelne Grab der Gräbergruppen Kammelhöhe/Sonneben ausgewertet. Bei den insgesamt 23 Gräbern ließen sich 50 Individuen anthropologisch auswerten, und es konnten anthropologisch und/oder archäologisch 66 bestattete Individuen nachgewiesen werden. Schlussfolgerung Dieser kleine Beitrag soll die Komplexität der Dürrnberger Gräber aufzeigen und stellt einen Ansatz zur interdisziplinären Aufarbeitung der Befunde vor. Es ist ein Plädoyer für die Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen bezüglich der Auswertung und Präsentation der dokumentierten Nekropolen der hallstatt- und latènezeitlichen Bevölkerung vom Dürrnberg. Danksagungen Größter Dank ergeht für die Zusammenarbeit mit den Archäologen an K. Zeller, St. Moser und G. Tiefengraber und für die Hilfe bei der Aufarbeitung der menschlichen Überreste an A.M. Höger, M. Berner, M. Daghighi. 137

138 Gräbergruppe Kammelhöhe/Sonneben Gesamtgeschlecht Altersgruppe Frau Mann indiff. Infans I unbest. Keine Angaben möglich 2 Gesamt ergebnis 2 Infans II Infans II-Juvenis Juvenis Juvenis-adult Adult 6 10 Adult-matur 2 3 Matur 1 3 Juvenis-senil Infans 2 1 keine Angaben möglich 2 7 Gesamtergebnis 16/ 24% 26/ 39% 2/ 3% 17/ 26% 1 3 5/ 6% 66/100% (Infans I 0-6 Jahre, Infans II 7-13 Jahre, Juvenis Jahre, Adult Jahre, Matur Jahre, Senil > 60 Jahre, Infans 0-13 Jahre) Tab.: Demographischer Überblick der aus den Gräbern Kammelhöhe/Sonneben bestatteten Menschen (Daten zum Gesamtgeschlecht bestehen aus den anthropologischen und archäologischen Bestimmungen). Literatur Moser, St. (2007), Dürrnberg Grab 376 Der archäologische Befund. Karl, R., Leskovar, J. [Hrsg.], Tagungsbeiträge der 2. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich Folge 19. Linz: (2010), Die Kelten am Dürrnberg Eisenzeit am Nordrand der Alpen. Schriften aus dem Keltenmuseum Hallein, Band 1. Hallein. Moser, St., Tiefengraber G., Wiltschke-Schrotta K. (20) Der Dürrnberg bei Hallein. Die Gräbergruppen Kammelhöhe und Sonneben. Dürrnberg Forschungen Bd. 5. Leidorf Rhaden/Westf. Zeller, K. (1981), Die Grabungen auf der Kammelhöhe. FÖ 20. Wien:

139 The ways to use the Boii Jan Kysela Abstract* The present paper tries to resume necessarily in a quite cursory manner the ways in which the Celts were perceived as an element of Bohemian history.the attitudes studied will be prevalently those of scholars historians and archaeologists rather than laypeople. The quick survey of the changing opinions illustrates very variable attitudes throughout history. I would argue, that they often reflect specific historical, social or intellectual atmosphere. Despite that we can never talk about conscious manipulation but rather different ways of perception and employment of data. Zusammenfassung In diesem Artikel wird gezungenermaßen eher kursorisch versucht die Wahrnehmung der Kelten als Element der böhmischen Geschichte zusammenfassend darzustellen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Ansichten von Wissenschaftern Historikern und Archäologen und nicht der breiteren öffentlichen Wahrnehmung. Ein rascher Überblick der sich wandelnden Meinungen zeigt sehr unterschiedliche Vorstellungen in der wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung. Ich argumentiere, dass diese Veränderungen oft die spezifische historische, soziale oder intellektuelle Atmosphäre ihrer jeweiligen Entstehungszeit wiederspiegeln. Dennoch kann man nicht über eine bewusste Manipulation der Geschichte sprechen, sondern eher über verschiedene Arten die historischen Daten wahrzunehmen und zu verwenden. 139

140 1. Introduction I would like to present here several insights into the history of Czech research on the Iron Age. In all cases I chose examples, in which the historical or archaeological data gave rise to particular interpretations of the early history of Bohemia reflecting in one way or another the authors mental schemes, their specific positions and dispositions for the understanding of the past. With the terms positions and dispositions I make a deliberate reference to the terminology of P. Bourdieu (for the notion of scientific field see e.g. Bourdieu 2002/2004) for whom scientific (or any) practice reflects unconsciously the habitus of the social agent in question. Their agence is therefore a product of the given historical or social conditions. Bourdieu applies his notions always to agency, never to the products of this agency (modus operandi instead of opus operatum) therefore in the case of scientists or scholars he is interested in the way they make science instead of the scientific discourse they thus produce. I would argue, on the other hand that the agency and the discourse are mutually interconnected and that despite the radical claims of Bourdieu on the one hand, Foucault on the other, their visions of how science or knowledge functions, are complementary rather than strictly opposed (at the worst they each address a different sector of the production of knowledge). In this contribution I will not go so far as to attempt a discourse analysis of any kind: I will only present a (too) brief historiography of several concepts.thought from our present point of view, these may seem biased, I absolutely do not intend to accuse the authors of manipulations of evidence.on the contrary I would like to insist that these acts are unconcious and that only careful future analysis may fully clarify them. 1.1 The Czechs and the Boii The Czechs never had any doubt about their Slav origin. The Celts Boii, taken into account (on the grounds of paneuropean exegesis of ancient written sources) as one of the pre-slav peoples living in the Bohemian terrirory were never explicitly considered as an element, with which the Czechs would identify themselves genetically.when in 1886 the poet J. Zeyer 140 introduced the Celts into his mythological poem on arrival of the Czechs in Bohemia his effort was welcomed very coldly by critics as anti-patriotic (Fránek 2009: ). Even so, the Celts were available as an element which could and had to be wielded. 1.2 The sources The departure point of the studies we are going to encounter in the following pages is a rather limited number of ancient written sources which enable most ambivalent exegeseis.the sources mentioning the tribe of Boii (or directly or indirectly the territory of Boiohaemum) in Central Europe, listed in a chronological order of their creation include Caesar (BG I, 5, 41), Strabo (V, 1. 62, VII, 1, 33), Velleius Paterculus (2, ),Tacitus (Germania 285 a 426), Pliny the Elder (III, 1467), Agrippa (preserved only in the Late Dimensuratio provinciarum 188).With less certainty, Boii were recognised in the mention of Klaudios Ptoleimaios (II,, )of a mighty people of Baimoi. Besides a graffitto from Manching and the stem boi- in the ancient name of Passau Boiodurum, the Boic presence in central Europe is mainly attested by a lapidary inscription from Györ dated to the Imperial period9. In the middle ages, the word Boiohaemum may be identified in Einhard s report on the campaign against the Avars in 791 AD led by Charlemagne s sons per Behaimos10. These scarce, not contemporary, ineloquent and even contradictory statements allow only very approximative collocation of the tribe in a very widely defined zone of the Danubian Central Europe (which may include also Bohemia: for a very apt solution of the question see most recently Rieckohoff 2009: ). Another tribe placed by certain scholars in the territory of Bohemia (see e.g. Kruta in Kruta et al. [Hrsg.] 2006; Waldhauser 2001; Bouzek 2007) are the Volcae Tectosages. The single Caesar s (B.G.VI, 24, 1 3) mention on which they base themselves is extremely vague and hardly allows any certainty. 2. The historiography 2.1 The Germans Unlike the Polish and Hungarians, the Czech medieaval historians never abuse the names of ancient peoples

141 to link them with the early history of their nation. It is only in the 16th century that the Czech Humanists come to know the Boii and they are little hospitable to them: the only merit they allow for them is their eponymic role (Kuthen 1539/1929; Hájek 1541/ 1981: 36 43;Veleslavín 1585/1817: 62 65). For the rest, the Boii are for the 16th century Czechs (following mainly the Bavarian interpretation of the sources; e.g. Aventinus) an annoying German tribe fighting (unsuccessfully) the real hero of these writers: Marobuduus a kind of an ideal ruler, personification of Romanity and classical ideals.the ethnic status plays no part for these early writers: it is the country they glorify and it is not the Boii they need for it (Beneš 1993: 0 131). Intermezzo 1 Twenty years later in the work of J. Dubravius Boii become Gauls instead of Germans. One hundred years later Boii are recorded to have come down into Czech folk-lore (when Balbinus mentions them as founders of the hillfort of Závist). 250 years later (Pelcl 1791) Boii the Gauls constitute a firm component of Bohemian protohistory. 300 years later they are warmly embraced as pets of the Father of Czech history František Palacký (1833; 1848). For the first time he describes them as our Celts, a title that re-emerges until today (e.g. Bouzek 2007 passim). In his vision, the roles have reverted: Marobud is still a prominent figure, mainly thanks to his Roman education. It is on this and on the abilities of the subdued Boii that his empire is constructed. The Marcomans receive little of Palacký s attention. 2.2 The age of eminently national science: /1918 In the period around 1900, Bohemian archaeology is made relatively famous by the personality of J. L. Pí ˇc ( ) and his publication (and very peculiar interpretation) of the site of Stradonice. In Pí cˇ s opinion (contested by Déchlette (e.g. 1906) and all the rest of the scientific world) Stradonice was to be considered the very capital of Marobudus. The work where these opinions were most explicitly published (Pí cˇ 1903) made part of a large synthesis of Bohemian prehistory: a synthesis whose form and style was an object of a very serious dispute between Pí cˇ and scientists of a younger generation epitomized mainly by L. Niderle ( ). It is interesting to note, that despite the fierceness of the arguments, despite the fact, that Niderle s colleague Buchtela is capable of dating LT B1 burials to the 1st century BC- 1st century AD (simply to contradict Pí ˇc s opinion?), the issue of Marobud s capital is common to both schools. When we survey the opinions on the ethnicity of Stradonice inhabitants pronounced between the 1880 s and roughly WWI, we observe a neat division of opinions along ethnic lines : scholars from the whole of Europe (Almgren 1913; Bretholz 19; Déchelette 1901/1904; 1906; Dragendorf 1919; von Hochstetter 1878; Hoernes 1892; Menghin 1926; Reinecke 1928; Schuchhardt 1913; Schmidt 1913; Undset 1882;Voss 1878) side for the Boii while all the Czechs (Pí ˇc 1893; 1903; Nieˇ derle 1900, Buchtela 1910, Cervinka 1902; Novotný 1910; Matiegka 1917; Dubský 1918 quoted by Lutovská - Lutovský 2009: 268; Axamit 1919), no matter of their membership in this or that school stand for the Marcomans (the only exception is made by the amateurs Sn eˇ tina and Lipka). To understand, why it was so, we have to look in more detail into the doctrines of both schools. For Pí cˇ (e.g. Pí cˇ 1893), Bohemia is invaded in the 4th century by Celts Boii, who are around the middle of the 1st century BC expelled by the new-coming Slavs identical with the crematory Lusatian culture of NE Bohemia. Stradonice founded (by Marobuduus) around the turn of the era is for him the only site of this kind in Bohemia: a cultural island isolated in space and extremely short lived in time. After its decline, the Slavs continue their peaceful existence until the present. Niederle (1900) following the theses of Bertrand and Reinach (1894) or Niese (1898) identifies the Boii with the tumuli culture of southern Bohemia and promotes them thus to the role of one of the autochthonous peoples of Bohemia. Besides this, however, he agrees at this period with Pí cˇ in identifying the NE cremators with Slavs as well as with all the points of his interpretation of Stradonice. For neither of the scholars it is that much the Celts, who matter but 1) the proto-slavs in the north and 2) the negligible importance of the Marcoman/Germanic period of the Czech protohistory. The point is most 141

142 eloquently expressed by the words of one of Niederle s colleagues, the anthropologist J. Matiegka (1917: 0 and 4): Those, who occupy themselves with the Gallic problem admit, that the remains of the Boii survived in Bohemia and were absorbed into the later populace. It is probably less valid for the Marcomans whose reign was, apparently rather of a political nature and further We cannot expect a priori much evidence for the Marcomanic period in Bohemia.The role of the Celts in this game varies: while for Pí cˇ, the Boii (like the Marcomans) remain invaders, aliens, Niederle restituting the notion of our Celts remains basically positive about them, adopting them in a way to the pedigree of the country s population. We can illustrate this period also with an insight into the research of Czech Germans: the question of interpretation of the Marobud s period merits mainly a quotation of Bretholz s Geschichte Böhmnes und Mährens where Marobud is seriously entitled der erste Böhmenkönig, von dem uns die Geschichte meldet (Bretholz 19: 22 23). It has also to be stressed that the attitudes of Pí cˇ and (mainly) Niderle were still extremely sober in comparison with those of other contemporary Czech scholars who claimed slavinity (e.g. Jire cˇek 1892; Papá cˇek 1892) or respectively marcomanity (von Weinzierl 1899) for basically all the inhabitants of Bohemia since the earliest times. These positions remained alive until relatively late times: for the novelist E. Štorch (1932) even Marobuduus is a Slav. K. Sklená rˇ (2003) even mentions his early poems exalting Slav kings Mirobud and Jarovid (i.e. Marobuduus and Ariovistus). Intermezzo 2: The years around the WWI bring many changes in the structure, subjects and objects of the research: After the death of Pí cˇ in 19 and with the graduation of J. Eisner in the same year, a new scientific generation ascends. In the works written after the war mainly by E. Šimek (e.g 1923; 1934) and J. Schránil (1928; 1929), basically all the extravagant positions (slavinity of the Urnfields and their continuity up to the early middle ages, marcomanic Stradonice, the wrong date of flat LT graves) of the previous generation are abandoned. Though the period of the first historical peoples remains in the focus of their interest, the post-war generation takes up an extremely cautious, materi- 142 al-oriented position, methodological prudery, critical stance to the Kossina s school although their own theoretical position is basically not far form the Kossina s. The last sentence is in no way depreciatory: the ethnical paradigm constituted the chief intepretative framework of the period and the Czechoslovak archaeology fared well within it. It is only in the last years of the free republic that the old interpretation schemes reappear: L. Franz, the professor at the German university in Prague reintroduces Pí cˇ s high dating of oppida, mainly to demonstrate, that the Celts and Germans eine Zeitlang in Böhmen nebeneinander oder durcheinander gelebt haben, etwa so wie Deutsche und Tschechen heute. This eirenic vision, however, goes on: die Kelten in der Tschechoslowakei [ ] konnten sich auf die Dauer nicht mehr halten. Ihre Kultur ging unter, wie wir ja auch heute noch den an Ende doch vergeblichen Kampfen sehen, den Inseln der einen Be völkerung im Meere einer anderen führen. Ob das im Zusammenhang mit politischen Vorgängen geschehen ist bezüglich der Tschechislowakei unbekannt. Die Germanen drangen ja zwar sichtlich immer kraftvoller vor[. D]ie Kulturelle Erschlaffung, völkische Zersetzung und politische Ohnmacht Hand in Hand gehen und das Ende einer vorher glanzvollen Kultur- und Volkserscheinung besiegeln. Still in the 1930 s, the problems concerning the continuity of the Urnfield cultures are re-staged by J. Filip. In 1932 he distinguishes a small group of cremation burials found in Chocn eˇ jovice in Northern Bohemia (Filip s birthplace!) from the Germanic Kobyly group considering them a small group of the preceltic population surviving until the Celtic period. Later (Filip ) he broadens the idea of the survival of the Hallstatt period population (this time proto-celts) under the invading Celts also to central Bohemia. His complete research on Lusatian culture is published only after the war (Filip 1946) under an extremely telling title The Beginnings of the Slav presence in Czechoslovakia. 2.3 The Third Reich and the Fourth Gaul The pronouncements of the official (German) archaeology in the Protektorat Böhmen und Mähren are not

143 surprising (see e.g. Zotz 1941) and need not be treated here. The (ethnically) Czech scholars had few occasions to express themselves. The more remarkable is the Kronika objeveného v eˇ ku [The Chronicle of a Discovered Age] published by J. Böhm in This excelent synthesis of Czech prehistory was intended for the general public (principally the higher middle classes and intelligentsia) whose patriotic feelings it strives to reinforce by insisting on the link between the country (including its pre- and protohistory) and the people. The work offers after a long time an interesting evaluation of the role of Celts (though n.b. that Böhm prefers speaking about the La Tène culture) for the (proto)history of Bohemia and Europe. Böhm, juggling wittily with the caesarian Gallia divisa in partes tres, describes the transrhenan zone of La Tène culture as the Fourth Gaul (Böhm 1941: 401): where written sources are missing, it is the archaeology which more than entitles the territory to this noble label. What s more, the La Tène culture described in the modest dimensions of our homeland constitutes a third, so far not appreciated cultural tradition on which besides antiquity and christianism reposes the present culture and civilisation (ibidem: ). This affirmation repeats the conception of the meaning of the Czech history, developed by the historian J. Peka rˇ: Bohemia is rarely the focus of European history, it is however through its constant participation on the paneuropean cultural currents that it is inseparable from the European history. Böhm thus transposes the historical role of the Czechs to the La Tène period Bohemia. Intermezzo 3: In the post-war period, the Iron Age research in Bohemia undergoes radical changes as far as methods, means and objectives of the research are concerned. The attempts at propping up the system of Czech archaeology within a marxist ideological framework are extremely rare (Böhm 1958). In comparison with the previous period, studies in the Iron Age and early history do not flourish on the interpretation level. Despite much (much more useful) work done in fieldwork, classification, studies on economy etc., the historical or ethnological aspects receive relatively little attention of the new generations of archaeologists. An- swers to these questions (obviously still considered inevitable to mention though not necessary to study) are codified by two books (Filip 1956; Dobiáš 1964) and further hallowed in the voluminous synthesis of Czech prehistory (Filip in: Pleiner [Hrsg] 1978) whose conclusions were destined to remain alive for the following 40 or 50 years. It is therefore not precise to speak about Jan Filip s school (Rieckhoff 2009: ) since ethnical problem have only a marginal importance for Filip s direct pupils while the scholars who most (and most heteroclitically) occupied themselves with this set of problems (mainly V. Kruta and J. Waldhauser) come from the school of Brno. 2.4 Back to Europe It is in the 1980 s and mainly after the fall of the communist regime that a new interest arises in the Celts. Most obviously a short-lived celtomanic vogue passes through the general public: the usual bunch of attributes is present including reenactment, celebration of Celtic feasts in the carcass of the Závist Acropolis, and for the first time also pronouncements of descending of the Czechs from the Celts, even filling in Celtic into the cell nationality in census-forms. We can link this phenomenon simply with the mood of the time, coupling accute search for roots connected with a general aversion towards everything Slav and oriental: the very motto of the time return to Europe implies that the Soviet-imposed regime was considered as something extremely alien, oriental, asiatic (Holy 1996: 29 33). It is however interesting to note that in one way or another the supposed Celtic share is (hopefully ironically rather than seriously) reflected even by prominent represenatives of the Czech intelligentsia, such as the theologist and philosopher T. Halík (quoted by Sala cˇ 1998: 467). The archaeologists keep pace in their own way: The notion of a drop of Celtic blood in Czech veins is more or less timidly expressed in books intended for the general public (Drda Rybová 1998: 187; Waldhauser 1999: 235; Bouzek 2007: ). When in 1995 a new synthesis of La Tène archaelogy in Bohemia is published in Paris (to be translated in Czech three years later) intended for readers well aquainted with the history of the Gaul but only exceptionally in- 143

144 formed about the no less classical celtic country in the heart of Europe (Drda Rybová 1998: 7), the chief preoccupation of the first two chapters is to demonstrate that aussi étonnant que cela puisse paraître [ ] les Celtes habitèrent le Bohême[. Leur] manière de vivre, la culture et l art ne différairent guère de ceux des habitants de la Gaule (Drda Rybová 1995: 5). Rather than this very fact, it is this statement that is étonnant : as if it wanted to re-create a forgotten link, as if insisting on the fact, that our celtic history proves the from-ever-western orientation of Bohemia. 3. Conclusions In synthesis we may trace several ways in which the Celts were perceived and used by the Czechs throughout history. The unconcious nature of this perception defies, however, their clear separation or systematic classification. The various roles which the Celts were made to stage range from that of 1) opponents: either of the authors real hero (the Marobuduus of the humanists) or of the authochthonos population, as for Pí cˇ. The point of invading Celts only gradually finding their modus (con)vivendi with the previous population is, however, also strongly present by Böhm and Filip. Through 2) ( politically ) neutral element: being neither Germans nor Slavs, but culturally superior and chronologically antecedant to the former they could have been readily employed by Czech scholars to nobilitate the country or simply as an ethnical buffer. An example of this use may be the claim of Celtic origin of the name of Marobuduus particularly well represented in the second half of the 20th century (see e.g. Dobiáš 1964). Up to 3) an element, with which the scholars may or wish to identify themselves. Here it is interesting to point out that the possibility of evoking a genetic link was always available since the times of Niederle if not Palacký but only wielded in the 1990 s. It is what we may call symbolical identification that is much more present throughout history.we encountered this symbolical identification, often mediated through the country, most evidently in Böhm s Chronicle. * This Paper was supported by the GAUK project N The Bohemian oppida and the Mediterranean. Notes 1 [Helvetii p]ersuadent Rauracis et Tulingis et Latobrigis finitimis [ ] una cum iis proficiscantur, Boiosque, qui trans Rhenum incoluerant et in agrum Noricum transierant Noreiamque oppugnabant, receptos ad se socios sibi adsciscunt. érxa ion, Àsper fhn, ÍpÚ Kelt vn periƒke ito 2 tú m n o Èn t vn t vn ple stvn ı potamòw (id est Padus) m gista d' ±n - nh BÒioi ka ÖInsoubroi ka o tøn ÑRvma vn Kelt vn O pot j fòdou katalabòntew S nonew metå Gaisat vn. j fo - eiran Ïsteron tel vw ÑRvma i oi, toêtouw m n o Èn toáw d Bo ouw jælasan k t vn tòpvn. metastãntew dé e w toáw per tún ÖIstron tòpouw metå Taur skvn koun - ne : t±n d polemo untew prúw DakoÊw, ßvw ép lonto paneo t h w ÉIllur dow mhlòboton to iw perioiko usi x ran o Èsan kat lipon. 3 j h rtai går x ra prúw nòton ka sunex h ta iw ÖAlpesi poie i =ãxin tinå prúw ßv tetam nhn, w ín m row o Èsan t vn ÖAlpevn: ka dø ka épefænantò tinew oïtvw diã te - e isan O - sin ka diå tú tøn aètøn Ïlhn kf rein: tøn lexo -a oè møn p toso utò ge Ïcow én sxei tå taêt ˆrh. nta u O - nh, dé st n ı ÑErkÊniow drumúw ka tå t vn SoÆbvn O [399] tå m n o ko unta ntúw to u drumo u, n o w sti ka tú Bou aimon tú to u MarobÒdou bas leion, e w n ke inow 144 tòpon êllouw te metan sthse ple ouw ka dø ka toáw - ne iw aut ƒ Markommãnouw. [...] pløn tã ge t vn ımoeo - nh tå m n ntúw o ke i, tå d ktúw SoÆbvn, w fhn, O tú t vn mora to iw G taiw. m giston m n o Èn to u drumo u, SoÆbvn O now: diækei går épú to u ÑRÆnou m xri to u ÖAlbiow: m row d ti aát vn ka p ran to u ÖAlbiow n metai, - ãper ÑErmÒndoroi ka LagkÒbardoi: nun d ka kao tel vw e w tøn pera an o Èto ge kpept kasi feêgontew. 4 [108] Nihil erat iam in Germania, quod vinci posset, praeter gentem Marcomannorum, quae Maroboduo duce excita sedibus suis atque in interiora refugiens incinctos Hercynia silva campos incolebat. [ [109] 3] eratque etiam eo timendus, quod cum Germaniam ad laevam et in fronte, Pannoniam ad dextram, a tergo sedium suarum haberet Noricos, tamquam in omnes semper venturus ab omnibus timebatur. 4 Nec securam incrementi sui patiebatur esse Italiam, quippe cum a summis Alpium iugis, quae finem Italiae terminant, initium eiusfinium haud multo plus ducentis milibus passuum abesset. 5 Hunc virum et hanc regionem proximo anno diversis e partibus Ti. Caesar adgredi statuit. Sentio Saturnino mandatum, ut per Cattos excisis continentibus Hercyniae silvis legiones Boiohaemum (id regioni, quam incolebat Maroboduus, nomen est)

145 duceret,ipse a Carnunto, qui locus Norici regni proximus ab hac parte erat, exercitum, qui in Illyrico merebat, ducere in Marcomannos orsus est. 5 [28] Validiores olim Gallorum res fuisse summus auctorum divus Iulius tradit; eoque credibile est etiam Gallos in Germaniam transgressos: quantulum enim amnis obstabat quo minus, ut quaeque gens evaluerat, occuparet permutaretque sedes promiscuas adhuc et nulla regnorum potentia divisas? Igitur inter Hercyniam silvam Rhenumque et Moenum amnes Helvetii, ulteriora Boii, Gallica utraque gens, tenuere. Manet adhuc Boihaemi nomen significatque loci veterem memoriam quamvis mutatis cultoribus. 6 [42] Iuxta Hermunduros Naristi ac deinde Marcomani et Quadi agunt. Praecipua Marcomanorum gloria viresque, atque ipsa etiam sedes pulsis olim Boiis virtute parta. Nec Naristi Quadive degenerant. Eaque Germaniae velut frons est, quatenus Danuvio peragitur. 7 A tergo Carnorum et Iapudum, qua se fert magnus Hister, Raetis iunguntur Norici. oppida eorum Virunum, Celeia, Teurnia, Aguntum, Iuvanum, omnia Claudia, Flavium Solvense. Noricis iunguntur lacus Pelso, deserta Boiorum; iam tamen colonia Divi Claudi Savaria et oppido Scarabantia Iulia habitantur. Illyricum et Pannonia ab oriente flumine Drino ab occidete dessertis in quibus habitant Boi et Carni, a septentrione flumine Danubio. L.VOLCATIO Q. F.VEL. PRIMO PRAEF. COH. I. NORICOR. IN PANN. PRAEF. RIPAE DANVVI ET CIVITATIVM DVARVM BOIOR. ET AZALIOR (CIL IX 5363) Alias vero copias, quibus Theodoricum et Magnifridum praefaecerat, per Beehaimos via, qua venerant, reverti praecipit [ ] Saxones auten et Frisiones cum Theodorico et Magnifrido per Beehaimos, ut iussum erat, domum regressi sunt. Ac fuit antea tempus, cum Germanos Galli virtute superarent, ultro bella inferrent, propter hominum multitudinem agrique inopiam trans Rhenum colonias mitterent. Itaque ea quae fertilissima Germaniae sunt loca circum Hercyniam silvam, quam Eratostheni et quibusdam Graecis fama notam esse video, quam illi Orcyniam appellant, Volcae Tectosages occupaverunt atque ibi consederunt; quae gens ad hoc tempus his sedibus sese continet summamque habet iustitiae et bellicae laudis opinionem. Bibliography Almgren, O. (1913), Zur Bedeutung des Markomannenreichs in Böhmen für die Entwicklung der Germanischen Industrie in der frühen Kaiserzeit. MANNUS V Axamit, J. (1919), Další p rˇísp eˇvky k poznání naší kultury hradištní a n eˇ které úvahy [New contributions to the knowledge of our Hillfort-culture and some other considerations]. Památky Archeologické XXXI, Bagley, J. M., Eggl, Chr., Neumann, D., Schefzik, M. [eds.] (2009), Alpen, Kult und Eisenzeit (Festschrift für Amei Lang zum 65. Geburtstag). 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147 Frühe Kelten in der Steiermark und Štajerska? Die Erforschung und museale Rezeption des Übergangs von der Hallstatt- zur Latènezeit Marko Mele Zusammenfassung Im Beitrag wird der Übergang von der Hallstatt- zur Latènezeit in der Steiermark (Österreich) und Štajerska (Slowenien) aus zwei Blickwinkeln beleuchtet. Einerseits aus der Sicht der archäologischen Quellen, andererseits von seiner Darstellung im Museum ausgehend, um auf diese Weise der Frage nach den sog. frühen Kelten in der Region nachzugehen. Im Rahmen dieser Fragestellung werden zwei der wichtigsten Fundstellen in der Region, Kleinklein und Ormož, angesprochen. Die beiden hallstattzeitlichen Zentren scheinen nach dem heutigen Forschungsstand in Ha D1 einen Besiedlungsbruch erlebt zu haben, was auch an anderen Fundstellen des Osthallstattkreises festgestellt wurde. Dieser Besiedlungsbruch und die spärlichen archäologischen Quellen zur Späthallstatt- und Frühlatènezeit verhindern deutliche Aussagen zu Siedlungsprozessen und Kulturwandel in dieser Periode und damit eine Definition der frühen Kelten. Im zweiten Teil des Beitrags werden die wichtigsten Publikationen zu den Ausstellungen, die in der Region über die Kelten durchgeführt wurden, auf das in ihnen vermittelte Bild der Kelten und ihrer Beziehungen zur einheimischen hallstattzeitlichen Bevölkerung untersucht, um einen Einblick in die musealen Vorstellungen über die frühen Kelten zu gewinnen und diese den archäologischen Quellen gegenüber zu stellen. Abstract In this paper the transition from Hallstatt- to Latène period in Steiermark (Austria) and Štajerska (Slovenia) is addressed from two angles, on the one hand, from the perspective of the archaeological sources from this period, on the other from the museums point of view.the major focus is set on the question of the so-called early Celts in the region. In the frame of this question two of the most important sites in the region, Kleinklein and Ormož, are addressed. According to the present state of research it seems that these two Hallstatt period centers have experienced a settlement brake in Ha D1, that has also been recorded in other sites of the Eastern Hallstatt Circle. This settlement brake and the sparse archaeological sources on the Late Hallstatt and Early Latène period prevent clear statements on settlement processes and cultural change in this period and a definition of the early Celts. In the second part of the article, the most important publications of exhibitions concerning Celts in the region were investigated, to gain an insight into the museum s ideas about the definition of the early Celts and their relationship with the local population from the Hallstatt period. These ideas were confronted with archaeological sources in the region. 147

148 Einführung Unter dem Begriff Kelten werden heute verschiedene Inhalte zusammengefasst, die vom Standort und dem gesellschaftlichen Kontext des Betrachters abhängig sind und so die Sichtweisen der Wissenschaft, des Volksglaubens, der Esoterik und auch der Museen widerspiegeln. In diesem Artikel sollen die archäologischen Quellen und der museale Zugang zur Frage der Kelten in der Steiermark (Österreich) und Štajerska (Slowenien) angeschnitten werden, da ich meine, dass gerade die Museen als das Bindeglied zwischen der wissenschaftlichen Forschung und der interessierten breiten Öffentlichkeit eine wesentliche Rolle bei der Prägung des Kelten -Bildes übernehmen. Den Schwerpunkt meiner Überlegungen habe ich wegen der guten Vergleichsmöglichkeiten auf die Südsteiermark und die Region Podravje (zwischen Maribor und Ormož) gelegt. Der Ausgangspunkt für diesen Artikel sind Kataloge zu archäologischen Ausstellungen über die Kelten (u. a. Dannheimer, Gebhard 1993; Grewenig 2010; andere Darstellung bei Schönfelder 2010a), die fast immer auch zahlreiche Objekte und Fundstellen der Hallstattzeit oder noch früherer historischer Epochen beinhalten, und verschiedene populärwissenschaftliche Publikationen (Keltenmuseum Heuneburg [Hrsg.] 2007; Bofinger, Drauschke, Kleingärtner 2006; Gleirscher 2009), die die Hallstattzeit und die Kelten miteinander in Beziehung setzen. In diesen Ausstellungskatalogen und Büchern finden wir auch bekannte Objekte aus der Steiermark und Slowenien, wie die Maske und die Hände aus Kleinklein bei Groß klein, den Wagen aus Strettweg, die Situla aus Vaˇce, die manchmal als Prunkstücke der frühen Kelten behandelt werden (zu den frühen Kelten siehe Kimmig 1969: 95 3; 1983: 5 78; Jung 2005: ; Schönfelder 2009: 59 78). Obwohl in den meisten Fällen der Unterschied zwischen der Hallstatt- und Latènekultur erklärt wird, entsteht beim schnellen Durchblät- 148 tern der Eindruck, dass es sich um ein und dieselbe Sache handelt die Kelten. Zwei hallstattzeitliche Fürstensitze in der Steiermark und Štajerska Um das Bild der Kelten in der Steiermark und Štajerska darzustellen, soll zuerst auf bekannte hallstattzeitliche Fundstellen in der Region eingegangen werden (die ausführliche Forschungsgeschichte, Forschungsstand und Datierung bei Dobiat 1980; Gabrovec 1999; Kramer 1981a: 57 70; Pahiˇc 1966a; Teržan 1990; 1992: 66 89; 1998: 5 560; Gleirscher 2005: 99 2; Tiefengraber 2005: 7 ; Torbrügge; 1991/92: ; Parzinger 1988; Pare 1999: ; Rychner 1995: ). Im Weiteren sollen einige archäologische Thesen zum Wandel von der Hallstatt- zur Latènezeit vorgestellt und deren Einfluss auf das heutige Bild der Kelten in der Region bewertet werden. Kleinklein bei Großklein Eine der prominentesten Fundstellen der älteren Eisenzeit in der Steiermark sind die Siedlung und das Gräberfeld von Kleinklein (Gem. Großklein)1. Die Abb.1: Wegen seiner Größe wurde der Pommerkogel schon bei der Josephinischen Landesaufnahme berücksichtigt (Karte nach GIS Steiermark).

149 Abb.2: Die Hände und die Maske aus dem Kröllkogel. Die frühen Kelten der Steiermark? (Foto: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner). prähistorische Siedlung und das umliegende Hügelgräberfeld, die Sulmtalnekropole, liegen auf einem niedrigen Bergrücken am Zusammenfluss von Sulm und Saggau in der Südsteiermark. Diese Fundstelle hat bereits in die Josephinische Landesaufnahme aus dem Jahr 1787 Eingang gefunden, die für die Umgebung von Kleinklein sehr wahrscheinlich einen noch heute sichtbaren Grabhügel, den sog. Pommerkogel, verzeichnet (Abb. 1). Seit dem Anfang des 19. Jh. wurden den Berichten zufolge die Grabhügel in Burgstall, Goldes und Kleinklein ergraben (Dobiat 1980: 21 23). Bei diesen Grabungen kamen einige prominente Funde, wie z. B. die Bronzezisten und die Bronzehände, 1905 auch die Maske, ans Tageslicht, die heute ein wichtiger Teil der archäologischen Sammlung des Universalmuseums Joanneum sind (Abb. 2). Die wissenschaftliche Erforschung dieser Nekropole von Kleinklein bei Großklein wurde seit den 1880er-Jahren, als der Bergdirektor V. Radimsky und der Kustos des Naturhistorischen Museums Wien J. Szombathy damit begonnen haben, immer wieder in Angriff genommen (Dobiat 1980: 21 28; Tiefengraber 2005: 7 9). Die erste umfangreichere Publikation der Prunkstücke aus dem Gräberfeld wurde von W. Schmid vorgelegt (Schmid 1933: ). Die Altfunde aus der Nekropole, ausgenommen die Funde aus den vier reichen Fürstengrabhügeln 2, wurden fast 50 Jahre später von C. Dobiat (1978/79: 57 66; 1980; 1981: ) ausführlich bearbeitet und publiziert. Die Nekropole kann also als ziemlich gut untersucht angesehen werden und sollte eigentlich einen guten Einblick in die Späthallstattzeit der Steiermark ermöglichen, was aber nicht der Fall ist. Das Hügelgräberfeld von Kleinklein bei Groß klein besteht aus mehreren Grabhügelgruppen und einer separaten Nekropole mit vier reich ausgestatteten Grabhügeln, den Hartnermichelkogeln 1 und 2, dem Pommerkogel und dem Kröllkogel (Schmid 1933: ; Dobiat 1980; Smolnik 1996: ;Teržan 1987: ; 1990: 1 140; Egg 2004: 93 6; Egg, Kramer 2005). Nach den bis jetzt publizierten Beobachtungen liegen drei von vier Fürstengrabhügeln in einer chronologischen Abfolge. Am Ende des 8. Jh. v. Chr. wurde der Hartnermichelkogel 1 angelegt, gefolgt vom Pommerkogel im 7. Jh. v. Chr. und dem Kröllkogel, der in die erste Hälfte des 6. Jh. v. Chr. datiert wird (Egg 2009; 40 41; Teržan 1990: ). Mit dem Anlegen des letzten, wahrscheinlich auch des reichsten Fürstengrabes, des Kröll 149

150 nik (1994: ; auch bei Dobiat 1990: 30, 41, 61 69, Abb. 10/2) auch das Fragment einer bandförmigen Fibel mit Kopfscheibe. Auch die Untersuchungen der Siedlung am Burgstallkogel liefern nur wenige Hinweise auf die Besiedlung in der späten Hallstattzeit. Ormož und Hajndl Abb.3: Die hallstattzeitlichen Zentren in Podravje zwischen Maribor und Ormož (nach Teržan 1990) bilden ein Siedlungsnetz (Bild nach: Mele 2009: Karte 7). kogels, am Anfang der Späthallstattzeit, scheinen auch die Hügelbestattungen in den anderen Grabhügelgruppen um Kleinklein zu enden (Dobiat 1980: ; Teržan 1990: ). In der zum Hügelgräberfeld gehörigen Siedlung auf dem Burgstallkogel hat im Jahr 1927 W. Schmid zum ersten Mal gegraben. Seine nur 5 Tage dauernde Grabung lieferte kaum aussagekräftige Funde (Dobiat 1990: 18). Erst in den Jahren 1982 und 1984 wurde eine wissenschaftliche Erforschung der Siedlung von C. Dobiat unternommen. Bei diesem Forschungsunterfangen wurden Schnitte an der Kuppe und am Nordhang des Burgstallkogels angelegt (Dobiat 1990: 19 69). Das Siedlungsmaterial aus den Grabungen Dobiats hat R. Smolnik (1994; 1996: ) ausführlich untersucht und in vier Phasen gegliedert. Die jüngste Besiedlungsphase 4 nach Smolnik (1994: 9 0) ist die fundärmste und wird mit der Stufe III der Nekropole nach Dobiat verglichen, also in den Beginn des 6. Jh. v. Chr. gelegt. Nach dieser Phase wurde die Besiedlung im großen Teil des Nordhangs aufgegeben und ein Grabensystem angelegt. In den Grabeneinfüllungen wurden wenige Funde der späten Hallstattzeit gefunden, wie die rosettenförmigen Henkel und die Noppen-Schichtaugenperle. In Ha D2 datiert Smol- 150 Südlich von Kleinklein in der Štajerska (Slowenien) wurden in der Hallstattzeit eine Reihe von Höhensiedlungen errichtet, die ein regelrechtes Siedlungsnetz im Draufeld (Podravje) zwischen Maribor und Ormož bilden (Teržan 1990: 25 8; Gleirscher 2005: 99 2; Mele 2009: ) (Abb. 3). Als Vergleich zur steirischen hallstattzeitlichen Siedlung am Burgstallkogel bei Kleinklein kann die gut untersuchte Siedlung in Ormož herangezogen werden. Diese Siedlung, die sich unter der heutigen Stadt Ormož befindet, liegt an einer Terrasse über der Drau, an einem strategisch wichtigen Punkt am südöstlich sten Rand des Drau-Ptuj-Feldes, das sich von Maribor bis nach Ormož erstreckt. Bald nach der Entdeckung in den 1950er-Jahren haben mehrjährige Grabungskampagnen die Siedlung weitgehend freigelegt, den Großteil leisteten die Grabungen von M. Tomaniˇc Jevremov zwischen 1974 und 1981 (Dular,Tomaniˇc Jevremov 2010: 9 14; Lamut 1987: 46 57; 1988/89: ; 2001: ; 2005: 59 71). Anders als auf dem Burgstallkogel bei Kleinklein war die prähistorische Siedlung in Ormož mit einem Wall umgeben, der ein Areal von m umfasste. Der Wall wurde in zwei Phasen gebaut. Die erste Phase wurde wahrscheinlich bei der Errichtung der Siedlung angelegt und die zweite vielleicht im 8. Jh. v. Chr. (Perc 1962/63: ; Dular, Tomaniˇc Jevremov 2010: 84 85). Die systematischen Ausgrabungen von größeren Flächen innerhalb und außerhalb des Walls der prähistorischen Siedlung ergaben eine dichte Besiedlung in der Spätbronze- und der älteren Eisenzeit. Neben ein-, zwei- und dreischiffigen Gebäuden, von denen Pfostenlöcher und Lehmverputz entdeckt wurden, wurden auch Straßen aus Kies und mehrere Feuerstellen,Vorratsgruben und Brunnen freigelegt (Dular, Tomaniˇc Jevremov 2010: 15 71, 83 97). Die meisten Funde

151 in der Siedlung waren keramische Scherben und einige Bronzeobjekte, die eine Datierung in die Zeit von Ha B1/2 bis Ha D1 ermöglichen (Lamut 1987: 46 57; 1988/89: ; 2001: ; 2005: 59 71; Mele 2009: ; Dular, Tomaniˇc Jevremov 2010: 79 82). Ähnlich wie für die Nekropole um Klein klein wurde auch für Ormož festgestellt, dass die Siedlung wahrscheinlich im 6. Jh. v. Chr. endete. Östlich der prähistorischen Siedlung in Ormož wurden im Jahr 1974 ein spätbronzezeitliches Flachgräberfeld mit rund 20 Brandbestattungen und einigen wahrscheinlich hallstattzeitlichen Grabhügeln entdeckt, von denen ein großer Grabhügel noch heute unter einem Haus teilweise erhalten ist (östliche Nekropole nach Teržan 1990: ). Die westliche Nekropole von Ormož (nach Teržan 1990: ) bestand aus mehreren Grabhügeln, die schon im 19. Jh. ergraben und 1997 nachuntersucht wurden. Die Objekte aus den Altgrabungen sind verschollen (Tomaniˇc Jevremov 1988/89: ; Teržan 1990: ; Lamut, Mele 2006: 13 17; Žižek 1997). Wichtige neue Erkenntnisse zur eisenzeitlichen Besiedlung von Ormož brachte eine umfangreiche Ret- tungsgrabung in den Jahren 1999 und 2000 neben dem Dorf Hajndl, nur ungefähr 1 km von Ormož entfernt (Žižek 2003a: 14 18; 2003b: ; Mele 2003; 2005a: 7 143; 2005b: 21; 2009; Mele, Mušiˇc 2007: ; Kovaˇc 2004; Magdiˇc 2006). In der hallstattzeitlichen Besiedlungsphase in Hajndl wurden Häuser entdeckt, deren Fundamente sich in Form von Wandgräbchen erhalten haben (Abb. 4). Besonders imposant war das große dreiphasige Haus im nördlichen Bereich der Ausgrabungsfläche mit einer maximalen Länge von 17,2 m und einer maximalen Breite von 10,9 m. Bei der Analyse der Befunde zeigte sich, dass es sich hierbei um eine für das hallstattzeitliche Ormož neue Konstruktionsmethode mit horizontalen Balken auf dem Boden und vertikalen hölzernen Pfosten handelt. Die se Bauart hat auch C. Dobiat (1990: 34 38, Abb. 15) im Schnitt II seiner Grabung in der Siedlung auf dem Burgstallkogel bei Kleinklein festgestellt. Diese Konstruktionsweise ist auf dem gesamten Gebiet der Siedlung in Hajndl zu finden, wobei sich einzelne Teile von Hajndl in der Art der Anordnung der Gebäude unterscheiden. Im mittleren Teil der Siedlung in Hajndl fanden wir eine Besiedlung rund um Abb. 4: Die Hausgrundrisse aus dem Bereich 3 in Hajndl (Bild nach: Mele 2009: Abb. 52). 151

152 einen zentralen Platz, im südlichen Teil vermuten wir eine Besiedlung in Reihen und im Norden zwei getrennte Bauernhöfe/Wirtschaftseinheiten (Mele 2009: 28 76, ). Der direkte Vergleich der Ausgrabungsdaten und der Funde hat gezeigt, dass es sich bei der Siedlung in Ormož um ein älteres, protourbanes Zentrum aus der späten Bronzezeit handelt, das auch in der Hallstattzeit weiter besiedelt wurde. Die Siedlung in Hajndl, die später beim Übergang von der Spätbronze- in die ältere Eisenzeit entstand, hatte den Charakter einer wirtschaftlich-bäuerlichen Flachlandsiedlung. Einen chronologischen Eckpunkt für die Besiedlung Hajndls bietet auch das C14-Datum von kalibriertes BC aus dem Holzkasten des eisenzeitlichen Brunnens (Žižek 2003a: 15, 16; Mele 2009: ). Beide Siedlungen scheinen in Ha D1 zu enden (Mele 2009: ). In der Keramik aus Hajndl konnten einige Parallelen zur neu entdeckten Siedlung in Zbelava bei Varaždin (Kroatien) gezogen werden. Diese Fundstelle liegt auf einer leichten natürlichen Erhebung in der Nähe der Drau nur 20 km Luftlinie von Ormož entfernt. Die Siedlungsreste waren, ähnlich wie in Hajndl, einge- Abb. 5: Drei frühlatènezeitliche Objekte aus der Steiermark in der Sammlung des Universalmuseums Joanneum (Foto: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner). 152 tiefte und oberirdische Objekte, Abfallgruben und Feuerstellen (Kovaˇcevi c 2007: 89 94). Die Funde aus Zbelava, wie die Fibel vom Typ Velem und die südostalpine Tierfibel, ermöglichen eine Datierung in Ha D2 D3; es gehört also die Mehrzahl der Funde in die zweite Hälfte des 5. Jh. und den Anfang des 4. Jh. v. Chr. (Kovaˇcevi c 2007: 89 2; 2008: 45 78; 2009: 45 78). Die ähnliche Keramik der Siedlungen in Hajndl und Zbelava weist vielleicht auf eine Kontinuität von Ha D1, mit dem Ende der Siedlung in Ormož und Hajndl, in die Stufe Ha D2 3, in der die Siedlung in Zbelava bestand. Der Forschungsstand lässt vermuten, dass, nachdem das alte hallstattzeitliche Zentrum in Ormož mit seinem besiedelten Umland in Hajndl aufgelassen worden war, eine neue Art von Siedlungen in der Ebene entstanden ist. Interessanterweise befindet sich in der unmittelbaren Nähe das bekannte Pferdegrab von Jalžabet (Šimek 1998: ; 2003: 57 78), das von Teržan (1998: 520) als eine mögliche Bestattung eines skythisierten oder skythischen Fürsten gedeutet wird. Die Frühlatènezeit in der Steiermark und Štajerska Ähnlich spärlich wie die archäologischen Quellen zur Späthallstattzeit sind auch die bekannten archäologischen Funde und Befunde zur frühen Latènezeit in der Steiermark (Zeilinger 1953: 63 80; D. Kramer 1981a: 71 80; M. Kramer 1994: 9 ). Die meisten latènezeitlichen Fundstellen werden in die Mittel- und Spätlatènezeit datiert (Modrijan 1958: 7 19; 1962: 57 64; M. Kramer 1994: 41 42; Tiefengraber 2009: ; Hebert 2009b: ). Es gibt nur wenige Fundstellen und Objekte aus der Steiermark, die der Frühlatènezeit zugeordnet werden können (Abb. 5). Die wichtigsten steirischen Fundstellen dieser Periode sind die Siedlungen von Königsberg, Dietenberg und Kulm, die mit den Fibeln und der Keramik in die entwickelte Frühlatènezeit datiert werden können, das Gräberfeld in Frohnleiten, das wahrscheinlich bereits in Lt B2 belegt war, und das vermutlich aus einem Grab stammende Schwert aus der Laubgasse in Graz (M. Kramer 1994: 42; Frey 1978/79: 67 73).

153 Früh- oder mittellatènezeitliche Funde sind aus der näheren Umgebung des Burgstallkogels bei Klein klein nicht bekannt. M. Kramer (1994: 51) erwähnt eine einzige latènezeitliche Scherbe aus der Siedlung am Burgstallkogel. Ein neues wichtiges Zentrum scheint ungefähr 10 km vom Burgstallkogel entfernt auf dem Frauenberg bei Leibnitz entstanden zu sein (Artner 1998/99: ). Die Entstehung der latènezeitlichen Siedlung auf dem Frauenberg wird in die Zeit des ausgehenden 4. Jh. v. Chr. angesetzt. Die Blüte erlebt die Siedlung im 1. Jh. v. Chr. und lebte bis in die Römerzeit weiter. In die Blütezeit gehört auch das latènezeitliche Heiligtum auf den Perl/Stadläckern, von dem ein Graben freigelegt wurde, der mit Tier- und sogar Menschenknochen, Keramik und einigen Münzen und Waffen aus Eisen verfüllt war. Das Heiligtum wurde wahrscheinlich an der Stelle eines hallstattzeitlichen Grabhügels errichtet (Steinklauber 2002: 33; Artner 1998: 27 33; Tiefengraber 1998a: 23 25; 1998b: 43 54; 2008: ; Tiefengraber, Grill 2007: ). Ähnlich wie in der Steiermark ist die frühlatènezeitliche Besiedlung auch in der Štajerska schlecht belegt (Božiˇc 1987: ; 1993: ; 1999: ; Gabrovec 1966, ; Guštin 1977: 67 ff; 1984: ; Bolta 1966: ; Pahiˇc 1966: ). Die frühlatènezeitliche Stufe Mokronog I (Lt B2) wird in unserem Forschungsgebiet von Gräbern aus Pobrežje bei Maribor und Srednica bei Zgornja Hajdina vertreten. In der Stufe Mokronog II (Lt C) wurden dann auch die Gräberfelder in Formin und Slatina angelegt (Lubšina Tušek, Kavur 2009: 5 142; Pahiˇc 1966: 3; Božiˇc 1999: ). Noch weniger bekannt sind die latènezeitlichen Siedlungen in der Štajerska. Aus der Stufe Mokronog I sind keine bekannt. Erst ab der Stufe Mokronog II zeigt die Lage der Gräberfelder indirekt auf mögliche Flachlandsiedlungen, wie z. B. Formin, Skorba oder Dobova. In der Spätlatènestufe Mokronog III kommt es zu einer erneuten Besiedlung der hallstattzeitlichen Höhensiedlungen, wie z.b. Poštela (Božiˇc 1999: ). Spuren latènezeitlicher Besiedlung wurden auch in Ormož nachgewiesen. Neben graphitierter Keramik und einer Fibel des Typs Nauheim aus der Siedlung wurden in der nordöstlichen Ecke der prähistorischen Siedlung zehn Öfen gefunden, die in den hallstattzeit- lichen Wall eingegraben waren und wahrscheinlich für das Backen genutzt wurden. Die Funde ermöglichen eine Datierung in die Spätlatènezeit (Lt D1b). Spuren einer früh- oder mittellatènezeitlichen Besiedlung sind aus Ormož nicht bekannt (Dular, Tomaniˇc Jevremov 2009: ). Vom Hallstattfürsten zum Keltenkönig Zur Besiedlung der Steiermark und Štajerska am Übergang von der Späthallstatt- in die Frühlatènezeit Die ältere Eisenzeit in der Štajerska wurde von B. Teržan (1990) ausführlich aufgearbeitet und publiziert. Anhand der Funde aus den hallstattzeitlichen Siedlungen und Hügelgräberfeldern konnte sie zeigen, dass es in der Štajerska mit dem Ende ihrer Phase III (Ha D1) zu einem Bruch in der Besiedlung und in der Totenbestattung, zum sog. Ende der Kultur der hallstattzeitlichen Hügelgräber, gekommen ist. Mit einem überregionalen Vergleich konnte Teržan (1990: 1 233) diesen Besiedlungsbruch in der Mitte des 6. Jh. v. Chr. auch bei den hallstattzeitlichen Zentren in der Steiermark, Kärnten, der Raba-Region, im Burgenland, der Slowakei und Südpannonien fassen. Auch das Ende der Siedlungen in Ormož und Hajndl in Ha D1 scheint ihre Feststellungen zu belegen. Nach diesem Bruch ist die Besiedlung der Štajerska nur mit wenigen Körperbestattungen aus Rifnik und Einzelfunden aus der Umgebung von Celje belegt. Auch die letzte Phase V der Štajerska, definiert durch ostalpine Tierfibeln, ist ähnlich schlecht mit Fundstellen und Objekten dokumentiert (Teržan 1990: 21 1). Die Ereignisse im 6. Jh. v. Chr. versuchte B. Teržan (1998: 5 560) mit den Funden des skythisch geprägten Kulturkreises, der im Karpatenbecken ab dem 7. Jh. v. Chr. als die Vekerzug-Kultur zu fassen ist, zu erklären. Diesen Zusammenbruch eines Großteils der Osthallstattkultur verbindet Teržan mit den Überfällen und Plünderungen aus der Richtung der skythisch geprägten Gruppen östlich der Donau-Vah-Vertikale, was sie auch mit den Funden von dreiflügeligen oder dreikantigen Pfeilspitzen bekräftigt (siehe auch Helmut 2006: ). Neben den Plünderungen sieht sie auch die Ausbreitung von Seuchen als eine weitere Ursache für diesen Zusammenbruch (Teržan 1983: 70; 153

154 1998: ; zu Vergil siehe: Šašel A., Šašel J. 1992: 516; Porod, B., Porod R. 2010: ). Zu ähnlichen Schlüssen ist auch A. Lippert (2006: ) gekommen, der die Höhensiedlungen in Kärnten und in der Steiermark verglichen hat. Er konnte für die hallstattzeitlichen Höhensiedlungen in der Steiermark zwei Brüche in der Besiedlung feststellen. Einen um 700 v. Chr. und den zweiten zwischen 650 und 580 v. Chr. Diese Besiedlungsbrüche wurden in den Höhensiedlungen der Südsteiermark verzeichnet, aber nicht in der Obersteiermark oder Kärnten (für Kärnten siehe auch Gleirscher 1996: ). Er verbindet diese Brüche mit den Einfällen der Reiternomaden aus dem Osten und dem Zusammenbruch des Handelsnetzes. In der Südsteiermark gibt es also auch nach Lippert keine Kontinuität der hallstattzeitlichen Höhensiedlungen bis in die Latènezeit, vielmehr setzen sie erst ab dem Ende des 4. Jh. v. Chr. wieder ein. Bei den Überlegungen zum Zusammenbruch der Eliten der Hallstattzeit in Kleinklein und in anderen Teilen des Osthallstattkreises sind auch die Ausführungen zur Sozialstruktur der hallstattzeitlichen Gesellschaft in Kleinklein von M. Egg (Egg, Kramer 2005: 39; Egg 2009: 48 50) zu beachten. Neben externen Faktoren wie den skythischen Einfällen könnten auch innere Gründe zum Zusammenbruch der hallstattzeitlichen Gesellschaft geführt haben. Unabhängig davon, ob äußere Einflüsse, eine innere Instabilität der Gesellschaft, oder eines bedingt durch das andere, den Zerfall der hallstattzeitlichen Zentren in unserem Raum verursacht haben, können wir zumindest nach dem heutigen Forschungsstand in der Südsteiermark und der Štajerska diesen Bruch in der Besiedlung der Höhensiedlungen im 6. Jh. v. Chr. und damit auch das Ende der reichen Grabhügelbestattungen archäologisch fassen. Die Besiedlung der Region in den nächsten fast zwei Jahrhunderten kann momentan nur durch den Vergleich mit den Fundstellen wie Zbelava oder Sopron Krautacker (Jerem 1985: 3 24; Jerem 1986: 107 8) vage vermutet werden. Der Forschungsstand lässt momentan nur wenige klare Aussagen zum Aussehen der Kulturlandschaft (Besiedlung, Landnutzung ) vom Ende des 6. bis zum Ende des 4. Jh. v. Chr. zu. Es scheint, dass nach dem Zusammenbruch des sog. Osthallstattkreises im 6. Jh. v. 154 Chr. die Region nur sehr dünn besiedelt war. Auch die Einflüsse des Mittelmeerraumes, die sich auf den verzierten Zisten aus dem Kröllkogel in Klein klein klar zeigen (Schmid 1933: ; Dobiat 1980: , Taf. A1 A9; Egg 2007: 47 51; Egg, Kramer 2005: 21 31; Frey 1969; Lucke, Frey 1962; Turk 2005; Wamers [Hrsg.] 2010), sind ab dem 6. Jh. v. Chr. in der Region nicht mehr zu spüren. Diese Forschungslücke ab der ausgehenden Hallstattzeit verhindert auch klare Aussagen zur Bevölkerung in der Frühlatènezeit in der Steiermark und Štajerska. Besonders die Kontakte zwischen dem Kerngebiet der frühen Latènekultur und unserer Region können zur Zeit kaum nachgewiesen werden. So bleiben auch die Fragestellungen zu den sog. frühen Kelten und der Keltisierung in dieser Region für zukünftige Kulturlandschaftsstudien offen. Die Kelten in der Steiermark und Štajerska Museen und Publikationen Die eigentlich sehr lückenhaften archäologischen Quellen zum Übergang von der Hallstatt- zur Latène zeit und zu den ersten archäologisch nachweisbaren Trägern der Latènekultur in der Steiermark und Štajerska bilden die schmale Basis für die archäologischen Wahrheiten über die Kelten, die durch Ausstellungen und Ausstellungskataloge, Publikationen, Freilichtanlagen und Vermittlungsarbeit der Öffentlichkeit vermittelt werden und damit zur Gestaltung des modernen Keltenbildes maßgeblich beitragen. In den Mittelpunkt des zweiten Teiles des Artikels möchte ich die Besucherinnen und Besucher von Museen stellen, die bei ihrem Museumsbesuch auch die Fragen nach der ethnischen Zugehörigkeit der damaligen Menschen, die diese herausragenden archäologischen Objekte geschaffen haben, aufgreifen. Leider ist die Besucherforschung in unserem Arbeitsgebiet noch in den Anfängen, weshalb ich nur aus der eigenen Erfahrung meiner Museumsarbeit sprechen kann. Im Jahr 1983 wurde von M. Guštin, D. Božiˇc und S. Gabrovec die große Wanderausstellung Die Kelten und ihre Zeitgenossen auf dem Gebiet Jugoslawiens konzipiert (Božiˇc [Hrsg.] 1983a). An diesem Ausstellungsprojekt wirkten fast alle Museen im damaligen Jugoslawien mit und schufen auf diese Weise ein dau-

155 erhaftes Bild über die sog. Kelten. Am Anfang des Katalogs stehen die bekannten Funde der Späthallstattzeit wie die Helme aus Negau (Gabrovec 1983b: 26 28), Funde aus Trebenište, Novi Pazar und Pe cka Banja ˇ (Popovi c 1983: 29 30) und die Objekte aus Curug (Božiˇc 1983b: 31 32). Diese wurden als Highlights der ausgehenden Hallstattzeit präsentiert und von den keltischen Funden getrennt betrachtet. Das Gebiet Jugoslawiens war in der jüngeren Eisenzeit sehr heterogen. Während in Nordjugoslawien die Latènekultur mit den mitteleuropäischen Kelten gleichgesetzt wurde, halten sich im Zentralbalkan und in südlichen Bereichen noch in der Hallstattzeit entstandene Gruppen unter einem starken Einfluss Griechenlands und Italiens. Die Abgrenzung der Kelten zu anderen eisenzeitlichen zeitgenössischen Kulturgruppen am Balkan (illyrische Glasinac-Gruppe, Japoden, Liburnen ), die nur einzelne Objekte aus der Latènekultur übernehmen, ist in der Publikation klar dargestellt. Im Einführungskapitel wird die Epoche der jüngeren Eisenzeit definiert und mit dem Einbeziehen der Forschungsgeschichte die Verwendung der Begriffe Latènekultur und Kelten behandelt. Es wird auch darauf hingewiesen, dass anhand der archäologischen Quellen nur Kulturprovinzen ermittelt werden können und nicht von ethnischen Gruppen gesprochen werden darf (Gabrovec 1983a: 18 25). Die Kelten werden im Katalog zu dieser Ausstellung folgendermaßen definiert: Wenn in der europäischen Archäologie von der jüngeren Eisenzeit die Rede ist, werden damit die Latènekultur und die Kelten gemeint. (Gabrovec 1983c: 96). Also werden die Kelten mit der Latènekultur, die durch typische archäologische Funde charakterisiert ist (Guštin 1983: 33 40; Jovanoviˇc 1983: 41 48; Božiˇc 1983c: 77 82; 1983d: 87 91), gleichgesetzt. Es wird von einer keltischen Kunst, Religion, Bewaffnung, Tracht, Befestigungssystemen und Städten (Gabrovec 1983c: 96) gesprochen. Es wird das Bild von der großen Wanderung der Kelten im ausgehenden 4. Jh. v. Chr. herangezogen und es werden die Kelten zu Neuankömmlingen in den nördlichen Raum Jugoslawiens in der jüngeren Eisenzeit gemacht (siehe auch Schönfelder 2010b: 2 5; 2010c: 46 48) (Abb. 6). Anhand der antiken Quellen wurde Abb. 6: Der Katalog zur Ausstellung Die Kelten und ihre Zeitgenossen auf dem Gebiet Jugoslawiens und die Karten der keltischen Wanderung und Besiedlung des Balkans (nach Božiˇc [Hrsg.] 1983a: 13, 21). auch ein Bild der keltischen Stämme auf der Balkanhalbinsel entworfen (Gabrovec 1983c: 96). Den Trägern der Latènekultur werden ethnische Bezeichnungen aus den antiken Quellen zugeordnet; so leben im westlichen Teil die Taurisker (Guštin 1983: 33 40) und südöstlich von ihnen im Donauraum die Skordisker (Jovanoviˇc 1983: 41 48). Die hallstattzeitliche Bevölkerung von Dolenjsko wird als namenloser Vorgänger der Taurisker angesprochen (Šašel 1983: ). Kurz wird auch die keltische Besiedlung in Slowenien/Štajerska angesprochen: Mit der Ankunft der Kelten endete die reiche, vier Jahrhunderte andauernde, ältere Eisenzeit. Eingewanderte keltische Stämme haben die fruchtbaren Ebenen an der Drau und Save, aber auch die hügeligen Gebiete an der Savinja, Mirna und Krka, besetzt. Den Einheimischen haben sie die modernere Technologie der Eisenverarbeitung, wirksamere Waffenausrüstung und eine neue Religion, die sich am besten in ganz anderen Bestattungsweisen zeigt, aufgezwungen. Die Einheimischen, einst mäch- 155

156 tige illyrische Stämme, sind ziemlich schnell mit den wenigen keltischen Neuankömmlingen verschmolzen und haben ihre Identität völlig verloren. (Guštin 1983: 33; übers. vom Verfasser). Die reichen Funde aus dem latènzeitlichen Gräberfeld aus Slatina in Rožna dolina bei Celje waren ausschlaggebend für die Entstehung der Ausstellung Kelten in Celje im Jahr 1991 (Pirkmajer 1991) (Abb. 7 links). In den Grundzügen folgt diese Schau der schon erwähnten Ausstellung über die Kelten in Jugoslawien, stellt aber die Funde aus dem Gräberfeld in Slatina in den Vordergrund. In der Publikation werden auch die Teilung der latènezeitlichen Fundstellen in Slowenien in Gruppen durch S. Gabrovec (1966: ) behandelt und die chronologische Teilung der keltischen Mokronog-Gruppe, der auch das Gräberfeld zugeordnet wird, nach M. Guštin (1984: ) und D. Božiˇc (1987: ), wiedergegeben. Die Objekte aus dem Gräberfeld in Slatina in Rožna Dolina werden am Schluss in einem Katalogteil übersichtlich dargestellt. Die Kelten werden im ersten Kapitel mit dem Titel Die Kelten Das Volk, das aus dem Dunkeln kam wie folgt definiert: Reiche Spuren des kulturellen Schaffens zeugen davon, dass die Kelten ein mittel europäisches Volk waren, das ursprünglich im breiten Gebiet nördlich der Alpen ansässig war. (Pirkmajer 1991: 44). Es wird von einem bedeutenden Barbarenvolk Europas gesprochen und gleichzeitig wird die Latènekultur als eine Keltenkultur angesprochen (Pirkmajer 1991: 44). Damit scheint eine Verbindung zwischen der materiellen Kultur und einer ethnischen Bezeichnung, sogar einer Volksidentität, gegeben zu sein. Interessant ist auch die Darstellung der Beziehung der Kelten zu den Trägern der Hallstattkultur: Ihr Einfluss auf das hallstättische Volk war groß, denn die Kelten zerstörten sein Gesellschaftssystem. (Pirkmajer 1991: 43). In diesem Katalog wurde eine besondere Aufmerksamkeit den Tauriskern geschenkt, die zuerst bei der Besiedlung Sloweniens als Nachbarn des Regnum Noricum dargestellt werden und später als ein Teil des norischen Königreichs. Die Taurisker sind also ein mit einer spezifischen materiellen Kultur identifizierbarer Stamm oder Ethnie. 156 Abb. 7: Der Katalog zur Ausstellung Kelten in Celje und Die Zeit der Kelten (nach Pirkmajer 1991; Landesmuseum Joanneum Graz [Hrsg.] 1998). Die Ausstellung in Celje war auch eine Anregung für die Gestaltung einer Ausstellung über die Kelten in der Steiermark, die im Jahr 1998 in Bärnbach gezeigt wurde (Landesmuseum Joanneum Graz [Hrsg.] 1998). Unter der Projektleitung von E. Lasnik und der wissenschaftlichen Leitung von D. und M. Kramer (1998: 8 21) wurde die Ausstellung aus Celje durch Objekte aus der Steiermark und dem ungarischen Komitat Zala erweitert. Die Ausstellung wurde von einem Beiheft der Zeitschrift Schild von Steier begleitet, in dem aktuelle Forschungen aus der Steiermark vorgestellt wurden (Abb. 7 rechts). In der Einführung wird klar die Beziehung zwischen den Funden aus La Tène und den Kelten unter Einbeziehung der schriftlichen Quellen dargestellt: Die se Aussage (Herodots [Anm. des Verfassers]) und die Grabungsergebnisse in Oberitalien veranlassten die Archäologen, die wenigstens einen Teil des Fundmaterials in das 5. vorchristliche Jahrhundert datieren konnten, die Funde aus dem Neuenburger See als keltisch zu identifizieren und ab 1872 von der keltischen La Tène Kultur zu sprechen. (Kramer, D., Kramer, M. 1998: 8). Die Kelten werden auch in dieser Publikation sprachlich und ethnisch als ein Volk seit der Wende vom 2. zum 1. Jt. v. Chr. dargestellt, aber es wird klar betont, dass die Kelten niemals ein gemeinsames Reich gegründet haben oder als gemeinsam handelndes Ganzes

157 aufgetreten sind (Kramer D., Kramer M. 1998: 8 9). Die Beziehung der hallstattzeitlichen Bevölkerung mit den Kelten wird in der Publikation nur kurz angesprochen. Dabei wird darauf hingewiesen, dass sich anhand der Quellenlage der Vorgang der Keltisierung der Steiermark nicht ganz eindeutig nachweisen lässt. Trotzdem wird einer Kontinuität der Bevölkerung, aber nicht der Kultur, gegenüber des Ansatzes einer Zerstörung durch Eroberung bevorzugt. In allen drei Ausstellungen wurden die Kelten als die Träger der Latènekultur dargestellt und als Neuankömmlinge behandelt, die im Gebiet der Steiermark und Štajerska um 300 v. Chr. angesiedelt sind. Der Unterschied zwischen der ersten Ausstellung im Jahr 1983 und der folgenden Ausstellung in Celje ist das Verschwinden des Bewusstseins, dass die Verknüpfung der materiellen und schriftlichen Quellen mit den ethnischen Vorstellungen nicht unproblematisch geschehen kann. Die Ausstellung in Bärnbach im Jahr 1998 weist mit dem Einbeziehen der Forschungsgeschichte auf die Forschungslücke in der Späthallstatt- und Frühlatènezeit und versucht die heutige Verwendung des Begriffs Kelten genauer zu fassen. Ein weiterer Aspekt der musealen Präsentation sind die Freilichtanlagen. Ein derartiger Bau befindet sich am Burgstallkogel bei Kleinklein, wo am Hang der hallstattzeitlichen Siedlung ein Gehöft errichtet wurde (Lobisser 2007: ; Großklein 20). Das Gehöft wurde in den Jahren 2003 und 2004 von der Marktgemeinde Großklein in Zusammenarbeit mit dem Vienna Institute for Archaeological Science (VIAS) aufgebaut. Es wurden ein eingerichtetes Wohnhaus, eine Webhütte mit einem Webstuhl, ein Pfostenspeicherbau und eine Brotbackhütte auf einem hohen Qualitätsniveau errichtet (Abb. 8). Das sog. Keltengehöft wird vom Hallstattzeitlichen Museum Großklein betreut. Es finden dort verschiedene Veranstaltungen statt, wie zum Beispiel Lamawanderungen (!), Festivals und Musikabende. Ein weiteres Keltendorf finden wir in der Oststeiermark am Kulm bei Weiz (Kritik bei Ahrens 1990: 94, 189; Kulm 20), wo auch frühlatènezeitliche Objekte gefunden wurden. Obwohl die Besiedlung dieser Fund stelle in der Latènezeit durch Grabungen von D. Kramer, G. Fuchs und O. Urban bestätigt wurde Abb. 8: Das Keltengehöft auf dem Burgstallkogel bei Großklein (Universalmuseum Joanneum / M. Mele). 157

158 Abb. 9: Experimenteller Nachbau eines keltischen Ofens in Ormož (Foto: Pokrajinski muzej Ptuj-Ormož / M. Mele). (Kramer, Fuchs 1980: ; Urban, Kramer 1987: 101 0), wurde diesen wissenschaftlichen Ergebnissen bei der Rekonstruktion eher wenig Beachtung geschenkt. Aus dieser Fundstelle stammt auch eine der seltenen frühlatènezeitlichen Fibeln in der Steiermark. Das eiserne Repertoire der Freilichtmuseen mit Brotbacken und Festivalaktivitäten wird auch in dieser Freilichtanlage angeboten (auch Winkler 2006: 109 1). Auf ein weiteres keltisches Haus und einen keltischen Wanderweg in Dietenberg bei Ligist soll im Rahmen dieses Artikels nicht genauer eingegangen werden (Ahrens 1990: , 187; Ligist 20). Die archäologischen Quellen zu den beiden Siedlungen in Großklein und auf dem Kulm bei Weiz reichen nur bedingt für eine Rekonstruktion der Siedlung aus.wie viele andere Freilichtanlagen nutzen auch die se das allgemeine Wissen über den urgeschichtlichen Hausbau für die Rekonstruktion der Gebäude. Beide verwenden die Kelten als den Anziehungspunkt für die Besucherinnen und Besucher. Die Kelten, gemeint als die Träger der Latènekultur, wurden aber nur auf dem Kulm nachgewiesen. Wenn wir die museale Vermittlung ansprechen, die manchmal auch mit den Kelten verbunden wird, sei auf die Experimentalwoche mit dem Titel Expe- 158 rimentelle Rekonstruktion eines keltischen Töpferofens und das Brennen von Keramik im Museum Ormož im Jahr 2006 hingewiesen (Abb. 9).Wir haben den Versuch unternommen, mit jungen Museumsbesuchern einen der in Ormož gefundenen latènezeitlichen Öfen nachzubauen (Mele 2006: 20). Dabei waren nicht nur pädagogische Aspekte maßgeblich das Experiment entwickelte sich vielmehr zu einem kleinen Forschungsunternehmen, das genau dokumentiert und durch Messungen der Temperatur im Ofen unterstützt wurde. Die Veranstaltung wäre sicherlich auch dann erfolgreich gewesen, wenn der Begriff keltisch nicht im Titel vorgekommen wäre. Schlussgedanken Die Frage Wer/Was sind die frühen Kelten? (übersichtlich bei Rieckhoff 2007: 41 55) kann aus der Sicht der Archäologie in der Steiermark und Štajerska kaum beantwortet werden. Die spärlichen archäologischen Quellen der Späthallstatt- und Frühlatènezeit in diesem Gebiet lassen momentan für fast 200 Jahre unserer Vorzeit noch zu viele Fragen offen. Die Kelten werden in der Forschung und der populä

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