"Wenn freies Denken zur Gefahr wird die Freireligiösen Gemeinden der Pfalz während der Nazi-Diktatur"

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Transkript:

1 "Wenn freies Denken zur Gefahr wird die Freireligiösen Gemeinden der Pfalz während der Nazi-Diktatur" Vortrag vor MV Verein Gedenkstätte Hornbach in Gedenkstätte Hornbach, 12. 3. 2015, 19 Uhr Renate Bauer Einleitung Nach langen Jahrzehnten des Verbotes oder der Behinderung im 19. Jahrhundert konnte das freigeistige Leben in der Pfalz während der Weimarer Zeit einen deutlichen Aufschwung erleben. Nach den ersten Ansätzen einer Entwicklung freigeistigen Denkens auf pfälzischem Boden 1845 mit der Entstehung deutschkatholischer Gemeinden, die meist nach wenigen Tagen verboten wurden, und ihrer zweiten Zerschlagung nach dem Ende der demokratischen Revolution 1849 fand hier erst in der Weimarer Zeit eine Blüte freigeistigen Lebens statt. Auch das konnte nur wenige Jahre dauern bis 1933, dem Verbot durch die nationalsozialistischen Machthaber. Es ist bemerkenswert, wie viele Mitglieder dieser Bewegung dabei in das Visier der Nazis gerieten, Bespitzelungen und Einschränkungen und nicht zuletzt Verhaftung, Gefängnis und KZ auf sich nehmen mussten. Ich gliedere den Vortrag in zwei Teile. Im ersten stelle ich kurz die Geschichte der Bewegung selbst dar beschränkt auf die Zeit von 1918 bis 1933, und im zweiten gebe ich Ausblick auf die Schicksale einiger Personen, soweit sie hier mit der Gedenkstätte selbst zu tun haben, was nur auf einen Teil unserer verfolgten Mitglieder zutrifft. Die freigeistige Bewegung in der Pfalz vor 1933 Ich habe bewusst den Titel so gewählt, weil es in der Pfalz seit 1918 mehrere Organisationen im freigeistigen Bereich gab. a) Freireligiöse Gemeinde Das waren zum einen die freireligiösen Gemeinden selbst, die in Bayern nach den ersten Anläufen 1845 und 1848 in größerem Ausmaß erst wieder nach 1918 gegründet werden konnten mit der Ausnahme von Ludwigshafen, wo es schon ab 1891 eine Gemeinde gab. Übrigens war die Gemeinde in Neustadt die erste, die überhaupt in der Pfalz gegründet wurde, am 3. April 1845. In weniger als einer Woche wurde sie aber verboten. Die pfälzischen Gemeinden schlossen sich 1921 zu einem Bund zusammen, Hauptgrund war die gemeinsame Beschäftigung eines Predigers und von Religionslehrern. Dieser Pfalzbund selbst bzw. die einzelnen Gemeinden gehörten auf nationaler Ebene dem Volksbund für Geistesfreiheit an, der sich 1922 als Zusammenschluß des Bundes freireligiöser Gemeinden und dem Freidenkerverband gebildet hatte. Allerdings blieben diesem Zusammenschluss einige ältere freireligiöse Gemeinden aus Baden oder Rheinhessen fern. Dies führte in der Folge zu einem unterschiedlichen Verhalten der Nazis gegenüber freireligiösen Gemeinden außerhalb der Pfalz. Die Gemeinde in Neustadt war 1921 zuerst als Ortsgruppe des Monistenbundes gegründet worden, und schloß sich 1923 als freireligiöse Gemeinde zum Bund der Pfälzer Gemeinden an. Die bayerische Regierung war generell sehr restriktiv gegen alle freigeistige Vereinigungen vorgegangen, und so konnten sich erst nach 1918 in der Pfalz viele neue Organisationen

2 bilden. Vielfach waren es Gruppen des Monistenbundes, die später manchmal geschlossen als freireligiöse Gemeinde auftraten, aber auch Freidenkerverbände. Davon gab es mehrere je nach politischer Ausrichtung, mehr bürgerlich orientierte bis hin zu den proletarischen Freidenkern, die klar kommunistisch ausgerichtet waren. Die Pfalz hatte noch die Besonderheit, dass diese Vielfalt nicht zu einer starken Konkurrenz untereinander führte. Stattdessen wurden Kartelle gebildet, in denen gemeinsame Arbeit und Arbeitsaufteilung verabredet wurden. Auch anderswo wurde dies gemacht, es gelang aber oft nicht so gut wie hier, ein gutes Miteinander zu erreichen. b) Kartell der freigeistigen Vereine: In den hiesigen Kartellen waren sich alle Beteiligten einig, dass jede Organisation ihre Stärken für alle einbringen sollte. Man war bemüht, sich nicht auf demselben Gebiet Konkurrenz zu machen, sondern unterschiedliche Arbeitsfelder zu besetzen. Die Besonderheit der freireligiösen Gemeinden war das Angebot von Sittenunterricht und Bereitstellung von Predigern für Jugendweihen und Bestattungen. An dem Unterricht nahmen auch Kinder von Familien teil, die nicht zur Gemeinde gehörten, sondern z.b. zu den Freidenkern. Die Attraktivität der Freidenker bestand darin, dass sie eine eigene Bestattungskasse für Feuerbestattungen führten. Es gab lt. Protokoll vom Deutschem Freidenkerverband Unterbezirk Pfalz, Unterbezirkskonferenz 19. Februar 1933 NW in der Pfalz 23 Ortsgruppen. Freireligiöse Gemeinden gab es deutlich weniger, doch dafür waren sie jeweils mitgliederstärker. Dazu kam der Monistenbund, der sich hauptsächlich um eine wissenschaftliche, vor allem naturwissenschaftliche Aufklärung bemühte. Die politische Ausrichtung der Mitglieder aller Organisationen war eindeutig links, je nach Verband und Gemeinde linksliberal, sozialdemokratisch bis kommunistisch, bis hin zum proletarischen Freidenkerverband. Die freireligiösen Gemeinden bildeten dabei diejenigen Organisationen, die liberalen und linksbürgerlichen Kreisen gegenüber offen waren und vor allem in Ludwigshafen eher sozialdemokratisch ausgerichtet waren. Grundsätzlich bezeichneten sich die Gemeinden selbst als unpolitisch, doch ihre Arbeit wurde schon vor 1933 mit Argwohn betrachtet, vor allem auch, weil sie ihre Solidarität etwa mit den proletarischen Freidenkern, die schon 1932 verboten wurden, betonten und seit langem gegen den Nationalsozialismus auftraten. c) Verbot: Am 29. März 1933 erließ das Bayerische Staatsministerium des Innern ein generelles Verbot marxistischer Vereine und Organisationen. Das wurde auf alle in der Pfalz bestehenden freigeistigen Organisationen angewendet und führte zum generellen Verbot. Schon vor diesem Datum war es Anfang März 1933 jedoch zur Besetzung des Hauses Mühleck in Iggelbach gekommen. Die Gemeinden, vor allem diejenige in Ludwigshafen, wehrten sich gegen das Verbot mit dem Hinweis auf die ausdrücklich unpolitische Haltung, die in der Satzung verankert sei und versuchten auch, über Kontakte auf nationaler Ebene dieses Verbot rückgängig zu machen. Man hatte ja auch schon vorher Verbote und Behinderungen erlebt und sie irgendwie umgehen können. Diesmal allerdings war die Lage noch bedrohlicher als 1845, 1849 oder 1914. Die Auswirkungen des Verbotes waren vielfältig: Unterlagen wurden beschlagnahmt, die geringen Besitztümer der Organisationen ebenso, die Verteilung von Zeitschriften auch jener freireligiöser Gemeinden außerhalb der Pfalz, die nicht vom Verbot betroffen waren, wurde verfolgt, es kam zur Denunziation besonders aktiver Mitglieder, wie man aus den Verhaftungsgründen in den Gestapoakten nachvollziehen kann, Familien wurden gedrängt,

3 ihre Kinder wieder im christlichen Religionsunterricht anzumelden und selbst wieder in die Kirche einzutreten. Es kam zu Entlassungen von Mitgliedern aus Betrieben, immer wieder zu kurzzeitigen Verhaftungen und auch längeren Haftzeiten im Gefängnis oder als Schutzhaft. Und es kam zu einer nachwirkenden Ausgrenzung und Diskriminierung in manchen Gemeinden noch Jahre nach dem Ende der Nazizeit. Häftlinge und ihr Schicksal Einleitend sei hier bemerkt: aufgrund des Verlustes von Unterlagen und der Auffächerung der freigeistigen Bewegung in mehrere Organisationen ist über das Schicksal einer ganzen Reihe von Personen nach ihrer Entlassung und nach 1945 nur wenig bekannt bzw. bedarf noch so mancher Forschungsarbeit. Oder es fehlen weitere Unterlagen für die Zeit zwischen 1933 und 1945 für Personen, die in Hornbach als inhaftiert gemeldet waren. Für diejenigen Personen, die ich vorstellen will, liegen Belege vor, dass sie zumindest nach 1945 Mitglieder waren, bzw. durch glückliche Zufälle kann man bei einigen auch schon vor 1933 einen Beleg der Mitgliedschaft finden, etwa in Namenslisten oder klar in den Gestapoakten, wenn diese Personen als freireligiös bezeichnet wurden, sonst wurde auch mal der Begriff Dissident gewählt etwa für Monisten oder Freidenker. Wie Sie wissen, waren in der Kaserne Lachen, jetzt Hornbach, Personen aus der ganzen Pfalz eingesperrt, sodass hier nicht nur Neustadter Bürger erwähnt werden. Personen: 1. Braun Franz: 26. 2. 1903, gest. 13. 5. 1973, als konfessionslos eingetragen, Schuhmacher, war ab 1929 Stadtratsmitglied in Lambrecht, dann Reichstagskandidat für die KPD, Gestapo-Akte: B2452, Zusätzliche Informationen: Schutzhaft 10.03.-10.04.1933, nach einem Verhör durch die Gestapo am 14. 11. 1933 floh er ins Saarland, von dort nach Frankreich, dann Spanien (rotspanisches Militär) : Staatsbürgerschaft aberkannt 30.05.1938, er wurde dann 1941 festgenommen und am 27. 4. 1941 zur Gestapo nach NW gebracht und verhaftet. Am 18. 9. 1941 wurde er zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach 1945 war er Bürgermeister in Lambrecht, wobei in der Liste von Karl Ohler, dem freireligiösen Gemeindevorsteher von Lambrecht nach 1945 steht, dass er 2. Bürgermeister gewesen sei. Er war Mitglied der Ortgruppenleitung der Freidenker Lambrecht und trat dann nach 1945 der FG bei. Im Landesarchiv Speyer finden sich in den Akten H 91, Nr. 2141, und 1122 weitere Hinweise auf ihn. 2. Braun Hans, 23.10.1891 in Geislingen a.d. Steige, Wohnort Mussbach, gest. 14. 1. 1953. Geschäftsführer, Metalldrücker, Dissident, 10.03.1933 -?, SPD, Gewerkschafter, Gestapo-Akte: B5572, Entnazifizierungs-Akte: nein, KZ Dachau Angaben von Arolsen: verhaftet am 10.3.1933 in Mussbach; eingeliefert in das KZ Neustadt am 10.3.1933; überstellt zum Gerichtsgefängnis Bad Dürkheim am 12.4.1933; überstellt zum Gefängnis Neustadt am 24.6.1933; überstellt zum KZ Dachau am 1.7.1933, Häftlingsnummer: 2668; entlassen; LA SP: H91, 5142: (geht über Lingenfelder Johann): SS Sicherheitsdienst an Gestapo LU vom 11. 3. 1935, dass Braun erst von Dachau zurückkam, wobei auf 3. Seite als Wohnort angegeben wurde: Schillerstr. 285, Mußbach, und Frage

4 aufgeworfen, aus welcher Quelle Braun die Gelder zur Bestreitung seines Aufwandes bezieht, da er nur 15 RM pro Woche erhalte und er mit diesen Mitteln nicht so häufig eine Wirtschaft besuchen könne. Als Dissident gehörte er zu den Freidenkern und später zur freireligiösen Gemeinde, er stand als Gewerkschaftssekretär und SPD Funktionär unter ständiger Beobachtung der Gestapo. 3. Buckeley, Ernst: 07.02.1890, geb in Ottlau (Niederbayern), NW, Ingenieur, ehemals Kulturbau-Ingenieur, Schutzhaft 13.03.1933-10.04.1933, USPD, SPD, KPD, Bestand J72 Nr. 332, Abmeldung 03.06.1933 nach Nürnberg, war zwischenzeitlich Leiter der Freidenker NW, aber ging dann zur Freireligiösen Gemeinde Neustadt, die er als Delegierter mehrmals beim Bund der freireligiösen Gemeinden der Pfalz vertrat. Er steht auf der Mitgliederliste NW von 1923. Es gab nach seinem Umzug keinen Kontakt mehr zu ihm und keine Informationen, außer dass das Land Bayern 1947 ihn und seine Ehefrau verklagte auf Rücknahme eines Eigentumsübergangs bezüglich eines Grundstückes der Naturfreunde. Das Verfahren wurde später eingestellt. Offensichtlich beruhte dies auf Fehlinformationen, denn Buckeleys waren da wohl eher nicht involviert (s. dazu LA SP: J 6, 14847) 4. Ciriaci Fritz: 16.10.1905, gest. 23.09.1963 in NW, Schreiner, Angestellter, Er war vom 15.03.1933-12.04.1933 in der Kaserne, später dann Soldat. Er gehörte der KPD an und nach 1945 der Antifa, Bestand J72 Nr. 332. Er heiratete übrigens 1927 im Juni und trat noch im gleichen Jahr aus der Kirche aus. Sein jüngerer Sohn erzählte, dass sein Vater mit Glück und weil er russische Kriegsgefangene menschlich behandelte, durch den Krieg und wieder zurück nach Neustadt kam ohne in Gefangenschaft zu geraten. Er kam Juni 1945 in NW an und wurde gleich von der französischen Besatzung bzw. dem von ihr eingesetzten Bürgermeister gebeten, beim Wiederaufbau mit zu helfen. Er übernahm die Vermittlung für die Bauarbeitsplätze beim Arbeitsamt und war im Entnazifizierungsausschuss. Dort sah er genau hin und sorgte u. a. dafür, dass solche, die, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren, Parteimitglieder wurden, sich aber ansonsten korrekt verhielten, human behandelt wurden. 1945 wurde er noch in den 1. Stadtrat von NW gewählt als Kandidat der KPD. 5. Manderschied Ludwig: 01.08.1905 in Bergzabern, Wohnort NW, Buchdrucker, 15.03.1933-22.04.1933, SPD, KPD, Hochzeit Neustadt Nr. 7/1931. Bei den ersten Wahlen 1945 im Stadtrat NW für KPD. Er wechselte 1948 zur SPD, war zweiter Beigeordneter, verzog Nov. 1954 nach Stuttgart. 6. Schalk Fritz: 25.08.1899, gest. 8. 11. 1937 (Unglück) Mutterstadt, 16.03.1933-12.04.1933. Sein Sohn, der MdL Fritz Schalk berichtet aus seinen Erinnerungen, dass der Vater standhafter Sozialdemokrat war und daher von den Nazis immer wieder aus Arbeitsplätzen gedrängt wurde. Er nahm 1937 Kontakt zu Genossen im Ausland, u.a. F.W. Wagner in Straßburg auf und schaffte es, sich einen Reisepass ausstellen zu lassen, um mit dem Sohn nach Zürich fahren zu können, wo sie sich mit anderen Genossen trafen. Er verunglückte im November gleichen

5 Jahres, allen Gerüchten von Totschlag zufolge war es wirklich ein Unglücksfall auf seinem Motorrad. Allerdings findet sich im LA Speyer eine Gestapoakte, die mit Missfallen vermerkt, dass ein freireligiöser Prediger bei der Bestattung gesprochen habe und es die größte Bestattung bis dato in Mutterstadt überhaupt gewesen sei, etwa 1000 Personen. LA SP: H 91, 6880 7. Schneid Hermann: 16.09.1896, Lambrecht, Händler, Geschäftsführer, 16.03.1933-25.03.1933, KPD, SPD, Gestapo-Akte: B7470 LA SP: H 91, 6976. Er war dann 1. Bürgermeister in Lambrecht, Mitglied des Kreistages Landkreis Neustadt, und 1. Vorsitzender der SPD Lambrecht. Er starb am 10. 11. 1962 8. Schneider Jakob: 08.01.1886, gest. 12.12. 1944, Iggelbach, Maurer, Polier, 21.03.1933-08.04.1933, Gestapo-Akte: AB1724, auch in Dachau vom 21. 7. 15. 12. 33 KZ Dachau, Grund: Denunziation (Liste Elmstein). LA SP: H 91, 2075 9. Weber Otto: 16.09.1889, Neustadt an der Haardt, gest. 14.08.1974, Schlosser, 15.03.1933-12.04.1933, SPD, Antifa, Rot Sport, Mitgliederliste NW 1923 10. Wessel, Willi (Willy), 26.02.1896 in Bremen, gest. 29. 1. 1989, Wohnort Neustadt später Lindenberg, Buchdrucker, Religion: gottlos, aber nach 1945 Mitglied der Gemeinde und vorher Monist. Er war vom 15.03.1933-12.04.1933 eingesperrt, Mitglied der KPD. Im LA SP befindet sich die Karteikarte der Gestapo. Er war nach 1945 aktiver Gewerkschafter und solange er konnte, bei unseren Veranstaltungen dabei. Noch einige allgemeine Anmerkungen Hier sind nur ein Teil der Personen erwähnt, bei denen im Verzeichnis der Häftlinge FG eingetragen ist. Es ist interessant, dass es sich sowohl um Mitglieder der KPD als auch der SPD handelte. Andere Mitglieder kamen nicht nach Lachen, sondern ins Gefängnis Neustadt selbst, oder wurden zu späteren Zeitpunkten verhaftet. Gegen einige wurden Gerichtsprozesse angestrengt, bei vielen der in Lachen inhaftierten aber wurde wohl die Festnahme eher als abschreckende Maßnahme eingesetzt. Bei vielen kam es auch zu Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, zu Entlassungen oder sie durften nicht in sogenannten kriegswichtigen Bereichen eingesetzt werden. Dies gilt etwa für Jakob Schneider, den die Firma, bei der er beschäftigt war, nicht mit zum Bau des Westwalls nehmen konnte. Praktisch alle Personen waren zum Zeitpunkt der Schutzhaft auch verheiratet, hatten Familie. Inwieweit die Genannten sich weiter gegen den Nationalsozialismus einsetzten, ist bis auf die Personen, die etwa ins Ausland flohen und dort weiter kämpften, oder die später nochmal verhaftet und vor Gericht gestellt und verurteilt wurden, schwer abzuschätzen. Allerdings standen sie unter Beobachtung der Gestapo, wie aus deren Berichten zu entnehmen ist. Sie wurden dann bei ungewöhnlichen Vorkommnissen verhört. Denunziationen waren an der Tagesordnung, wie sich verschiedenen Unterlagen entnehmen lässt. Auch im Gefängnis von Neustadt selbst waren zu dem Zeitpunkt der großen Verhaftungswelle im Frühjahr 1933 einige Personen in Schutzhaft untergebracht. Warum

die einen da und die anderen dort hingesteckt wurden, weiß ich nicht. Es wäre aber auch für die Gedenkstätte wohl interessant, hier Nachforschungen anzustellen, denn aus unseren Unterlagen ergibt sich kein Grund für die unterschiedliche Unterbringung. 6