Von Krankheitserregern lernen Learning from pathogenic microorganisms
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- Oswalda Schräder
- vor 6 Jahren
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1 Von Krankheitserregern lernen Learning from pathogenic microorganisms Itzen, Aymelt; Hedberg, Christian Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie, Dortmund Korrespondierender Autor Zusammenfassung Transportvorgänge in menschlichen Zellen sind erforderlich für unterschiedliche Prozesse, zum Beispiel für die Vernichtung von Krankheitserregern. Dabei steuert eine Klasse von Schalterproteinen die zeitliche und räumliche Koordination der Verschickungsprozesse. Manche Krankheitserreger, z.b. der Erreger der Legionärskrankheit, haben Mittel und Wege gefunden, diese Prozesse zu manipulieren. Die Erforschung der molekularen Prinzipien solcher Manipulationen ermöglicht den Forschern ein tieferes Verständnis der Biochemie von Krankheiten, aber auch der Grundlagen der Transportprozesse selbst. Summary Transport processes in human cells are essential for various cellular activities, e.g. the destruction of disease agents. Therefore, a class of switch proteins direct the temporal and spatial coordination of intracellular transportation. Some pathogens (e.g. the causative agent of Legionnaires disease) have contrived ways and means to manipulate these processes. The investigation of the molecular basis of such manipulations enables researchers to develop a deeper understanding of the biochemistry of diseases but also of the principles of intracellular transport processes. Einleitung 2012 Max-Planck-Gesellschaft 1/5
2 Abb. 1: Rab-Proteine kontrollieren vesikuläre Transportprozesse. Rab-Proteine binden an Vesikeln (oben) und sorgen ähnlich wie Lastwagenfahrer (unten) für die korrekte Verschickung des Materials. Ähnlich wie eine Großstadt ist die menschliche Zelle auf eine gut funktionierende und fein abgestimmte Infrastruktur angewiesen. Zur Aufrechterhaltung des Lebens auf der Ebene der menschlichen Zelle ist der Transport von Material von grundsätzlicher Bedeutung: Produktionslinien müssen aufeinander abgestimmt, Botenstoffe müssen an die Umgebung abgegeben und Krankheitserreger müssen aufgenommen und ihrer Zerstörung zugeführt werden. Die Basis all dieser Transportprozesse ist die Verpackung des Transportmaterials in Vesikel, die, um bei der Analogie mit einer Stadt zu bleiben, in ihrer Funktion LKWs gleichen. Die zeitliche und räumliche Koordination dieser lastwagenähnlichen Vesikel und ihrer Verkehrswege ist wichtig für so unterschiedliche Prozesse wie die kontrollierte Muskelkontraktion oder die Zerstörung von Krankheitserregern. Eine Klasse kleiner Proteine kümmert sich daher intensiv um die Regulation der vesikelvermittelten Transportprozesse und stimmt damit einzelne Verschickungsvorgänge aufeinander ab. Diese Proteine wurden erstmals im Rattenhirn (engl.: rat brain) identifiziert und daher als Rab-Proteine bezeichnet [1]. Rab-Proteine fungieren als molekulare Schalter, die in zwei Aktivitätszuständen vorliegen können. Im aktiven Zustand stimulieren sie vesikelvermittelte Transportvorgänge, z.b. das Auslösen der Muskelkontraktion, wohingegen sie im inaktiven Zustand auf ihre eigene Stimulation durch andere Proteine warten. Wenn Vesikel also analog zu Lastwagen sind, entsprechen die Rab-Proteine den LKW-Fahrern ( Abb. 1). Rab-Proteine regulieren Transportvorgänge Die Familie der Rab-Proteine umfasst etwa 60 unterschiedliche Mitglieder. Auch wenn Forscher die molekularen Wirkungen der Rabs seit ihrer Entdeckung vor ca. 30 Jahren immer besser verstehen [1], so sind wir doch noch weit davon entfernt, die Eigenschaften und zellulären Bedeutungen jedes individuellen Mitgliedes im Detail zu kennen. Leider ist die molekulare Analyse einzelner Proteine sehr aufwändig und die Ergebnisse können sich außerdem von Zelltyp zu Zelltyp deutlich unterscheiden: Beispielsweise haben Magenwandzellen, die hauptsächlich Material in Form von Verdauungsenzymen abgeben, im Detail ganz andere Ansprüche an vesikuläre Transportvorgänge als Immunzellen, die vor allem Material in Form von potenziellen Krankheitserregern aufnehmen und der Zerstörung zuführen. Erstaunlicherweise geben eben jene Krankheitserreger den Forschern hin und wieder Werkzeuge in die Hand, mithilfe derer sie ein tieferes Verständnis für vesikelvermittelte Transportvorgänge bekommen können Max-Planck-Gesellschaft 2/5
3 Legionellen manipulieren Immunzellen Das Bakterium Legionella pneumophila ist ein solcher Krankheitserreger, der in der Vergangenheit wertvolle Einblicke in humane zelleigene Transportvorgänge ermöglicht hat [2]. Legionellen können die bekannte Legionärskrankheit auslösen, wenn sie in Form von Aerosolen in die Lunge eingeatmet werden. In der Lunge werden sie von Immunzellen erkannt, die diese Bakterien aufnehmen und im Weiteren der Zerstörung zuführen möchten. Die Legionellen lassen sich zwar passiv aufnehmen, haben aber Mittel und Wege gefunden, der anschließenden Vernichtung zu entgehen. Die bakteriellen Mechanismen dieser Resistenz sind vielfältig und werden durch ca. 300 unterschiedliche Proteinfaktoren vermittelt, die von dem Bakterium ins Innere der Wirtszelle freigesetzt werden. Ein Teil der freigesetzten Proteine übernimmt dabei die Kontrolle über eine Klasse von Rab-Proteinen und verwendet molekulare Mechanismen, die zum Verständnis der Funktionsweise von Rabs beigetragen haben. Insbesondere das Legionellenprotein DrrA hat das Interesse der Forscher geweckt. Das Legionellenprotein DrrA manipuliert Rab-Proteine DrrA hat zwei erstaunliche Eigenschaften: Zunächst ist es ein äußerst wirkungsvoller Kidnapper des Rab- Proteins Rab1, das normalerweise die allerersten Schritte von Produktionsprozessen in der Zelle steuert [3, 4]. Legionellen nutzen Rab1, um ihre Präsenz in der Immunzelle zu tarnen und der destruktiven Entdeckung entkommen zu können. Damit verhindern die Legionellen, dass die Verteidigungssysteme der Immunzelle ihr zerstörerisches Arsenal einsetzen können. Abb. 2: Legionellen können Rab-Proteine manipulieren. Das Legionellenprotein DrrA verwendet die allgem eine Energiewährung der Zelle (ATP), um dam it Rab1 zu m odifizieren. Der Effekt dieser Modifikation gleicht einer m olekularen Handschelle. Allerdings müssen die Legionellen gleichzeitig verhindern, dass Rab1 als einer der Aufpasser des vesikulären Transportes von den normalen Recyclingprozessen der Zelle erfasst wird und wieder verschwindet. Zu diesem Zweck besitzt DrrA eine zweite hochinteressante Aktivität, die es den Legionellen ermöglicht, Rab1 dauerhaft zu kontrollieren: Es gelingt DrrA nämlich, Rab1 Handschellen anzulegen (Abb. 2) [5, 6]. Selbstverständlich sind diese Handschellen nur von molekularer Größe und das Rab1 wird damit mehr verklebt als wirklich gefesselt. DrrA bedient sich eines kleinen Moleküls, des Adenosintriphosphats (ATP), das es an eine regulatorisch bedeutsame Position von Rab1 hängt und damit Rab1 für andere, recycelnde Proteine unsichtbar macht. ATP ist die allgemeine Energiewährung unserer Zellen und daher in großem Umfang vorhanden Max-Planck-Gesellschaft 3/5
4 Chemiker und Biochemiker bauen zusammen Werkzeuge für die Analyse von ATP-modifizierten Proteinen Abb. 3: Synergistik von Chemie und Biologie in der Analyse von Legionellenproteinen. Die Verwendung chem ischer und biologischer Methoden hilft den Forschern, Legionellenproteine besser zu verstehen. Die Aktivitätskontrolle von Rab1 durch die DrrA-vermittelte Modifikation mit ATP ist überraschend, da ein solcher Mechanismus bisher noch nie in der Regulation vesikulärer Transportprozesse beobachtet worden ist. Auch wenn diese Strategie in der hier geschilderten speziellen Situation von Legionellen verfolgt wird, so stellt sich die bedeutsame Frage, ob eine derartige Regulation nicht den Normalfall darstellen könnte und bis zum jetzigen Zeitpunkt lediglich noch nicht beobachtet worden ist. Aus diesem Grund wurden molekulare Sonden gebaut, mithilfe derer die Detektion der Modifikation mit ATP möglich wird [7]. Zu diesem Zweck wurde als erstes die Modifikation auf organisch-chemischem Wege synthetisiert und dann künstlich in Proteinfragmente eingeführt (Abb. 3). Die große Ausbeute sowie die hohe Reinheit und Homogenität dieses synthetischen Produktes ermöglichte es, auf biologischem Wege Immunsubstanzen sogenannte Antikörper herzustellen. Diese Antikörper sind selbst Proteine, die eine äußerst starke Bindung an ATP-modifizierte Proteine (wie z.b. Rab1) besitzen. Im Gegensatz zu der Modifikation alleine können die Antikörper biochemisch sehr einfach detektiert werden und dienen damit als molekulare Leuchttürme für die Anwesenheit ATPmodifizierter Proteine. Somit existiert nun ein Werkzeug, mit dessen Hilfe in jedem vorstellbaren Organismus nach bisher unbekannten ATP-modifizierten Proteinen gesucht werden kann. Auf diese Weise könnenzelluläre Prozesse entdeckt und entschlüsselt werden, die der Aufmerksamkeit der Forscher bis jetzt entgangen sind. Schlussbemerkung Die Analyse von Bakterien wie zum Beispiel von Legionellen ist nicht nur für die Infektionsbiologie interessant. Hier konnten Bakterien den Wissenschaftlern eine Reaktion zeigen, die sie bisher noch gar nicht gekannt hatten, nämlich die Modifikation von Rab-Proteinen mit ATP. Die Kombination von Biochemie und Organischer Chemie ermöglicht im Weiteren die Herstellung von molekularen Werkzeugen, mit deren Hilfe nun neue Fragestellungen angegangen werden können (Abb. 3). Auch in der Zukunft halten Krankheitserreger sicherlich noch einige unangenehme, aber auch interessante Neuigkeiten für die Wissenschaft bereit Max-Planck-Gesellschaft 4/5
5 [1] Isberg, R. R.; O'Connor, T. J.; Heidtman, M. The Legionella pneumophila replication vacuole: making a cosy niche inside host cells Nature Reviews Microbiology 7, (2009) [2] Murata,T.; Delprato, A.; Ingmundson, A.; Toomre, D. K.; Lambright, D. G.; Roy, C. R. The Legionella pneumophila effector protein DrrA is a Rab1 guanine nucleotide-exchange factor Nature Cell Biology 8, (2006) [3] Machner, M. P.; Isberg, R. R. Targeting of host Rab GTPase function by the intravacuolar pathogen Legionella pneumophila Developmental Cell 11, (2006) [4] Müller, M. P.; Peters, H.; Blumer, J.; Blankenfeldt, W.; Goody, R. S.; Itzen, A. The Legionella Effector Protein DrrA AMPylates the Membrane Traffic Regulator Rab1b Science 329, (2010) [5] Itzen, A.; Blankenfeldt, W.; Goody, R. S. Adenylylation: renaissance of a forgotten post-translational modification Trends in Biochemical Sciences 36, (2011) [6] Smit, C.; Blumer, J.; Eerland, M. F.; Albers, M. F.; Müller, M. P.; Goody, R. S.; Itzen, A.; Hedberg, C. Efficient Synthesis and Applications of Peptides containing Adenylylated Tyrosine Residues Angewandte Chemie-International Edition 50, (2011) 2012 Max-Planck-Gesellschaft 5/5
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