SchiedsamtsZeitung Online-Archiv
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- Kurt Eberhardt
- vor 6 Jahren
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1 Nachstellung Eine kurze Darstellung des neuen Straftatbestands von Oberamtsanwalt Fritz Fengler, Agathenburg Am ist der neue Paragraf 238 Straf - gesetzbuch in Kraft getreten. Er lautet: Nachstellung I. Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich 1. seine räumliche Nähe aufsucht, 2. unter Verwendung von Telekommu nika - tionsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kon takt zu ihm herzustellen versucht, 3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Be - stel lungen von Waren oder Dienstlei - stungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt auf zu nehmen, 4. ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht, oder 5. eine andere vergleichbare Handlung vornimmt, und dadurch seine Lebensgestaltung schwer - wiegend beeinträchtigt, wird mit Freiheits - strafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. II. Auf Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter das Opfer, einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahe stehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt. III. Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, eines Angehörigen des Opfers oder einer anderen dem Opfer nahe stehenden Person, so ist die Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren. IV. In den Fällen des Absatzes I wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sein denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Straf - verfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. *** Dieser Straftatbestand ist Privatklagedelikt, aber kein Sühnedelikt. Schiedsleute werden nicht im Rahmen von Vergleichsverhand - Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 1/5
2 lungen damit befasst werden. Sie sollten ihn trotzdem kennen, weil die wiederholte Bege hung von Sühnedelikten den Tatbestand erfüllen kann. Beispiel: Der Täter ruft zigmal das Opfer an und bedroht es mit dem Tode. Das Opfer hat deswegen einen Umzug vorgenommen. Das ist eigentlich Bedrohung nach 241 StGB und damit ein Sühnedelikt, aber hier wegen des Umzugs Nachstellung nach Absatz I Ziffer 4. Wenn Sie einen Sühne versuch durchführen, dann müssen Sie ja sicher sein, dass Nachstellung nicht in Betracht kommt, weil sonst der Sühneversuch unzulässig wäre. Der Begriff Nachstellung erfasst das strafbare Verhalten sehr gut, ist aber in der Bevölke rung kaum bekannt. Im allgemeinen Sprach gebrauch wird das amerikanische Wort»Stal - king«verwendet. Mit der Strafdrohung für Stalking will der Gesetzgeber den individuellen Lebensbereich schützen. Das ist auch erforderlich. Stalking ist massenhaft verbreitet und hat in der Strafverfolgung zunehmend an Bedeutung gewonnen. 10 Prozent der Bevölkerung sollen Opfer von Stalking geworden sein, davon 80 % Frauen. Der Gesetzgeber hat Nachstellung gesondert unter Strafe gestellt, obwohl ein großer Teil der Taten schon bisher strafrechtlich erfasst waren, um einen noch effektiveren Opfer - schutz zu bewirken. Gerade deswegen verwundert es, dass er an die Strafbarkeit so hohe Anforderungen stellt. Verurteilungen wegen Nachstellung sind nicht so häufig, wie man es nach den eben genannten Zahlen vermuten würde. Das liegt an der Qualität der einzelnen. Tatbestandsmerkmale: Absatz I: Unbefugtheit: Wenn die Tathandlung mit Einverständnis des Opfers erfolgt, ist das Nachstellen natürlich nicht strafbar. Ebenso nicht, wenn das Nach - stellen auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften beruht. Beispiel: Der Gerichtsvollzieher, der den Schuldner immer wieder aufsucht, um die titulierte Forderung beizutreiben. Nachstellen: Dies ist ein Verb, das der Gesetzgeber bisher nur in dem Tatbestand der Jagdwilderei verwandt hat. Es ist zu verstehen als Nach spüren, Heranpirschen, Auflauern, Stellen, Verfolgen über eine gewisse Dauer (engl. to stalk: jagen, hetzen, verfolgen). Beharrlichkeit: Der Gesetzgeber hat ausdrücklich davon ab- Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 2/5
3 gesehen, ein bestimmtes Maß ins Gesetz zu schreiben, z.b.: 5 Mal. Einmalige Wiederho lung reicht meist nicht. Beharrlichkeit liegt vor, wenn bei Gesamtwürdigung der Hand lungen und der Umstände eine Missachtung des Willens des Opfers erkennbar ist. Nr. 1. Räumliche Nähe: Der Gesetzgeber hat keine Entfernungsan gabe gemacht. Sie wird angenommen, wenn der Abstand geeignet ist, die Lebensgestal tung schwerwiegend zu beeinträchtigen. Sicht - kontakt ist nicht erforderlich, heimliches Beobachten reicht. Aufsuchen: Nur die gezielte Annäherung ist gemeint. Zufälliges Zusammentreffen (U-Bahn, Super - markt) scheidet aus. Nr. 2. Verwendung von Mitteln: Hierunter fällt der Einsatz moderner Techno - lo gie ( , SMS u.a.), ebenso wie das Zu sen - den von Gegenständen. Kontakt herstellen: Gemeint ist nicht nur der körperliche oder verbale Kontakt, sondern auch Zuleiten von Bildern oder Zeichen. Hierunter fällt auch der sogenannte Telefonterror. Der Versuch reicht aus. Nr. 3. Datenmissbrauch: Geschützte Daten sind neben Name, Adresse, -Adresse, Telefon-Nr., Beruf auch Da ten über sportliche oder kulturelle Interessen, Einkaufsverhalten. Auch offenkundige Daten gehören dazu. Bestellungen aufgeben: Gemeint sind Bestellungen aller Art, Dienst - leistungen ebenso wie Waren. Es kommt nicht darauf an, ob das Opfer einen Schaden erleidet (unerwünschte Schenkung). Kontakt über Dritte: Strafbewehrt ist das Veranlassen eines anderen, seinerseits mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen, ohne dass der Täter selbst dabei in Erscheinung tritt. Beispiel: Täter gibt den Namen des Opfers auf Sex-Seiten im Internet an, vom Betreiber dieser Seiten erhält das Opfer dann unangenehme Post. Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 3/5
4 Nr. 4. Bedrohen: Die Bedrohung hat schon immer einen eigenen Tatbestand, 241 StGB. Dort ist eine Strafbarkeit nur gegeben, wenn mit der Be - gehung eines Verbrechens gedroht wurde (Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Brand - stiftung). Hier ist die Bedrohung auf die aufgezählten Fälle erweitert worden. Auch die Drohung, das Opfer psychisch zu verletzen, ist tatbestandsmäßig. Nr. 5. Vergleichbare Handlung: Die unter Nummern 1 bis 4 aufgeführten Tatbestände sind schon so weit gefasst, dass Beispiele für Nr. 5 kaum denkbar sind. Es fallen darunter: Erstatten falscher Anzeigen, Ver - öffentlichung von Fotos des Opfers, falsche Todesanzeigen aufgeben, Auftreten unter den Personalien des Opfers. Eine Strafbarkeit nach Nummern 1 bis 5 ist aber noch nicht gegeben, wenn der Täter gehandelt hat. Erst wenn durch die Handlung eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers eingetreten ist, ist er strafbar. Beeinträchtigung: Sie liegt vor, wenn das Opfer sich gezwungen sieht, gegen seinen eigentlichen Willen sein Leben zu ändern oder einzuschränken. Schwerwiegend: Belästigung reicht nicht. Auch nicht geringfügige Änderung des üblichen Tagesablaufs oder Anschaffung eines Anrufbeantworters oder Einrichten einer Fang schaltung. Aus reichend: Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes, Aufgeben von sportlichen oder kulturellen Aktivitäten oder von sozialen Kontakten. Lebensgestaltung: Hierunter versteht man den selbstbestimmten Tagesablauf. Erst Veränderungen oder Ein - schränkungen gegen den eigentlichen Willen des Opfers greifen in seine Lebensgestaltung ein. Absatz II: Die verschuldeten Auswirkungen einer Straftat sind immer ein Strafzumessungskri - terium. Für alle Fälle des Absatzes I gilt die gesetzliche Mindeststrafe von 5 Tagessätzen oder einem Monat Freiheitsstrafe. Absatz II erhöht die Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 4/5
5 Mindeststrafe auf 3 Monate. Darunter darf nicht erkannt werden, wenn der Täter bewusst und gewollt eine konkrete Todesge fahr oder eine konkrete Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung verursacht. Im Ge - gensatz zur Körperverletzung ist hier auch die psychische Gesundheit geschützt. Eine Tat nach Absatz II ist aber immer noch ein Vergehen. Absatz III: Die Tat ist ein Verbrechen, wenn der Tod verursacht wird. Das erkennt man an der Mindeststrafe von einem Jahr. Entscheidend ist hier, dass das Stalking für den Tod (auch Selbsttötung) ursächlich geworden sein muss. anwaltschaft den fehlenden Strafantrag ersetzen, indem sie ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung von Amts wegen annimmt. Dann erfolgt eine Strafverfolgung, obwohl das Opfer es gar nicht will. Die Staatsanwaltschaft macht davon Gebrauch, wenn über den Lebenskreis des Opfers hinaus der Rechtsfrieden gestört wurde, die Tat ein erhebliches Ausmaß hat oder anzunehmen ist, dass das Opfer aus Angst vor Repressalien keinen Strafantrag stellt. Eine gesetzliche Regelung, wann von der Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung von Amts wegen anzunehmen ist, gibt es (bisher) nicht. Absatz IV: Der Straftatbestand der Nachstellung ist vom Gesetzgeber eingeführt worden, um besseren Opferschutz zu bieten. Der soll aber nicht gegen den Willen des Opfers durchgesetzt werden, denn ein strafrechtliches Verfahren bringt auch für die Opfer Belastungen mit sich. Deshalb überlässt das Gesetz es dem Opfer, ob es ein Strafverfahren geben soll, indem es die Taten nach Absatz I als sogenannte relative Antragsdelikte ausgestaltet hat. Kurz: Ohne Strafantrag kein Strafverfahren. Leider ist diese prägnante Formel nicht immer gültig. In besonders krassen Fällen kann die Staats - Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 5/5
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