Injektionsnarkotika in der Medizin
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- Nora Kurzmann
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1 Diplomarbeit Injektionsnarkotika in der Medizin eingereicht von Dr. med. dent. Nikola Adamovic Geb.Dat.: zur Erlangung des akademischen Grades Doktor(in) der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie unter der Anleitung von Univ.-Prof. i. R. Mag. Pharm. Dr. Eckhard Beubler und Univ.-Prof. Dr. Josef Donnerer Graz, am (Unterschrift)
2 Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am Unterschrift i
3 Danksagungen Ganz besonderer Dank gilt Herrn Univ.-Prof. i. R. Mag. Pharm. Dr. Eckhard Beubler und Herrn Univ.-Prof. Dr. Josef Donnerer für die freundliche Unterstützung beim Erstellen dieser Diplomarbeit. Weiterhin möchte ich meinen Eltern Mladen und Zdravka, meiner Schwester Kristina und besonders meiner Freundin Veronika für ihre Liebe, Geduld und Unterstützung danken. Sie haben ebenso zum Erfolg meines Studiums und dieser Diplomarbeit beigetragen. ii
4 Zusammenfassung Injektionsnarkotika sind eine heterogene Gruppe von Pharmaka, die sich im Bezug auf ihre Struktur, Pharmakodynamik, Nebenwirkungen, Indikationen, Kontraindikationen und Pharmakokinetik signifikant voneinander unterscheiden lassen. Sie werden dosisabhängig für die Induktion einer Kombinationsnarkose, IVA/TIVA, Sedierung sowie Analgosedierung von Intensivpatienten eingesetzt. Seit die ersten kommerziellen Injektionsnarkotika, die Barbiturate Hexobarbital und Thiopental in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts in die medizinische Praxis eingeführt worden sind, haben die Injektionsnarkotika eine stetige Entwicklung durchgemacht. In den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich eine breite Palette von Substanzen auf dem Markt etabliert, die als Injektionsnarkotika klassifiziert werden. Dazu zählen Barbiturate (Thiopental, Methohexital), Propofol, Etomidat, Ketamin, injizierbare Benzodiazepine (Midazolam, Flunitrazepam, Lorazepam, Diazepam), Opioide (Fentanyl, Alfentanil, Sufentanil, Remifentanil) und seit kurzem auch α 2 -adrenerge Agonisten (Clonidin, Dexmedetomidin). Neu entwickelte Injektionsnarkotika wie z. B. die Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten (CNS7056, JM-1232), die Etomidatderivate (Methoxycarbonyl-Etomidat (MOC- Etomidat), Carboetomidat), die Propofol-verwandten Strukturen (PF0713, Fospropofol) und THRX /AZD3043 haben noch einen langen Weg vor sich, bis sie die schon klinisch etablierten Substanzen wie Propofol ersetzen können. Injektionsnarkotika sind eine sehr wichtige Gruppe von Pharmaka in der Medizin und eine moderne Vollnarkose, IVA/TIVA, Sedierung und Analgoseiderung von Intensivpatienten ist ohne sie nicht vorstellbar. Es gibt derzeit kein Injektionsnarkotikum auf dem Markt, das als erste Wahl universell bei allen Arten von Patienten und medizinischen Behandlungen einsetzbar ist. Bei der Auswahl eines Injektionsnarkotikums für eine entsprechende Indikation müssen seine pharmakologischen Eigenschaften streng berücksichtigt werden. iii
5 Abstract Intravenous anesthetics constitute a heterogenous group of pharmacological substances. Significant differences between them lie in their structure, pharmacodynamics, side effects, indications and contraindications, as well as their pharmacokinetics. Different doses are used for induction of balanced anesthesia, IVA/TIVA, sedation and analgosedation in intensive care units. Since intravenous anesthesia in the form of the barbiturate hexobarbital and thiopental in the 1930 s was first introduced into the medical practice, the intravenous anesthetics have been continously further developed. In the 1980 s and 90 s a broad pallette of different substances has been established, i.e. barbiturates (thiopental, methohexital), propofol, etomidate, ketamine, injection benzodiazepines (midazolam, flunitrazepam, lorazepam, diazepam), opioids (fentanyl, alfentanil, sufentanil, remifentanil) and, recently, α 2 -adrenergic agonists (clonidine, dexmedetomidine) and they all fall under the name of intravenous anesthesics. Newly developed intravenous anesthetics, for example the benzodiazepine-receptoragonists (CNS7056, JM-1232), the etomidate derivatives (methoxycarbonyl-etomidate (MOC-etomidate), carboetomidate), the propofol-related structures (PF0713, fospropofol) and THRX /AZD3043 are on a long way from replacing clinically proved substances like propofol. Intravenous anesthetics are an important group of pharmacological substances in medicine and modern general anesthesia, IVA/TIVA, sedation and analgosedation are hardly conceivable without them. There isn t an intravenous anesthetic on the market, that could be universally used in every patient and every medical procedure. The pharmacological properties of a substance ought to be taken into account when choosing an intravenous anesthetic for a particular indication. iv
6 Inhaltsverzeichnis Danksagungen... ii Zusammenfassung... iii Abstract... iv Inhaltsverzeichnis... v Glossar und Abkürzungen... vii Abbildungsverzeichnis... viii Tabellenverzeichnis... ix 1 Quellen Grundlagen der Allgemeinanästhesie (Vollnarkose) Kombinationsnarkose Totale intravenöse Anästhesie Geschichte der Injektionsnarkotika Effekte von Allegemeinanästhesie (Vollnarkose) auf den Organismus Pharmakologie der Injektionsnarkotika Pharmakodynamik der Injektionsnarkotika Molekulare Mechanismen der Vollnarkose Pharmakokinetik der Injektionsnarkotika Einteilung der Injektionsnarkotika Propofol Barbiturate Etomidat Ketamin Injizierbare Benzodiazepine Opioide α 2 -Agonisten Sonstige narkoserelevante intravenöse Medikamente Droperidol Muskelrelaxanzien Diskussion Ideales Injektionsnarkotikum Gibt es so was? Zukunftstrends bei Injetionsnarkotika v
7 6.3 Schlussfolgerung Literaturverzeichnis vi
8 Glossar und Abkürzungen AMPA - α-amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolpropionic acid BE Basenexzess bzw. - beziehungsweise cgmp - cyclisches Guanosin-3, 5 -monophosphat Cl - - Chlorid Ion ED 50 - effektive Dosis EDTA -Dinatriumedetat EEG Elektroenzephalografie GABA Gamma-Aminobuttersäure KG -Körpergewicht H 1 -Rezeptor - Histamin Rezeptor 1 5-HT 3 -Rezeptor-Antagonist - 5-Hydroxytryptamin (Serotonin)-Rezeptor 3-Antagonist IVA - intravenöse Anästhesie i. v. intravenous LD 50 -letale Dosis Lj Lebensjahr MAC-Wert - minimale alveoläre Konzentration eines Narkosegases NMDA N-Methyl-D-Aspartat NO - Stickstoffmonoxid N 2 O Distickstoffmonoxid O 2 Sauerstoff pco 2 - Kohlendioxid-Partialdruck im Blut s. siehe sog. - sogenannt TCI - Target Controlled Infusion TIVA - Totale intravenöse Anästhesie USA - United States of America v. a. vor allem ZNS - Zentralnervensystem vii
9 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Stoffwechsel eines Arzneimittels (15) Abbildung 2 Propofol Abbildung 3 Thiopental Abbildung 4 Methohexital Abbildung 5 Etomidat Abbildung 6 Ketamin Abbildung 7 Midazolam Abbildung 8 Flunitrazepam Abbildung 9 Lorazepam Abbildung 10 Diazepam Abbildung 11 Fentanyl Abbildung 12 Alfentail Abbildung 13 Sufentanil Abbildung 14 Remifentanil Abbildung 15 Clonidin Abbildung 16 Dexmedetomidin Abbildung 17 Droperidol viii
10 Tabellenverzeichnis Tabelle 1 Prämedikationspharmaka und ihre Verwendungsziele (7) Tabelle 2 Pharmakokinetische Eigenschaften von Propofol (11, 9, 7, 15, 13, 4, 5, 18) Tabelle 3 Pharmakokinetische Eigenschaften von Thiopental (11, 9, 7, 15, 13, 4, 18).24 Tabelle 4 Pharmakokinetische Eigenschaften von Methohexital (11, 9, 7, 13, 4, 18).. 24 Tabelle 5 Pharmakokinetische Eigenschaften von Etomidat (11, 9, 7, 15, 13, 4, 18).. 28 Tabelle 6 Pharmakokinetische Eigenschaften von Ketamin-Razemat (11, 9, 7, 15, 13, 4, 5, 18, 26) Tabelle 7 Pharmakokinetische Eigenschaften von Midazolam (11, 7, 13, 4, 18) Tabelle 8 Pharmakokinetische Eigenschaften von Flunitrazepam (13, 4) Tabelle 9 Pharmakokinetische Eigenschaften von Lorazepam (11, 4,18) Tabelle 10 Pharmakokinetische Eigenschaften von Diazepam (11, 13, 4, 18) Tabelle 11 Pharmakokinetische Eigenschaften von Fentanyl (7, 15, 13) Tabelle 12 Pharmakokinetische Eigenschaften von Alfentanil (15, 13) Tabelle 13 Pharmakokinetische Eigenschaften von Sufentanil (15, 13) Tabelle 14 Pharmakokinetische Eigenschaften von Remifentanil (15, 13) ix
11 1 Quellen In dieser Diplomarbeit werden als Material entsprechende Kapitel aus anästhesiologischen und pharmakologischen Fachbücher sowie Artikeln aus verschiedenen Zeitschriften, PubMed und Google genutzt. Als Methode zur Beantwortung der Problematik wird eine Literaturrecherche gemacht. In den Suchmaschinen wie Pub Med und Google ist nach folgenden Begriffen gesucht worden: intravenous anesthetic agents, Injektionsnarkotika, general anesthetics, Propofol, etomidate, ketamine, benzodiazepines, TIVA, barbiturates, Ich habe mich bemüht, den aktuellsten Überblick über Injektionsnarkotika in der Medizin durch den neuesten und aktuellsten Stand der Literatur zu verschaffen. 1
12 2 Grundlagen der Allgemeinanästhesie (Vollnarkose) Allgemeinanästhesie oder Vollnarkose wird als reversibler medikamentös induzierter Sensibilitätsverlust des ganzen Körpers mit begleitender Amnesie, Bewusstlosigkeit, Schmerzfreiheit, Hemmung von vegetativen Reflexen und motorischen Aktivität definiert. Der Begriff Narkose stammt vom altgriechischen Wort nárkosi ab und bedeutet in Schlaf versetzen (1). Viele Medikamente einschließlich z. B. Ethanol und Morphin können einen Zustand von Schmerzfreiheit und Bewusstlosigkeit produzieren, werden aber nicht als Anästhetika verwendet. Allgemeinanästhetika sind Substanzen, welche systemisch wirksam sind, ihre Hauptwirkung auf das ZNS ausüben, im Gegensatz zu Lokalanästhetika, welche durch reversible Hemmung von Impulsleitung von peripheren sensiblen Nerven ihre Wirkung entfalten (2). Die Substanzen die zur Klasse von Allgemeinanästhetika (Narkosemittel) gehören, unterscheiden sich sehr in ihrer Fähigkeit die Analgesie, die Muskelrelaxation oder die Amnesie zu bewirken und haben in Wirklichkeit nur ein bestimmendes Merkmal gemeinsam sie induzieren reversible Bewusstseinsverlust bei niedrigen Konzentrationen. Sie verursachen auch einen zunehmenden Mangel an Reaktionsfähigkeit bei höheren Konzentrationen (3). Ein Anästhetikum soll steuerbar sein, soll eine ausreichende therapeutische Breite aufweisen und die Effekte von Anästhesie sollen nach Ende der Behandlung schnell und andauernd verschwinden (Reversibilität). Im Bezug auf Applikation sind zwei Gruppen von Allgemeinanästhetika zu unterscheiden nämlich Inhalationsanästhetika und Injektionsanästhetika. Inhalationsanästhetika werden durch ein Inspirationsgasgemisch über die Lunge zugeführt, sowie großteils über die Lunge durch Rückatmung eliminiert. Ein gewisser Anteil des Inhalationsanästhetikums wird verstoffwechselt und hepatisch oder renal eliminiert. Zu dieser Gruppe gehören folgenden Substanzen: Distickstoffmonoxid (N 2 O) und die verdampfbaren (volatilen) Anästhetika Halothan, Enfluran, Isofluran, Desfluran und Sevofluran (4). Intravenöse Anästhetika oder Injektionsnarkotika sind chemisch unterschiedliche Pharmaka, welche ein Wirkspektrum von leichter Sedierung bis zur tiefer Bewusslosigkeit aufweisen. Es finden zwei Gruppen von zentral betäubenden Pharmaka als Injektionsnarkotika Anwendung, nämlich klassische Hypnotika (Thiopenthal, 2
13 Methohexital, Etomidat, Propofol) die je nach Konzentration sedierend oder hypnotisch wirken können und Sedativa aus den Wirkstoffgruppen Benzodiazepine und Neuroleptika, die auch bei hohen Dosierung keine signifikante hypnotische Wirkung erzielen können (5). In juristischer Terminologie versteht man unter Narkotika alle Substanzen, die durch Narcotic Control Act in Kanada, Harrison Act in USA oder durch die Rechtsvorschriften anderer Länder reguliert sind. Viele von diesen Substanzen sind morphinähnliche Analgetika oder synthetische Ersatzprodukte. Dennoch wird dieser Begriff auch für Cocain und Cannabis, welche ganz andere pharmakologische Charakteristiken als Opioidanalgetika haben verwendet. Es wird deshalb in der englischen Fachliteratur der Begriff narcotic nicht mehr verwendet. Stattdessen wird der Begriff opioids (Opioide) für alle Substanzen, die morphinähnliche Wirkung über die Interaktion mit Opioidrezeptoren erzeugen und der Begriff intravenous anesthetics für Injektionsnarkotika (intravenöse Anästhetika) verwendet (6). Da die Begriffe Injektionsnarkotika, intravenöse Anästhetika und Hypnotika in der deutschen Fachliteratur synonym verwendet werden, wird nachfolgend nur der Begriff Injektionsnarkotika verwendet. 2.1 Kombinationsnarkose Um die Nebenwirkungsrate von Narkotika zu reduzieren, werden Inhalations- und Injektionsnarkotika mit Opioiden (Analgesie) und Muskelrelaxantien (Relaxation) im Rahmen der heute üblichen Kombinationsnarkose oder balancierten Anästhesie simultan verwendet (4, 7). Eine Kombinationsnarkose setzt sich aus vier Abschnitten zusammen, nämlich Prämedikation, Narkose-Einleitung, Narkose-Aufrechterhaltung und Narkose-Ausleitung. Prämedikation ist definiert als medikamentöse Maßnahmen zur Konditionierung von Patienten für Narkoseeinleitung. Sie beginnt in der Regel am Vortag des Eingriffs und dient der Erleichterung der Narkose-Einleitung, Reduzierung der Nebenwirkungen, Anxiolyse und Sedierung (7). 3
14 Tabelle 1 Prämedikationspharmaka und ihre Verwendungsziele (7). Pharmaka Ziel Benzodiazepine Anxiolyse, Sedierung, Amnesie, antikonvulsive Wirkung Neuroleptika Sedierung, antiemetische Wirkung Opioide Analgesie H 1 -Rezeptor-Antagonisten Antiemetisch, Hemmung der Histaminfreisetzung Serotonin (5-HT 3 )-Rezeptor-Antagonisten Antiemetische Wirkung Parasympatolytika Hemmung der Speichelsekretion und vagaler Reflexe Narkoseinleitung wird mittels schnell wirkende Injektionsnarkotika durchgeführt. In dieser Phase wird ein Muskelrelaxans verabreicht und die Atemwege durch Larynxmaske oder Intubation gesichert. Narkose-Aufrechterhaltung wird am häufigsten durch Inhalationsnarkose mit einem Gemisch im Verhältniss 2:1 des gut analgetisch wirksamen N 2 O und O 2 gemacht und zusätzlich werden dazu wenige Volumensprozente eines Dampfnarkotikums zugemischt. Für die Aufrechterhaltung einer Narkose eignet sich auch das Injektionsnarkotikum Propofol. Narkose-Ausleitung ist durch Eliminierung von Narkosemittel aus dem Organismus gekennzeichnet. In dieser Phase werden Opioide zur Analgesie und Neostigmin zur Antagonisierung der Muskelrelaxation verabreicht (7). 2.2 Totale intravenöse Anästhesie Totale intravenöse Anästhesie (TIVA) bezeichnet Induktion und Aufrechterhaltung einer Narkose ausschließlich durch Einsatz von Injektionsnarkotika und ohne Verwendung von Inhalationsnarkotika. Propofol ist aufgrund der günstigen pharmakologischen Eigenschaften und guter Steuerbarkeit das bevorzugte Injektionsnarkotikum für Induktion und Aufrechterhaltung einer TIVA. Durch den Einsatz von eines TCI-Systems (Target Controlled Infusion) während des Operationsvorgehens wird eine sichere Dosierung und Titrierung von i. v. Pharmaka ermöglicht. Die TCI beruht auf dem BET-Schema (B = Bolus, E = Elimination, T = Transfer) und ist die bestmögliche Form der Dosierung (8). 4
15 2.3 Geschichte der Injektionsnarkotika Als Beginn der modernen Anästhesie kann die erste öffentliche Demonstration (William Morton) von Vollnarkose mittels Inhalation von Ether für die chirurgische Entfernung eines Halstumors im Massachusetts General Hospital in Boston bezeichnet werden (9). Es ist aber weniger bekannt, dass bereits 1656, Boyle und Crosse eine Demonstration in Oxford durchgeführt haben, bei der Alkohol und Opium intravenös in einen Hund verabreicht wurden. Sie haben den Hund erfolgreich narkotisiert und nach einer gewissen Zeit hat sich der Hund vollständig erholt. Die Ergebnisse von diesem Experiment wurden nicht klinisch verwendet. Die Gründe dafür sind fehlende Kenntnisse über Dosis- Wirkungs-Beziehung, das Fehlen von adäquater Ausrüstung für i.v.-zugang und das gesellschaftliche Klima damals, welches eher eine wissenschaftliche Entdeckung als klinische Anwendung gefördert hat. Daraus folgt, dass die Injektionsnarkotika früher als Inhalationsnarkotika verwendet wurden und die Chance für schmerzfreies Operieren wurde leider erst 200 Jahren später durch Entdeckung von Inhalationsnarkotika ausgenutzt (10). Der russische Wundarzt Pirogoff hat Äther bei Tieren im Jahr 1847 intravenös verabreicht, was aber durch ausgeprägte Hämolyse gescheitert hat. Der würzeburger Chirurg Burkhardt hat 1909 dasselbe versucht aber dieses mal durch Verdünnung mit Kochsalz-Lösung und Zusatz von Hirudin. Er hat dadurch deutlich bessere Ergebnisse im Bezug auf Verträglichket sowohl von i. v. injiziertem Äther als auch von Chloroform bekommen, aber wegen vielen Nebenwirkungen konnte sich dieses Verfehren nicht in der Praxis durchsetzen. Im Jahr 1872 hat Oré in Bordeaux durch i. v. Injektion von Chloralhydrat erfolgreich einen Patienten anästhesiert. Nach 53 Anwendungen hat er festgestellt, dass im Vergleich zur Narkoseeinleitung mit Inhalationsanästhetika keine Atmungsstörungen, kein Erbrechen und keine Erregung aufgetreten sind. Dennoch wurde diese Methode wegen schlechter Steuerbarkeit und arrhythmogener Effekte bald wieder verlassen. Der deutscher Pharmakologe Weese hat 1932 das Barbitursäure-Derivat Hexobarbital (Evipan) eingeführt und damit ist erstmals ein Injektionsnarkotikum mit ausreichender therapeutischer Breite und ordentlicher Steuerbarkeit zur Verfügung gestanden. Waters und Lundy haben 1934 in den USA Thiopental (Pentothal ) eingeführt. Diese Substanz hat sich zum Standard- Injektionsnarkotikum für die i. v. Einleitung der Narkose entwickelt (5). Während des Zweiten Weltkrieges sind die intravenösen Verabreichungen von Blutprodukten und Infusionen üblich geworden. Sie wurden zunehmend von Anästhesiologen durchgeführt. Thiopental wurde während der Operationen von am 5
16 Kriegsfeld entstandenen Wunden verwendet, und es wurde bald klar, dass die Injektionsnarkose mit Thiopental größere Geschicktlichkeit erfordert, und war nicht so einfach wie Vollnarkose mit Ether (11). Anästhesie mit Thiopenthal führte zu schweren Depressionen des Kreislaufsystems, des respiratorischen Systems sowie des ZNS. Die weiteren Fortschritte bei Injektionsnarkotika und Substanzen wie Propofol, kombiniert mit anderen intravenösen Adjuvantien wie Midazolam, Dexmedetomidin und Remifentanil, haben zu Anwendung von totaler intravenöser Anästhesie (TIVA) in der modernen Praxis geführt (9). Diazepam ist im Jahr 1959 entdeckt und seit 1963 klinisch zugelassen und zur intravenösen Verabreichung freigegeben worden. In der weiteren Folge sind Lorazepam im Jahr 1971 und Flunitrazepam im Jahr 1975 entwickelt worden. Ein Wendepunkt für die Anästhesiologie war die Synthese von Midazolam, eines wasserlöslichen Benzodiazepins, im Jahr 1976, das seit 1982 auf dem Markt überwiegend für anästhesiologische Indikationen zur Verfügung steht. Etomidat ist im Jahr 1965 synthetisiert und im Jahr 1973 klinisch erprobt worden (5). Propofol ist im Jahr 1983 vorgestellt und wird seit 1986 für die Einleitung und die Aufrechterhaltung der Narkosen im klinischen Gebrauch breit verwendet (2, 12). 2.4 Effekte von Allegemeinanästhesie (Vollnarkose) auf den Organismus Die klassischen Zeichen einer Ethernarkose werden in vier Phasen unterteilt und erstes Mal von Guedel beschrieben: Stadium der Amnesie und Analgesie, Erregungs- oder Exzitationsstadium, Stadium der chirurgischen Toleranz und Paralyse-Stadium (13). Er hat dieses Schema mit Ethernarkose für die Ausbildung von dem unerfahrenen medizinischen Personal während des Ersten Weltkrieges entwickelt. Diese klassischen Zeichen, die im Wesentlichen noch immer korrekt sind, spiegeln physiologische Reaktionen einer ZNS-Depression durch Ether wieder. Sie sind aber nicht mehr sinnvoll bei den modernen Narkosemitteln und Techniken. Die Narkosetiefe wird heute durch das Vorhandensein oder Fehlen einer Reaktion auf verbale Befehle, der Augenreflexe, rhythmischer Atmung, sowie der Antwort von Herzfrequenz und Blutdruck auf chirurgische Stimulation beurteilt (14). 6
17 Der Einsatz der Vollnarkose in der Medizin, sowie die Entwicklung neuer Substanzen und Technologie von Monitoring der Patienten ist durch drei allgemeine Ziele getrieben worden: 1. Minimierung potenziell schädlicher Auswirkungen von Substanzen und Techniken der Vollnarkose. 2. Aufrechterhaltung physiologischer Homöostase während chirurgischer Eingriffe und Vermeidung von großen Blutverlusten, Gewebeischämie, Flüssigkeitsverschiebungen, Exposition gegenüber einer kalten Umgebung und Beeinträchtigung der Blutgerinnung. 3. Verbesserung der postoperativen Ergebnisse durch den Auswahl von Techniken, welchen die Komponenten der chirurgischen Stressantwort hemmen oder beeinflüssen können (9). Dale et al. (2) informieren, dass die Narkose drei wesentliche neurophysiologische Veränderungen produziert, nämlich Bewusstlosigkeit, Schmerzfreiheit und Verlust von vegetativen Reflexen. Bei erhöhten Dosen können alle Narkosemittel den Tod durch den Verlust von Herzkreislauf-Reflexen und Atemlähmung verursachen. Alle Teile des Nervensystems sind durch Narkosemittel betroffen und die wichtigsten Ziele sind Thalamus, Kortex und Hippocampus. Die meisten Narkosemittel (mit Ausnahmen, wie z. B. Ketamin und Benzodiazepine) produzieren ähnliche neurophysiologische Effekte und unterscheiden sich hauptsächlich hinsichtlich ihrer pharmakokinetischen Eigenschaften und Toxizität (2). Folgende Effekte treten in Zusammenhang mit einer Vollnarkose und postoperativ auf: hämodynamische Effekte (Blutdruckabfall), respiratorische Effekte (Atemdepression), Hypothermie, Übelkeit und Erbrechen, Reflextachykardie und Hypertonie, Myokardischämie, Erregungsnotfall (Auftreten bei 5-30 % der Patienten; charakterisiert durch Tachykardie, Unruhe, Schreien, Stöhnen), eine Vielzahl von neurologischen Symptomen (Delirium, Spastik, Hyperreflexie, Babinski Zeichen), postoperative Shivering, Hypoxämie und Schmerzen. Übelkeit und Erbrechen. Nausea und Vomiting können in der postoperativen Phase weiterhin signifikante Probleme nach einer Vollnarkose verursachen und werden durch die Wirkung von Narkosemittel auf die Chemorezeptortriggerzone und das Brechzentrum im Hirnstamm, die durch Serotonin, Histamin, Acetylcholin und Dopamin moduliert werden, ausgelöst. 5-HT 3 -Rezeptor-Antagonisten Ondansetron 7
18 und Dolasetron sind sehr effekive Hemmer der Übelkeit und des Erbrechens. Übliche Behandlungen von Übelkeit und Erbrechen schließen auch Droperidol, Metoclopramid, Dexamethason und Vermeidung von N 2 O ein. Die Verwendung von Propofol als Induktionsmittel einer Vollnarkose und Ketorolac (NSAR) als Opioidersatz kann die Inzidenz und den Schweregrad von postoperativer Übelkeit und Erbrechen senken (9). 8
19 3 Pharmakologie der Injektionsnarkotika Injektionsnarkotika werden zur Narkoseeinleitung verwendet und sind durch einen schnellen Wirkungseintritt charakterisiert. Ihre Steuerbarkeit während der Narkose ist mit Ausnahme von Propofol und Remifentanil ungünstiger im Vergleich zu Inhalationsnarkotika. Deshalb sind nur Propofol und Remifentanil sowie begrenzt auch Methohexital und Ketamin für die kontinuierliche Verabreichung verwendbar (4, 13). 3.1 Pharmakodynamik der Injektionsnarkotika Die Pharmakodynamik wird als ein Teil der Pharmakologie definiert, welche sich mit Untersuchung von Wirkmechanismen, Entstehung von Rezeptortheorien und Analyse der Struktur-Wirkungsbeziehungen, Dosis-Wirkungsbeziehungen und Nebenwirkungen beschäftigt. Wesentliche Grundbegriffe der Pharmakodynamik sind die intrinsische Aktivität (Effektivität), Affinität (Potenz), effektive Dosis, Dosis-Wirkungs-Kurve und therapeutische Breite einer Substanz. Die intrinsische Aktivität ist definiert als maximale Wirkung eines Pharmakons. Dabei unterscheidet man reine Agonisten, welche bei Bindung an Rezeptoren maximalen Effekt erzielen und reine Antagonisten, welche bei Bindung an Rezeptoren keinen pharmakologischen Effekt verursachen. Die Affinität (Potenz) eines Pharmakons bezeichnet die zu verabreichende Menge eines Pharmakons, die nötig ist, um die maximale Wirkung zu bewirken. Die Potenz der Narkotika ist direkt proportional dem Öl/Wasser-Verteilungskoeffizient, d. h. je lipophiler ein Narkotikum, desto größer ist seine Potenz. Als pharmakodynamische Einflussgröße zur Quantifizierung des narkotischen Effekts wird die relative Unterdrückung der EEG-Aktivität genutzt. Die Dosis-Wirkungs- Kurve einer Substanz stellt die Relation zwischen ihrer Wirkung und der Dosis dar. Mit der ED 50 wird die Dosis bezeichnet, unter der es in 50 % der Fälle zu einer Wirkung vorkommt (15). Die Dosis-Wirkungs-Kurve aller Pharmaka, die über membrangebundene Rezeptoren wirken, hat sigmoiden Verlauf und besitzt einen sog. Ceiling-Effekt. Dieser Effekt ist erreicht, wenn notwendige Zahl an Rezeptoren mit dem Pharmakon versehen ist und man die Wirkung trotz Dosiserhöhung nicht weiter steigern kann. In dem Fall können sich bei einer Dosiserhöhung nur nicht rezeptorvermittelte Nebenwirkungen vermehren (13). 9
20 Die therapeutische Breite zeigt den Sicherheitsabstand, der eine Substanz bei der Verwendung im Bezug auf eine toxische Reaktion hat. Diese ist bei Injektionsnarkotika sehr niedrig. Die LD 50 ist die Dosis, die bei 50 % der Tiere zu einem letalen Effekt führt. Der therapeutische Index ist definiert als Verhältnis von LD 50 und ED 50 (15) Molekulare Mechanismen der Vollnarkose Der molekulare Wirkungsmechanismus von Narkosemitteln bleibt unsicher, obwohl verschiedene Theorien in der Vergangenheit darüber entwickelt worden sind. Die meisten Theorien der Narkose haben versucht, durch ein gemeinsames Grundprinzip reversible Wechselwirkungen zwischen Nervenzellen und Narkosemitteln zu erklären, bzw. die Frage, wie Substanzen mit so unterschiedlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften so ähnliche Wirkungen erzielen, zu beantworten. Metabolische Theorien haben in der Vergangenheit das Phänomen von Narkose durch Beeinträchtigung von Nervenzellenfunktion infolge Verminderung der Respiration oder des Stoffwechsels in der Nervenzelle erklärt. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die metabolischen Störungen eher die Folge anstatt Ursache einer verminderten Aktivität der Nervenzellen sind. Membran-Theorien beruhen auf dem Prinzip von Veränderungen in der Zellmembran, die bei Störungen während neuronaler Reizentstehung, Reizweiterleitung und synaptischer Transmitterfreisetzung entstehen können. Solche Theorien sind Lipidlöslichkeitstheorie, thermodynamische Aktivitätstheorie, Membran-Belegungstheorie, Membran- Expansionstheorie und Membran-Rezeptortheorie (14). Wir wissen heute mehr über Struktur und Funktion von Zellmembranen, sodass sich der Schwerpunkt der Identifizierung von Narkose-Mechanismen in Richtung spezifischer Protein-Rezeptoren verschoben hat (2). Spezifische Medikamenten-Rezeptoren für bestimmte in der Narkose verwendeten Substanzen sind schon bekannt, wie z. B. Opiat-Rezeptoren für Opioid-Analgetika im ZNS, nikotinischen Rezeptoren an der neuromuskulären Endplatte für Muskelrelaxanzien, zentrale dopaminerge Rezeptoren für Neuroleptika, und die zentralen GABA-Rezeptoren für Benzodiazepine. Carmihael, Haas und Chan (14) sind der Meinung, dass die wahrscheinlichsten Zielproteine für Narkosemittel Ionenkanäle sind. Tatsächlich zeigen verschiedene Ionenkanäle im ZNS auffällige Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen Narkosemitteln (14). 10
21 Chau (16) berichtet über vier große Klassen von Proteinmolekülen, welche als Wirkorte von molekularen Narkosemechanismen vermutet sind, nämlich Liganden-gesteuerte Ionenkanäle, spannungsabhängige Ionenkanäle, Enzyme und Transportproteine. Wissenschaftler haben versucht, Narkoseeffekte mit diesen Proteinen in Verbindung zu setzen. Bisher ist ein eindeutiger Nachweis nur für zwei Liganden-gesteuerte Ionenkanäle, den GABA A -Rezeptor und den NMDA-Rezeptor als die wahrscheinlichste Zielorte der Aktion verfügbar (16). Anästhetikasensitive spannungsabhängige Ionenkanäle sind: Zwei-Poren-Kaliumkanäle (Kalium-2P-Kanäle), T-Typ-Kalziumkanäle und HCN-Kanäle (hyperpolarisation activated cyclic nucleotide gated). Kalium-2P-Kanäle nehmen an der Generierung und Modulation des Ruhemembranpotenzials teil. Sie kommen im ZNS vor und sind klinisch bei Stimmungsregulation, Wachheit und Schmerzwahrnehmung von Bedeutung. T-Typ-Kalziumkanäle sind für zelluläre Erregbarkeit und Generierung von Schrittmacherpotenzialen wichtig. Sie generieren neuronale Oszillationen im Thalamus und sind bei der Regulierung der thalamischen Aktivität beteiligt. HCN-Kanäle werden durch Hyperpolarisation aktiviert, durch zyklische Nukleotide gesteuert und sie beschleunigen die Depolarisation der Zelle. Klinisch sind sie für neuronale Schrittmacheraktion und Generierung thalamischer Oszillationen wichtig. Anästhetikasensitive ligandengesteurte Ionenkanäle sind GABA A -Rezeptoren, Glyzinrezeptoren, neuronale nikotinische Acetylcholinrezeptoren, Serotonin-(5HT 3 )- Rezeptoren und Glutamatrezeptoren (17). GABA, die am häufigsten vorkommende inhibitorische Neurotransmitter im ZNS, steigert Chlorid-Einstrom in die Nervenzellen und als Folge kommt es zu einer ZNS-Depression (14). GABA A -Rezeptoren steigern die Cl - -Leitfähigkeit der Zelle und führen somit zur Hyperpolarisierung und Hemmung der Erregbarkeit. Sie sind durch steigernde Aktivität bei Anxiolyse, Sedierung und Amnesie gekennzeichnet (17). GABA A -Rezeptoren sind Proteine, welche zu der cys-loop Superfamilie ligandengesteuerter Ionenkanäle gehören. Zu dieser Superfamilie werden auch nikotinische Acetylcholin-, Glycin- und 5HT 3 -Rezeptoren gezählt. GABA A -Rezeptoren bestehen aus fünf Untereinheiten, die pseudometrisch um integrale Anionenkanäle angeordnet sind. Die Untereinheiten, von denen neunzehn bisher identifiziert wurden, werden aufgrund ihrer Sequenzähnlickeit in Klassen unterteilt. Es werden sechs α- (Alpha), drei β- (Beta), drei γ- (Gamma), drei ρ- (Rho), sowie einzelne δ- (Delta), ε- (Epsilon), θ- (Theta) und π- (Pi) 11
22 Untereinheiten unterschieden. Biophysikalische Eigenschaften des bestimmten Rezeptorsubtyps stehen in Zusammenhang mit seiner Zusammensetzung in Untereinheiten. Der am weitesten verbreitete Subtyp, der etwa 30% der GABA A -Rezeptoren im Gehirn von Säugetieren ausmacht, enthält zwei α1-, zwei β2-untereinheiten und eine einzelne γ2- Untereinheit. Die GABA A -Rezeptoren können in drei strukturelle Domänen aufgeteilt werden nämlich extrazelluläre, transmembranöse und die intrazelluläre (16). Es gibt eine beachtliche Zahl von Beweisen, dass eine Reihe sowohl Inhalations- als auch Injektionsnarkotika ihre narkotische Wirkung im ZNS durch spezifische Interaktion am GABA A Typ-Rezeptor und Chloridionenkanal-Komplex ausübt. Diese Wirkstoffe verbessern anscheinend die Wirkung des GABA-Moleküls an seinen Rezeptor, öffnen Chloridionenkanäle und steigern die GABA A -Rezeptor vermittelte Hemmung der postsynaptischen neuronalen Erregbarkeit. Es wird diskutiert, ob Barbiturate, Benzodiazepine und Propofol, sowie die Inhalationsnarkotika an spezifischen Stellen im GABA A /Chloridionenkanal-Komplex binden und auf diese Art die Wirkung, welche erzeugt wird, wenn GABA an den GABA A -Rezeptor bindet, steigern (14). Die meisten Studien haben darauf hingewiesen, dass Aminosäuremutationen im GABA A - Rezeptor zu Wirkungsänderung der Narkosemittel führen können. Propofol und Etomidat binden in der Nähe der M2 und M3 Domänen der β-untereinheit. Propofol bindet auch an die M4 Domäne der β-untereinheit aber anscheinend nicht an die α-untereinheit. Etomidat bindet wahrscheinlich in der Nähe der M1-Domäne der α-untereinheit. Die Barbiturate sind eine Klasse für sich, sie erfordern Aminosäuren in der M1 und M2 Domäne der β- Untereinheit, und Loop-D der extrazellulären Domäne der α-untereinheit um ihre Wirkung zu erzielen (16). Graefe (7) berichtet, dass die Barbiturate Thiopental und Methohexital an α- und β- Untereinheiten der GABA A -Rezeptoren binden und allosterisch die Affinität der Rezeptoren für GABA steigern. Sie fördern zusätzlich die glycinerge Transmission und hemmen AMPA- und Kainat-Rezeptorkanäle (7). Engelhard und Werner (4) sind der Meinung, dass Etomidat vorwiegend über die β2- und β3-untereinheiten des GABA A -Rezeptors narkotisch wirkt (4). Andere zentrale Ionenkanälen, sensitiv zur wirksamen Narkosemittelkonzentration, stehen im Zusammenhang mit Glycin-Rezeptoren, 5HT 3 -Rezeptoren, nikotinischen Acetylcholinrezeptoren und Glutamat-Rezeptoren (aktiviert mit NMDA oder AMPA) (14). 12
23 Propofol bindet außer am GABA A -Rezeptor auch an Proteinkinase C, nikotinische Acetycholinrezeptor (nachr) und L-Typ Kalziumkanäle. Etomidat bindet außer am GABA A -Rezeptor auch an 5-HT 3 -Rezeptoren und α 2B -Adrenozeptoren (16). Glyzinrezeptoren haben ähnliche zelluläre Funktionen wie GABA A -Rezeptoren, sie steigern nämlich die Cl - -Leitfähigkeit und führen zur Membranhyperpolarisierung und Hemmung der Erregbarkeit. Sie sind wichtige inhibitorische Rezeptoren in Rückenmark und Hirnstamm und sind klinisch bei spinalen Reflexen von Bedeutung. Neuronale nikotinische Acetylcholinrezeptoren modulieren Neurotransmitterfreisetzung und sind mit Gedächtnisbildung, Schmerzempfindung und autonomen Funktionen assoziiert. Serotonin-(5HT 3 )-Rezeptoren steigern Erregbarkeit durch die Hemmung von Kaliumleckströmen. Sie kommen im ZNS vor und sind klinisch wichtig bei Wachheit, Nausea und Schmerzempfindung. Glutamatrezeptoren (NMDA, AMPA) dienen schneller exzitatorischer Neurotransmission, kommen im ZNS vor und sind für Wahrnehmung, Lernen, Gedächtnis und Schmerzempfindung klinisch relevant (17). Ketamin produziert die Bewusstlosigkeit durch Hemmung des NMDA-Rezeptors und / oder die Aktivierung von Kalium-2P-Kanälen (9). Ketamin hemmt den Einstrom der Natrium- und Kalziumionen in die Zelle. Es wirkt auch an AMPA-Rezeptoren und reduziert die Synthese von NO und c-gmp (4). Es lassen sich fünf Kriterien für die Identifizierung der Bindungsorte von Narkosemittel unterscheiden: Narkosemittel ändert reversibel die Funktion am Bindungsort bei klinisch relevanter Konzentration. Der Bindungsort ist an geeigneten anatomischen Stellen exponiert, um die spezifischen Verhaltenseffekte des Narkosemittels zu vermitteln. Die stereoselektive Wirkung des Narkosemittels in vivo ist äquivalent der Wirkung am Zielort in vitro. Der Bindungsort zeigt entsprechende Empfindlichkeit oder Unempfindlichkeit zum Narkosemittel Medikamente, welche die Funktionsfähigkeit des Ziels stören, senken ebenfalls die Wirkung des Narkosemittels (16). Diese Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass die Narkosemittel ihre physiologischen und pharmakologischen Wirkungen durch Steigerung inhibitorischer postsynaptischer (GABA und Glycin-Rezeptoren) und hemmender postsynaptischer Ionenkanalaktivität (Nikotin-, Acetylcholin-, Serotonin- und Glutamat-Rezeptoren) ausüben. Es verbleibt 13
24 jedoch noch erhebliche Arbeit, bevor die Wirkungsmechanismen spezifischer Narkosemittel vollständig abgeklärt werden (14). 3.2 Pharmakokinetik der Injektionsnarkotika Die Pharmakokinetik wird als ein Teil der Pharmakologie definiert, welche sich mit der Aufnahme, Vereilung, Verstoffwechselung und Ausscheidung der Pharmaka befasst (13). Injektionsnarkotika sind kleine, lipophile, substituierte, aromatische oder heterozyklische Verbindungen. Die Lipophilie ist der entscheidende Faktor in der Pharmakokinetik der Injektionsnarkotika (9). Bedeutende pharmakokinetische Größen von Injektionsnarkotika sind Verteilungsvolumen, Clearance, kontextsensitive Halbwertszeit und Plasmakonzentration (13, 15). Das Verteilungsvolumen entspricht dem Verhältnis von verabreichter intravenöser Dosis und initialer Plasmakonzentration. Es ist eine ideale Größe, dennoch in Praxis ist wichtiger sog. Verteilungsvolumen im Fließgleichgewicht oder steady state. Das Letztere hängt von der Lipophilie, dem Molekulargewicht, dem Ionisationsgrad und dem Dissoziationsgleichgewicht des Pharmakons ab (13). Die Verteilung von Injektionsnarkotika im Körper funktioniert auf Basis der Kompartiment-Verteilung, wobei 3 Kompartimente unterschieden werden können, nämlich der Blutplasmaraum mit ca. 4 %, das Interstitium mit ca. 15 % und der Intrazellulärraum mit ca 40 % des KG. Die Verteilungsgeschwindigkeit ist vom Herzminutenvolumen und der Durchblutung der Organe abhängig. Initiale Verteilung eines Pharmakons (z. B. ein Injektionsnarkotikum) erfolgt in gut durchbluteten Organen wie z. B. dem Gehirn, dem Herz, der Niere und der Leber und damit kommt es zu schneller Wirkung einer Injektionsnarkose. Danach kommt es zur Umverteilung in der Skelettmuskulatur und schlussendlich in das Fettgewebe. Nach Abschluss der terminalen Verteilung herrscht ein Gleichgewicht in den einzelnen Kompartimenten und die weiteren Konzentrationsänderungen werden nur durch den Prozess der Elimination hervorgerufen (15). Die Elimination (Clearance) eines Pharmakons ist das Plasmavolumen, das pro Minute vom Pharmakon befreit wird. Die Elimination von Injektionsnarkotika erfolgt durch Metabolisierung oder Biotransformation sowie durch renale und hepatobiliäre Elimination. 14
25 Bei der Biotransformation eines Arzneimittels werden Phase I und Phase II unterschieden. In der Phase I kommt es zur Reduktion, Oxidation, Hydrolyse oder Decarboxylierung der Substanz und in der Phase II findet eine Konjugation mit Glucuronsäure, Schwefelsäure, Glycin sowie eine Acetylierung und Methylierung statt. Diese zwei Phasen der Biotransformation erfolgen häufig zur gleichen Zeit (13). Abbildung 1 Stoffwechsel eines Arzneimittels. Nach Verabreichung eines Pharmakons wird ein Anteil an Plasmaproteine (Albumin) gebunden, bis schlussendlich ein Gleichgewicht zwischen gebundenem und freiem Anteil entsteht. Nur dieser freie Anteil der Substanz kann an den Zielort gelangen und auf spezifische Rezeptoren wirken. Die Ausscheidung erfolgt über Niere, Leber und Lunge, wobei die in der Leber entstandene Stoffwechselprodukte teilweise über die Niere und teilweise über Galle und Darm ausgeschieden werden. In dem Darmlumen kann teilweise eine Rückresorption über dem enterohepatischen Kreislauf erfolgen (15). Die Wirkungsdauer eines Injektionsnarkotikum ist abhängig von Umverteilungsphänomenen, Elimination und Metabolisierung (13). Die Eliminationshalbwertszeit der Injektionsnarkotika soll von ihrer Wirkdauer auseinandergehalten werden (15). Bei den Injektionsnarkotika werden die sog. kontextsensitive Halbwertszeit und bedeutsame Konzentrationsabfallzeit verwendet. Unter kontextsensitiver Halbwertszeit wird das Intervall verstanden, in dem das Injektionsnarkotikum auf 50 % der Ausgangsqualität heruntergegangen ist, bedingt durch die Infusionsdauer. Die bedeutsame Konzentrationsabfallzeit stellt das Intervall bis zum Wirkverlust des Injektionsnarkotikums dar (4). Die Wirkungsintensität eines Injektionsnarkotikum ist bedingt durch verabreichte Dosis, Grad der Plasmaproteinbindung, Injektionsgeschwindigkeit und Herzminutenvolumen (13). 15
26 4 Einteilung der Injektionsnarkotika Eilers (18) klassifizert folgende Pharmaka in die Klasse der Injektionsnarkotika: Isopropylphenol: Propofol. Barbiturate: Thiopental, Methohexital. Benzodiazepine: Diazepam, Midazolam, Lorazepam. Phencyclidin: Ketamin. Carboxylierte Imidazole: Etomidat. α 2 -adrenerge Agonisten: Dexmetomidin (18). Einige Autoren zählen auch Opioide (Fentanyl, Sulfentanil, Alfentanil und Remifentanil) zur Klasse von Injektionsnarkotika (7, 15, 19). Auch Clonidin (α 2 -adrenerge Agonist) wird von einigen Autoren zur Klasse von Injektionsnarkotika gezählt (11, 15). Hering, Fechner und Schüttler (5) berichten, dass Neuroleptika (Droperidol) und GABA zur Klasse von Injektionsnarkotika gehören (5). 4.1 Propofol Abbildung 2 Propofol. Chemische Struktur: 2,6 Diisopropylphenol (4, 11, 13). Propofol ist ein wasserunlösliches alkyliertes Phenol, milchig weißer Farbe und wird als 1%ige oder 2%ige Emulsion mit Sojabohnenöl aufbereitet (4, 13). 16
27 Es wird auch 0,5%ige Propofol-Lösung neben der 1%igen und der 2 %igen angeboten (15). Es ist unter dem Handelsname Disoprivan auf dem Markt (1). Die ursprüngliche Formulierung hat Cremophor (Detergens) enthalten, welches aber wegen anaphylaktischer Nebenwirkungen bald verlassen wurde (11). Die aktuelle Formulierung besteht aus 1% oder 2% Propofol, 10 % Sojabohnenöl, 1,2 % Ei-Phosphat und 2,25% Glycerol. Zu dieser Lösung werden 0,005% EDTA oder Metabisulfit als Schutz gegen Keimwachstum (Bakterien, Pilze) zugegeben. Die pka von Propofol beträgt 11, sein Molekulargewicht 178,27 und der Octanol/Wasser- Partitionskoeffizient 6,761:1 bei ph von 6-8,5 (20). Es ist ein potentes und sehr kurz wirsames Injektionsnarkotikum, mit schnellem Wirkungseintritt und es induziert sehr schnell eine Seiderung, Hypnose und Bewusstlosigkeit (1, 12). Pharmakodynamik Engelhard und Werner (4) informieren, dass Propofol über die Steigerung des inhibitorischen GABA A -Rezeptors und anscheinend über die exzitatorischen Neurotransmittersysteme wirkt. Höchstwahrscheinlich erzielt es seine Wirkung primär über den Thalamus, den parietooccipitalen Cortex und den Cuneus (4). Molekulare Mechanismen der Bindung von Propofol an die GABA A -Rezeptoren sind bereits im Kapitel beschrieben worden. Propofol wirkt im ZNS primär als Narkotikum und hat keine analgetische Eigenschaften. Es senkt den zerebralen Blutfluss und den zerebralen Metabolismus, was in einer Senkung des intrakraniellen und intraokulären Druckes resultiert (18). Wie praktisch bei allen Injektionsnarkotika wurden bei der Einleitung und Ausleitung der Narkose mit Propofol zerebrale Krampfanfälle beschrieben (4). Eilers (18) berichtet, dass gelegentlich erregende Effekte wie Zuckungen oder spontane Bewegung während der Narkose mit Propofol beobachtet werden können. Obwohl diese Effekte Krampfanfällen ähneln können, unterstützen die meisten Studien und Berichte eine antikonvulsive Wirkung von Propofol und es kann sicher an Patienten mit Anfallsleiden verabreicht werden (18). Es wird berichtet, dass es beruhigende, entspannende, euphorisierende, sexuell enthemmende und aphrodisierende Wirkung hat (21). 17
28 Es wirkt negativ inotrop und führt zur Senkung des peripheren Gefäßwiderstandes, des Blutdruckes und des Herzminutenvolumens (13). Propofol wirkt 1 Minute nach Injektion atemdepressiv. Durch gleichzeitige Anwendung von Opioiden kommt es zur synergistischen Verstärkung von atemdepressiver Wirkung. Deshalb ist das Mittel der ersten Wahl die gleichzeitige Anwendung einer Larynxmaske. Es wirkt bronchodilatatorisch und senkt das Vorkommen von reflektorischen Bronchospasmen (4). David und Shipp (22) haben die Sedierung mit Propofol allein und die Kombination aus Ketamin und Propofol verglichen und haben festgestellt, dass die Kombination aus Ketamin und Propofol das Auftreten von Atemdepression nicht reduziert aber zur größeren Zufriedenheit von Behandler und besserer Qualität der Sedierung führt, sowie weniger Propofol benötigt (22). Eine Histaminfreisetzung ist bisher nicht beobachtet worden (4, 13). Propofol kann das Immunsystem supprimieren. Es ist plazentagängig, kann neonatale Depression verursachen und wird deshalb in der Geburtshilfe nicht verwendet. Es zeigt keine nierentoxische Wirkung (4). Propofol und seine Metabolite zeigen keine teratogene Wirkung (23). Propofol-Infusionssyndrom (PRIS) kann bei einer Langzeitinfusion oder einer hoch dosierten Verabreichung von Propofol (5 mg/kg KG) entstehen und kann zu einem Herzversagen und zum Tod der Patienten führen. Die Pathogenese ist multifaktoriell und bis jetzt nicht eindeutig bestimmt. Es kommt zu einer Beeinträchtigung des Abbaus der freien Fettsäuren. Die durch Propofol verursachte Konzentrationssteigerung von Malonyl- Carnitin und C5-Acyl-Carnitin führt anscheinend zu einer Hemmung der Fettsäureoxidation und der oxidativen Phosphorylierung in Mitochondrien und dadurch kommt es zu einer Störung der Atmungskette und dadurch zu einem intrazellulären Energiemangel. Symptome von PRIS sind: Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, metabolische Azidose, Rhabdomyolyse, akutes Nierenversagen (4, 13). Vorsichtsmaßnahmen: Langzeitsedierung nur bei Patienten (> 16 Lj) mit Injektionsrate von maximal 4 mg/kg KG/h < 1 Woche, Kontrolle des ph, des BE und der Kreatinkinase (4). Nebenwirkungen Sehr häufig (> 10 %): lokale Schmerzen an der Injektionsstelle. Durch vorherige Gabe von Lidocain und Opioide in die gestaute Vene kann die Inzidenz von lokalen Schmerzen gesenkt werden (4, 24). 18
29 Häufig (1-10 %): Kopfschmerzen, Hypotonus, transiente Apnoe (24). Hemmung von Cytochrom-P450-bedingten enzymatischen Abbau von Pharmaka (4). Nicht häufig (0,1-1 %): Thrombose, Phlebitis; Selten: Missbrauch, das mit Sucht und Tod resultieren kann (24). Die bekannteste Meldung über Missbrauch von Propofol ist der Todesfall von Pop-Star Michael Jackson im Jahr Er hat Propofol lange Zeit als Einschlafmittel konsumiert, was schlussendlich zum tragischen Epilog geführt hat. Propofol hat in Kombination mit Benzodiazepinen zum Atemstillstand geführt und Michael Jackson ist trotz mehrmaliger Reanimationsversuche seines persönlichen Arztes verstorben (7). Indikationen Lundström et al. (24) berichten über folgende Indikationen für die Anwendung von Propofol: Induktion und Aufrechterhaltung der Narkose, überwachte Anästhesiepflege, Sedierung oder kontinuierliche Analgosedierung (chirurgische oder diagnostische Prozeduren, bei intubierten und mechanisch beatmeten Patienten auf Intensivstationen), refraktäres Delirium oder unerträgliches Leid unmittelbar vor dem Sterben, unlösbare Übelkeit und Erbrechen (24). Am Schulte Esch und Gottschalk (15) schildern, dass die 1%ige Propofol in erster Linie zur Narkoseeinleitung, 2%ige im Rahmen der Sedierung auf der Intensivstation und 0,5%ige für Kinderanästhesie verwendet werden (15). Kontraindikationen Striebel (13) berichtet über folgende Kontraindikationen für die Anwendung von Propofol: Hypovolämie, Herzinsuffizienz, Schwangerschaft, Überempfindlichkeit auf Soja und Erdnüsse, 1%iges Propofol bei Säuglingen < 4 Wochen, 2%iges Propofol bei Kindern < 3 Jahren, intensivmedizinische Sedierung <16 Jahren, intensivmedizinische Langzeitsedierung > 1 Woche (4mg/kg KG/h) (13). Pharmakokinetik Die Pharmakokinetik von Propofol kann anhand des Drei-Kompartiment-Modells (s. Kapitel 3.1.2) beschrieben werden. Nach der Einspritzung wird es schnell verteilt und eliminiert. Seine Verstoffwechselung findet meistens in der Leber und circa 14 % in der Lunge statt. Etwa 2% der Substanz werden unverändert über den Harn eliminiert (4). 19
30 In der Tabelle 2 sind die pharmakokinetischen Daten für Propofol von verschiedenen Autoren dargestellt. Tabelle 2 Pharmakokinetische Eigenschaften von Propofol (11, 9, 7, 15, 13, 4, 5, 18). Autor Dershwitz Patel, Patel Graefe (2011) Am Schulte Striebel Engelhard und Hering, Fechner Eilers (2007) und Rosow (2012) und Roth (2011) Esch und Gottschalk (2011) (2010) Werner (2009) und Schüttler (2008) Einleitungsdosis 1-3 1,5-2,5 1,5-2,5 1,5-2,5 1,5-2,5 1,5-2, ,5 (mg/kg KG) (2,5-4)* Geb. Konz. 1 1 k. A. 0,5; 2 1; 2 1; 2 1; 2 1, 2 (%) Wirkungsbeginn < 30 k. A. k. A k. A. (s) Wd (min) k. A PEB (%) k. A k. A. 97 Vss (L/kg KG) k. A. 2, k. A. 5 2,3±2,2 4,5 k. A. Et 1/2 (h) 4-6 k. A. 4, ,8±2,8 5-6, Cl (ml/ kg KG/min) k. A k. A ,0±8, *bei Kindern; Geb. Konz.- gebräuchliche Konzentrationen; Wd - Wirkdauer bei einmaliger Injektion; PEB - Proteinbindung; Vss - Verteilungsvolumen im Gleichgewichtszustand (steady state); Et 1/2 Eliminationshalbwertszeit; Cl - Plasmaclearance; k. A. - keine Angaben. 20
31 4.2 Barbiturate Abbildung 3 Thiopental. Abbildung 4 Methohexital. Barbiturate sind Derivate der Barbitursäure mit entweder Sauerstoff- (Oxybarbiturate) oder Schwefelgruppe (Thiobarbiturate) an C2 (9). Thiopental (Trapanal ) und Methohexital (Bremivital ) sind die einzige Vertreter der Großfamilie der Barbiturate, die als Injektionsnarkotika verwendet werden (4). Diese beiden Pharmaka sind praktisch wasserunlöslich. Dennoch sind sie schwache Säuren und ihre Natriumsalze sind leicht in Wasser löslich. Thiopental ist nicht mehr in USA zugelassen (11). Sie sind nicht analgetisch wirksam und können nicht als Monoanästhetika verwendet werden (13). Thiopental kommt als gelbes aus zwei Isomeren sich zusammensetzendes Razemat vor und gehört zu den Thiobarbituraten. Methohexital liegt als weißes Pulver vor, gehört zu den 21
32 Oxybarbituraten, weist zwei Chiralitätszentren auf und ist eine Mischung aus zwei von insgesamt vier existierenden Stereoisomeren (4). Pharmakodynamik Barbiturate führen niedrig dosiert zur Verlängerung der Bindung der GABA am GABA A - Rezeptor und hoch dosiert zur direkten Aktivierung des Chlorid-Kanals (4). Es kommt in der Folge zu einer Hyperpolarisierung der Zellmembran und zu einer Verminderung der neuronalen Erregbarkeit (4, 7) Molekulare Mechanismen der Bindung von Barbituraten an die GABA A -Rezeptoren sind bereits im Kapitel beschrieben worden. Sie verursachen dosisabhängig Sedierung, Schlaf, Bewusstlosigkeit oder Koma (1). Barbiturate reduzieren den zerebralen Stoffwechsel, die Hirndurchblutung und das intrakranielle Blutvolumen (4). Barbiturate wirken im Herz-Kreislauf-System negativ inotrop und führen zu Senkung des Blutdruckes, das durch eine Tachykardie kompensiert wird (4, 7). Sie führen in hypnotischen Dosen zur Atemdepression und zur Apnoe. Es kann auch Laryngo- und Bronchospasmus entstehen durch unvollständige Hemmung von laryngealen und trachealen Reflexen (4). Bei längerer Anwendung stimulieren sie Leberenzyme und beschleunigen dadurch den Abbau von körpereigenen Substanzen und Pharmaka. Barbiturate können die Porphyrinsynthese steigern und dadurch eine akute Porphyrieattacke auslösen. Symptome sind: Bauchschmerzen, Erbrechen, Fieber, zerebrale Krampfanfälle, neurologische Störungen, Hypertonie und Tachykardie (13). Thiopental führt niedrig dosiert zu einer Reduktion der Nierenfunktion und hoch dosiert zur Polyurie. Barbiturate sind plazentagängig und treten in die Muttermilch über. Sie sind nicht teratogen wirksam (4). Nebenwirkungen Atemdepression (7). Anaphylaktische Reaktionen, versehentliche paravenöse oder intraartrielle Injektionen (13). Bronchospasmus und Lungenschäden als Folge einer Bildung unlöslichen Thiopentalkristallen bei Kombination mit einem nicht-depolarisierenden Muskelrelaxans, Ringer-Laktat-Lösung oder Bakteriostatika (4). 22
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