Wilhelm Morgner und die Moderne

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Alexander Heintze
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1 Wilhelm Morgner und die Moderne Herausgegeben vom LWL-Museum für Kunst und Kultur, Münster Hermann Arnhold Wienand

2 7 Grußwort 8 Dank 10 Vorwort 16»Was gehen mich alle möglichen Maler an «Wilhelm Morgner im Kontext der Moderne Andrea Witte 54 Wilhelm Morgner: Aspekte einer Sammlungsgeschichte Tanja Pirsig-Marshall 66 Dem Zeitgeist voraus? Wilhelm Morgner und Keith Haring Ingrid Fisch 72 Anmerkungen zur Maltechnik Wilhelm Morgners Dietmar Wohl 81 Katalogteil 234 Ausgestellte Werke 242 Chronologie Patrick Kammann Die Ausstellung wird gefördert von 250 Literatur (in Auswahl) 254 Bild- und Fotonachweis 256 Impressum

Dietmar Wohl Anmerkungen zur Maltechnik Wilhelm Morgners Wilhelm Morgner erwirbt bei seinen jeweils nur wenige Monate dauernden Aufenthalten in der Malschule von Georg Tappert wohl nur elementare

3 Dietmar Wohl Anmerkungen zur Maltechnik Wilhelm Morgners Wilhelm Morgner erwirbt bei seinen jeweils nur wenige Monate dauernden Aufenthalten in der Malschule von Georg Tappert wohl nur elementare maltechnische Kenntnisse. Dies äußert sich zum Beispiel darin, dass er seine Bildträger mit einer üblichen Vorleimung versieht, um deren Saugfähigkeit zu vermindern, und dass er in der Lage ist, eine Grundierung (Kreidegrund) selbst herzustellen. Bei der von Morgner durchgängig angewendeten Maltechnik handelt es sich um die einfache und unkomplizierte Primamalerei, wie sie für die Malerei des 20. Jahrhunderts bis auf wenige Ausnahmen verbindlich ist. Der maltechnische Oberbegriff Malerei alla prima oder kurz Primamalerei ist von der benutzten Klasse von Malfarben (Ölfarbe, Leimfarbe etc.) unabhängig und besagt, dass kein Schichtenaufbau, etwa durch Untermalungen und Lasuren, vorliegt, sondern dass der Maler gewissermaßen mit dem ersten Pinselstrich die gewünschte Wirkung erzielt. Die auf der Palette angemischten Malfarben können dabei auf der Gemäldeoberläche weiter»nass in nass«vermischt werden, worauf Künstler des 20. Jahrhunderts allerdings häuig zugunsten einer farbkräftigen, reinfarbigen Malerei verzichten. Das Malen alla prima gibt dem Künstler vor allem die Möglichkeit, seine ästhetischen Absichten ohne technischen Ballast schnell und spontan umzusetzen. In den wenigen Jahren seines malerischen Schaffens verwendet Morgner unterschiedliche Bildträger und Malfarben. 1 Anhand der Ergebnisse von technologischen Untersuchungen an zahlreichen Gemälden können seine wechselnden Arbeitsweisen folgendermaßen in ihrem zeitlichen Ablauf beschrieben werden: Die Gemälde aus den Jahren 1909 und 1910 sind alle mit Ölfarben und überwiegend auf industriell vorgrundierten Leinwänden ausgeführt, nur in wenigen Fällen benutzt Morgner ein grobes Jutegewebe (Rupfen) oder Pappen als Bildträger. Letztere weisen bereits einen vom Künstler selbst hergestellten Kreidegrund auf, den er aus einem tierischen Leim, bei dem es sich genau wie bei seinen Vorleimungen um Hautleim oder Gelatine handeln dürfte, und Kreide zubereitet. 2 In seiner oft prekären inanziellen Situation, die vielfach in den Briefen an Georg Tappert zum Ausdruck kommt, 3 ist dies im Gegensatz zum Kauf von fertig grundierten Bildträgern die preiswertere Variante. Bei allen Gemälden des Frühwerks hat er die Möglichkeit, seine Ölfarben während des Malprozesses weiter zu mischen, grundsätzlich angewendet. Für Wilhelm Morgners Gemälde aus dem Jahr 1911 kann eine größere Vielfalt an verwendeten Materialien aufgezeigt werden. Als Bildträger hat er zu etwa gleichen Teilen Gewebe und Pappen benutzt, wobei die Gewebe überwiegend aus Jute bestehen, gefolgt von Leinwand, und in einem Fall indet sich ein Halbleinengewebe (Leinen/Viskose). Zum Aufspannen der textilen Bildträger baut sich Morgner jetzt äußerst primitive Spannrahmen selbst, indem er vier Abschnitte von ungehobelten Dachlatten zu einem Rechteck zusammennagelt. Da die kurzen Seiten der Latten parallel zum Gewebe verlaufen und Querstreben wohl nicht vorhanden sind, hat deren Spannung die instabilen Rahmen stark zum Bildzentrum verzogen, sodass die Gemälde die Form eines sphärischen Rechtecks aufweisen. Auf einem Foto, das Morgner 1911 mit dem Gemälde Mann, Sack auf Karre hebend zeigt, ist die Verformung deutlich zu erkennen. 4 Diese originalen Spannrahmen wurden deshalb fast vollständig bei früheren Konservierungen und Restaurierungen zur Korrektur der Form beseitigt, die ursprünglichen Formen sind aber an den Bildrändern noch festzustellen. Die Aussagen zu den Spannrahmen Morgners sind deshalb als vorläuig zu betrachten. Sie beruhen auf indirekten Schlüssen und nicht auf Beobachtungen; dem Autor sind zwar gut 60 Gemälde bekannt, aber nur ein einziges, ein kleineres Format in einer Privatsammlung, hat noch den Originalspannrahmen. Ab 1911 grundiert Morgner seine Bildträger ausnahmslos selbst. Die weiße Grundierung liegt zwischen den bemalten Flächen häuig in»auslassern«frei, was seit dem Impressionismus keine ungewöhnliche Erscheinung ist. Das für die Primamalerei typische Mischen der Ölfarben»nass in nass«während des Malvorgangs tritt immer seltener auf, und er setzt wie ein pointillistischer Maler kurze, reinfarbige Pinselstriche nebeneinander (Abb. 1), später kommen ornamental wirkende, durchgehende Linien und monochrome Farblächen dazu. Neben den mit Ölfarben gemalten Werken treten 1911 erstmals auch Gemälde auf, die mit Leimfarben ausgeführt sind. Den Begriff»Leimfarbe«verwenden wir hier, anders als zu Morgners Zeit, für eine im kunsttechnologischen Sinne klar deinierte Klasse von Malfarben, deshalb soll er in einem kleinen historisch-terminologischen Exkurs erklärt werden: In der Sprache der Künstler und Anstreicher 5 bezeichnet der Begriff»Leimfarbe«bis in die 1930er Jahre hinein in der Regel nur Malfarben, die mit einem tierischen Leim, gewonnen aus Knochen, Haut oder Fischblasen, hergestellt sind. Diese Leime, zu denen auch die Gelatine 1 Holzarbeiter (Detail), 1911, Tappert-Nr (S. 28, Abb. 26) Malerei mit Ölfarben, die so, wie sie aus der Tube kommen, unvermischt aufgetragen sind

4 38 Vincent Van Gogh Die Näherin beim Fenster Wilhelm Morgner Strickende weißhaarige Frau

5 62 Wilhelm Morgner Landschaft Wilhelm Morgner Landschaft mit drei Bäumen

6 72 Oskar Kokoschka Schlafende Frau Erster Traum Blatt 1 aus: Die träumenden Knaben, Wilhelm Morgner Mutter und Kind auf grünem Grund

7 82 Wilhelm Morgner Ornamentale Komposition XI Wilhelm Morgner Feldweg

8 137 Oskar Kokoschka Alter Mann (Vater Hirsch) Wilhelm Morgner Bildnis Kaufmann Mundt

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