Erstinformation Kirchenasyl Handreichung für Gemeinden und ihre Gremien



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Transkript:

Seite 1 Foto: Kirchenasyl in Cuxhaven 2012 Erstinformation Kirchenasyl Handreichung für Gemeinden und ihre Gremien www.kirchenasyl.de

Seite 2 Erstinformation KIRCHENASYL Seite 3 Erstinformation KIRCHENASYL 30 Jahre Kirchenasyl-Bewegung wurden im Juni 2013 festlich begangen. Ein Grund zum Feiern oder ist es nicht eher ein Grund zur Klage, in welch schwieriger Situation sich Flüchtlinge, Asylsuchende und Menschen ohne Papiere in Deutschland und Europa befinden? Das Kirchenasyl steht in einer jahrhundertealten Schutztradition, aus der heraus es sich in den letzten drei Jahrzehnten zu einer Art Institution entwickelt hat, die dann eingreift, wenn Abschiebung in Gefahrensituationen droht. Das erste Kirchenasyl wurde im Jahr 1983 in Berlin gewährt. 1994 wurde die BAG Asyl in der Kirche e.v. gegründet. Dieses zugegeben kleine Schutzelement hat mehreren tausenden Menschen das Leben gerettet, hat innerhalb der verfassten Kirche Anstöße gegeben, hat Umkehr ermöglicht, hat Stellungnahmen herausgefordert. Viele Gemeinden haben in der Flüchtlingssolidarität Stärkung erfahren. Diese kurze Erstinformation möchte Gemeinden ermutigen, das Thema Kirchenasyl theologisch und pragmatisch zu durchdenken. Sie soll außerdem dann, wenn schnelles solidarisches Handeln gefragt ist, eine Hilfestellung bieten. Dabei hat jedes Kirchenasyl seinen eigenen Verlauf und seine lokalen Besonderheiten. Die hier gegebenen Hinweise sind nicht als starres Regelwerk zu verstehen, sondern spiegeln zahlreiche Praxiserfahrungen wieder. Herzlichen Dank allen MitautorInnen in Hamburg, Köln, Berlin und Bonn! Was ist Kirchenasyl? Kirchenasyl ist die zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthaltsstatus, denen bei Abschiebung in ihr Herkunftsland Folter und Tod drohen oder für die mit einer Abschiebung nicht hinnehmbare soziale, inhumane Härten verbunden sind. Während des Kirchenasyls werden alle in Betracht zu ziehenden rechtlichen, sozialen und humanitären Gesichtspunkte geprüft. In vielen Fällen gelingt es nachzuweisen, dass Entscheidungen von Behörden überprüfungsbedürftig sind und ein neues Asylverfahren erfolgversprechend ist. In allen Fällen werden die Behörden und Gerichte über den Aufenthalt unterrichtet. Auch innerhalb Europas kann eine Rückschiebung erfolgen, nämlich in das erste Ankunftsland in Europa, so dass auch dann der Schutz durch eine Gemeinde wichtig werden kann. Wer berät die Gemeinde? Etliche Landeskirchen und Bistümer haben Stellen für Flüchtlings-/Migrationsbeauftragte oder Flüchtlingspfarrämter eingerichtet. Mit ihnen zusammen arbeiten die kirchlichen Beratungsstellen, die Migrationsdienste von Caritas oder Diakonie sowie die lokalen Arbeitskreise Asyl in der Kirche. Die Gemeinde kann auf diese haupt- und ehrenamtlichen BeraterInnen zurückgreifen. Kontakt vermittelt gerne die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche. Was wird von der Gemeinde erwartet? Sie stellt den Raum (Wohnen, Kochen, sanitäre Einrichtung) zur Verfügung und mobilisiert einen UnterstützerInnen-Kreis, der den Kirchenvorstand und die kirchlichen MitarbeiterInnen entlastet und den betroffenen Flüchtlingen im Alltag zur Seite steht. Die Gemeinde erleichtert den Flüchtlingen den Aufenthalt, wenn sie sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten für sie findet.

Seite 4 Seite 5 Was wird von der Gemeinde nicht erwartet? Es ist zwar von Vorteil, wenn der Pastor/die Pastorin oder andere Hauptamtliche an dem Rechtswegeprozess beteiligt sind (Verhandlungen mit RechtsanwältInnen und Behörden); es ist aber auch möglich, dass ausschließlich Beratungsstellen die Rechtsberatung übernehmen. Auch die Finanzierung des Kirchenasyls muss nicht alleinige Aufgabe der Kirchengemeinde sein. Wie wird das Kirchenasyl finanziert? Ein Kirchenasyl wird aus Spendengeldern finanziert. Diese Spenden werden, soweit es möglich ist, durch die Kirchengemeinde, auch durch Nachbargemeinden aufgebracht. Teilweise verfügen die lokalen Arbeitskreise Asyl in der Kirche über Fonds von Spendenmitteln, aus denen ein Teil der fehlenden Mittel angefordert werden kann. Wie lange dauert ein Kirchenasyl? Die Gemeinde muss sich darauf einstellen, dass ein Kirchenasyl nicht in wenigen Tagen beendet ist. Es kann einige Wochen, aber auch viele Monate dauern. Gut ist es deshalb, sich zeitliche Überprüfungsrahmen zu setzen, s.u. Wird ein Kirchenasyl öffentlich gemacht? Ein öffentlich gemachtes Kirchenasyl wird in der Regel den Schutz der Betroffenen vor staatlichem Zugriff verstärken und darüber hinaus Mängel im Asylverfahren und Asylrecht verdeutlichen. Deshalb ist es wichtig, mit dem Kirchenasyl an die Öffentlichkeit zu gehen. Es kann sinnvoll sein, sich für ein stilles Kirchenasyl zu entscheiden, das erst nach Beendigung mediale Aufmerksamkeit erlangt. In jedem Fall aber werden die Behörden und Gerichte über ein Kirchenasyl informiert. Ist das Kirchenasyl eine erfolgversprechende Aktion? Erhebungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche aus den Jahren 1996 und 2001 haben gezeigt, dass in über 75% der Kirchenasyl - Fälle eine Lösung gefunden wurde, die Flüchtlinge vor menschenrechtswidrigen Härten und Gefahr für Leib und Leben bewahrte. Gibt es rechtliche Konsequenzen für die Gemeinde? Kirchenasyl setzt keine anderen Rechtsnormen als die in der Verfassung und im internationalen Recht geltenden. Aber es unterstellt, dass auch staatliches Handeln im Einzelfall fundamentale Rechtsnormen übersehen oder gar missachten kann. Das kann auch trotz Anträgen nach 25,4 oder 5, einem Härtefallersuchen oder Petitionsanträgen der Fall sein, die aber in jedem Fall berücksichtigt sein sollten. So kann das Gewissen von Christen in Widerspruch zu staatlichen Regelungen und Maßnahmen geraten und zu Verstößen gegen gesetzliche Bestimmungen führen. Deshalb müssen die für die Kirchengemeinde handelnden Personen bereit sein, die volle Verantwortung zu tragen. Ermittlungsverfahren sind bislang in aller Regel eingestellt worden; vereinzelt wurden Pfarrern Strafgelder verhängt. Wie stehen die Kirchenleitungen zum Kirchenasyl? Im Gemeinsamen Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht (1997) heißt es: Es ist von ihrem Selbstverständnis her Aufgabe der Kirchen, immer dort mahnend einzugreifen, wo Rechte von Menschen verletzt sind und sich eine kirchliche Beistandspflicht für bedrängte Menschen ergibt. Die Praxis des sogenannten Kirchenasyls ist nicht zuletzt auch eine Anfrage an die Politik, ob die im Asyl- und Ausländerrecht getroffenen Regelungen in jedem Falle die Menschen, die zu uns gekommen sind, beschützen und vor Verfolgung, Folter oder gar Tod bewahren. Kirchengemeinden, die sich für die Verwirklichung dieser Menschen- und Grundrechte einsetzen (...), verdienen für ihr Eintreten für ethische Prinzipien, die zu den Grundlagen unseres Glaubens gehören, grundsätzlich Unterstützung und Anerkennung. Und der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, 2003: Kirchenasyl ist kein Bruch geltender Gesetze, sondern ein Dienst am Rechtsstaat.

Seite 6 II. Bedingungen für ein Kirchenasyl Seite 7 II. Bedingungen für ein Kirchenasyl Bevor der Kirchenvorstand / Kirchenkreisvorstand / das Presbyterium / der Vorstand einer Einrichtung jemandem Kirchenasyl anbietet, sollte geklärt sein: Es droht unmittelbar eine Abschiebung, d.h. es gibt keine Duldung oder Aufenthaltsgenehmigung mehr. Nach Prüfung des Falles besteht gerechtfertigte Befürchtung, dass bei Abschiebung Gefahr für Leib und Leben, Menschenrechtsverletzungen oder andere unzumutbare Härten (z.b. Abschiebung Kranker) riskiert werden. Es werden Chancen gesehen für eine Lösung, die Abschiebung vermeidet (z.b. rechtliche Verfahren, Härtefallanträge, Petitionen, Weiterwanderung, begleitete Rückkehr u.a.). Die Flüchtlinge sind bereit, die eingeschränkten Lebensbedingungen während des Kirchenasyls auf sich zu nehmen und nach Ende des Kirchenasyls die kirchlichen Räume umgehend zu verlassen. Nach Beratung durch Fachleute (z.b. hauptamtliche FlüchtlingsberaterInnen, RechtsanwältInnen, BehördenvertreterInnen, ÄrztInnen) gibt es einen offiziellen Beschluss des Kirchenvorstands/ Kirchenkreisvorstands/ Vorstands der Einrichtung, den namentlich aufgeführten Flüchtlingen Kirchenasyl zu gewähren. Es kann sein, dass Menschen schon im irregulären Aufenthalt sind. Hier sind individuelle Unterbringungen in einer Gemeinde oder in kirchlichen Gästewohnungen hilfreich, um zunächst in Ruhe Perspektiven zu klären und dann erst zu entscheiden, ob ein Kirchenasyl in Frage kommt. Beratung Der Kirchenvorstand/ Kirchenkreisvorstand/ Vorstand einer Einrichtung lässt sich durch Fachleute (s.o.) informieren und beraten. Der/die kirchliche Migrations- oder Flüchtlingsbeauftragte wird eingehend über den Beschluss unterrichtet und informiert gegebenenfalls die zuständige Ausländerbehörde, das Innenministerium oder die Kirchenleitung über das Kirchenasyl und die ladungsfähige Anschrift. Auch die Geschäftsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche kann in die Beratungen einbezogen werden und sollte zeitnah über den Beschluss zum Kirchenasyl informiert werden. Unterbringung Die Gemeinde klärt die Unterbringungsmöglichkeit in der Kirche, dem Pfarrhaus oder dem Gemeindezentrum oder in sonstigen zur Gemeinde gehörenden Räumlichkeiten. Die Gemeinde ist der Schutz und bietet den Schutzort. (In manchen Bundesländern gilt verengend nur die Kirche mit Altarraum als Zufluchtsstätte). Materielle Ressourcen Mittel für die Unterkunft, Lebenshaltung und rechtliche Unterstützung müssen bereitgestellt bzw. bei anderen Gemeinden oder dem lokalen Arbeitskreis Asyl in der Kirche eingeworben werden. Krankenbehandlung Meist bestehen keine Ansprüche auf Krankenbehandlung. Erfahrungsgemäß finden sich ÄrztInnen in der Gemeinde oder anderweitig bekannte ÄrztInnen zu Behandlungen ohne Krankenschein bereit. Beratungsstellen oder lokale Büros für medizinische Flüchtlingshilfe können gegebenenfalls helfen.

Seite 8 Seite 9 Kinderbetreuung Kinder haben das Recht auf Schule. Wenn möglich, sollten sie ihre bisherige Schule weiter besuchen. Andernfalls sollte versucht werden, in den dem Kirchenasyl benachbarten Schulen einen Schulbesuch zu organisieren. Kleinere Kinder können eventuell in kirchlichen Kinderbetreuungseinrichtungen aufgenommen werden. Gerade für Kinder kann der Aufenthalt im Kirchenasyl sonst problematisch werden. Rechtliche Begleitung Die schutzsuchenden Flüchtlinge brauchen eine anwaltliche Vertretung, die auf Asyl- und Ausländerrecht spezialisiert ist und bereit ist, mit der Ge meinde zusammenzuarbeiten. Wichtig sind vertrauenswürdige DolmetscherInnen. Hier ist auf geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe zu achten (Frauen für Frauen). Der Dialog zwischen Kirchengemeinde und Behörden sollte möglichst nicht abreißen: Das Ziel, die Abschiebung zu verhindern, kann nur mit, nicht gegen die Be hörden erreicht werden. Diese sind entsprechend und rechtzeitig über neue Entwicklun gen zu informieren. UnterstützerInnenkreis Zur Aufarbeitung des Falles und zur Begleitung der Betroffenen wird ein UnterstützerInnenkreis benötigt, der sich kontinuierlich trifft (Hauptamtliche können dazu nicht dienstverpflichtet werden). Vorteilhaft ist eine Absprache über Aufgabenverteilung und die Benennung eines Sprecher- Innen-Teams. Ein Leitungskreis aus Mitgliedern des rechtlichen Trägers, des UnterstützerInnenkreises und der o.g. Fachleute aus der Flüchtlingsberatung sollte sich regelmäßig über das Vorgehen abstimmen. Der UnterstützerInnenkreis sollte beachten, dass die Flüchtlinge so viel wie möglich selbst tun. Überversorgung, Überbehütung und Entmündigung verschlechtern ihre Lebenssituation. Öffentlichkeitsarbeit Grundsätzlich muss zwischen dem Schutzbedürfnis des Flüchtlings und der Öffentlichkeit des Kirchenasyls verantwortlich abgewägt werden. Es braucht klare Absprachen, ob, durch wen und wie Öffentlichkeit hergestellt wird. Das können neben Pressemitteilun gen und -konferenzen, gegebenenfalls fantasievollen öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Demonstrationen (gemeinsam mit lokalen Gruppen der Asyl- und Flüchtlingsar beit und prominenten UnterstützerInnen) auch Kulturveranstaltungen sein: Dichterlesungen, Konzerte, Theater und internationale Feste. Gemeindeleben Eine feste und regelmäßige Form von Gottesdiensten/Andachten hilft, bei der Gewährung eines Kirchenasyls Kraft und Hoffnung zu schöpfen und Spiritualität einzuüben. Gemeindeglieder können für unterschiedlichste Beteiligungsformen gewonnen werden, von der Kaffeespende über Hausaufgabenhilfe bis zur Podiumsdiskussion. Wichtig sind Zwischenberichte an die Gemeinde, an Nachbargemein den, Netzwerke und die kirchlichen Leitungsgremien. Dauer Der Beschluss zum Kirchenasyl sollte auch beinhalten, wie lange Kirchenasyl angeboten werden soll (entweder als Datum oder als Abschluss eines Verfahrens). Mit Ablauf dieser Frist kann gegebenenfalls noch einmal beraten werden, ob das Kirchenasyl fortgesetzt oder beendet werden soll.

Seite 10 Leitgedanken des Kirchenasyls Seite 11 Beendigung des Kirchenasyls Bei positivem Verlauf (Duldung oder Anerkennung) gehen die Flüchtlinge in Wohnraum oder öffentliche Unterkünfte zurück. Wird keine Aufhebung der Abschiebungsandrohung erreicht, müssen die Flüchtlinge eigene Entscheidungen treffen (Verlassen der kirchlichen Obhut, Zurückkehren ins Herkunftsland). Die Kirchenasyl gewährende Gemeinde ist dann aus ihrer unmittelbaren Verantwortung entlassen. Vielfach gibt es aber auch Beispiele von Gemeinden, die die Menschen auf ihrem Weg weiter unterstützt haben. Im Interesse einer aktuellen und umfassenden Dokumentation bittet die Geschäftsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, vom Ausgang des Kirchenasyls unterrichtet zu werden. Hilfreich für deren Öffentlichkeitsarbeit und Archiv sind darüber hinaus Hinweise auf Presseberichte. Nachbereitung Wie auch immer die Aufnahme von Flüchtlingen ins Kirchenasyl ausgegangen ist, die Gemeinde sollte sich mit dem Ergebnis befassen, um positive Impulse für das gesamte Gemeindeleben bewusst zu machen und negative Erfahrungen aufzuarbeiten. Die Gemeinde sollte auch klären, ob eine ähnliche Aktion wiederholt werden kann oder ob die Kräfte erschöpft sind. Bei der Durchführung des Kirchenasyls sollte Kontakt zum lokalen Arbeitskreis sowie zur Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche hergestellt werden. Hier finden Sie Beratung, Unterstützung und Erfahrungsaustausch. Leitgedanken des Kirchenasyls Kirchenasylgemeinden treten für Menschen ein, denen durch eine Abschiebung Gefahren für Leib, Leben und Freiheit drohen, oder für die mit einer Abschiebung nicht hinnehmbare soziale, inhumane Härten verbunden sind. Zugleich setzen sie sich damit für das grundgesetzlich verankerte Recht auf Schutz ihrer Menschenwürde, ihrer Freiheit und ihrer körperlichen Unversehrtheit ein. Kirchenasylgemeinden treten zwischen Behörden, die Anordnungen zum Abschiebungsvollzug auszuführen haben, und Flüchtlingen, um Zeit für weitere Verhandlungen, für die Ausschöpfung aller Rechtsmittel und für eine sorgfältige Überprüfung des Schutzanspruchs, ein faires Verfahren, zu gewinnen (Intercessio). Kirchenasylgemeinden gewähren ihren Beistand zumeist öffentlich und immer gewaltfrei. Sie beanspruchen keinen rechtsfreien Raum, der Staat kann jederzeit von seinem Zugriffsrecht Gebrauch machen, um die Abschiebung zu vollziehen. Kirchenasylgemeinden nutzen die Öffentlichkeit (Medien) zum Schutz der Flüchtlinge und zur Herstellung eines transparenten Verfahrens, in dem sie ihr Anliegen argumentativ vertreten und gewissenhaft verantworten wollen. Durch die Herstellung von Öffentlichkeit wird signalisiert, dass das Schutzhandeln der Gemeinde im Einzelfall zugleich auf eine gerechtere Asylpolitik zielt. Kirchenasyl ist letzter, legitimer Versuch (ultima ratio) einer Gemeinde, Flüchtlingen durch zeitlich befristete Schutzgewährung beizustehen, um auf eine erneute, sorgfältige Überprüfung ihres staatlich garantierten Schutzanspruches hinzuwirken.

Seite 12 Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.v. Heilig-Kreuz-Kirche Zossener Str. 65, 10961 Berlin E-Mail: info@kirchenasyl.de Telefon: +49 (0)30 25 89 88 91 Fax: +49 (0)30 69 04 10 18 www.kirchenasyl.de Konto-Nr. 1 013 169 019 KD-Bank Duisburg BLZ 350 601 90 BIC: GENODED1DKD IBAN: DE68350601901013169019