Meine Referenz an Charles Darwin...ist ein Zitat von Theodosius Dobzhansky: Nothing in Biology makes sense except in the light of evolution.
Collegium Generale, 18. März 2009 Genetik versus Epigenetik Nicht alle vererbte Information ist in der DNA Sequenz kodiert Oliver Mühlemann, Institut für Zellbiologie, Uni Bern Email: oliver.muehlemann@izb.unibe.ch
Definition von Epigenetik epi = griechisch für um herum, zusätzlich Begriff 1942 durch Conrad Waddington eingeführt und definiert als the branch of biology which studies the causal interactions between genes and their products which bring the phenotype into being. Heute gebräuchliche Definition: Epigenetik befasst sich mit Zelleigenschaften (Phänotyp), die auf Tochterzellen vererbt werden und nicht in der DNA- Sequenz (dem Genotyp) festgelegt sind.
Nature versus Nurture eine alte Debatte Eineiige Zwillinge sind genetisch identisch (Klone) sie haben viele Ähnlichkeiten (-> genetische Komponente) es gibt aber auch deutliche Unterschiede (-> Umwelteinflüsse)
Nature versus Nurture eine alte Debatte Eineiige Zwillinge sind genetisch identisch (Klone)...die uns nicht weiterbringt, weil genetische und umweltbedingte Eigenschaften ineinander greifen. Um weiterzukommen, müssen wir die zugrunde liegenden molekularen Prozesse verstehen. sie haben viele Ähnlichkeiten (-> genetische Komponente) es gibt aber auch deutliche Unterschiede (-> Umwelteinflüsse)
Nature and Nurture wie spielen sie zusammen? input black box output Klassische Genetik Genotyp Umwelteinfluss Soziologie Psychologie Verhaltensbiologie Phänotyp Eigenschaft Problem: Korrelationsstudien geben keine Information über Kausalität
Nature and Nurture wie spielen sie zusammen? input black box output Klassische Genetik Genotyp Umwelteinfluss Soziologie Psychologie Verhaltensbiologie Phänotyp Eigenschaft Um die kausalen Zusammenhänge zu verstehen, müssen wir die black box öffnen und ihr Innenleben verstehen molecular life sciences
Was bestimmt eine Eigenschaft auf molekularer Ebene? Veränderung der Aminosäuresequenz des Enzyms durch Veränderung der DNA Sequenz -> genetisch bedingt Anzahl Enzymmoleküle pro Zelle, wird bestimmt durch Regulation der Genexpression -> genetisch und durch Umwelteinflüsse bedingt Enzymaktivität Hexokinase Phänotyp Glukose- aufnahme- Kapazität von Zellen
Von der DNA zum Protein transcription genomic DNA pre-mrna RNA processing - capping - splicing - polyadenylation active protein mrna AA A A mrna export translation AA A A AA A A ribosome protein folding amino acid modifications
Grundlagen zur Regulation der Genexpression Transkription Jedes Gen besitzt verschiedene regulatorische Sequenzen, an welche spezifische Transkriptionsfaktoren binden. Die richtige Kombination von gebundenen Transkriptionsfaktoren rekrutiert das Enzym RNA Polymerase, welches welches von einem der DNA Stränge eine Kopie in RNA anfertigt. Die Transkriptionsrate wird von von all diesen Sequenzelementen und der Menge im Zellkern vorhandener Transkriptionsfaktoren beeinflusst. Menge und Aktivitätszustand der Transkriptionsfaktoren werden von Umwelteinflüssen beeinflusst. aus Alberts et al. Molecular Biology of the Cell
Aber wie kommen die spezifischen Transkriptionsfaktoren an die DNA? Chromatin: Die DNA liegt im Zellkern kompakt verpackt als DNA/Protein Komplex vor Nukleosom: 147 Basenpaare DNA gewickelt um ein Oktamer bestehend aus je zwei Histonen H2A, H2B, H3 und H4. 30 nm Fiber: aus Nukleosomen plus Histon H1 gebildet.
Aber wie kommen die spezifischen Transkriptionsfaktoren an die DNA? Chromatin: Die DNA liegt im Zellkern kompakt verpackt als DNA/Protein Komplex vor Nukleosom: 147 Basenpaare DNA gewickelt um ein Oktamer bestehend aus je zwei Histonen H2A, H2B, H3 und H4. 30 nm Fiber: aus Nukleosomen plus Histon H1 gebildet.
Unterschiedlich dicht gepacktes Chromatin korreliert mit Genaktivität Heterochromatin (kompakte Packung) -> keine oder wenig Transkription Euchromatin (offen, zugänglich) -> aktive Transkription Elektronenmikrosokopische Aufnahme eines Zellkerna während der Interphase.
Regulation des Chromatinstatus DNA Methylierung In den meisten Eukaronten ist Methylierung der Position 5 am Cytosin (5mC) assoziiert mit transkriptionell inaktivem Chromatin. In Säugern findet man 5mC fast nur in CpG Dinukleotiden, welche repetiert in Promoterregionen vorkommen (sog. CpG islands), und die Methylierung ist symmetrisch. CH 3 CH 3 CH 3 5 -ApCpGpTpCpGpTpApCpG-3 3 -TpGpCpApGpCpApTpGpC-5 CH 3 CH 3 CH 3 Modifikation von Histonen Post-translationelle Modifikationen (Methylierung, Acetylierung, Phosphorylierung) von Aminosäuren in den unstrukturierten N-terminalen Teilen der Histone. Probst et al. (2009) Nat. Rev. Mol. Cell. Biol.
Regulation des Chromatinstatus DNA Methylierung In den meisten Eukaronten ist Methylierung der Position 5 am Cytosin (5mC) assoziiert mit transkriptionell inaktivem Chromatin. Khorasanizadeh (2004) Cell In Säugern findet man 5mC fast nur in CpG Dinukleotiden, welche repetiert in Promoterregionen vorkommen (sog. CpG islands), und die Methylierung ist symmetrisch. CH 3 CH 3 CH 3 5 -ApCpGpTpGpCpTpApCpG-3 3 -TpGpCpApCpGpApTpGpC-5 CH 3 CH 3 CH 3 Modifikation von Histonen Post-translationelle Modifikationen (Methylierung, Acetylierung, Phosphorylierung) von Aminosäuren in den unstrukturierten N-terminalen Teilen der Histone. Probst et al. (2009) Nat. Rev. Mol. Cell. Biol.
Der Histon Code Gewisse Histonmodifikationen sind assoziiert mit einem spezifischen Chromatinstatus Jenuwein & Allis (2001) Science
Histonmodifikationen sind reversibel Acetylierungsgrad von Nukleosomen wird bestimmt durch das lokale Gleichgewicht zwischen der Aktivität von Histonacetyltransferasen (HAT) und Histondeacetylasen (HDAC). HAT HDAC OFF ON Histone deacetylase inhibitors
Vererbung epigenetischer Information: DNA Methylierung Replikation methylierter DNA führt zu hemi-methylierten Tochtersträngen. Tochterstränge Ursprünglicher DNA Strang
Vererbung epigenetischer Information: DNA Methylierung Replikation methylierter DNA führt zu hemi-methylierten Tochtersträngen. Das Enzym DNMT1 bindet an hemi-methylierte CpG Dinukleotide und ergänzt die Methylierung am gegenüberliegenden C. Tochterstränge Ursprünglicher DNA Strang
Vererbung epigenetischer Information: DNA Methylierung Replikation methylierter DNA führt zu hemi-methylierten Tochtersträngen. Das Enzym DNMT1 bindet an hemi-methylierte CpG Dinukleotide und ergänzt die Methylierung am gegenüberliegenden C. Tochterstränge Ursprünglicher DNA Strang
Vererbung epigenetischer Information: Histon Modifikationen Bei der DNA Replikation werden die alten, spezifisch modifizierten Nukleosomen zufällig auf beide DNA Stränge verteilt und mit neuen, unspezifisch modifizierten Nukleosomen ergänzt. Ein für die jeweilige Modifikation spezifisches Maintenance-Enzym bindet ans alte Nukleosom und setzt dieselbe Modifikation ans benachbarte neue Nukleosom. Probst et al. (2009) Nat. Rev. Mol. Cell. Biol.
Parental Imprinting Imprintete ( geprägte ) Gene werden abhängig von ihrer elterlichen Herkunft aktiv oder inaktiv vererbt. Die Inaktivierung, bzw. Aktivierung dieser Gene geschieht durch epigenetische Mechanismen (DNA Methylierung, Histon Modifikationen, non-coding RNAs) während der Geschlechtszellenreifung oder im frühen Embryo und wird später in der Keimbahn wieder gelöscht und neu angelegt. Imprintete Gene kommen in Insekten, Pflanzen und Säugetieren vor. Beim Menschen sind es 50-70 Gene, die im Genom auf wenige Regionen konzentriert sind. Fehlerhaftes imprinting führt zu Krankheiten, die sich durch Wachstums- und Entwicklungsstörungen manifestieren (z.b. Prader-Willi Syndrom) und ist auch die assoziiert mit bestimmten Krebserkrankungen (z.b. Wilms Tumor, ein Nierentumor bei Kleinkindern). PWS assoziierte 2MB Region auf Chr15. Paternal (blau), maternal (rot) und bi-allelisch exprimierte Gene (schwarz) sind eingezeichnet. Reik & Walter (2001) Nat. Rev. Genet.
X Chromosom Inaktivierung Das Problem: Dosage compensation bei X Chromosom-kodierten Genen. Viele Säugetiere lösen das Problem, indem in weiblichen Zellen eines der beiden X Chromosome inaktiviert wird (Heterochromatinbildung, -> Barr Körper) In der befruchteten Eizelle ist immer Xp inaktive und Xm aktiv (Imprinting). Xist RNA in embryonalen Maus-Stammzellen Viel Xist RNA, inaktives X Chr Kaum Xist RNA, aktives X Chr In einem frühen Embryonalstadium reaktiviert sich Xp und es findet in jeder Zelle eine zufällige Inaktivierung eines der beiden X Chromosomen statt. Der weibliche Körper ist deshalb in Bezug auf das X Chromosom ein Mosaik. Das schützt u.a. Frauen vor vielen X Chromosom-assoziierten Krankheiten (z.b. Duchenne Muscular Dystrophy) Epigenetischer Mechanismus: Expression der RNA Xist wird via DNA Methylierung reguliert. Sie lagert sich an das X Chromosom an, von dem sie produziert wird und bewirkt die Heterochromatisierung der anderen Gene auf diesem Chromosom.
X Chromosom Inaktivierung Das Problem: Dosage compensation bei X Chromosom-kodierten Genen. Viele Säugetiere lösen das Problem, indem in weiblichen Zellen eines der beiden X Chromosome inaktiviert wird (Heterochromatinbildung, -> Barr Körper) In der befruchteten Eizelle ist immer Xp inaktive und Xm aktiv (Imprinting). Xp aktiv Xm aktiv Beispiele für X Chromosom Mosaik Xist RNA in embryonalen Maus-Stammzellen Viel Xist RNA, inaktives X Chr Kaum Xist RNA, aktives X Chr In einem frühen Embryonalstadium reaktiviert sich Xp und es findet in jeder Zelle eine zufällige Inaktivierung eines der beiden X Chromosomen statt. Der weibliche Körper ist deshalb in Bezug auf das X Chromosom ein Mosaik. Das schützt u.a. Frauen vor vielen X Chromosom-assoziierten Krankheiten (z.b. Duchenne Muscular Dystrophy) Epigenetischer Mechanismus: Expression der RNA Xist wird via DNA Methylierung reguliert. Sie lagert sich an das X Chromosom an, von dem sie produziert wird und bewirkt die Heterochromatisierung der anderen Gene auf diesem Chromosom.
Mutterliebe beeinflusst späteres Stressverhalten der Ratten Nature Neuroscience 7:847-54 (2004) Intensiv umsorgte Jungtiere reagieren als Adulte ruhiger und besonnener auf Stress Unabhängig vom genetischen Hintergrund (Stiefmütter Exp.) Vererbbar: intensiv umsorgte Weibchen werden selber umsorgende Mütter Molekular: höhere Expression des Glucocorticoidrezeptors im Hippocampus (demethylierte DNA und hyperacetylierte Histone) Behandlung von als Jungtiere vernachlässigten adulten Ratten mit Histon-Deacetylase Inhibitoren erhöht Glucocorticoidrezeptorexpression und verringert damit Stress-Reaktion (weniger ACTH & Glucocorticoid Ausschüttung) Nature Neuroscience 12:241-43 (2009)
Ähnlicher Mechanismus auch beim Menschen? Experiment: Analyse von Glucocorticoidrezeptorexpression in Hippocampus Biopsien post mortem Vergleich der Resultate aus drei verschiedenen Gruppen von Proben: Resultat: Suizidopfer, die als Kinder missbraucht wurden Suizidopfer ohne (bekannte) Missbrauch-Vergangenheit Kontrollgruppe: andere Todesursache, keine (bekannte) Missbrauch-Vergangenheit Wie bei den vernachlässigten Rattenjungen haben die in ihrer Kindheit missbrauchten Suizidopfer signifikant mehr DNA Methylierung am GR Promoter, was zu einer verminderten Expression von GR führt. Nature Neuroscience 12:342-48 (2009) Relative Menge GR mrna Ausmass DNA Methylierung am GR Promoter
(Versuch einer) Zusammenfassung Zeitachse (biologisch) Änderung des Genexpressionsstatus innerhalb einer Zelle innerhalb eines Organismus von Mutter- zu Tochterzelle durch die Keimbahn in die nächste Generation über viele Generationen hinweg Genregulation Ebene Epigenetik Histon Modifikationen DNA Methylierung Ebene Genetik Somatische Mutationen -> Tumor DNA Sequenz Genetik sind die Instrumente, Epigenetik die Musiker des Orchesters
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Nach der kurzen Pause: Fragen / Diskussion