Homme de l'art, Kunsthändler, Kunstsachverständiger, Kunstexperte, Provenienzforscher, Kurator
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1 Homme de l'art, Kunsthändler, Kunstsachverständiger, Kunstexperte, Provenienzforscher, Kurator Autor(en): Objekttyp: Kaufmann, Bettina Article Zeitschrift: Du : die Zeitschrift der Kultur Band (Jahr): 75 (2015) Heft 857: Walter Feilchenfeldt : ein Leben mit Kunsthandel, van Gogh und Cézanne PDF erstellt am: Persistenter Link: Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber. Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind. Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz,
2 tri 00 3 Q Homme de l'art, Kunsthändler, Kunstsachverständiger, Kunstexperte, Provenienzforscher, Kurator... Nach zwanzig Jahren als Kunsthändler, vor allem mit den praktischen Aspekten der Kunst beschäftigt, gilt Walter Feilchenfeldt seit Mitte der Achtzigerjahre dank den von ihm kuratierten Ausstellungen und seinen wegweisenden Büchern als der weltweit führende Experte sowohl für van Gogh als auch für Cézanne - in seinen Worten den «Eltern der Moderne». Text BETTINA KAUFMANN Walter Feilchenfeldt, Homme de l'art, Kunsthändler, Kunstsachverständiger, Wissenschaftler, Kurator, Provenienzforscher, Kunstexperte, Gutachter - die Liste seiner beruflichen Tätigkeiten ist lang. Schaut man in seine Bibliografie, fallen zwei Namen ins Auge: Vincent van Gogh und Paul Cézanne, die beiden Gründerväter der klassischen Moderne. Einmal fragte ihn ein Amerikaner, welches neben van Gogh ein weiterer Künstler seiner Forschungen sei. Und als er mit «Cézanne» antwortete, kam die Replik: «You are not/ooiing around, are you.» Feilchenfeldt droht, in ferner Zukunft seinen Memoiren diesen Titel zu geben. Dies Zweigestirn widerspiegelt sich auch in seiner regen kuratorischen Tätigkeit. Immer wieder wechseln sich die beiden Künstler ab. rg9o war Feilchenfeldt im Arbeitsausschuss für die Ausstellung Van Gogh und die Moderne im Museum Folkwang in Essen und im Van Gogh Museum in Amsterdam. Dann drei Jahre später Kokurator von einer Cézanne-Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen. 1995/96 von der grossen retrospektiven Cézanne-Ausstellung (Grand Palais, Paris; Tate Gallery, London; Philadelphia Museum of Art), gefolgt von zwei weiteren: 1998 in der National Gallery of New South Wales, Sydney, und im Jahre 2000 von der grossartigen Ausstellung Cézanne: Vollendet - Unvollendet im Kunsthaus Zürich und im Kunstforum Wien wiederum im Museum Folkwang in Essen mit Cézanne: Au/bruch in die Moderne, und 2009 kam wieder van Gogh dran: im Kunstmuseum Basel mit Vincent van Gogh. Zwischen Erde und Himmel: Die Landscha/ten. Es ist zu sehen, dass es die Echtheitsfragen sind, die ihn vor allem interessieren und deren akribische Aufarbeitung - mithilfe der Provenienzinformationen - er anstrebt. Sowohl bei van Gogh wie auch bei Cézanne gilt Feilchenfeldt als weltweit führender Experte. Feilchenfeldt kann auf seine langjährige Erfahrung zurückgreifen und auf sein unerring eye (unfehlbares Auge), wie John Leighton, ehemaliger Direktor des Van Gogh Museum in Amsterdam und heute Generaldirektor der National Galleries of Scotland, in einer Laudatio auf seinen siebzigsten Geburtstag voller Bewunderung schreibt. Feilchenfeldts Kunsthändlerkarriere begann mit einem «Seherlebnis» - nachzulesen in Wie wird man Kunsthändler? in der Publikation By Appointment Only sowie im Interview (ab Seite 16). Bis Mitte der Achtzigerjahre war er als Kunsthändler insbesondere mit den praktischen Aspekten der Erforschung von kommerzieller Kunst im Allgemeinen beschäftigt. Die Auseinandersetzung mit Kunst bezeichnet er auch als Bauchangelegenheit und nicht als etwas Intellektuelles, was bei seinen Statements zu Echtheitsfragen zuweilen kritisiert wurde. Es ist dieses «Schauen», das Feilchenfeldt in Texten wie Cézannes Motive - Versuch einer neuen Ordnung zu vermitteln versucht. Er schreibt darin die Tradition von Grete Ring fort, der ehemaligen Geschäftspartnerin seines Vaters, die sagte: «Man sollte den Leuten das Sehen beibringen.» Dies war auch Feilchenfeldts Anliegen beim Kuratieren von Ausstellungen. Dank seiner überlegten Hängung konnten die Besucher interessante Bezüge entdecken (siehe Seite 42/43)- Feilchenfeldt vergleicht sein Vorgehen mit dem eines Arztes, der eine erste Diagnose stellt, die er danach durch weitere Elemente zu erhärten sucht. Beim Arzt sind es Bluttests, Röntgenbilder, MRI etc., beim Kunstsachverständigen Provenienz, Farbanalyse, Leinwandtests und die Rückseiten der Bilder im Allgemeinen sowie Abbildungsvergleiche. Charakteristisch für Feilchenfeldts Publikationen sind folglich zahlreiche erläuternde Abbildungen. In der Fa- 40 I 4r
3 milie Feilchenfeldt ist die Beschäftigung mit Kunst ein way 0/!i/e, eine Lebensform. «Kunstgeschichte» als solche gilt gar beinahe als Schimpfwort. Seinen Einstand in die wissenschaftliche Arbeit gelang Feilchenfeldt 1988 mit der Veröffentlichung der lückenlosen Provenienzen von Vincent van Goghs Werk aus deutschem Besitz bis 1914 mittels der damals noch unpublizierten Dokumente aus dem familieneigenen Paul-Cassirer-Archiv. Dieses Archiv in seinem Besitz in Zürich umfasst die Geschäftsbücher der Kunsthandlung Paul Cassirer, in denen An- und Verkäufe inklusive Kundennamen und Preise verzeichnet sind. Es ist eine unschätzbare Quelle für die Provenienzforschung. Diese Informationen verknüpfte Feilchenfeldt mit Angaben aus der Van-Gogh-Familienstiftung in Amsterdam, der sogenannten Andries-Bonger-Liste, dem erweiterten Katalog der i905er-retrospektive im Stedelijk Museum Amsterdam sowie dem Kassenbuch von Johanna van Gogh, der Schwägerin des Künstlers, die den Nachlass betreute. Nachzulesen sind diese Recherchen in Van Gogh und Paul Cassirer Berlin. Die Rezeption van Goghs in Deutschland von 1901 bis 1914, erstmals publiziert im Cahier Vincent 2 des Van Gogh Museum in Amsterdam. In erweiterter Form legte er diese Forschung 2009 dar ("Vincent van Gogh. Die Gemälde : Händler, Sammler, Ausstellungen und/rühe Provenienzen). Was bedeutet nun «erweitert» genau? Das 1928 erschienene Werkverzeichnis van Goghs war das erste seiner Künstlergeneration. Die Folge war, dass zu viele Bilder als echt aufgenommen wurden und zwei Jahre später ein zweiter Band Les /aux Van Gogh notwendig wurde, um den Bestand wieder zu reduzieren. Feilchenfeldts Überlegung war, dass jedes echte Bild von van Gogh entweder vom Künstler verkauft, verschenkt oder getauscht wurde. Denn die meisten Bilder, theoretisch alle Landschaftsbilder, kamen zu seinem Bruder Theo, dessen gesamter Bestand zuerst auf einer Inventarliste von 1890 und dann auf einer Ausstellungsliste von 1905 aufgezeichnet ist publizierte er dies in englischer Sprache, aktualisiert mit den genauen Datierungen der vom Van Gogh Museum publizierten Briefeditionen. Die Bedeutung dieser Information scheint den heutigen Experten jedoch nicht einzuleuchten, und sie ziehen es vor, nach wie vor die falschen Angaben aus den bisherigen Werk- Verzeichnissen von de la Faille (Edition von 1928,1939 und 1970) abzuschreiben. Bei Cézanne ist die Situation insofern ähnlich, als dass hier der Händler Ambroise Vollard dieselbe Rolle spielte wie Theo bei van Gogh. Der Unterschied ist der, dass jedes Bild von van Gogh, das nachweislieh in Theos Besitz war, echt sein muss, während nicht unbedingt jeder von Vollard verkaufte Cézanne - besonders bei den frühen Bildern - über jeden Zweifel erhaben ist. Feilchenfeldts Texte sind geprägt von Humor, sie sollen informieren und gleichzeitig unterhalten, wie er im Vorwort von By Appointment Only bemerkt. In den Neunzigerjahren intensivierte sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Werk von Paul Cézanne. Sie führte zu einer Zusammenarbeit mit Jayne Warman anlässlich der Fertigstellung des von John Rewald initiierten Catalogue raisonné der Gemälde Cézanne und wird bis heute fortgeführt im Online Catalogue raisonné Paul Cézanne. Parallel zur Arbeit am Catalogue raisonné stellte Feilchenfeldt seine Erkenntnisse zu Cézanne in diversen Publikationen zur Diskussion, so in Die Zeichnungen Cézannes. Kleine Formate: Skizzen - Grosse Formate: Aquarell ohne Farbe und Die Gemälde Cézannes: Formate und Themen. Fchtheits/ragen. Über van Gogh veröffentlichte er 2005 einen ausgesprochen interessanten Text zu den Bildern, die van Gogh nach seinem Streit mit Gauguin in Arles zurückgelassen hatte, worin er belegt, dass auch Bilder mit Lücken in der frühen Provenienz durchaus echt sein können. Vincent van Gogh und Cézanne geben sich bei Feilchenfeldt immer wieder die Hand. In den nächsten drei Jahren wird allerdings die Hauptarbeit beim Aufarbeiten der Aquarelle und Zeichnungen von Paul Cézanne liegen. Man darf gespannt sei, welchem Künstler Feilchenfeldt seine weitere Forschungsarbeit widmet. Wenn man ihn fragt, ob er sich noch für einen neuen Künstler begeistern könnte, sagt er ohne zu zögern: «Picasso!» Bettina Kaufmann, studierte Kunstgeschichte, Journalismus sowie Staats- und Europarecht an den Universitäten Fribourg, Siena, Madrid, Boston und Oslo, Promotion 200T über Ernst Ludwig Kirchner und Edvard Munch, Sie arbeitete im Kunstmuseum Basel, in der Täte Modern und in der Tate Britain, heute ist sie freischaffende Kunsthistorikerin,
4 Vincent van Gogh, O/iVenhofn, 1889, Öl/Leinwand, 73 «92 cm, Nelson-Atkins Museum of Art, Kansas City, 42 I 43
5 Vincent van Gogh, O/ivenhain, SaintRémy, 1889, Öl/Leinwand, 71 «93 cm, Kunstmuseum Göteborg, Schweden, Diese beiden Bilder hingen in der Basler Van-Gogh-Landschaftsausstellung Zwischen Erde und Himmef von 2009, wie hier abgebildet, isoliert in einem Raum an einer Wand. Durch diese Präsentation wurde die abstrakte Seite im Werk van Goghs betont und vom Betrachter visuell wahrgenommen. Es ging dem Künstler hier um die Bildform, nicht um die Darstellung der Natur.
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