Verwaltungsbericht von Landrat Dr. Rolf-Oliver Schwemer zur Kreistagssitzung am 21. September 2015



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Transkript:

1 Verwaltungsbericht von Landrat Dr. Rolf-Oliver Schwemer zur Kreistagssitzung am 21. September 2015 Herr Kreispräsident, meine Damen und Herren, im Regelfall übermittele ich bei Veranstaltungen, zu denen ich als Landrat eingeladen werde, die Grüße des Kreistages. Heute ist es sozusagen verkehrtherum. Heute überbringe ich Ihnen die Grüße der Mitglieder des Vorstandes sowie des Heimatkreisausschusses der Heimatkreisgemeinschaft Köslin-Bublitz. Der Wunsch, Ihnen die Grüße zu übermitteln, wurde anlässlich des 29. Patenschaftstreffens des Heimatkreises Köslin-Bublitz e.v. an mich herangetragen. Das Treffen fand vor gut zwei Wochen in Eckernförde statt. Es ist Ausfluss einer Patenschaft, die im Jahr 1959 zwischen dem Kreis Eckernförde und der Heimatgemeinschaft Köslin-Bublitz begründet wurde. Der Kreis Eckernförde verpflichtete sich seinerzeit, den vertriebenen Landsleuten aus dem Kreis Köslin-Bublitz geistiger und ideeller Mittelpunkt zu sein und ihnen dabei jederzeit besondere Hilfe angedeihen zu lassen. Heute - 56 Jahre später - ist die Zahl derer, die damals als Vertriebene und Flüchtlinge aus Köslin-Bublitz bittere Zeiten durchlebten und überlebten, geringer geworden. Es lichtet sich daher auch der Kreis derer, die noch zu den Patenschaftstreffen kommen.

2 Dennoch hat diese Patenschaft auch heute noch eine wichtige Funktion. Sie führt uns vor Augen, dass der Ausgangspunkt unserer Verbindung mit Köslin-Bublitz in Flucht und Vertreibung begründet ist. Die Menschen, für die wir seinerzeit die Patenschaft übernommen hatten, gehören zu den 14 Millionen Menschen, die in den letzten zwei Monaten des Zweiten Weltkriegs vor der Roten Armee geflüchtet sind oder die nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Deutschland ihre Heimat im Osten verlassen mussten. Heute, 70 Jahre nach Kriegsende, wissen wir, dass Gewalterfahrungen wie Flucht und Vertreibung die Betroffenen ein Leben lang nicht loslassen. Teilweise brauchte es Jahrzehnte, bis das, was die Flüchtlinge und Vertriebenen nur im Verborgenen bewegte, an die Oberfläche getreten ist. Durch Berichte über das eigene Schicksal. Durch wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, was das Thema Traumatisierung durch Flucht und Vertreibung angeht. Heute ist das Thema Flucht und Vertreibung wieder aktueller denn je. Zigtausend Menschen, die sich auf der Balkanroute auf dem Weg gen Deutschland befinden, überfüllte Erstaufnahmeeinrichtungen, Menschen, die auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrinken, - tagtäglich werden wir in den Nachrichten mit dem Schicksal der Flüchtlinge vor den Grenzen Europas und innerhalb Europas konfrontiert. Die Menschen kommen aus den bekannten Krisengebieten wie Syrien, Afghanistan, Somalia, Irak und Eritrea sowie aus den Staaten des westlichen Balkans, aus Albanien und Serbien, aus dem Kosovo und aus Mazedonien. Jenseits aller Zahlen über Flüchtlinge und unabhängig von allen Debatten, was in Europa und in Deutschland bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise schief läuft - neben all dem handelt es sich bei jedem einzelnen Flüchtling um ein Schicksal. Um Menschen, die aus Not und Verzweiflung ihre Heimat verlassen. Um Menschen, die um ihre Leben fürchten. Um Menschen, die gedemütigt, misshandelt oder vergewaltigt worden sind. Und oftmals um Kinder und Jugendliche, die ein Leben lang durch diese Fluchterfahrungen geprägt werden.

3 Dieses Schicksal verbindet die Flüchtlinge und Vertriebenen von damals mit den Menschen, die heute auf der Flucht sind. Deshalb hoffe ich, dass unsere Patenschaft mit Köslin-Bublitz auch uns geholfen hat. Nämlich unsere eigene Geschichte besser zu verstehen. Zu begreifen, wie Flucht und Vertreibung die Betroffenen ein Leben lang begleitet hat und noch immer begleitet. Das bessere Verstehen unserer eigenen Geschichte sollte uns dabei helfen, den richtigen Umgang mit den Flüchtlingen in der heutigen Zeit zu finden. Gerade wenn es darum geht, den Flüchtlingen von heute mit der Anteilnahme zu begegnen, die damals den Flüchtlingen und Vertriebenen oftmals versagt blieb. Insofern freue ich mich über die große Bereitschaft von ganz vielen Menschen, sich an der Riesenaufgabe der langfristigen Integration zu beteiligen. Ehrenamtlich Tätige, die sich um Sprachkurse kümmern. Die bei den Behördengängen und der Wohnungssuche helfen. Die Spenden einsammeln. Unsere Gesellschaft - gerade auch im ländlichen Raum - lebt und praktiziert die Willkommenskultur, für die auf großer politischer Bühne so stark geworben wird. Schwachstellen zeigen sich demgegenüber in den staatlichen Verfahren. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer für Asylverfahren beträgt derzeit bundesweit rund 5 Monate, in Schleswig-Holstein sogar noch etwas länger. So die offizielle Statistik. Schon diese Dauer ist viel zu lang. Doch selbst das ist nur die halbe Wahrheit. Rechnet man die Zeit vom Erstkontakt, wenn sich eine Person als Asylsuchender bei einer Behörde meldet, bis zur Entscheidung über das Asylgesuch, gelangt man zu ganz anderen Zahlen. Experten gehen davon aus, dass die echte Dauer von Asylverfahren derzeit bei etwa einem Jahr liegt. Diese lange Verfahrensdauer ist das größte Problem bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Denn die Flüchtlinge müssen lange mit der Ungewissheit leben, was mit ihnen passiert. Ob sie hier bleiben dürfen oder wieder zurück müssen. Mit der Angst vor einer Abschiebung. Zudem führt die lange schleppende Bearbeitung der Asylanträge dazu, dass auch Menschen, die keine Bleibeperspektive in Deutschland haben, viel zu lange in Deutschland bleiben. Das blockiert Unterbringungskapazitäten und verschärft die Situation

4 für die Städte und Gemeinden. Die ohnehin schon unter dem Ansturm der Flüchtlinge ächzen. Zumal es immer schwerer gelingt, Wohnraum für die Flüchtlinge bereitzustellen. Deshalb kann ich nur hoffen, dass auf allen staatlichen Ebenen jetzt dafür Sorge getragen wird, dass die erkannten Probleme beseitigt werden. Und zwar jetzt. In der letzten Woche hatten wir eine Besprechung mit Vertretern der kreisangehörigen Städte und Gemeinden. Eine Abfrage bei den anwesenden Kommunen ergab eine zwar schwierige, aber aktuell noch beherrschbare Lage. In einigen Kommunen, in denen die Kapazitäten am Wohnungsmarkt bereits erschöpft sind, wird jetzt auf Container-Lösungen umgestellt werden müssen. Hier besteht dringender Klärungsbedarf, in welchem Umfang die zur Erschließung erworbener Container anfallenden Kosten erstattungsfähig sind. Wir haben hierzu eine kurzfristige Klärung zugesagt. Ansonsten haben wir folgende Verabredungen getroffen: Soweit es um Kredit- und Haushalts-Genehmigungen geht, werden wir einen aufgrund der Flüchtlingsthematik steigenden Investitionsbedarf der Städte und Gemeinden angemessen berücksichtigen. Darüber hinaus haben wir eine vorrangige Bearbeitung von Genehmigungsanträgen jeglicher Art für Flüchtlingsunterkünfte (Bauanträge, Brandschutzüberprüfung, umweltrechtliche Genehmigungen etc.) zugesagt. Wobei uns eines klar sein sollte: Selbst wenn es gelingen sollte, auf allen staatlichen Ebenen die Verfahren zu beschleunigen und bürokratische Hemmnisse zu beseitigen, werden uns die Herausforderungen im Umgang mit der Flüchtlingskrise noch lange begleiten. Solange es militärische Auseinandersetzungen und religiöse Verfolgung in Syrien oder andere Fluchtursachen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge gibt, werden sich Menschen auf den Weg machen. Zu uns nach Europa, zu uns nach Deutschland. Um den Bürgerkriegen und der Perspektivlosigkeit zu entkommen. Und auch für die Menschen, die jetzt zu uns gekommen sind, werden wir eine Perspektive entwickeln müssen. Denn nach der Anerkennung kommt die eigentliche und größte Herausforderung auf uns zu: Die Integration der anerkannten Asylbewerber in unsere Gesellschaft und insbesondere in den Arbeitsmarkt.

5 Diese Herausforderung werden wir umso besser bewältigen können, je mehr wir uns auf die Flüchtlinge konzentrieren können, die dauerhaft hier bleiben werden. Deshalb möchte ich deutlich machen: Neben der Beschleunigung der Asylverfahren ist der zweite zentrale Erfolgsfaktor: Wir müssen dazu kommen, dass nur noch die Flüchtlinge und Asylbewerber auf die Kommunen verteilt werden, die eine Bleibeperspektive haben. Umgekehrt heißt das: Keine Verteilung auf die Kommunen ohne Bleibeperspektive! Und es muss der Bevölkerung dann auch reiner Wein eingeschenkt werden, was wirklich finanziell auf sie zukommt. Die mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise verbundenen finanziellen Belastungen werden immens sein. Auf allen staatlichen Ebenen. Kreisfinanzen Ich komme damit zu dem zweiten großen Thema, nämlich den Kreisfinanzen. Aus diesem Bereich gibt es zunächst Erfreuliches zu berichten. Seit wenigen Wochen liegt das vorläufige Jahresergebnis 2014 vor. Das Haushaltsjahr schließt zwar mit einem Minus von rund 1,4 Mio. Euro. Ursächlich für das Minus ist aber nur eine veränderte Bilanzierung der Nachsorgerücklage. Daraus resultiert eine Ergebnisverschlechterung um 7,7 Mio. Euro. Ohne diese Änderung hätten wir das Haushaltsjahr 2014 mit einem Überschuss abgeschlossen. Erfreulich entwickelt haben sich der Abbau der Verschuldung und die Verbesserung unserer Liquidität. Erstmals seit 2010 mussten wir per Ende 2014 nicht zur Sicherstellung unserer Liquidität auf die Nachsorgerücklage zugreifen. Und unsere Verschuldung konnte erstmals seit 2002 wieder auf unter 20 Mio. Euro zurückgeführt werden. Das sind die guten Nachrichten. Das kommende Haushaltsjahr 2016 wird dafür umso schwieriger. Der Haushaltsplanentwurf 2016 wird gerade fertig gestellt. Der Entwurf soll Ihnen Anfang Oktober zugehen. Es liegt auf der Hand, dass der außerordentlich hohe Zuwachs an Flüchtlingen den Kreis massiv fordern wird. Wir tragen 30% der Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Asylsuchenden auf Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes. Hierfür haben wir im

6 nächsten Jahr rund 8,2 Mio. Euro vorgesehen - das entspricht mehr als einer Verzehnfachung gegenüber dem Haushaltsjahr 2011. Wobei dieser Ansatz heute schon kaum mehr ausreichen dürfte. Aufgrund der jüngsten Entwicklung wird diese Zahl möglicherweise schon bald nach oben korrigiert werden müssen. Hinzukommen werden erhebliche Steigerungen bei den Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft. Ist eine Person nämlich als Flüchtling oder Asylberechtigter anerkannt, wechselt sie in das Sicherungssystem des SGB II. Wir rechnen mit einem Anstieg um rund 400 Bedarfsgemeinschaften. Daraus resultiert eine weitere Haushaltsbelastung in einer Größenordnung von gut einer Million Euro allein für den Kreishaushalt. Darüber hinaus werden aufgrund minderjähriger Flüchtlinge die Aufwendungen in der Jugendhilfe ansteigen. Veranschlagt ist im Haushaltsplan ein Anstieg allein aufgrund der Flüchtlingsthematik um rund 2,2 Mio. Euro. Zwar sind uns die Kosten, die wir für minderjährige Flüchtlinge aufwenden, vom Land zu erstatten; dies gilt allerdings nur, wenn innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen Jugendhilfe gewährt wird. Beginnt die Maßnahme erst später, sind wir vollumfänglich Kostenträger. In unserem Haushaltsentwurf 2016 gehen wir davon aus, dass wir knapp 600.000 Euro aus eigenen Mitteln werden aufbringen müssen. Dazu kommen dann noch die Mehraufwendungen für Personal, und zwar sowohl beim Kreis als auch beim Jobcenter, wo wir als Kreis auch an den Personalkosten beteiligt sind. Auch hier rechne ich mit Mehraufwendungen von über 300.000 Euro. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass wir möglicherweise auch im Jugendamt und im Gesundheitsamt noch zusätzliche Kapazitäten bereitstellen müssen. Alles in allem gehe ich derzeit von einer Mehrbelastung für den Kreishaushalt in einer Größenordnung von über 10 Mio. Euro aus. Es dürfte für jedermann ersichtlich sein, dass der Kreis diese finanziellen Belastungen nicht aus eigener Kraft wird bewältigen können. Deshalb wird es jetzt entscheidend darauf ankommen, wieviel Geld von den auf Bundesebene geplanten Entlastungen bei uns ankommen wird. Die bisher genannten drei Milliarden Euro zusätzliches Bundesgeld für Länder und Kommunen werden bei weitem nicht ausreichen. Deshalb sollten wir gemeinsam dafür kämpfen, dass der Bund den Kommunen weitere Mittel zur Verfügung stellt. Und zwar bereits ab 2015. Denn schon in

7 diesem Jahr haben wir einen immensen Mehraufwand. Und wir werden auch in Kiel dafür kämpfen müssen, dass die vom Bund bereitgestellten Mittel dann auch sachgerecht im Land verteilt werden. Rendsburg, 21. September 2015 Dr. Rolf-Oliver Schwemer Landrat