Seminar zur Wirtschaftspolitik Bedeutung und Messung der Schattenwirtschaft Wintersemester 2015/16 Prof. Dr. Stephan Thomsen Inhalt des Seminars Das beobachtbare Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Wert aller Güter und Dienstleistungen, die in einem Jahr innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft erwirtschaftet werden. Dabei handelt es sich aber zum Teil auch um nicht offiziell registrierte Transaktionen und wirtschaftliche Aktivitäten. Diese stellen die sogenannte Schattenwirtschaft dar und umfassen z.b. Schwarzarbeit oder Hehlerei. Ziel des Seminars ist es, die Thematik der Schattenwirtschaft zu erarbeiten. Dabei stehen folgende Aspekte im Vordergrund, zu denen dann im Einzelnen Seminarthemen formuliert und vergeben werden: Methodik, Gründe für die Existenz von Schattenwirtschaft, Konsequenzen, und wirtschaftspolitische Optionen. Anrechenbarkeit Bachelor Wirtschaftswissenschaft (PO 2012) - Vertiefungsfach Arbeitsökonomik; Bachelor Wirtschaftswissenschaft (PO 2012) - Vertiefungsfach Öffentliche Finanzen; Bachelor Wirtschaftswissenschaft (PO 2012) - Vertiefungsfach Wirtschaftstheorie; Bachelor Wirtschaftswissenschaft (PO 2006) - Vertiefungsfach Arbeitsökonomik; Bachelor Wirtschaftswissenschaft (PO 2006) - Vertiefungsfach Öffentliche Finanzen; Bachelor Wirtschaftswissenschaft (PO 2006) - Vertiefungsfach Wirtschaftstheorie Master Wirtschaftswissenschaft (PO 2012, 4 Semester) - Vertiefungsfach Module; Master Wirtschaftsingenieur (PO 2012, 4 Semester) - Vertiefungsfach Arbeitsökonomik; Master Wirtschaftsingenieur (PO 2012, 4 Semester) - Vertiefungsfach Öffentliche Finanzen; Master Wirtschaftsingenieur (PO 2012, 4 Semester) - Vertiefungsfach Wirtschaftstheorie; Master Wirtschaftsingenieur (PO 2006, 3 Semester) - Vertiefungsfach Arbeitsökonomik; Master Wirtschaftsingenieur (PO 2006, 3 Semester) - Vertiefungsfach Öffentliche Finanzen; Master Wirtschaftsingenieur (PO 2006, 3 Semester) - Vertiefungsfach Wirtschaftstheorie Termine Vorbesprechung: 21.10.2015, 12:45 Uhr in Raum I-063 Verbindl. Anmeldung: 27.10.2015 bis 14 Uhr in Raum I-220 Abgabe der Arbeiten: 12.01.2016 bis 12 Uhr in Raum I-220 Vorträge: 25.01.2016, 9-18 Uhr in Raum I-112 1
Themenübersicht I. Überblick und Definitionen Themen 1 und 2 sollen eine Einführung in das wissenschaftliche Thema der Schattenwirtschaft geben. Dazu gehören die begriffliche Abgrenzung, die historische Entwicklung sowie ein Überblick über die vorhandenen Abschätzungen der Schattenwirtschaften im internationalen Vergleich. Thema 1: Entstehung und Definition der Schattenwirtschaft Wie kann der Begriff Schattenwirtschaft rechtlich und ökonomisch abgegrenzt werden? Was ist die Bedeutung der Schattenwirtschaft im Laufe der Geschichte und wie ist sie entstanden? Schneider, Enste (2000), Shadow Economies: Size, causes, and consequences, Journal of Economic Literature, 38, S. 77-114. Thema 2: Bedeutung der Schattenwirtschaft im internationalen Vergleich Was ist die Bedeutung der Schattenwirtschaft in einzelnen Ökonomien? Wie groß ist der Anteil der Schattenwirtschaft relativ zur offiziellen Wirtschaftsaktivität und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Wie unterscheiden sich die Anteile der Schattenwirtschaften im internationalen Vergleich? Gibt es eine Unterteilung nach Geographie oder Entwicklungsstand? Schneider, Klinglmair (2005), Shadow Economies around the world: what do we really know?, European Journal of Political Economy, 21 (3), S. 598-642. Johnson, Kaufmann, Shleifer (1997), The unofficial economy in transition, Brookings Papers on Economic Activity, 2, S. 159-239. Eilat, Zinnes (2000), The evolution of the shadow economy in transition countries: consequences for economic growth and donor assistance, Discussion Paper Consulting Assistance on Economic Reform (CAER II) Project. II. Theoretische Erklärungsansätze Was sind mögliche Determinanten der Existenz von Schattenwirtschaft und wie wirkt sich das Vorhandensein bzw. die Höhe inoffizieller Wirtschaftsaktivität auf Wachstum und Wohlstand einer Ökonomie aus? Thema 3: Steuer- und Abgabenlast Erklärungsansatz und Auswirkungen Mikroökonomische Modelle zu Anreizen der Steuervermeidung o Friedman, Johnson, Kaufmann, Zoido-Lobaton (2000), Dodging the grabbing hand: the determinants of unofficial activity in 69 countries, Journal of Public Economics, 76, S. 459-493. o Allingham, Sandmo (1972), Income tax evasion a theoretical analysis, Journal of Public Economics, 1, S. 323-338. Wachstumsmodell zu Wirkung von Schattenwirtschaft in Folge zu hoher Besteuerung und Regulierung 2
o Loayza (1999), The economics of the informal sector: a simple model and some empirical evidence from Latin America, World Bank Policy Research Working Paper No. 1727. Thema 4: Weitere Determinanten der Schattenwirtschaft überhöhte Regulierung, Institutionenqualität (Willkür, Bürokratie, etc.), Steuermoral, Steuerwahrnehmung, Regulierung des Arbeitsmarktes (Arbeitszeit, Kündigungsschutz, etc.), Arbeitslosigkeit o Torgler, Schneider (2009), The impact of tax morale and institutional quality of the shadow economy, Journal of Economic Psychology, 30 (2), S. 228-245. o Frey, Weck-Hannemann (1983), Estimating the shadow economy: a `naïve approach, Oxford Economic Papers, 35 (1), S. 23-44. o Johnson, Kaufmann, Zoido-Lobaton (1998), Regulatory Discretion and the unofficial economy, The American Economic Review, 88 (2), S. 387-392. III. Messbarkeit und Methoden Für die Quantifizierung der Schattenwirtschaft gibt es sehr unterschiedliche, zumeist indirekte Ansätze. Für alle dazugehörigen Themen sollen die jeweilige zu Grunde liegende Definition der zu messenden Größe, die dazugehörigen Annahmen und die Methode beschrieben werden. Anschließend sollen die mit der jeweiligen Methode erzielten Ergebnisse vorgestellt werden. Darüber hinaus soll eine kritische Auseinandersetzung der Kausalität erfolgen, also eine Diskussion, inwieweit die zur Schätzung der Schattenwirtschaft verwendeten Indikatoren Bestimmungsgrößen oder Ergebnisse der Schattenwirtschaft sind. Als Einführung für alle Themen gilt das Kapitel 6 des Artikels Schneider, Enste (2000), Shadow Economies: Size, causes, and consequences, Journal of Economic Literature, 38, S. 77-114. Thema 5: Electricity Consumption Method (Physical Input Method) Unter der Annahme, dass der Stromverbrauch ein Indikator sowohl der offiziellen als auch der inoffiziellen Wirtschaft ist, wird die Schattenwirtschaft als Differenz zwischen gesamter Wirtschaft und offizieller Wirtschaftstätigkeit bestimmt. Johnson, Kaufmann, Shleifer (1997), The unofficial economy in transition, Brookings Papers on Economic Activity, 2, S. 159-239. Kaufmann, Kaliberda (1996), Integrating the unofficial economy into the dynamics of postsocialist economies, World Bank Policy Research Working Paper No. 1691. Lacko (2000), Hidden economy an unknown quantity? Comparative analysis of hidden economies in transition countries, 1989-95, Economics in Transition, 8 (1), S. 117-149. Thema 6: Currency Based Approach Mithilfe der Annahme, dass inoffizielle Transaktionen in Bargeld getätigt werden, kann das Überschusswachstum der Nachfrage nach Bargeld genutzt werden, um eine Schätzung der Größenordnung der Schattenwirtschaft vorzunehmen. 3
Giles (1999), Measuring the hidden economy: implications for econometric modeling, The Economic Journal, 109, S. F370-F380. Giles (1999), Modelling the hidden economy and the tax-gap in New Zealand, Empirical Economics, 24, S. 621-640. Thomas (1999), Quantifying the black economy: `Measurement without theory again?, The Economic Journal, 109, S. F381-F389. Thema 7: Weitere Ansätze zur Messung der Schattenwirtschaft Entstehungs- und Verwendungsseite des BIPs in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sollten sich entsprechen. Die Diskrepanz beider Größen kann zur Abschätzung der Größe der Schattenwirtschaft genutzt werden. o Petersen, Hans-Georg (1982): Size of the Public Sector, Economic Growth and the Informal Economy: Development Trends in the Federal Republic of Germany, Review of Income and Wealth, 28:2, S. 191-215. Änderungen der Partizipationsraten einer Volkswirtschaft können als Indikator der Partizipation in der Schattenwirtschaft gesehen werden. o Contini, Bruno (1981): Labor Market Segmentation and the Development of the Parallel Economy the Italian Experience, Oxford Economic Papers, 33:4, S. 401-412. Angenommen, die Beziehung des Transaktionsvolumens und dem offiziellen BIP ist konstant und man kennt den Zusammenhang von Transaktionsvolumen und der gesamten Wirtschaftsleistung, so kann der Umfang der Schattenwirtschaft als Differenz zwischen gesamter Wirtschaftsleistung und der offiziellen Leistung gemessen werden. o Feige, Edgar L. (1994): The Underground Economy and the Currency Enigma, Supplement to Public Finance/ Finances Publiques, 49, S. 119-136. Thema 8: Model Approach Konträr zu den anderen Ansätzen betrachtet diese Methode explizit mehrere Determinanten sowie mehrere Indikatoren der Schattenwirtschaft. Analog zu einem faktoranalytischen Ansatz, wird die unbeobachtbare Variable Schattenwirtschaft geschätzt. Frey, Weck-Hannemann (1983), Estimating the shadow economy: a `naïve approach, Oxford Economic Papers, 35 (1), S. 23-44. Schneider, Klinglmair (2005), Shadow Economies around the world: what do we really know?, European Journal of Political Economy, 21 (3), S. 598-642. IV. Politikmaßnahmen Aus staatlicher Sicht geht die Existenz einer Schattenwirtschaft mit entgangenen Staatseinnahmen einher. Dieses sowie andere Motive führen dazu, dass Politikmaßnahmen zur Reduktion der Schattenwirtschaft eingesetzt werden. Deren Konzeption sowie Wirkung soll en untersucht werden. Thema 9: Mögliche Politikmaßnahmen und ihr Einfluss auf die Schattenwirtschaft 4
Ihrig und Moe (2004) zeigen, wie unterschiedliche Politikgestaltung dazu führen kann, dass einige Entwicklungsländer einen Rückgang der Schattenwirtschaft aufweisen, während andere mit zunehmendem Wirtschaftswachstum einen Anstieg verzeichnen. Eilat, Zinnes dagegen diskutieren allgemeine Wirkungsweisen von Politikmaßnahmen auf die Schattenwirtschaft. Ihrig, Moe (2004), Lurking in the shadows: the informal sector and government policies, Journal of Development Economics, 73, S. 541-557. Eilat, Zinnes (2000), The evolution of the shadow economy in transition countries: consequences for economic growth and donor assistance, Discussion Paper Consulting Assistance on Economic Reform (CAER II) Project. Thema 10: Politikmaßnahmen zur Vermeidung von Schattenwirtschaft in Deutschland In Anbetracht der aktuellen Verschärfung der Gesetzeslage für Steuerhinterzieher (Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) wurde im März verabschiedet), soll die Situation für Deutschland untersucht werden. Dabei soll die bisherige Gesetzeslage, deren Auswirkungen und Veränderungen abgebildet werden. Darüber hinaus soll unter Nutzung der relevanten Literatur eine Abschätzung gegeben werden, welche Wirkungen von der Gesetzesänderung erwartet werden können. Ihrig, Moe (2004), Lurking in the shadows: the informal sector and government policies, Journal of Development Economics, 73, S. 541-557. Feld, Schmidt, Schneider (2010), Tax Evasion, Black Activities and Deterrence in Germany: An Institutional and Empirical Perspective, Working Paper Universität Linz. 5