Willkommen Vom Entree gelangt man gleich zum Essplatz, die Schiebetür steht meist offen. Die große Leuchte, ein Entwurf von Ingo Maurer, lag eines Tages vor der Tür: Das Geschenk eines Auftraggebers, sie war übrig geblieben, so der Hausherr. Maßarbeit Cristiana und Jan Wichers im Atelier. Die Regale planten sie selbst, hinter den hohen Schiebetüren liegt die Küche. TEXT Brigitte Jurczyk FOTOS Nina Struve VERKLEINERN, ABER NICHT VERSCHLECHTERN VON DER ALSTERVILLA AUF DIE ETAGE: DER HAMBURGER INNENARCHITEKT JAN WICHERS UND SEINE FRAU REDUZIERTEN IHRE WOHNFLÄCHE UM MEHR ALS DIE HÄLFTE. DANK PROFESSIONELLEM KNOW-HOW VERZICHTEN SIE WEDER AUF STIL NOCH AUF KOMFORT. 82 A & W 2/14 2/14 A & W 83
84 A & W 2/14 Loftcharakter Großzügig wirken die Räume durch frei stehende Stützen und die großen Fenster. Zugleich gibt es Rückzugsmöglichkeiten wie etwa die Kaminecke im Atelier. Mixtur Der kleine Arbeitsbereich zeigt die Hand des Interior-Profis: Die starken Farben des Teppichs, das grafische Vorhangmuster und die klaren Kanten des Tisch und der gekurvte Cello-Stuhl harmonieren perfekt.
86 A & W 2/14 Traumbilder Cristiana Wichers hat sich ihre Lieblingswerke dicht an dicht über das Bett gehängt, das Dunkelblau der Wand lässt die Farben auf Bildern, Kissen und Teppich leuchten und bündelt zugleich die Fülle der Muster auf den Textilien. Die raumhohen Schranktüren aus Holz tragen Ledergriffe und springen beim Öffnen leicht nach vorn, bevor sie sich seitlich wegschieben lassen.
Stummer Zeuge Der Sitzende Mann eine Skulptur des amerikanischen Künstlers Leo Sewell begleitet die Familie Wichers schon seit vielen Jahren. Jetzt fand er Platz am langen Besprechungstisch im Atelier. Roter Faden Der Bordeaux-Ton der Sessel im Salon findet sich im Kissen auf dem Sofa und im Bild von Harald Frackmann darüber. Fischgrätparkett zieht sich durch alle Räume. 88 A & W 2/14 2/14 A & W 89
Wohnwand Die offene Küche entwarf der Hausherr selbst. Hinter den deckenhohen Nussbaumfronten verschwinden Geräte und Geschirr, ihr einheitliches Furnierbild verleiht dem ganzen Raum eine diskrete Eleganz. Die schneeweiße alte Villa an der Hamburger Außenalster: feinste Adresse, perfekt restauriert. 400 Quadratmeter auf zwei Stockwerken mit acht Zimmern, die sich um eine offene Wohnhalle im Zentrum gruppieren so viel Großzügigkeit macht gelassen. Aber auch Arbeit. Brauchen wir das eigentlich noch?, fragten sich Jan Wichers und seine Frau Cristiana. Fast 30 Jahre haben der renommierte Inneneinrichter und die gebürtige Italienerin, eine Kunstberaterin, hier gelebt (siehe auch A&W 6/1986 und 5/2008). Doch jetzt, wo die beiden Kinder längst erwachsen und ausgezogen sind, blieben einige Zimmer ungenutzt. Wozu also noch dieses riesige Haus, der ganze Aufwand? Die Wichers wollten sich verkleinern, aber nicht verschlechtern. Sie suchten nach einer Alternative, in der sie auch in zehn oder 20 Jahren noch mit Komfort und Stil würden leben können. Doch die Suche gestaltete sich schwieriger als vermutet. Denn es galt, einen neuen Rahmen zu finden für die Atmosphäre aus Perfektion und Persönlichkeit, die sich im alten Zuhause im Spannungsverhältnis aus den Gründerzeiträumen und dem Mix aus neuer Kunst, modernen Möbeln und alten persischen Teppichen entfaltet hatte. Die Lösung bot schließlich ein Neubau, auf den Jan Wichers zufällig in der Nähe stieß. Dort entstanden moderne Stadtvillen mit Eigentumswohnungen, deren Architektur aus klaren geometrischen Elementen und großflächigen, quer gerasterten Fenstern sich bewusst absetzte vom Neoklassizismus vergleichbarer Investorenprojekte. Begeis - tert waren wir vor allem von der Fülle des Lichts, sagt Jan Wichers. Er konnte sie an den bodentiefen Fenstern und den 3,20 Meter hohen Decken erahnen, die der Entwurf versprach. Wir hatten eine Wohnung gekauft, noch bevor mit dem Bau des Hauses begonnen wurde. Eigentlich sind es sogar zwei separate Appartements auf übereinanderliegenden Etagen. Das obere hat 80 Quadratmeter, dient als Büro und Atelier für Cristiana Wichers und bietet Platz für Gäste. Darunter wohnt das Ehepaar auf 145 Quad - ratmetern. Erschlossen werden die beiden Bereiche über das Treppenhaus mit Lift (sodass sich später das Treppensteigen erübrigt). Weil er sich so früh zum Kauf entschieden hatte, konnte Jan Wichers viel Einfluss auf den Grundriss seiner Wohnung nehmen: Um ein quadratisches Entree legte er Küche und Esszimmer, Wohn- und zwei Schlafräume nebst Ankleide und dazwischen ein Bad. Die Räume gehen, nur durch Schiebetüren getrennt, ineinander über: Das ist zeitgemäß und viel kommunikativer. Geplant wurde der Wohnsitz für ein Leben mit Freunden, wie die Wichers sagen. Das fängt mit großzügigem Stauraum für Mäntel und Jacken im Flur an, die sich hinter lederbezogenen Einbautüren verstecken. Ein, zwei Schritte und schon stehen Gast und Gastgeber im Esszimmer, einem zentralen Ort der Wohnung. Nicht so groß wie in der Villa, dafür behaglicher und mit direktem Zugang zum großzügigen Balkon. Den runden Tisch hat Jan Wichers wie fast alle Möbel hier selbst entworfen. Die Rückwand der offenen Küche füllen maßgebaute Schränke mit viel Stauraum, ihre Fronten aus Nussbaumholz haben ein einheitliches Furnierbild. Es ist der gezielte Einsatz solcher warmen Materialien, der, zusammen mit ausgewählten leuchtenden Farben und der Präzision der Verarbeitung, den loftartigen Räumen wohnliche Eleganz verleiht. Bei Jan Wichers, dem Profi und Detailexperten, sieht das ganz leicht und selbstverständlich aus. So führen alte Kelims und Gabbehs, die er und seine Frau seit Jahren sammeln, wie Hinweisschilder durch die Wohnbereiche. Es sind Nomadenteppiche, Stammesarbeiten aus Persien zumeist; viele sind 50, sogar 60 Jahre alt und tragen Muster und Farben, die Jan Wichers an Art brut, Kandinsky oder Klee erinnern: Die kühnen Abstraktionen und die fast unbegrenzte schöpferische Freiheit machen mich sprachlos. Die alten Teppiche harmonieren erstaunlich gut mit den modernen Mustern der Stoffe, die Jan Wichers für Bezüge und Vorhänge wählte vielleicht gerade wegen der Kontraste, die sich daraus ergeben. Es sind alles Textilien des Mailänder Stoffverlags Dedar. Ich bin dieser Firma immer treu geblieben, wenn ich Stoffe für unsere Einrichtung ausgesucht habe, sagt der Hausherr. Die Sicherheit im Hinblick auf Farben, Qualität und die ausgefallenen Dessins begeistern mich immer wieder. Von vielen Dingen hatte sich das Paar bei dem Umzug trennen müssen, von manchem wie der Sammlung exotischer Möbelstücke fiel der Abschied schwer. Aber dass der über und über mit Plastikspielzeug beklebte, lebensgroße Sitzende Mann, eine Skulptur des amerikanischen Künstlers Leo Sewell, aus der Villa umgesiedelt würde, stand von Anfang an fest. Das Ehepaar hängt an dem Kerl. Er wurde am Tisch im Atelier platziert und sorgt dort für good vibrations. Manchmal sitze ich hier mit Geschäftspartnern, und bislang hat es immer geklappt, sagt Jan Wichers und lächelt. Wenn sie gehen, ist der Auftrag für ein neues Projekt beschlossen. p Mehr im Register ab Seite 176 90 A & W 2/14