Vom ersten Menschen, der glaubte (Predigt zu 1. Mose 12,-5a)

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1 Seite 1 von 4 Vom ersten Menschen, der glaubte (Predigt zu 1. Mose 12,-5a) Liebe Gemeinde, Ursprünglich lebte Abraham bei Haran, einer Stadt zwischen den beiden Strömen Euphrat und Tigris, im Gebiet des heutigen Iraks. Abraham war ein reicher Viehzüchter. Er besass grosse Herden und hatte viele Knechte und Mägde, die ihm dienten. Es ging ihm gut. Er und seine Frau Sara waren jedoch kinderlos geblieben. Wer sollte also einmal seinen Reichtum erben? Diese Frage beschäftigte ihn. Immer deutlicher machte sich aber eine weitere Sorge bemerkbar. Der Platz auf den guten Weiden von Haran war knapp geworden. Seine Herden waren zu gross, um hier noch genügend Futter zu finden. Sein Gesinde, d.h. all die Knechte und Mägde mit ihren Kindern und Grosskindern konnten in diesen engen Verhältnissen kein Auskommen mehr finden. Alles war viel zu eng. Was sollte Abraham tun? Einen Teil des Gesindes entlassen oder Teile der Herden verkaufen? Doch wozu? - Er hatte ja doch keine Nachkommen und würde bald einmal sterben. Sollte er etwa wegziehen und neues Land suchen? Doch wohin? --- Stunden-, tage-, monatelang wälzte Abraham diese Sorgen, wenn er über die Felder schritt und seine Herden besuchte. Bei all diesen Bedenken wurde er traurig; traurig, weil es ihm zwar sehr gut ging, weil er aber einfach keine Zukunft sehen konnte. In dieser Situation, an dieser Stelle beginnt uns die Bibel von Abraham zu erzählen. Es steht da: Und der Herr sprach zu Abraham: Ziehe hinweg aus deinem Vaterland und aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Zugleich mit dieser Aufforderung erhielt Abraham die Verheissung, dass er Nachkommen erhalten werde, dass aus ihm ein grosses Volk hervorgehen solle und dass er und seine Nachkommen zum Segen werden für alle Völker der Erde. Der knappe Bericht der Bibel schliesst mit der Feststellung, dass Abraham sich auf den Weg machte, wie Gott ihm geboten hatte.

2 Seite 2 von 4 Was war geschehen? Warum nun dieser plötzliche Aufbruch? Die Sorgen und Probleme, die tausend Fragen, die lähmende Ungewissheit und die Traurigkeit waren auf einmal weg. Abraham kannte nicht einmal das Ziel des Weges. Diese Ungewissheit machte ihn aber nicht länger mutlos, sondern sie wurde für ihn zum offenen Weg, zu einem Weg der Hoffnung, den er jetzt entschlossen beschritt. Was war geschehen? --- Gott hatte mit Abraham gesprochen und Abraham hatte Gott geglaubt. --- Das war geschehen. Was sich zwischen Gott und Abraham abgespielt hatte, wirkt auf den ersten Blick ziemlich unauffällig. Es ist aber nichts weniger als der Anfang der Geschichte des Glaubens. Abraham war der erste Mensch, der Gott Glauben schenkte. In den Augen Gottes war der Glaube Abrahams etwas so Kostbares, dass fortan die gesamte Geschichte zwischen Gott und den Menschen eine Geschichte des Glaubens werden sollte. Seither ist der Glaube das, was unsere Beziehung zu Gott erst möglich macht. Der Glaube ist der erste kleine Anfang unserer Beziehung zu Gott; einer Beziehung aber, die über dieses Leben hinaus bestehen bleibt. Was ist eigentlich mit Glaube genau gemeint? Es geht in der Bibel nie um die Frage, ob es Gott gebe oder ob es Gott nicht gebe. Von Anfang an ist völlig selbstverständlich, dass es einen Gott gibt. Glauben im Sinne der Bibel heisst: Sein Vertrauen in Gott legen. Darum geht es, um das Vertrauen auf Gott. In diesem Sinne ist Abraham der Urvater des Glaubens. Er war der erste Mensch, der auf Gottes Gebot und Verheissung vertraute und sein Leben danach einrichtete. Abraham wird deshalb als Urvater des Glaubens verehrt bei den Juden, bei den Christen und auch bei den Moslems. Glaube im Sinne Abrahams ist ein Wagnis ins Offene, ins Neue hinein. Glaube ist mit Zukunft und Hoffnung verbunden. Glaube ist ein mutiger Schritt ins Unbekannte. --- Wie gut wäre eine solche Lebenshaltung für unsere Zeit! Der Pioniergeist für Offenes, Unbekanntes ist uns weitgehend abhandengekommen.

3 Seite 3 von 4 Wir sprechen zwar von Innovation, klammern uns aber ängstlich an das, was wir erreicht haben. --- Hat unser Volk noch Zukunftshoffnungen? Was kann uns so begeistern, dass wir uns dafür einsetzen, ohne im Voraus einen garantierten Gewinn zu kennen? Ich mache ein Beispiel: Unsere Vorfahren haben mit der AHV, ein geniales Sozialwerk geschaffen. Sie hatten noch staatspolitischen Pioniergeist. Heute jedoch veranstalten die Unternehmer in unserem Lande ein Riesengejammer, wenn sie für die Altersvorsorge ein klein wenig tiefer in die Tasche greifen müssten. Unser Weg in die Zukunft braucht jedoch den Glauben, die Einsicht und die selbstlose Begeisterung der Verantwortungsträger. Abraham war auch ein Unternehmer. Er war ein Verantwortungsträger. Er glaubte nicht einfach ins Blaue hinaus. Er hörte auf Gott und glaubte ihm. Er tat dies aber mit einem verantwortungsvollen Blick auf seine Grossherden. - Auch wir können nicht einfach ins Blaue hinaus glauben. Zuerst sollten wir hören lernen, wo wir zum Glauben, zum Vertrauen auf Gott gerufen werden. Glauben heisst ehrlich und aufmerksam unser Leben beobachten und uns zugleich vor Gott öffnen, um von ihm inspiriert zu werden. Abraham war damals 75 Jahre alt. Der Glaube entstand zum ersten Mal in einem alten Menschen. Die Dynamik des Glaubens, seine Offenheit für Neues, seine Bereitschaft für Unbekanntes, sein Mut, neue Schritte zu tun; all dies geschah bei einem alten Mann. Die Frage: Wo ruft Gott mich auf einen Weg des Glaubens, ist also längst nicht nur für die Jugend reserviert! Wir verbinden Hoffnung, Mut, Zukunft, Offenheit für Neues fast ausschliesslich mit der Jugend. Die Bibel sieht es anders. Ausgereifter Glaube gehört zur Weisheit eines Menschen. Weisheit aber braucht Zeit zum Reifen. Ich bin überzeugt, dass die Kirche alte Menschen braucht, welche wie Abraham im Glauben frisch und hellhörig sind. Ich persönlich hatte als Jugendlicher das Glück, alte Menschen zu kennen, deren Glaube leuchtete wie Feuer. Wenn ich an sie denke, sehe ich Augen voller Güte, aber auch Augen mit intensiver Leuchtkraft. Sie haben mir von ihrer inneren Kraft mitgegeben, was ich nicht beschreiben kann. Aber ich kann damit leben. Und ich kann selber weitergeben, was ich empfangen habe.

4 Seite 4 von 4 Gott hat Abraham verheissen, er und seine Nachkommen werden zu einem Segen werden für alle Völker. So ist es: Der Glaube, das Vertrauen auf Gott wird zu einem Segen für uns und für andere, auch wenn unser Glaube ganz klein ist. Jeder Schritt, den wir im Glauben tun, hinterlässt eine Segensspur. Gott selber aber ruft uns auf den Weg des Glaubens, wie er Abraham gerufen hat. Dank sei ihm dafür. Amen. Pfr. Carl Schnetzer / Kirchgasse 22 / CH-8903 Birmensdorf

5 Fürbittgebet Gen. 12-/-Anfang-d.-Glaubens-/ Christus, hätten wir einen Glauben, der selbst Berge versetzt, was wären wir ohne brennende Liebe? Du liebst uns. Was wären wir ohne deinen Geist, der in unsern Herzen wohnt? Du liebst uns. Du nimmst alles auf dich und bahnst uns so einen Weg zum Glauben, zum Vertrauen auf Gott, der weder Leiden, noch Tod, noch Elend des Menschen will. Geist des lebendigen Gottes, deine Liebe zu jedem von uns wird nie vergehen. Wir bitten dich für alle Menschen, welche vor wichtigen Entscheidungen stehen. Steh ihnen bei in ihrer Verantwortung vor sich und vor anderen. Gib ihnen Gewissheit, damit sie spüren, dass ihr Leben in dir geborgen ist.. Dein Weg des Vertrauens ist der Weg des Friedens. Lass aus deinem Geiste Vertrauen und Frieden wachsen, wo das Klima menschlicher Gemeinschaft vergiftet ist durch Misstrauen und Lüge. Für alle Menschen, deren Vertrauen verletzt worden ist, für die Kinder, denen Gewalt angetan worden ist, bitten wir dich. Du, o Gott, kannst die tiefen Wunden der Menschen heilen. In der Stille beten wir vor dir: S T I L L E In deine Hände legen wir alles, was uns bewegt. Dir dürfen wir unser ganzes Leben und das Leben all unserer Lieben anvertrauen. Wir danken dir. Amen.