GfKT-Fachtagung Antagonisierung und Substitution von Opioiden: Fallstricke bzw. ausgewählte Besonderheiten
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- Albert Kramer
- vor 8 Jahren
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1 GfKT-Fachtagung Antagonisierung und Substitution von Opioiden: Fallstricke bzw. ausgewählte Besonderheiten Dr. med. Andreas U N I V E Vagt, R S I T Ä Giftnotruf T S M E D I Z I N Berlin, B E R L I N Hindenburgdamm 30, Berlin 1
2 Fallvorstellung Fall I: Neugeborenes, 36. SSW, 4 Tage alt, 2040 g. Substitution mit Opiumtinktur oral wegen mütterlicher Opioidabhängigkeit. Versehentlich unverdünnte Gabe von 0,42ml der Tinktur statt 1:50. Dies entspricht ca. 4,2 mg Morphin. Vorfall erst 3 h p. ing. aufgefallen, Kind etwas schlapper, AF leicht erniedrigt. In der BGA po 2 und pco 2 unauffällig. Aufnahme auf Neo-ITS und direkter Anruf im Giftnotruf. Während des Telefonats erfolgt die Gabe von 0,2 mg Naloxon i.v. Der Verhinderungsversuch durch den Giftnotruf-Berater kommt zu spät. U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 2
3 Fallvorstellung Fall II: Erwachsene Patientin, Substitution mit Methadon bei Opioidabhängigkeit. Auf psychiatrisch geführter Intensivstation wurde ein lauwarmer Entzug begonnen: Subutex (Buprenorphin) statt Methadon. Vor ca. 4 Stunden Gabe der ersten Dosis Subutex s. l. (genaue Dosis ist zum Anrufzeitpunkt und auch im Verlauf nicht zu klären). Jetzt zunehmendes Entzugssyndrom: Agitation, Schwitzen, Mydriasis, Tachykardie, Bauchkrämpfe. Frage durch ITS-Ärztin: Jetzt muss ich Naloxon geben, oder? U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 3
4 Pharmakologische Grundlagen Opiat-Rezeptortypen µ-, κ- und δ-rezeptor mit diversen Subtypen. Für die gewünschten medizinischen und missbräuchlichen Wirkungen sind vor allem die µ-rezeptoren relevant (supraspinale Analgesie, Euphorie, antitussive Wirkung, aber auch Darmlähmung, Atemdepression, Bradykardie, Hypotonie). U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 4
5 Pharmakologische Grundlagen Affinität = Bestreben und Stärke einer Wirkstoff-Rezeptorbindung Intrinsische Aktivität = Effektstärke bei Bindung zwischen Wirkstoff und Rezeptor Agonisten / Antagonisten: Agonist: Antagonist: affiner Wirkstoff mit intrinsischer Aktivität (steigert die Rezeptoraktivität auf hohes Niveau) affiner Wirkstoff ohne intrinsische Aktivität (hält bzw. senkt die Rezeptoraktivität auf Ruheniveau) Partialagonist: affiner Wirkstoff mit moderater intrinsischer Aktivität (steigert oder senkt die Rezeptoraktivität auf mittleres Niveau) U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 5
6 Pharmakologische Grundlagen U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 6
7 Pharmakologische Grundlagen Beispiele für Agonisten bzw. Antagonisten: Agonist: Antagonist: u.a. Morphin, Fentanyl, Methadon, Tramadol, Tilidin, Codein Naloxon, Naltrexon Partialagonist: Buprenorphin κ- Agonist / weµ- Antagonist: Pentazocin, Nalbuphin U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 7
8 Falldiskussion Fall I: Neugeborenes, 36. SSW, 4 Tage alt, 2040 g. Substitution mit Opiumtinktur oral wegen mütterlicher Opioidabhängigkeit. Versehentlich unverdünnte Gabe von 0,42ml der Tinktur statt 1:50. Dies entspricht ca. 4,2 mg Morphin. Vorfall erst 3 h p. ing. aufgefallen, Kind etwas schlapper, AF leicht erniedrigt. In der BGA po 2 und pco 2 unauffällig. Aufnahme auf Neo-ITS und direkter Anruf im Giftnotruf Berlin. Während des Telefonats erfolgt die Gabe von 0,2 mg Naloxon i. v. Der Verhinderungsversuch durch den Giftnotruf-Berater kommt zu spät. U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 8
9 Falldiskussion 30 min. später: sehr unglückliches Kind, unruhig, schwitzt, HF bis 160/min. U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 9
10 Falldiskussion Fall I - Diskussion: Opiumtinktur: Standard-Dosierung 0,02-0,05 mg/kg KG. Hier 2,06 mg/kg. 3 h nach Gabe ist Fehldosierung aufgefallen, hier wäre keine weitere Symptom- Zunahme zu erwarten gewesen. Naloxon nicht indiziert (nur leichte Symptome, drohender Entzug). Naloxondosis 0,2 mg i.v. = ca. 0,1 mg/kg. Dosierung lt. Fachinfo: 0,01 mg/kg. Entzug wäre nun wiederum mit µ-agonisten zu beheben. Dabei unvorhersehbare HWZ von Naloxon (Erw: 70min., NG: 2,5-3,5 h) und Gefahr der Opioid- Überdosis im Verlauf beachten! Möglichkeit: Remifentanil (Ultiva ; in anästhesiologischer Hand!). Ultrakurzwirksames Opioid, HWZ 3-10 min., keine verlängerte kontextsensitive Halbwertszeit nach Dauerapplikation, sehr gut steuerbar. U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 10
11 Falldiskussion Lösung hier: intensiver Körperkontakt mit Krankenschwesterschülerin bis zur Symptomfreiheit. Keine medikamentösen Maßnahmen ergriffen U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 11
12 Falldiskussion Fall II: Erwachsene Patientin, Substitution mit Methadon bei Opiatabhängigkeit. Auf psychiatrisch geführter ITS wurde ein lauwarmer Entzug begonnen: Subutex (Buprenorphin) statt Methadon. Vor ca. 4 Stunden Gabe der ersten Dosis Subutex s. l. (genaue Dosis ist zum Anrufzeitpunkt nicht zu klären). Jetzt zunehmendes Entzugssyndrom: Agitation, Schwitzen, Mydriasis, Tachykardie, Bauchkrämpfe. Frage durch ITS-Ärztin: Jetzt muss ich Naloxon geben, oder? U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 12
13 Falldiskussion U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 13
14 Falldiskussion Fall II - Diskussion: Buprenorphin = Partialagonist, sehr hohe µ-affinität, sehr lange Wirkdauer. Auslösen der Entzugssymptome durch Absenken der Rezeptoraktivität auf niedrigeres Niveau als gewohnt. Empfehlung: reiner µ-agonist. CAVE: hohe Dosis nötig wegen hoher Affinität des Buprenorphins. Nach dessen Wirkverlust Gefahr der Opioid-Intoxikation! Remifentanil verfügbar? Dann Zusammenarbeit mit Anästhesie! Erfolgte Therapie: Clonidin: daraufhin Entzug unverändert, HF bis 30/min. Atropin: wieder tachykard, Patientin zunehmend agitiert, halluziniert. Midazolam-Perfusor: ruhiger, aber weiter tachykard und Myokloni. Zusätzlich Morphin-Perfusor: langsame Stabilisierung der Patientin. Vom Vorhaben, nach Stabilisierung wieder mit Buprenorphin zu beginnen, wurde vehement abgeraten. Der weitere Verlauf war leider nicht nachverfolgbar. U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 14
15 Falldiskussion U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 15
16 Falldiskussion U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 16
17 Take Home! Antagonisierung von Opiaten bei Gewöhnung oder Schmerzen generell sehr (!) zurückhaltend, allenfalls vorsichtig titriert bis zur ausreichenden Wirkung. Buprenorphin (Subutex ) kann durchaus schwere Entzüge verursachen, wenn eine höhere intrinsische µ-aktivität gewöhnt ist als hierdurch erreichbar. In erfahrener Hand (!) ist Remifentanil eine mögliche offlabel-empfehlung, Entzugssymptome nach Gabe von Antagonisten oder Partialagonisten gut steuerbar zu agonisieren. Sonst Gabe eines anderen µ-agonisten, wenn kein kalter Entzug angestrebt wird. Verlängertes Monitoring wegen Gefahr der Opiatintoxikation oder erneuter Entzugssymptome, abhängig von eingesetzten Medikamenten und Halbwertszeiten! Der supportive Einsatz von Benzodiazepinen oder Clonidin kann eine Option sein, jeweils jedoch mit eigenen Risiken (Vigilanzminderung, HF/RR usw.). Ein unbehandelter schwerer Entzug ist eine lebensgefährliche Situation! U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 17
18 Ende U N I V E R S I T Ä T S M E D I Z I N B E R L I N 18
Kinder erhalten ca. 1/8 der Erwachsenenäquivalenzdosen. Schulkinder > Kleinkinder > Säuglinge
Opioidanalgetika Morphinmythos das macht abhängig ist es schon so weit? viel zu gefährlich für Kinder massive Nebenwirkungen??? (schwere NW sehr selten z.b. im Vergleich zum gastrointestinalen Blutungsrisiko
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