Telefon-Triage in der Grundversorgung: Ein Leitfaden für Praxisteams Dr. Katrin Gehring Prof. Dr. David Schwappach patientensicherheit schweiz Stiftung für Patientensicherheit fmc Symposium, 27. Juni 2013, Zürich 1
Beispiel Fall 16.45 Uhr, eine Mutter ruft in der Hausarztpraxis an. Ihr anderthalbjähriger Sohn hustet seit ein paar Tagen und atmet schwer. Sie fragt, ob sie mit ihrem Kind in die Praxis kommen soll. Die Nachfragen der Medizinischen Praxisassistentin ergeben, dass der Junge in der Zwischenzeit aufgehört hat zu husten und nun recht ruhig ist. Er hat kein Fieber. Der Junge isst und trinkt an diesem Tag nicht. Er ist sehr bleich und erschöpft. 2
Definition Telefon-Triage (in der Grundversorgung) ist < < der telefonische Kontakt zu Patienten mit dem Ziel, die Dringlichkeit des Patientenanliegens zu erkennen, die notwendige Versorgung einzuschätzen und einen entsprechenden Sprechstundentermin zu vergeben. vgl. Huibers et al, 2011; Meer et al., 2011 3
Kennzeichen Telefon-Triage Zusammenspiel Patient Med. Praxisassist. (MPA) Arzt Prozess aus: a) Fragen zur Einschätzung der medizinischen Situation b) Erkennen und Aushandeln von Bedürfnissen und Erwartungen c) Entscheidungen d) Instruktion des Patienten nach Triage-Entscheidung e) Dokumentation der Triage-Entscheidung Kein visueller Kontakt zu Patienten Einholen aller erforderlichen Informationen, ohne zu lange zu befragen 4
Studien Out-of-hourscare (Norwegen, Niederlande) Dringlichkeit des Patientenanliegens wird oft unterschätzt. Häufig werden nicht alle relevanten Fragen gestellt. Huibers et al., 2011 Derkxet al., 2008 Medizinische Call-Center (Schweiz) Gute Qualität der Telefon-Triage bei geschultem Personal und unter Verwendung von Guidelines in computergestütztem Experten-System. Meer et al., 2012 5
Studien Hot-Spots der Patientensicherheit, Grundversorgung (Schweiz) Fehleinschätzungen sind kein seltenes Phänomen. 20% der befragten Ärzte und MPAs: mind. monatliche Fehleinschätzung bei Telefon-Triage in ihrer Praxis Fehleinschätzungen sind mit relevantem Schadenspotential verbunden. 56% der befragten Ärzte und MPAs: mind. geringe Schädigung des Patienten bei letzter Fehleinschätzung in ihrer Praxis; 2% der befragten Ärzte und MPAs: schwerwiegender Schaden /Todesfallbei letzter Fehleinschätzung in ihrer Praxis Das mit der Telefon-Triage verbundene Risiko hat für Ärzte und MPAs grossebedeutung. Gehring et al., 2012; Schwappach et al., 2012 6
Projekt Sicherheit der Telefon-Triage in der Grundversorgung 7
Projekt: Telefon-Triage Ziele: 1) Identifikation von Einflussfaktoren für eine sichere Telefon-Triage in Hausarztpraxen 2) Entwicklung eines Praxisleitfadens für Ärztinnen und Ärzte und Medizinische Praxisassistentinnen (MPA) in der Grundversorgung Vorgehen: Fokusgruppendiskussionen (MPA; Schülerinnen in MPA- Ausbildung) Interviews mit Ärztinnen und Ärzten, MPA, and. Fachpersonen (z.b. Telemedizin, Dozentin MPA-Ausbildung) 8
Beispiel Situation in der Praxis, als die MPA den Anruf entgegennimmt Anruf kurz vor Sprechstundenende Schon viele Notfalltermine vergeben, Sprechstunde im Verzug Arzt hat wichtigen Abendtermin, muss pünktlich aus der Praxis Rücksprache mit Arzt in diesem Moment nicht möglich Mutter hat den Ruf, auch mal zu dramatisieren MPA betreut zur gleichen Zeit eine Auszubildende im Praxislabor Terminvergabe? 9
Einflussfaktoren auf Telefon-Triage Medizinisches Fachwissen (z.b. Krankheitsbilder, red flags ) Aber vor allem auch: Arbeitssituation (z.b. Lärm, Unterbrechungen, Multitasking) Praxisorganisation (z.b. Sprechstundenplanung, Dienstpläne) Triage- Entscheidung Management/Arzt (z.b. Möglichkeit für Rückfragen beim Arzt, Arbeitsklima, Regeln) Patient (z.b. Über-/Untertreibung, unvollständige Informationen) 10
Einflussfaktoren auf Telefon-Triage Medizinisches Fachwissen (z.b. Krankheitsbilder, red flags ) Aber vor allem auch: Arbeitssituation (z.b. Lärm, Unterbrechungen, Multitasking) Praxisorganisation (z.b. Sprechstundenplanung, Dienstpläne) Triage- Entscheidung Management/Arzt (z.b. Möglichkeit für Rückfragen beim Arzt, Arbeitsklima, Regeln) Patient (z.b. Über-/Untertreibung, unvollständige Informationen) 11
Praxisleitfaden zur Telefon-Triage Der Leitfaden... < versteht sich als Hilfsmittelfür Praxisteams. < dient der gemeinsamen Reflexion. < soll helfen Risikofaktoren zu reduzieren. < gibt konkrete Fragen vor, um die Telefon- Triage zu beleuchten. < kann und möchte nicht allgemeine Richtlinien oder konkrete Handlungsanweisungen vorgeben! 12
Praxisleitfaden zur Telefon-Triage Module zur Anwendung im Praxisteam: Modul A: Erwartungen im Praxisteam Modul B: Rückfragen an den Arzt oder die Ärztin Modul C: Feedbackfür die MPA Modul D: Kommunikation und Kommunikationsgefässe Modul E: Fallbesprechungen Modul F: Lernende in der Praxis Modul G: Arbeits(platz)gestaltung 13
Praxisleitfaden zur Telefon-Triage Aufbau der Module: Hintergrund: Zur Bedeutung des Themas Ziel: Ziel der Reflexion im Praxisteam Austausch: Worüber und Wie: Fragen, mit denen sich MPA und Ärzte gezielt austauschen können Massnahmen: Hilfestellung zur Entwicklung von Massnahmenund deren Überprüfung 1. Situationsanalyse 2. Verbesserungen 3. Überprüfung 14
Praxisleitfaden zur Telefon-Triage 15
Praxisleitfaden zur Telefon-Triage Was noch folgt: Pilotanwendungen des Leitfadens mit ausgewählten Hausarztpraxen Verfassen eines Fallbeispiels zur Anwendung des Leitfadens Kostenlose Bereitstellung des Leitfadens als PDF-Dokument ab Herbst 2013: www.patientensicherheit.ch 16