V01 Grundlegende Überlegungen zum Thema Verfahrenstechnik 1. Einleitung Thema: Verfahrenstechnik, Blockdiagramme, PID Was versteht man eigentlich unter dem Begriff Verfahrenstechnik? Im Duden kann man hierzu folgende Definition finden: Teilgebiet der Technik, das sich mit den theoretischen und praktischen Fragen bei der Herstellung formloser Stoffe befasst. Das beinhaltet, dass verschiedene Verfahren zur Veränderung von Stoffen entwickelt und praktisch in Form von Produktionsprozessen umgesetzt werden. Doch was ist darunter zu verstehen? Wenn ihr euch in eurem Umfeld umseht, werdet ihr auf unzählige Produkte stoßen, die verfahrenstechnisch hergestellt worden sind. Verfahrenstechnik umfasst all das, was erforderlich ist, um etwas in einem technischen Produktionsprozess zu verarbeiten. Hierzu sind unzählig viele Fragestellungen möglich. Um nur einige Beispiele zu nennen: Wie kann man den Stoff für meinen Pullover großtechnisch erzeugen? Wie kommt die Zahnpasta in die Tube? Wie wird eigentlich mein Handy hergestellt? Was passiert bei der Erdölraffinerie? Wie werden Medikamente produziert? Wie kommt die Miene in den Bleistift? Wie macht man Schokolade? Aufgabe: a) Überlege selbst 3 mögliche Fragestellungen. In der Verfahrenstechnik werden solche Fragestellungen gelöst und in technischen Prozessen umgesetzt. Dabei spielen unzählige Fragen aus allen Bereichen der Naturwissenschaft- und Technik eine Rolle. Solche Problemstellungen können z.b. sein: Welche Rohstoffe werden benötigt? Welche Qualität müssen diese Rohstoffe haben. Welche Prozessschritte sind erforderlich? Wie müssen einzelne Prozesschritte optimiert werden? Wie kann ein Prozessschritt im Einzelnen aussehen? Welche Maschinen / Apparate sind erforderlich? Wie viel Energie wird benötigt? Was fällt an Abfall / Emissionen an? Ist der Prozess wirtschaftlich? Wo liegen Gefahren? Wie kann so ein Prozess unter ökologischen Gesichtspunkten durchgeführt werden? Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen gelten? 25.11.2014 V01-Verfahrenstechnik Seite 1
Grundlegende Überlegungen zum Thema Verfahrenstechnik Verfahrenstechnische Prozesse werden in Anlagen durchgeführt. Anlagen bestehen aus einer Vielzahl verschiedener Apparate und Maschinen. Als Apparate werden Elemente bezeichnet, in denen eine Stoffumsetzung stattfindet. 2. Grundlagen 2.1. Grundoperationen (Unit Operations) In der Regel besteht ein solcher Produktionsprozess aus verschiedenen Einzelbausteinen, s.g. Unit Operations (= Grundoperationen = physikalisch nicht mehr trennbare Einheit) zusammengesetzt werden. Beispiele für solche Grundbausteine sind technische Vorgänge wie: Pressen Lagern Abkühlen Filtrieren Sieben Sedimentieren Mahlen Zentrifugieren Rühren Erhitzen Schneiden Destillieren Trocknen Biologische Abwasserbehandlung Chemische Reaktion Fördern Dosieren Transportieren Gären Verpacken Polymerisierung Enzymreaktion Destillieren Fermentieren Pumpen Emulgieren Rösten Gewöhnlich werden diese Grundoperationen 4 Bereichen zugeordnet: Mechanische Verfahrenstechnik Chemische Verfahrenstechnik Thermische Verfahrenstechnik Sonstige Man geht davon aus, dass es ca. 60 bis 100 solcher Unit-Operation gibt, aus denen verfahrenstechnische Prozesse aufgebaut sind. Die Reihenfolge dieser Grundeinheiten eines Prozesses wird in einem sogenannten Blockdiagramm dargestellt. Aufgaben: b) Ordne die oben aufgezeigten Grundoperationen den Bereichen mechanische, chemische und thermische Verfahrenstechnik oder dem Punkt sonstige zu. c) Welche Grundoperationen dienen der Stofftrennung? d) An welchen Grundoperationen sind Mikroorganismen beteiligt? 2.2. Blockdiagramme 25.11.2014 V01-Verfahrenstechnik Seite 2
Grundlegende Überlegungen zum Thema Verfahrenstechnik Um einen Prozess zu beschreiben, werden verschieden Grundeinheiten in einem Blockdiagramm angeordnet. Solche Prozesse können von Herstellungsverfahren zu Herstellungsverfahren, bzw. von Produzent zu Produzent variieren. Als Beispiel sind in der Abbildung verschiedene Blockdiagramme für die Produktion von Apfelsaft dargestellt. Blockdiagramm 1 Blockdiagramm 2 Blockdiagramm 3 Abb. 1: Verschiedene Blockdiagramme für die Apfelsaftproduktion Aufgaben: e) Wo unterscheiden sich die drei Prozesse? f) Ordne die Produkte Naturtrüber Apfelsaft Direktsaft, Klarer Apfelsaft Direktsaft und Klarer Apfelsaft aus Konzentrat jeweils einem der drei Blockdiagramme zu. g) Erstelle selbst ein Blockdiagramm für einen Prozess, z.b. Kuchen backen. 2.3. Piping and Instrumentation diagram 25.11.2014 V01-Verfahrenstechnik Seite 3
Grundlegende Überlegungen zum Thema Verfahrenstechnik Um einen solchen Prozess detaillierter umzusetzen, werden sogenannte P&IDs (= Piping and Instrumentation diagram) oder auf Deutsch R&I-Fließbild (Rohrleitungs- und Instrumentenfließschema) eingesetzt. Hierin werden alle benötigten Armaturen sowie Mess- und Regelkomponenten eingetragen. Ebenfalls werden Dimensionierungen, z.b. Rohrleitungsdurchmesser oder kennzeichnende Größen von Apparaten und Maschinen eingetragen. In der folgenden Abbildung ist ein Beispiel eines solches P&ID für eine sehr kleine Einheit, dem Mischen zweier Substanzen aufgeführt. Tank Sicherheitsventil Handventil Ventil (pneumatisch) Regelventil Pumpe Abb. 2: Beispiel P&ID eines Mischprozesses Anmerkungen: NW bedeutet Nennweite und gibt den Rohrinnendurchmesser in mm an. Die Handventile dienen dazu, die Tankausläufe, z.b. bei Reparaturen, zu schließen. Im automatisierten Prozess sind sie immer geöffnet, dort werden die pneumatischen Ventile vom Programm angesteuert. Regelventile dienen dazu, den Durchfluss in Abhängigkeit einer Messgröße zu regeln (der Durchfluss kann kontinuierlich variiert werden. Mess- und Regelkomponenten Für die Meß- und Regelkomponenten gelten systematische Bezeichnungen. Hierbei kennzeichnen Felder ohne Querstrich in der Regel lokale Messgeräte die nicht über die Steuerung verarbeitet werden. Z.B. wird ein Thermometer, das direkt vor Ort angebracht ist und nicht elektrisch verarbeitet wird mit aufgenommen und an einer anderen Stelle angezeigt wird mit. bezeichnet, eine Temperaturmessung die über die Steuerung 25.11.2014 V01-Verfahrenstechnik Seite 4
Grundlegende Überlegungen zum Thema Verfahrenstechnik Die Buchstaben an erster Stelle stehen dabei in der Regel für die Messgrößen. Dabei bedeuten z.b.: F Durchsatz (Flow) L Füllstand (Level) P Druck (Pressure) T Temperatur (Temperature) Die Folgebuchstaben stehen dann für die Art der Messwertverarbeitung, z.b.: I Anzeige (Indication) C Selbständige Regelung / Steuerung (Control) S Schaltung (Switch) A Grenzwertmeldung, Alarm (Alarm) Aufgaben: h) Erläutere die Mess- und Regelkomponenten im Fließbild. i) Beschreibe, was passiert. 3. Weiterführende Literatur Schwister, K.; Taschenbuch der Verfahrenstechnik; 2007; Fachbuchverlag Leipzig Hemming, W.; Wagner, W.; Verfahrenstechnik; 2011; Vogel Buchverlag 25.11.2014 V01-Verfahrenstechnik Seite 5
Grundlegende Überlegungen zum Thema Verfahrenstechnik Lehrerseiten 4. Kurzbeschreibung In dieser Grundeinheit soll kurz darauf eingegangen werden, was unter Verfahrenstechnik zu verstehen ist. Außerdem werden wesentliche Hilfsmittel eines Verfahrenstechnikers, wie z.b. Blockdiagramm und P&ID vorgestellt. 5. Lernziel Der Schüler soll einen grundlegenden Einblick ins Thema Verfahrenstechnik gewinnen. 6. Versuchsdauer 1 Doppelstunde, evtl. auch Teile als Hausaufgaben 7. Beispiellösungen a) Überlege selbst 3 mögliche Fragestellungen. Hier gibt es unendlich viele Möglichkeiten, anbei ein paar weitere Beispiele: Wie wird Lippenstift hergestellt? Wie werden Kunststoffe gemacht? Wie werden Computer produziert? Wie funktioniert ein Kraftwerk? b) Ordne die oben aufgezeigten Grundoperationen den Bereichen mechanische, chemische und thermische Verfahrenstechnik oder dem Punkt sonstige zu. Mechanische Verfahrenstechnik: Chemische Verfahrenstechnik: Thermische Verfahrenstechnik: Sonstige: Pressen, Filtrieren, Sieben, Sedimentieren, Zentrifugieren, Mahlen, Rühren, Schneiden, Verpacken, Fördern, Pumpen, Dosieren, Transportieren, Emulgieren Enzymreaktion, Polymerisierung, Chemische Reaktion, Emulgieren Abkühlen, Erhitzen, Rösten, Destillieren, Trocknen, Gären, Fermentieren, Biologische Abwasserbehandlung, Lagern c) Welche Grundoperationen dienen der Stofftrennung? Pressen, Filtrieren, Sieben, Sedimentieren, Zentrifugieren, Destillieren, biolog. Abwasserbehandlung, evtl. chemische Reaktion, evtl. Enzymreaktion,.. d) An welchen Grundoperationen sind Mikroorganismen beteiligt? 25.11.2014 V01-Verfahrenstechnik Seite 6
Grundlegende Überlegungen zum Thema Verfahrenstechnik Lehrerseiten Biologische Abwasserbehandlung, Fermentieren, Gären, e) Wo unterscheiden sich die 3 Prozesse? Blockdiagramm 1: Im Vergleich zu den anderen Blockdiagrammen fehlen die Prozessschritte Schönung und Filtration. Es wird vor dem Abfüllen pasteurisiert und danach aseptisch (= keimfrei) abgefüllt. Das 2. Blockdiagramm enthält die Prozessschritte Schönung und Filtration. Der Saft wird zuerst abgefüllt, im Anschluss wird der Saft in den Flaschen pasteurisiert. Im dritten Blockdiagramm wird das Aroma gewonnen und ein Konzentrat aus dem Saft hergestellt. Später muss der Saft dann wieder rückverdünnt werden. f) Ordne die Produkte Naturtrüber Apfelsaft Direktsaft, Klarer Apfelsaft Direktsaft und Klarer Apfelsaft aus Konzentrat jeweils einem der drei Blockdiagramme zu. Blockdiagramm 1: Naturtrüber Apfelsaft - Direktsaft Blockdiagramm 2: Klarere Apfelsaft Direktsaft Blockdiagramm 3: Klarer Apfelsaft aus Konzentrat g) Erstelle selbst ein Blockdiagramm für einen Prozess, z.b. Kuchen backen. Ein Beispiel zum Thema Kuchen backen h) Erläutere die Mess- und Regelkomponenten im Fließbild. Der Füllstand wird angezeigt Der Füllstand wird angezeigt, ab einem bestimmten Wert wird Alarm gegeben, z.b. um Überfüllung zu vermeiden. Druck wird gemessen und angezeigt, d.h. es handelt sich hier um ein Manometer Temperatur wird gemessen und angezeigt, d. h. es handelt sich hier um ein Thermometer Der Durchfluss wird gemessen und angezeigt, ein Sollwert wird vorgegeben. Der Durchfluss wird gemessen und angezeigt und geregelt. 25.11.2014 V01-Verfahrenstechnik Seite 7
Grundlegende Überlegungen zum Thema Verfahrenstechnik Lehrerseiten i) Beschreibe, was passiert. Bei diesem Prozess werden die 2 Medien aus den entsprechenden Tanks entnommen und gemischt. Hierbei wird für die Komponente B ein Festwert für den Volumenstrom vorgegeben, der Durchfluss des Mediums A wird mittels eines Regelventils geregelt. Die Tanks sind mit Manometer und Thermometer ausgerüstet. Der Füllstand wird angezeit, zusätzlich wird Alarm gegeben, wenn der Tank einen bestimmten Füllstand erreicht hat. Alle Tanks können mit einem Klappenventil abgesperrt werden, z. B. bei Wartungsarbeiten. Die Handklappen stehen normalerweise immer offen, im automatisierten Prozess werden die pneumatischen Ventile über die Steuerung und das Programm geöffnet und geschlossen. 8. Legende Herausgeber: Autor: Technikinitiative NwT Hochschule Furtwangen Furtwangen University Jakob-Kienzle-Str. 17 78054 Villingen-Schwenningen http://technikinitiative-nwt.de/ technikinitiative-nwt@hs-furtwangen.de Dipl.-Ing.(FH) Ursula Eschenhagen 25.11.2014 V01-Verfahrenstechnik Seite 8