Schäden an Rohren aus CrNi-Stahl einer Erzaufbereitungsanlage (Spannungsrisskorrosion) In der DDR wurde bekanntlich Uran gefördert. Die entsprechend beauftragte Firma nannte sich Sowjetisch-Deutsche-Aktiengesellschaft Wismut. An zwei Standorten (Seelingstädt und Crossen) wurde das Erz aufbereitet. Man erhielt ein braunes Pulver, dass bis zu 80% aus Uranverbindungen besteht und unter dem Begriff Yellow Cake allgemein bekannt ist. Als Endbehandlung wurde das Erz mit entmineralisiertem Wasser gewaschen. Im Herbst 1984 ergab sich in der Anlage Crossen ein Produktaustritt. Ein Absetzbehälter war mit Blech aus austenitischen Stahl ausgekleidet worden, wofür X8CrNi18-11 zum Einsatz kam. Auch verschiedene Einlaufrohre eines Düsenstocks hatte man aus diesem Stahl gefertigt. Nach relativ kurzer Betriebszeit wurden die Rohre undicht. Man fuhr die Anlage ab und musste dann feststellen, dass die Rohre von Rissen regelrecht durchsetzt waren. Außerdem hatte die Behälterauskleidung stark unter Lochfraß gelitten. Im Behälter hatte sich eine silbrige Kruste ausgebildet. Im Folgenden soll der Fall der Rissbildung an den Einlaufrohren behandelt werden. Die Wandstärke betrug 8 mm. Befallen war der Bereich einer Schweißnaht (Rundnaht). Betrachtet wird zunächst die Außenwand (Medienseite). Die Risse strahlen bis zu 60 mm von der Naht ab und wurden teilweise stark auskorrodiert (Bild 1). Bild 1: Blick auf die Innenwand; abstrahlende Risse 1
Die Probe wird etwas aufgerichtet. Der Abtrag ging entlang der Risse deutlich in die Tiefe (Bild 2). Bild 2: Schadstück auf etwa 45o gekippt, räumlicher Abtrag Auf der Innenseite werden nur die Risse sichtbar; ein flächiger Angriff fand hier nicht statt (Bild 3). Bild 3. Außenwand mit durchgetretenen Rissen 2
Punktuelle Schadensfelder sind möglicherweise auf Schweißspritzer bzw. auf die damit verbundenen Eigenspannungen zurückzuführen (Bild 4). Bild 4: sternförmiges Rissfeld auf der Innenseite In ungeschädigten Bereichen ließen sich Schweißspritzer auffinden (Bild 5). Bild 5: Schweißspritzer 3
Ein Riss wurde aufgebrochen. Der Grad des Schädigung nahm mit fortlaufendem Riss erwartungsgemäß ab (Bild 6). Bild 6: Übersicht der Bruchfläche mit dem REM, frischer Bruch links unten mit einem Zipfel von Gewaltbruch Bei höherer Vergrößerung lässt sich die Bruchfläche wie folgt unterteilen: starker Abtrag mit zeiliger Struktur (K1), schwacher Abtrag (K2), Bereich der Rissspitze mit erhaltenem Bruchgefüge (S) und Gewaltbruch (G) als Scherlippe (Bild 7). Bild 7: unterschiedliche geschädigte Bereiche auf der Bruchfläche K1: starker Abtrag (zeilige Ausbildung) K2: schwacher Abtrag S: Rissspitze G: Gewaltbruch (Ausschnitt aus Bild 6, links unten) 4
Der Bereich des frischen Bruchgefüges (S) ist etwa 0,3 mm breit (Bild 8). Bild 8: Bereich der Rissspitze Gebiet S (Ausschnitt aus Bild 7) Im Bereich der Rissspitze finden sich (transkristalline) Facetten. Der Gewaltbruch hat eine Wellenstruktur ausgebildet (Bild 9). Bild 9: transkristalline Facetten im Bereich S, wellige Bereiche in der Zone des Gewaltbruchs G (Ausschnitt aus Bild 8) 5
Eine frische Facette ist direkt am Übergang zum Gewaltbruch zu sehen (Bild 10). Bild 10: Frontfacette (Ausschnitt aus Bild 9) Auf der Außenwand wurden Ablagerungen mit dem energiedispersiven Röntgenspektrometer analysiert. Chlor konnte nachgewiesen werden, wenn auch recht schwach (Bild 11). Bild 11: Belag auf Außenwand: Chlor, weiterhin Al, Si, K und Ca 6
Im Weiteren interessierte die Zusammensetzung der Krusten. Es konnten hauptsächlich Schwefel, Nickel und etwas Chrom nachgewiesen werden. Es handelte sich somit um ein Mineral der Sulfidklasse (Nickelsulfid). Von der Färbung her kann man es als Millerit einstufen. Bild 12: Krusten (silbrige) Schwefel, Nickel und Chrom Zur Strahlenbelastung: Die Proben wurden ungeschützt in der Aktentasche transportiert (schwacher Alphastrahler). Diskussion Die Risse haben das Eigenspannungsfeld der Schweißnaht nachgebildet. Dabei haben sie sich stark verzweigt. Nachlaufende Korrosion hat die Risse verbreitert. Wo das Bruchgefüge frisch war, zeigt sich eine Facettenstruktur, wie sie die Spannungsrisskorrosion der austenitischen Stähle kennzeichnet. Auslöser sind Chloride. Die Verbreiterung der Risse ergibt sich daraus, dass der Riss als Spalt wirkt. Silbrige Ablagerungen konnten als Nickelsulfid bestimmt werden. Es handelt sich somit nicht um ein Korrosionsprodukt, sondern um einen durchgeschleppten Fremdstoff. Die Quelle des Chlorids als Schadensauslöser war im Enthärtungsverfahren zu suchen. Calcium als Hauptträger der Härte wird hierbei durch Natrium ersetzt. Für diesen Ionenaustausch wird das Wasser durch ein entsprechend behandeltes Kunstharz geleitet. Hin und wieder muss das Kunstharz aufgefrischt werden. Dieses erfolgt mittels konzentrierter Natriumchloridlösung. Es wurde empfohlen, die Rohre spannungsarm zu glühen. Um die Korrosionsbeständigkeit zu verbessern, sollte der Legierungsgehalt so weit erhöht werden, dass die Summe aus dem 7
Prozentgehalt des Chroms und dem 3,3-fachen Prozentgehalt des Molybdäns den Wert 30 überschreitet, wie es beispielsweise beim X3CrNiMoN17-13-5 gegeben ist [1]. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde im Jahre 1989 die Anlage Crossen stillgelegt. Mit der (Wieder-)Vereinigung kam die Förderung von Uran zum Erliegen. [1] Bäumel, H.; Horn, E. M.; Sieber, G.: Entwicklung, Verarbeitung und Einsatz des stickstofflegierten, hochmolybdänhaltigen Stahles X3 CrNiMoN17.13.5. Werkstoffe und Korrosion 23 (1972) S. 973-983 Martin Möser, 26. August 2015 (15.03.2017) 8