Revolution! Wendepunkte der Geschichte
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- Sven Kerner
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1 1/ Revolution! Wendepunkte der Geschichte
2 Seite 2 Editorial DAS TITELFOTO AUF DIESEM HEFT ENTSTAND AM 9. NOVEMBER 1918 am Brandenburger Tor. Der Berliner Karl Holtz (Foto auf Seite 35) war als junger Mann mittendrin im Revolutions geschehen. Er sympathisierte mit den Spartakisten um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Anders als diese überlebte er. EINE KARIKATUR DES REVOLUTIONÄRS KARL HOLTZ im sozialdemokratischen Satire-Blatt Lachen links rückte in ganz Deutschland einen bayerischen Kirchenmann in den Blick der Öffentlichkeit, als in der Weimarer Republik die Ereignisse der Revolutionszeit auch vor Gericht aufgearbeitet wurden. War der evangelische Pfarrer Robert Hell schuld an der Ermordung von zwölf Arbeitern in München? RELIGION UND REVOLUTION HABEN VIEL GEMEINSAM nicht nur eine blutige Kriminalgeschichte und viele Opfer in ihrem Namen. Sie schöpfen auch aus den gleichen Quellen: dem Traum, der menschlichen Hoffnung auf eine andere Wirklichkeit als die, die ist. In den Geschichten der Bibel lässt sich diese Spur ebenso lesen wie in den Revolutionen von 1789, 1918 oder ALS EIN BRENNSTOFF FÜR REVOLUTIONEN hat sich durch die Geschichte hindurch die biblische Idee der Gottebenbildlichkeit erwiesen. Gott hat die Menschen mit gleicher Würde, mit»menschenrechten«, versehen. Nimmt man das ernst, sind die Folgen für die meisten Machtansprüche, die Menschen über Menschen stellen, tatsächlich revolutionär. HOLTZ, DER 1978 IN DER DDR STARB, war nicht nur Sozialist und Antifaschist, sondern auch Opfer des Stalinismus druckte eine Schweizer Satire-Zeitung eine Stalin- Karikatur von ihm. Sie trug ihm das höchste Honorar ein, das er jemals bekam, sagte Holtz später:»dwazit pjat let«25 Jahre Zuchthaus. Dazu verurteilte ihn nämlich ein sowjetisches Militärgericht. Sein Traum von der Revolution und vor allem von der Freiheit platzte im DDR-Gefängnis Bautzen. Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Ihr Markus Springer, Redakteur beim Sonntagsblatt
3 Seite 3 Inhalt Ereignisse Träume von einer anderen Welt S. 5 Was Revolution und Religion verbindet ein Überblick Die Kirche macht keine Revolution! S. 10 Warum die Kirchen 1919 als Gewinner dastanden Was passierte wann S. 11 Auf dem Zeitstrahl durch die Revolution 1918/1919 Revolution oder Reform? S. 13 Die Geschichte von SPD, USPD und KPD Zwölf tote Arbeiter S. 29 Wurde Pfarrer Robert Hell im Mai 1919 zum Mörder? Perspektiven Glückliche Anarchie S. 21 William Godwin Gründervater des Anarchismus Motor, Kupplung und Bremse S. 37 Die Kirchen und gesellschaftliche Umbrüche Love Revolution S. 46 Findet im Westen eine»spirituelle Revolution«statt? Buchtipps S. 50 Träumer, Kaiser, Kommunisten Titelfoto: 9. November 1918 in Berlin (akg-images / picture-alliance / Berliner Verlag Archiv)
4 Foto: PD
5 Gleich ganzes Magazin bestellen: shop.sonntagsblatt.de Träume von einer anderen Welt Seite 5 Religion und Revolution: Beide rechnen mit der Möglichkeit einer besseren Wirklichkeit und schreiten an diese Hoffnung glaubend zur Tat. Mit segensreichen und blutigen Folgen bei beiden. Als revolutionärer Brennstoff hat sich der biblische Gedanke von der Gottesebenbildlichkeit erwiesen. Ein Überblick. Von Markus Springer T räumer«hat Volker Weidermann, Spiegel-Autor und Kritiker vom Literarischen Quartett im ZDF, seine glänzende»historische Reportage«über die Münchner Räterepublik betitelt (2017). Dass es Dichter Träumer waren, die im Winter 1918/19 an der Spitze der Revolution in Bayern standen, ist kein Zufall. Schriftsteller wie Ernst Toller, Gustav Landauer und Erich Mühsam griffen damals nach der Macht. Sie hatten dafür eine Vision von der Zukunft, die vollständig anders war als alles, was sich ein von einem verlorenen Krieg gezeichnetes und erschöpftes Land und seine Politiker überhaupt ausdenken konnten. Der Freiburger Religionssoziologe Wolfgang Eßbach (Seite 21), ein bekennend Konfessionsloser, hat auf eine»grundfigur linken Denkens«aufmerksam gemacht: Links ist Eßbach zufolge,»in einen Gegensatz zur Wirklichkeit, wie sie ist, zu treten«. Immerhin lassen sich auf diesen Nenner die unterschiedlichsten und widersprüchlichsten»linken«erscheinungen bringen von den religiösen Sozialisten über Marx und seine Jünger bis hin zu aktueller Globalisierungskritik. Ist womöglich jedes Denken, das sich den Traum von einer anderen Welt (und deren Verwirklichung) nicht nehmen lassen will, ohne eine Art von Religion kaum zu haben? Eßbach stellt diese Frage in den Raum. Bewusst in einen»gegensatz zur Wirklichkeit, wie sie ist«zu treten dafür stehen auch der»kommunismus«des Urchristentums, des frühen Mönchtums und des Franz von Assisi, dafür stehen Gruppen protestantischer Dissidenten vom»linken Flügel«der Reformation oder zeitgenössische Befreiungstheologien. Historisch arbeitet sich»die Linke«an drei großen Dauerthemen ab: am Abbau Ausschnitt aus dem Bild, das zu einer Ikone der Französischen Revolution von 1789 wurde: Eugène Delacroix Die Freiheit führt das Volk (1830, Louvre).
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