newsletter Arbeitskreis für Agrargeschichte Nr. 26, September 2009 Die Weberkarde Eine unentbehrliche Pflanze der Tuchmacher (Renate Bärnthol) S.

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Transkript:

Impressum Arbeitskreis für Agrargeschichte Vorsitz: Prof. Dr. Stefan Brakensiek Universität Duisburg-Essen Historisches Seminar Universitätsstr. 12 - Gebäude R12 D-45117 Essen stefan.brakensiek@uni-duisburg-essen.de Der AKA-Newsletter wird für den Arbeitskreis für Agrargeschichte zweimal jährlich herausgegeben vom: Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte Westf. Wilhelms-Universität Münster Redaktion und Satz: Johannes Bracht M.A. Stubenrauchstraße 20 D-24248 Mönkeberg johannes.bracht@gmx.de Nr. 26, September 2009 Die Weberkarde Eine unentbehrliche Pflanze der Tuchmacher (Renate Bärnthol) S. 3 Wegweiser zu den Quellen der Landwirtschaftsgeschichte Schleswig-Holsteins (Harry Kunz) S. 14 Lieselott Enders 1927-2009 (Jan Peters) S. 18 Rezensionen Jan Peters, Märkische Lebenswelten (K.-J. Lorenzen-Schmidt) S. 20 Brigitte Kasten (Hg.): Tätigkeitsfelder und Erfahrungshorizonte des ländlichen Menschen ( D. Rippmann) S. 24 newsletter Bericht von der AKA-Sommertagung 2009 (Ira Spieker, Ursula Schlude) S. 27 Bericht von der AKA-Mitgliederversammlung 2009 S. 32 www.agrargeschichte.de www.agrargeschichte.de Kardenmacher (Ausschnitt) aus dem Hausbuch der Zwölfbrüderstiftung in Nürnberg (Stadtbibliothek Nürnberg, Amb. 317.2, f. 166v)

Beiträge AKA-Newsletter Nr. 26, 2009 Beiträge AKA-Newsletter Nr. 26, 2009 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts Brettchen, zwischen die die Karden mit ihren Stielen eingespannt werden können. kauften Nürnberger Händler die Karden auf und brachten sie bis Die Größe der Kardätschen war offensichtlich unterschiedlich und auch das Kreuz und die Befestigung variierten, wie aus Abbildung in verschiedenen Quellen hervor- nach Mähren, Böhmen, Sachsen und England. Die größten Karden geht. Krünitz schildert die Anfertigung zusammengefasst so: Große Karden werden in zwei Reihen übereinander befestigt, kleinere in drei Reihen. In jeder Reihe werden waren bei den Webern im Inland sehr gesucht. Dabei konnte es vor- auf jeder Seite sechs Karden angebracht. Seitlich wird ein siebter Kardenkopf eingesteckt. Die beiden Brettchen, zwischen denen sich die Stiele befinden, werden mit kommen, dass die Anbauer mehrere Jahre warten mussten, bis sie einem Bindfaden fest zusammengebunden. Zuerst wird der eine Arm befestigt, dann die Schnur über einen oben befindlichen Einschnitt gezogen und schließlich der ihre Karden gut verkaufen konnten. Damals rechnete man immer- Anfertigung einer Karde (nach Grunard 1838 38.) zweite Arm fixiert.39 hin mit einem Erlös von mindestens dem Doppelten einer Wei- Die Verwendung der Karde bei der Tuchherstellung zenernte.36 Nach dem Weben eines Wolltuches mussten durch verschiedene Verfahren, die man als Ausrüsten des Technische Verwendung Tuches bezeichnet, erst die Voraussetzungen für die Verwendung als Kleidungsstück geschaffen werden. Die Herstellung der Karde oder Kardätsche Zu diesen Verfahren gehörte zuerst das Stampfen in einer Walkmühle unter Zugabe von Wasser und ver- Die Herstellung einer Karde über- schiedener weiterer Substanzen (z. B. Walkerde ). Durch das Walken wird das Tuch stark verdichtet nahm ein Kardensetzer, ein, wie Krünitz schreibt, unzünftiger Ar- und verfilzt (wobei es deut lich schrumpft). Es erhält seine guten Wärmeeigenschaften und weist Feuch- beiter, welcher in den Manufacturen oder bey dem Tuchbereiter sich des Kardensetzens beflissen hat, aber auch Gesellen Ein Kardenmacher setzt die Köpfe der Weberkarde in ein hölzernes Doppelkreuz ein. Auf dem Boden liegt eine fertige Karde. Aus dem Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung in Nürnberg, 1545, Ausschnitt (Stadtbibliothek Nürnberg, Amb. 317.2, f. 166v) und Meister des Tuchmacherhandwerks.37 Die Karden werden auf ein Kreuz aus Holz gesetzt und in mehreren Reihen übereinander befestigt. Die quer liegenden Arme des Kreuzes bestehen aus zwei 36 Reider, S. 78f. 37 Krünitz, Johann Georg: Oekonomisch-technologische Encyklopädie, Bd. 34, 1785, S. 685. 38 Grunard, B. A.: Anweisung zum Anbau der Kardendistel (Weberkarde), Quedlinburg/ Leipzig 1838, S. 9. 10 Ein Tuchrauer mit der Karde bei der Arbeit. Aus dem Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung in Nürnberg, 1521, Ausschnitt (Stadtbibliothek Nürnberg, Amb. 317.2, f. 136r) tigkeit besser ab. Der Einsatz der Weberkarde erfolgte nun in dem sich daran anschließenden Vorgang, der als das Rauen des Tuches bezeichnet wird. Dabei sollen die Fasern und Härchen auf der gefilzten Oberfläche der einen Seite des Tuches ( rechte Seite ) aufgelockert werden. Das Tuch wird hierzu über eine oder zwei horizontale Stangen gelegt, mit Wasser angefeuchtet und von oben nach unten in Richtung der Kettfäden mit der Kardätsche gestrichen. Die lockeren Fasern werden dabei nach oben gezogen und durch anschließendes Bürsten des Tuches gleichmäßig ausgerichtet. Durch das nachfolgende Scheren des Tuches mit großen, 39 Krünitz, Bd. 34, S. 685. 11