Elektrochemie in wässrigen Bindemitteldispersionen, ein neuer Ansatz in der Lackentwicklung

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Transkript:

Methodisch-Diagnostisches Zentrum Werkstoffprüfung e.v. MDZWP - ein Kooperationspartner der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg A. Heyn, S. Bender, M. Babutzka, P. Rosemann Elektrochemie in wässrigen Bindemitteldispersionen, ein neuer Ansatz in der Lackentwicklung Institut für Lacke und Farben e.v. 1

Motivation und neuer Ansatz Neuer Trend in der Lackentwicklung UV-härtende wasserbasierte Korrosionsschutzlacke mit chromatfreien Zusätzen Allgemeines Problem bei der Lackentwicklung Je besser eine Beschichtung vor Korrosion schützt, desto länger dauert die Prüfung. Neuer Ansatzpunkt Einsatz geeigneter elektrochemischer Methoden bereits im Stadium der Lackentwicklung Wechselwirkung Metallsubstrat Elektrolyt (Bindemitteldispersion + Zusätze) Schnelles Screening von Variationen aus Bindemitteln, Korrosionsschutzpigmenten und Inhibitoren Enge Zusammenarbeit zwischen ilf Magdeburg, OvGU, MDZWP und der Industrie 2

Ruhepotential-Analyse (RPA) am ilf Arbeitselektrode / Sensor Versuchsaufbau für RPA elektrischer Kontakt Isolierung µs C ph mv Computer Drucker Temperaturfühler ph-glaselektrode Leitfähigkeitsmesszelle Bezugselektrode Arbeitselektrode Messfläche 10mm Versuchsansatz Korrosionsstimulator Probenmaterial: unleg. Stahl, C55 Präparieren der Arbeitselektrode durch Dosierpumpe Anschleifen mit 1000er Körnung und Abdecklack Lackdispersionen mit VE-Wasser (1:1) verdünnt 20-30 min Trocknungszeit vom Abdecklack Einsatz eines Magnetrührers 3

Ruhepotential-Analyse (RPA) am ilf Potentialverlauf und Bewertung U [mv NHE] 600 500 400 300 200 c krit = 4 mmol/l c krit = 18 mmol/l 60 50 40 Anzahl Dosierungen 100 0 30-100 -200 A_2 20-300 B_2 10-400 -500 0 1 2 3 4 5 6 t [h] 0 Versuchsablauf: nach 1 Stunde Beginn der Zugabe von 0,04 ml einer 1M NaCl in 5-min-Abständen erster schneller Potentialabfall signalisiert Filmversagen c Krit als Bewertungsmaßstab 4

Offene Fragen und Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung der Methode RPA ist Hausmethode am ilf, viel Erfahrungen mit bekannten Lacksystemen Aber: genügt die Potentiallage / -verlauf für die Einschätzung der Wirksamkeit? Bei neuen Lacksystemen treten teilweise andere Verläufe auf???????????? 5??? Erweiterung der RPA mit zusätzlichen elektrochemischen Methoden Ziel: mehr Informationen zu den Vorgängen an der Grenzfläche

2011: Bachelorarbeit am ilf: Martin Babutzka (OvGU) Aufnahme von Stromdichte-Potential-Kurven in wässrigen Lackdispersionen Messbedingungen: v = 1 mv/s, Potentialbereich -500 bis 100 mv, mehrere min pro Versuch i [ma/cm 2 ] 1 0.1 0.01 i [ma/cm 2 ] 1 0.1 0.01 0.001 0.001 0.0001 1E-05 A_7 B_7 Bindemittel A Bindemittel B 1.E-06-500 -450-400 -350-300 -250-200 -150-100 -50 0 50 100 U U [mv NHE] 0.0001 1E-05 A_5 B_5 Bindemittel A Bindemittel B 1.E-06-500 -450-400 -350-300 -250-200 -150-100 -50 0 50 100 U [mv NHE] U p U Ω Galvanostatische Pulsmessungen 10 100 Sekunden Pulsdauer mit definiertem Strom Bewertung der Durchtrittspolarisation 0,1 s t Polarisationswiderstand: R P = (ΔU Ges ΔU El ) / i Puls 6 [Ω*cm²]

2011: Bachelorarbeit am ilf: Martin Babutzka (OvGU) Erfassung des elektrochemischen Rauschens und geeignete Auswertung Direkte Anzeige der aktuellen Korrosionsneigung einer metallischen Oberfläche Bewertungskriterium z.b. Ladung aus dem Stromrauschen oder Rauschwiderstand 2,8 mmol/l Chlorid 5,6 mmol/l Chlorid ECN [µa] 0.15 0.1 0.05 0-0.05-0.1 Bereich 1 Bereich 2 Bereich 3-0.15 0 10 20 30 40 50 60 Zeit [min] ohne Chlorid 7

Rauschladungsmengen im Bereich 3, Vergleich von Bindemittel-Pigment-Varianten Pigment geringere Auflösungserscheinungen bei Dispersionen auf Basis von Bindemittel B Unterschiede hinsichtlich der Korrosionsschutzpigmente sichtbar (z.b. 4 vs. 5) 8

Ergebnisse aus Salzsprühnebeltests an formulierten Lacken (ilf) 240 h Salzsprühnebel 240 h Salzsprühnebel 240 h Salzsprühnebel 240 h Salzsprühnebel Bindemittel A Bindemittel B Pigment 4 Bindemittel A Bindemittel B Pigment 5 9

Weitere Aktivitäten zu dem Thema (2012 2014) Versuchsdurchführung mit ECR (OvGU) an RPA (ilf) anpassen Weiterentwicklung des Versuchsstands (Sensordesign, Dosierpumpe) Weitere Parameter aus Rauschmessungen (Rauschwiderstand, Intervallvariationen) Zusammenarbeit mit Pigmenthersteller (Heubach) Zusammenarbeit mit Bindemittelhersteller (BASF) Vorträge und Veröffentlichungen, z.b. Vortrag Susanne Bender 2012 GDCh-Tagung Poster Martin Babutzka, Eurocorr 2012 Istanbul Veröffentlichung in Farbe und Lack in Planung 10 Gesponsert vom MDZ!

Laufende Untersuchungen mit weiter optimierter Versuchsdurchführung und neuen Bewertungsmethoden Screening zur Vorauswahl für die Lackformulierung Verstehen von Wirkmechanismen 11

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 12