BB im Gespräch mit Dr. Eckhard Keill, Vorstandsvorsitzender der Roto Frank AG Der Kauf ist von strategischer Bedeutung. Investitionen in Akquisitionen sind dank der gesunden wirtschaftlichen Verfassung möglich und auch geplant. Aber dazu muss immer alles passen. Das hörten die Journalisten während des Internationalen Roto-Fachpressetages 2014 vom Vorstand. Jetzt hat offenbar alles gepasst: Der Bauzulieferer erwirbt mit Wirkung vom 01. Januar 2016 den Dichtprofil-Spezialisten Deventer. Im BB-Interview erläutert Roto-Chef Dr. Eckhard Keill Einzelheiten, Ziele und Perspektiven des Engagements. Stellen Sie uns das neue Mitglied der Roto-Gruppe zunächst einmal vor? Gerne. Deventer entwickelt, produziert und vertreibt seit über 40 Jahren Dichtprofile für Fenster, Türen, Tore, Zargen und Verglasungen. Die Distribution des ausschließlich aus Thermoplastischen Elastomeren (TPE) hergestellten Sortimentes erfolgt über den Fach- bzw. Baubeschlaghandel. In seinem Segment gehört Deventer zu den europäischen Marktführern und ist für ein hohes Qualitäts-, Innovations- und Leistungsniveau bekannt. So wurden allein 2014 66 neue Dichtprofile inklusive Extrusionswerkzeuge entwickelt. 1
Wie ist Deventer aufgebaut und strukturiert? Es handelt sich um eine dezentral geführte Gruppe. Neben dem deutschen Unternehmen am Deventer- Gründungsstandort in Berlin-Spandau gibt es drei eigenverantwortliche Auslandsgesellschaften in den Niederlanden sowie in Polen und Russland. Unser Investment schließt alle Gesellschaften ein. Gleiches gilt für die rund 160 Beschäftigten, die wir komplett übernehmen. Sicher haben Sie sich vor dem Kauf auch intensiv mit dem Dichtprofil-Markt befasst. Zu welchen wesentlichen Erkenntnissen sind Sie dabei gekommen? Auf der Materialseite wird der Dichtungsmarkt weitgehend von TPE und EPDM geprägt. Der von Deventer eingesetzte Werkstoff TPE gilt als hochwertiger und ist vor allem bei Holzfenstern dominierend, da er unterschiedliche Shorehärten in der Profilgeometrie sowie individuelle Farbgestaltungen ermöglicht. Auch bei Holz/Alu-Fenstern liegt TPE klar vorn. Bei PVC- und reinen Alu-Fenstern sind dagegen mehrheitlich EPDM-Dichtungen 2
anzutreffen. Insgesamt ermittelten wir ein relativ stabiles Marktumfeld. Und wie sieht es mit der Wettbewerbssituation von bzw. bei Deventer aus? Auch hier gab es in den letzten Jahren keine dramatischen Veränderungen. Die größten Wettbewerber von Deventer haben einerseits alle relevanten Dichtungsmaterialien im Sortiment und konzentrieren sich andererseits im Gegensatz zu Deventer nicht nur auf den Fenster- und Türenmarkt. Generell dürften die Qualitätsansprüche europaweit eher zunehmen. Davon profitieren primär die Branchenführer und zu denen gehört Deventer. Kommen wir zu dem Roto-Investment. Bei der Frage nach dem Kaufpreis werden Sie mich vermutlich abblitzen lassen, oder? Das ist so, zumal beide Vertragspartner darüber Stillschweigen vereinbart haben. Aber auch wenn das nicht so wäre, würde ich dazu nichts sagen. Was ich aber sagen kann und will, ist, dass Deventer ebenso wie Roto wirtschaftlich gesund ist und Geld verdient. Mit einem Sanierungsfall hätten wir uns auch nicht beschäftigt. 3
Hervorheben möchte ich außerdem, dass Roto zur Finanzierung des Engagements keine zusätzlichen Fremdmittel benötigt. Das bestätigt nachdrücklich unsere wirtschaftliche Solidität, die gerade mit Blick auf die gegenwärtig in einigen für unser Geschäft wichtigen Regionen kritische Marktsituation besondere Beachtung verdient. Die Tatsache, dass wir auch in einer solchen Phase eine derart wichtige Akquisition realisieren können, ist für unsere Kunden einmal mehr ein klarer Stabilitätsbeweis. Anzufügen ist, dass die Kartellbehörde dem Erwerb noch zustimmen muss. Hier erwarten wir jedoch keine Schwierigkeiten. Was verspricht sich Roto von der Akquisition? Zunächst freuen wir uns darüber, mit Deventer ein erfolgreiches mittelständisches Familienunternehmen in den Roto-Verbund integrieren zu können. Unabhängig davon ist der Kauf für uns von strategischer Bedeutung, da wir damit die fenster- und türtechnologische Gesamtkompetenz weiter konsequent ausbauen. Um es auf den Punkt zu bringen: Das Deventer-Sortiment ergänzt das bisherige Roto-Portfolio ideal. 4
Können Sie das an konkreten Beispielen festmachen? Natürlich. Lassen Sie mich bei Fenstern beginnen. Zu unseren Beschlag- und Verklotzungssystemen gesellt sich nun auch noch die Dichtung und damit ein weiteres entscheidendes Element der Schließfähigkeit. Mit Blick auf die Funktionalität sind Dichtung und Beschlag im Grunde wie Yin und Yang ; also eine unverzichtbare Verbindung. Außerdem wirkt die Dichtung als weitere Parallele zu unserem bisherigen Portfolio konkret auf wichtige Fenster- und Türenmerkmale ein. Neben der Funktionalität und der Bedienbarkeit ist hier nicht zuletzt die Energieeffizienz zu nennen. Sie haben das Stichwort Türen erwähnt. Was heißt dabei ideale Ergänzung? Bei Außentüren und über die reden wir in diesem Kontext bietet Roto jetzt quasi die komplette Technik. Verriegelungssysteme, Bänder, Schwellen und damit die Dichtung nach unten werden nun durch die Dichtung der gesamten Tür abgerundet. Das kann man wohl mit Fug und Recht als umfassende Systemkompetenz bezeichnen. 5
Da Deventer auch Dichtprofile für Innentüren anbietet, will ich Ihrer eventuellen Frage gleich zuvorkommen: Innentüren sind für Roto weiterhin kein Thema. Aber trotzdem bin ich gespannt, welche Erfahrungen wir in diesem Marktsegment machen. Sie setzen also verstärkt auf die Vorteile von Systemlösungen für Ihre Kunden? Klar. Je besser z. B. die Beschlag-, Verglasungs- und Dichtungstechnik aufeinander abgestimmt ist, desto weniger besteht für unsere Kunden die Gefahr, dass einzelne Komponenten nicht kompatibel sind. Insofern bringt uns das Deventer-Investment auf dem Weg der Harmonisierung einen großen Schritt weiter. Zugleich resultieren daraus gute Perspektiven etwa bei der Erschließung weiterer oder noch nicht ausgeschöpfter Marktpotenziale. Das gilt nicht zuletzt auf internationaler Ebene. Bei Firmenübernahmen fehlt nie das Argument der Synergieeffekte. Führen Sie das auch ins Feld? Mittelfristig gehe ich sicher davon aus, dass es zu konkreten Synergien kommt. Ich denke hier u. a. an die Optimierung des internationalen Produktionsverbundes 6
und die Effizienz von Netzwerken. Aber auch das Thema Cross-Selling könnte für Vertrieb und Marketing relevant werden. Doch zunächst steht die Integration von Deventer in die Roto- Familie an. Wie sieht hier der Fahrplan aus? Wir haben dafür eine inzwischen bewährte Devise. Die Integration erfolgt konzentriert, aber ohne Zeitdruck. Das war bei Gluske BKV in Deutschland so, das war bei Fasco in Kanada so, das war bei Fermax in Brasilien so, und das wird auch bei Deventer so sein. Man darf die Komplexität solcher Prozesse nicht unterschätzen, bei denen es immer auch darum geht, unterschiedliche Firmenkulturen und Mentalitäten zu einem gemeinsamen Ganzen zu formen. Das schaffen Sie nicht mit einem Big Bang. Wann hat denn Deventer seinen ersten öffentlichen Auftritt als Mitglied der Roto-Gruppe? Das ist bereits zur fensterbau/frontale im März 2016 der Fall. Deventer wird Teil unseres Messestandes sein, sodass sich die Besucher im Allgemeinen und unsere Kunden im Besonderen einen ersten Eindruck von der erweiterten Roto-Gruppe machen können. 7
Apropos Kunden : Was kommt auf die Geschäftspartner von Deventer zu? Die Garantie einer auch künftig uneingeschränkten Kontinuität und Zuverlässigkeit. So bleiben der bestens eingeführte Markenname Deventer, das Produkt- und Dienstleistungsprogramm und die bisherigen Ansprechpartner in Verwaltung, Technik und Vertrieb unverändert. Festigung und Ausbau der gewachsenen Kundenbeziehungen haben absolute Priorität. Alles andere wäre mit der Kundennutzen-Strategie von Roto auch unvereinbar. Eine Frage muss ich Ihnen noch stellen: Wie läuft denn 2015 bisher für Roto? Im Moment müssen Sie sich mit dieser Kernaussage begnügen: Wenn es Russland nicht gäbe, ginge es Roto in diesem Jahr gut. Trotzdem ziehen wir uns wieder achtbar aus der Affäre. Über alles Weitere informieren wir Sie und die Branche Mitte November im Rahmen des 10. Internationalen Roto- Fachpressetages. Vielen Dank, Herr Dr. Keill, dass Sie uns spontan Rede und Antwort standen. 8
Bildunterschriften Foto Herr Dr. Keill Stuft den Erwerb der Deventer-Gruppe als weiteren wichtigen Ausbau der fensterund türtechnologischen Gesamtkompetenz von Roto ein: Dr. Eckhard Keill. Die Übernahme des Dichtprofil-Spezialisten sei von strategischer Bedeutung, weil sie das bisherige Produktportfolio ideal ergänzt. Foto Holzfenster Josko Das TPE-Dichtungssortiment von Deventer kommt vor allem bei Holzfenstern zum Einsatz. Das alterungs-, witterungs- und ozonbeständige Material ermöglicht unterschiedliche Shorehärten in der Profilgeometrie sowie individuelle Farbgestaltungen. Foto: Roto/Josko Foto Signing Es hat alles gepasst diese Überzeugung drückt sich auch im Foto der offiziellen Vertragsunterzeichnung aus. Für die Deventer-Eigentümerfamilien unterschrieben (von links) Matthias Schmid, Bodo Raatz und Arthur Förster. Für die Roto Frank AG taten dies Vorstandschef Dr. Eckhard Keill und Finanzvorstand Michael Stangier. 9
Foto Niederlande Zur dezentral geführten Deventer-Gruppe gehören neben dem deutschen Unternehmen am Gründungsstandort in Berlin-Spandau drei eigenverantwortliche Auslandsgesellschaften in Polen, Russland und den Niederlanden (Foto). Das Roto-Investment schließt alle Gesellschaften mit insgesamt rund 160 Beschäftigten ein. Foto Polen Die Integration von Deventer in die Roto- Gruppe soll konzentriert, aber ohne Zeitdruck erfolgen. Mittelfristig seien konkrete Synergien etwa durch die Optimierung des internationalen Produktionsverbundes zu erwarten. Im Bild: die Deventer-Fertigung in Polen. Fotos: Roto / Deventer 10
Zitate zum Einblocken in den Lauftext Deventer gehört zu den europäischen Marktführern. Die Akquisition ist einmal mehr ein klarer Stabilitätsbeweis. Das Deventer-Sortiment ergänzt das bisherige Roto-Portfolio ideal. Das schaffen Sie nicht mit einem Big Bang. Die Festigung der Kundenbeziehungen hat absolute Priorität. 11