Bewertung der Netzsicherheit bei einem Fuel Switch von Braunkohle zu Erdgas in Deutschland in 2020

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Transkript:

Bewertung der Netzsicherheit bei einem Fuel Switch von Braunkohle zu Erdgas in Deutschland in 2020 Wissenschaftliche Studie im Auftrag des DVGW e.v. Durchgeführt von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Albert Moser Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen unter Mitarbeit von Ivan Marjanovic, M.Sc. Denis vom Stein, M.Sc. Aachen, 20. Juli 2018

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis I Executive Summary... 1 1 Motivation und Ziel der Studie... 2 2 Verwendete Simulationsmethode... 3 3 Untersuchungsszenarien... 5 4 Ergebnisse Strommarktsimulation... 8 5 Ergebnisse Netzbetriebssimulation... 11 6 Zusammenfassung und Fazit... 14 7 Literaturverzeichnis... 16

Executive Summary 1 I Executive Summary Bei einem Fuel Switch von Braunkohle zu Erdgas in Deutschland im Jahr 2020 können ca. 68 Mio. t CO2/a bei erhöhten Stromerzeugungskosten von etwa 3,6 Mrd. /a eingespart werden. Dies entspricht fundamentalen CO 2-Vermeidungskosten von etwa 53 /t CO2. Dabei kann die Netzsicherheit in Deutschland unter Berücksichtigung einer noch näher in ihrer Ausgestaltung zu bestimmenden Netzreserve gewährleistet werden. Die Studie unterstellt, dass Gaskraftwerke in Deutschland, auch diejenigen, die heute einen Teil der Netzreserve bilden, eine wegfallende Stromerzeugung aus Braunkohlekraftwerken in Deutschland vollständig substituieren. Um danach weiterhin die Netzsicherheit aufrecht erhalten zu können, muss die dadurch reduzierte Netzreserve wieder ergänzt werden. In der Studie wird dieses Erfordernis im Sinne einer grundsätzlichen Betrachtung durch eine Einbeziehung von Braunkohlekraftwerken in die Netzreserve nachgewiesen. Der genaue erforderliche Umfang oder die optimale Zusammensetzung der Netzreserve wird in der Studie nicht bestimmt, da dies weiterführende Analysen erfordert, die hier nicht berücksichtigte besondere Netzstresssituationen, grenzüberschreitenden Redispatch und weitere Optionen zur Ergänzung der Netzreserve einbeziehen müssen.

Motivation und Ziel der Studie 2 1 Motivation und Ziel der Studie Mit dem Energieimpuls des DVGW [1] liegt eine Konzeption vor, um mithilfe von Erdgas die Klimaschutzziele zu erreichen. Die Konzeption fußt u.a. auf der Substitution der deutschen Braunkohleverstromung durch den Einsatz von Erdgas. Dabei stellt sich die Frage, wieviel CO 2-Emissionen dadurch eingespart werden können und ob beim Ersatz der Stromerzeugung aus Braunkohlekraftwerken durch erdgasbasierte Stromerzeugung ein grundsätzlich sicherer und zuverlässiger Netzbetrieb gewährleistet werden kann 1. Im Rahmen dieser Studie wird daher für das Jahr 2020 ein typischer Netzbetrieb bei einem Fuel Switch von Braunkohle zu Erdgas in Deutschland simuliert. Dafür wird die Annahme getroffen, dass die deutschen Gaskraftwerke die wegfallenden Stromerzeugungsmengen der deutschen Braunkohlekraftwerke ersetzen (Fuel Switch). Durch diesen unterstellten nationalen Fuel Switch ergibt sich ein nahezu unverändertes Stromimport-Stromexport- Saldo für Deutschland, sodass eine veränderte Netzbelastung bei diesen Annahmen nicht aus einer grundlegend veränderten Import- und Export-Situation resultiert. 1 Weitere Aspekte der Versorgungssicherheit wie die Primärenergieverfügbarkeit des zusätzlich erforderlichen Erdgases, Angemessenheit der Erzeugungskapazitäten (Generation Adequacy) nach Stilllegung von Braunkohlekraftwerken oder Versorgungszuverlässigkeit der Verteilernetze sind nicht Gegenstand dieser Studie.

Verwendete Simulationsmethode 3 2 Verwendete Simulationsmethode Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellung wird eine zweistufige Simulationskette für verschiedene Szenarien durchlaufen. Der Vergleich der Ergebnisse erlaubt eine fundamentale Bewertung der Veränderungen in den jeweiligen Szenarien hinsichtlich der resultierenden Stromerzeugungskosten, CO 2-Emissionen, Netzengpässe sowie Redispatchvolumina 2. Die Quantifizierung von vorzuhaltenden Netzreservekraftwerke und die damit verbundenen Kosten sind nicht Gegenstand der Betrachtungen. Im ersten Schritt wird der europäische Strommarkt simuliert, wobei ein effizienter, vollkommener Markt unterstellt wird, sodass im Rahmen der Simulation die Minimierung der gesamten europäischen variablen Erzeugungskosten als Zielfunktion der Optimierung gewählt wird. Dabei müssen systemische Nebenbedingungen wie Deckung der Nachfrage nach elektrischer Energie, Vorhaltung von Regelleistung und Einhaltung der beschränkten Übertragungskapazitäten für gebotszonenübergreifenden Handel erfüllt werden. Das Verfahren ermöglicht darüber hinaus die Berücksichtigung von zeitintegralen Primärenergiemengenbedingungen, sodass eine Jahresmindeststromerzeugung aus einem Primärenergieträger, bspw. Erdgas, für einzelne Gebotszonen parametriert werden kann. Im Rahmen dieser Studie kann mit einer solchen Mengennebenbedingung die geforderte Annahme abgebildet werden, dass im Falle des Ausstiegs der deutschen Braunkohlekraftwerke deren Stromerzeugungsmenge aus Gaskraftwerken in Deutschland und nicht durch erhöhte Stromimporte substituiert wird. Ergebnisse der Simulation sind der europaweite blockscharfe Kraftwerkseinsatz, die damit einhergehenden Erzeugungskosten, die marktbedingte Abregelung der Einspeisung aus EEG-Anlagen, CO 2-Emissionen sowie stündliche Redispatchpotentiale. Eine detaillierte Beschreibung des angewandten Verfahrens findet sich in [2]. 2 Der Begriff Redispatch schließt in dieser Studie auch den Abruf der Netzreserve und das Einspeisemanagement von EEG-Anlagen ein.

Verwendete Simulationsmethode 4 Im darauffolgenden Schritt wird der Netzbetrieb simuliert. Hierzu werden die aus der Marksimulation resultierenden stündlichen Last-/Einspeisesituationen in ein Übertragungsnetzmodell überführt, um zu überprüfen, ob thermische Überlastungen 3, im Folgenden als Engpässe bezeichnet, im deutschen Übertragungsnetz vorhanden sind. Der erforderliche Redispatchbedarf zur Behebung der auftretenden Engpässe wird im Rahmen einer linearen Optimierung bestimmt. Dabei werden lediglich Redispatchpotentiale innerhalb Deutschlands berücksichtigt, sodass keine Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Redispatches besteht. Oberstes Ziel dieser Optimierung ist die Behebung aller Engpässe unter Wahrung der Leistungsbilanz und Minimierung der damit verbundenen Kosten. Diese Redispatchsimulation unterstellt, dass vollständige Information des Systemzustands (perfekte Voraussicht, keine Unsicherheiten) und eine perfekte Koordination zwischen den Übertragungsnetzbetreibern besteht. Ergebnis der Redispatchsimulation sind die Überlastungen der Leitungen vor und nach Redispatch, Anpassungen der Erzeugungsanlagen im Zuge des Redispatches sowie die damit einhergehenden fundamentalen Kosten und Veränderungen der CO 2-Emission. Sollten aufgrund fehlender Redispatchpotentiale verbleibende Engpässe nach Redispatch bestehen, werden diese ausgewiesen. Eine Beschreibung des angewandten Verfahrens zur Redispatchsimulation findet sich in [3]. 3 Netzbetriebliche Randbedingungen werden in dieser Studie als maximale Strombelastbarkeit von Leitungen unter Berücksichtigung des (N-1)-Kriteriums modelliert.

Untersuchungsszenarien 5 3 Untersuchungsszenarien Im Rahmen dieser Studie werden drei Szenarien betrachtet. Für alle drei Szenarien gilt, dass der Gebotszonenzuschnitt dem Status Quo in 2017 entspricht, wobei ein Split der Gebotszone von Deutschland-Österreich für das zu simulierende Jahr 2020 bereits berücksichtigt wird. Die Handelskapazitäten zwischen den Gebotszonen wird, wie in Abbildung 1 dargestellt, über einen flussbasierten Ansatz für Zentraleuropa nach [3] beschränkt, der sich an der aktuellen Implementierung des CWE Flow Based Market Coupling orientiert, wohingegen die daran angrenzenden Gebotszonen über Net Transfer Capacities (NTC) gekoppelt sind. Der Fokusbereich markiert Deutschland, für den Engpässe ausgewertet und mit Redispatch unter Berücksichtigung des Netzes im gesamten Betrachtungsbereich behoben werden. Fokusbereich Flow Based Fokusregion Gekoppelt via NTC Abbildung 1: Betrachtungsbereich Die zukünftige Entwicklung der Nachfrage nach elektrischer Energie, der installierten Erzeugungsleistung und die angenommenen NTCs für das Jahr 2020 in Europa sind gemäß des Mid-Term Adequacy Forecast [4] gewählt. Darüber hinaus basieren die Standorte der deutschen Kraftwerke auf der Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur [5]. In Abbildung 2 ist die angenommene installierte Leistung der Erzeugungsanlagen nach Primärenergieträgern und die geographische Verteilung der Braunkohle- und Gaskraftwerke dargestellt. Es zeigt sich, dass die Gaskraftwerke eine deutlich homogenere Verteilung über gesamt Deutschland aufweisen als die durch das natürliche Vorkommen

Untersuchungsszenarien 6 bestimmten Standorte der Braunkohlekraftwerke im Rheinischen, Mitteldeutschen, Helmstedter und Lausitzer Revier. 8.1 9.1 10.2 7.5 18.1 26.3 21.7 2.5 60.4 47.2 0 50 Kernkraft 100 150 200 Braunkohle 250 Steinkohle Erdgas Sonstige nicht EE* Öl Gesamte Wasserkraft Wind PV Andere EE ohne Wasserkraft Abbildung 2: Installierte Leistung nach Primärenergieträgern 4 und geographische Verteilung von Braunkohle- und Gaskraftwerken in Deutschland Die Brennstoffpreise und Kosten für CO 2-Emissionszertifikate sind anhand von Terminmarkt-Notierungen (Stichtag 7. Juni 2016) für das Jahr 2020 unter Berücksichtigung einer Inflationsrate von 2%/Jahr angenommen. Als Wetterjahr, das die Profile der Einspeisung aus EEG-Anlagen und Entnahmen der Verbraucher festlegt, ist das Jahr 2012 gewählt, welches für Deutschland als ein durchschnittliches Wetterjahr klassifiziert werden kann [6]. Für die Netzbetriebssimulationen wird das am Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft (IAEW) der RWTH Aachen bestehende Netzmodell genutzt, welches auf Basis von öffentlichen Daten ausgehend vom aktuellen Ist-Netz die Zubauprojekte für das Jahr 2020 beinhaltet. Dabei werden die Zubauprojekte berücksichtigt, zu denen bisher keine Verzögerung über 2020 hinaus in der Öffentlichkeit angekündigt wurde. Der Netzbetrieb 4 Sonstige nicht EE enthalten unter anderem auch unflexible erdgasgefeuerte Kraftwerke und dezentrale (erdgasgefeuerte) KWK-Anlagen.

Untersuchungsszenarien 7 wird hier für typische Wettersituationen, typische Netztopologien und typische Verfügbarkeiten der Netzbetriebsmittel simuliert. Besondere Netzstresssituationen z.b. bei extremen Wetterbedingungen oder durch Baumaßnahmen veränderten Netztopologien sind nicht betrachtet. Das erste Szenario Braunkohle im Markt stellt das Referenzszenario dar, wobei Gaskraftwerke, die sich heute in der Netzreserve befinden, auch für das Jahr 2020 als Netzreservekraftwerke modelliert und somit im Markt nicht eingesetzt werden, aber zur Behebung von innerdeutschen Netzengpässen im Rahmen der Redispatchsimulation ein positives Redispatchpotential darstellen. Das zweite Szenario Fuel Switch - basiert auf dem Referenzszenario. Als veränderte Rahmenbedingung wird unterstellt, dass alle deutschen Braunkohlekraftwerke sowohl im Markt als auch für den Redispatch nicht zur Verfügung stehen. Die Gaskraftwerke, die sich in der Referenzsimulation in der Netzreserve befinden, kehren zurück in den Markt. Damit ein Fuel Switch in Deutschland tatsächlich erfolgt und die Erzeugung der Braunkohlekraftwerke nicht durch ausländische CO 2 intensive Stromerzeugung substituiert wird, wird eine Primärenergiemengenbedingung für erdgasgefeuerte Anlagen in Deutschland formuliert. Diese Mengennebenbedingung ist so gewählt, dass dabei die Stromerzeugung aus Braunkohle und Erdgas aus dem Referenzszenario durch die bestehenden Gaskraftwerke in Deutschland erbracht werden muss. Das dritte Szenario Fuel Switch + folgt den Annahmen aus dem Szenario Fuel Switch -. Der einzige Unterschied ist, dass die Braunkohlekraftwerke für den Redispatch als positives Redispatchpotential zur Verfügung stehen.

Ergebnisse Strommarktsimulation 8 4 Ergebnisse Strommarktsimulation Da der Unterschied zwischen Szenario Fuel Switch - und Fuel Switch + lediglich hinsichtlich des Redispatchpotentials besteht, ergibt sich für diese beiden Szenarien das gleiche Marktergebnis. In Abbildung 3 ist die bereitgestellte elektrische Energie je Primärenergie für Deutschland nach Marktsimulation für die beiden Szenarien dargestellt. Die Erzeugung von etwa 109 TWh/a aus Braunkohlekraftwerken, die mit durchschnittlichen 6.600 Volllaststunden pro Jahr im Referenzszenario laufen, wird durch zusätzliche Erzeugung der Gaskraftwerke im Fuel Switch -Szenario vollständig kompensiert. Dabei erhöhen sich die durchschnittlichen jährlichen Volllaststundenzahlen der Gaskraftwerke von 1.000 auf ca. 5.500 Stunden. Durch die erhöhte Flexibilität der Gaskraftwerke reduziert sich im Fuel Switch - Szenario zudem der Einsatz von Turbinen und Pumpen sowie die Abregelung der Stromerzeugung aus EEG-Anlagen, was zu einem sehr geringen Anstieg der Exporte von Deutschland führt. Ausstieg Fuel Braunkohle Switch -/+ Braunkohle Business as im Usual Markt -100 0 100 200 300 400 500 TWh 600 el 700 a Elektrische Energie Kernkraft Steinkohle Braunkohle Erdgas Sonstige nicht EE Öl Laufwasser Turbine - PSKW Wind PV Sonstige EE Pumpe - PSKW Abregelung EE * PSKW = Pumpspeicherkraftwerk * * Abbildung 3: Bereitstellung elektrischer Energie je Primärenergieträger in Deutschland

Ergebnisse Strommarktsimulation 9 Abbildung 4 zeigt den direkten Einfluss des betrachteten Fuel Switchs auf die CO 2- Emissionen und die Primärenergiekosten. DE -80-60 -40-20 0 20 40 Mio. 60 t 80 a CO 2 -Einsparung ( Braunkohle im Markt Fuel Switch ) DE -4-3 -2-1 0 1 2 3 Mrd. 4 5 Kosteneinsparung a ( Braunkohle im Markt Fuel Switch ) Abbildung 4: Veränderung der CO 2-Emissionen und Primärenergiekosten in Deutschland Da die Braunkohlekraftwerke im Durchschnitt 1.000 g CO2/kWh el ausstoßen und Gaskraftwerke aufgrund unterstellter Retrofit-Maßnahmen in den betrachteten Szenarien spezifische Emissionen von durchschnittlich 350 g CO2/kWh el aufweisen, sinken die Emissionen nach Marktergebnis um ca. 70 Mio. t CO2. Bezogen auf die deutsche Last inklusive der Exportüberschüsse entspricht dies einer Reduktion von 117 g CO2/kWh el 5 des deutschen Strommixes. Diesen CO 2-Emissionseinsparungen stehen höhere Primärenergiekosten von 3,6 Mrd. /a gegenüber, was durchschnittlich ca. 6 /MWh el 6 entspricht. Legt man 5 Verhältnis der eingesparten CO2-Emissionen in Deutschland zu Last und Exportüberschuss in Deutschland ohne Redispatch 6 Verhältnis der eingesparten Kosten für Primärenergien in Deutschland zu Last und Exportüberschuss in Deutschland ohne Redispatch

Ergebnisse Strommarktsimulation 10 diese zusätzlichen Kosten auf die eingesparten CO 2- Menge um, ergeben sich fundamentale CO 2-Vermeidungskosten von ca. 52 /t CO2 ohne Berücksichtigung des Redispatchs. Für die folgende Netzbetriebssimulation ist insbesondere die veränderte Einspeisung der Kraftwerke an den verschiedenen Netzknoten von Bedeutung. In Abbildung 5 ist zu erkennen, dass im Referenzszenario ein deutlicher Leistungsüberschuss im Norden von Deutschland besteht und nur vereinzelte Netzknoten im Süden eine positive jährliche Energiebilanz aufweisen. Bei Betrachtung der Veränderung im Falle des Fuel Switch - Szenarios ist die Reduzierung der Erzeugung in den Braunkohlerevieren deutlich zu erkennen. Die zur Substitution genutzte Erzeugung aus Gaskraftwerken ist relativ homogen über Deutschland verteilt, was somit auch zu einer höheren Erzeugung im Norden von Deutschland und im Ruhrgebiet führt. Im Süden haben insbesondere die Gaskraftwerke Irsching 4 und 5 eine erhöhte Stromerzeugung. Braunkohle im Markt Fuel Switch -/+ Überwiegend Einspeisung Überwiegend Last Einspeiseanstieg Einspeisereduktion Abbildung 5: Jährliche Knotenenergiebilanz im Referenzszenario und Veränderung im Falle des Braunkohleausstiegs

Ergebnisse Netzbetriebssimulation 11 5 Ergebnisse Netzbetriebssimulation Die Veränderung der Erzeugungsstandorte bedingt eine Änderung der Netzbelastung, die für die Szenarien vor Redispatch in Abbildung 6 dargestellt ist. Die Veränderung der Belastung führt insbesondere zur Erhöhung der Engpässe im Westen und Nordwesten Deutschlands. Als ein Grund dafür ist die ungünstige Lage eines Erdgaskraftwerks zu nennen. Insgesamt ist für deutsche Leitungen mit einem Anstieg der Engpassarbeit 7 von ca. 7 TWh/a zu rechnen. Braunkohle im Markt Fuel Switch -/+ 0 0.1 0.2 0.3 TWh/a 0.5 0 0.1 0.2 0.3 TWh/a 0.5 Abbildung 6: Resultierende Engpassarbeit im deutschen Übertragungsnetz Der Anstieg der Engpassarbeit spiegelt sich im Bedarf für Redispatch wider. Im Szenario Fuel Switch -, erhöht sich die benötigte Redispatchmenge von 10,9 auf 11,7 TWh/a 8 (vgl. Abbildung 7). Allerdings können in diesem Szenario die Engpässe nicht vollständig behoben werden, da zuschaltbare Erzeugungskapazitäten nicht in ausreichendem Maße an 7 Als Engpassarbeit einer Leitung wird die übertragene Energiemenge bezeichnet, die deren verfügbare Transportkapazität unter Berücksichtigung des (N-1) Kriteriums überschreitet. 8 Im Rahmen dieser Studie werden bei den ausgewiesenen Redispatchmengen die Leistungserhöhungen und Leistungsreduzierungen nicht addiert, sondern nur einmal gezählt.

Ergebnisse Netzbetriebssimulation 12 geeigneten Standorten vorhanden sind und somit insgesamt nicht ausreichend Redispatchpotential in Deutschland zur Verfügung steht. Dieses Problem wird in dem Szenario Fuel Switch + behoben, indem die Braunkohleblöcke als für eine Netzreserve verfügbar unterstellt sind, um bei angespannten Netzsituationen ausreichendes Redispatchpotential zur Leistungserhöhung zu ermöglichen. Insgesamt sind in diesem Szenario 13,2 TWh/a an Redispatch erforderlich, um die Engpässe vollständig zu beheben. Braunkohle im Markt Fuel Switch - Fuel Switch + Leistungserhöhung Leistungsreduktion Leistungserhöhung Leistungsreduktion Leistungserhöhung Leistungsreduktion Abbildung 7: Ermittelter Redispatch räumliche Verteilung Abbildung 8 zeigt, dass im Falle der Stilllegung der Braunkohleblöcke häufiger teure Gasturbinen und Ölkraftwerke für Redispatch eingesetzt werden müssen. 15 TWh 12 a 9 Braunkohle im Markt 15 TWh 12 a 9 Fuel Switch - 15 TWh 12 a 9 Fuel Switch + 6 6 6 3 3 3 0 0 0 Leistungserhöhung Positiv Leistungsreduktion Negativ Leistungserhöhung Positiv Leistungsreduktion Negativ Leistungserhöhung Positiv Leistungsreduktion Negativ Kernkraft Braunkohle Steinkohle Kernkraft Braunkohle Steinkohle Kernkraft Braunkohle Steinkohle Gas Öl Turbine Gas Öl Turbine Gas Öl Turbine Pumpe EE Pumpe EE Pump EE Absolut [Mio. /a] Durchschnittlich [ /MWh] Fundamentale Kosten 242 22,2 Absolut [Mio. /a] Durchschnittlich [ /MWh] Fundamentale Kosten 353 30,2 Absolut [Mio. /a] Durchschnittlich [ /MWh] Fundamentale Kosten 235 17,8 Abbildung 8: Ermittelter Redispatch Struktur und Kosten

Ergebnisse Netzbetriebssimulation 13 Dies wirkt sich auf die Redispatchkosten, die hierfür auf Basis der fundamentalen variablen Erzeugungskosten bestimmt werden, aus 9. Im Schnitt steigen diese von 22,2 auf über 30 /MWh, was bei dem genannten Volumen einen Unterschied in den Gesamtkosten von über 100 Mio. /a ausmacht. Im Falle des Fuel Switch + -Szenarios liegen die fundamentalen Redispatchkosten auf dem Niveau der Referenzrechnung. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass in keinem der Szenarien Vollkosten für die Vorhaltung von den Kraftwerksblöcken und Tagebauen angesetzt wurden, sondern lediglich eine Abschätzung über die Start- und variablen Erzeugungskosten erfolgt. Durch den Redispatcheinsatz der Braunkohlekraftwerke im Fuel Switch + -Szenario erhöhen sich die CO 2-Emissionen leicht, obwohl mehr als 1 TWh/a an Einspeisung aus EEG-Anlagen weniger abgeregelt wird. 9 In die Redispatchkosten fließen in dieser Studie keine Einspeisemanagementkosten oder Kosten für die Vorhaltung von Netzreserve ein.

Zusammenfassung und Fazit 14 6 Zusammenfassung und Fazit Einfluss auf Deutschland im Szenario 2020 Braunkohle im Markt (Referenz) Fuel Switch - Fuel Switch + Verbleibende Engpassarbeit [TWh/a] 0 2,8 0 Einspeisemangement EEG-Anlagen [TWh/a] 3,3 3,5 2,1 Redispatchvolumen [TWh/a] 10,9 11,7 13,2 Bilanzierte CO 2-Emissionen (nach Redispatch [t CO2/a]) 100% 69% (-68,9 Mio.) 70% (-68,4 Mio.) CO 2-Vermeidungskosten nach Markt und Redispatch [ /t CO2] - 54,2 52,9 Tabelle 1: Zentrale Ergebnisse der Studie Bei einem Fuel Switch von Braunkohle zu Erdgas in Deutschland in 2020 kann die Netzsicherheit unter Berücksichtigung einer Netzreserve bei den unterstellten typischen Wetterbedingungen und typischen Verfügbarkeiten des Übertragungsnetzes gewährleistet werden. Dabei können fast 70 Mio. t CO2 eingespart werden. Unter Berücksichtigung von veränderten fundamentalen Kosten auf Markt- und Netzseite von ca. 3,6 Mrd. /a geht dies mit fundamentalen CO 2-Vermeidungskosten 10 von etwa 53 /t CO2 einher. Sollte die Netzreserve (auch) aus Braunkohlekraftwerken gebildet werden, kann dies zu einem Einsatz der Braunkohlekraftwerke von etwa 3,6 TWh/a führen. Dabei ist die Überführung von Braunkohlekraftwerken in die Netzreserve nicht als Empfehlung zu verstehen, sondern dient der Überprüfung, ob eine Netzsicherheit nach Fuel Switch grundsätzlich gewahrt werden kann. Der tatsächliche Bedarf an Netzreserve und deren technologische und 10 Verhältnis der eingesparten Kosten für Primärenergien in Deutschland zu eingesparten CO2- Emissionen einschließlich Redispatch

Zusammenfassung und Fazit 15 geographische Zusammensetzung erfordert weiterführende Analysen, die auch besondere Netzstresssituationen berücksichtigen.

Literaturverzeichnis 16 7 Literaturverzeichnis [1] Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.v., Der Energie-Impuls ein Debattenbeitrag für die nächste Phase der Energiewende, https://www.dvgw.de/medien/dvgw/verein/energiewende/impuls/dvgw-energieimpuls-broschuere.pdf, 2017. [2] T. Drees, Simulation des europäischen Binnenmarktes für Strom und Regelleistung bei hohem Anteil erneuerbarer Energien, Aachen : printproduction, 2016. [3] I. Marjanovic et al., Impact of an Enlargement of the Flow Based Region in Continental Europe, Lodz, Polen: 15th International Conference on the European Energy Market, 2018. [4] ENTSO-E, Mid-Term Adequacy Forecast, 2016. [5] BNetzA, Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur, https://www.bundesnetzagentur.de/de/sachgebiete/elektrizitaetundgas/unterneh men_institutionen/versorgungssicherheit/erzeugungskapazitaeten/kraftwerksliste/ kraftwerksliste-node.html, 2016. [6] 50Hertz, Amprion, TenneT, Transnet BW, Netzentwicklungsplan Strom 2030, https://www.netzentwicklungsplan.de/sites/default/files/paragraphsfiles/160108_nep_szenariorahmen_2030.pdf, 2017.