Unverkäufliche Leseprobe aus: Josef Lada Otfried Preußler Kater Mikesch

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Unverkäufliche Leseprobe aus: Josef Lada Otfried Preußler Kater Mikesch Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main

Ein Kater, der sprechen kann Liebe Kinder, ich möchte euch eine Geschichte erzählen, aber ich fürchte, ihr werdet sie mir nicht glauben. Und doch ist es die reine Wahrheit, dass Schusters in Holleschitz einen Kater hatten, der Mikesch hieß. Jetzt werdet ihr natürlich lachen.»ach so!«, höre ich euch sagen.»wir haben daheim auch einen Kater!Und wir auch! Und ein Kätzchen obendrein!«schön und gut, meine Lieben, aber der Kater in Holleschitz war ein ganz besonderer Kater. Er konnte nämlich sprechen! Ob ihr es glaubt oder nicht. Schusters Pepik und die anderen Holleschitzer Dorfkinder sind meine Zeugen. Ich weiß nicht genau, wie es kam, dass Mikesch das Sprechen erlernt hat. Vielleicht, weil Pepik immer mit ihm geredet hat. Aber was ist an der ganzen Sache eigentlich so verwunderlich? Habt ihr nicht schon mal eine Dohle oder einen Papagei sprechen hören? Warum sollte das ein Kater nicht auch erlernen? Obgleich Mikesch die Menschensprache bald fließend beherrschte, hat er doch seine Kunst niemals dazu missbraucht, jemanden zu verleumden oder zu verspotten. Stets war er höflich, und wenn man ihm einen guten Happen schenkte, bedankte er sich dafür, wie es sich gehört. Auch grüßte er jedermann anständig. Stellt euch vor: Da geht eines Abends der Großvater Frantak an Schusters Garten vorbei und schmaucht zufrieden seine Tabakspfeife. Plötzlich hört er, wie ihm jemand mit feiner Stimme»Guten Abend, Großvater Frantak!«zuruft. Großvater stutzt und schaut sich um. Niemand zu sehen. Aber da hört er von neuem die feine Stimme.»Ich sage: Guten Abend, Großvater Frantak!«Sie scheint aus einer der Baumkronen 5

zu kommen. Diesmal schaut Großvater Frantak schärfer hin und schon patscht er sich fröhlich auf die Schenkel.»Potztausend was für ein Wunder!«, ruft er aus.»bloß ein Kater und grüßt freundlicher als alle Dorfjungen miteinander! So was, so was! Ein kleiner Kater und grüßt einen wie der Herr Bürgermeister persönlich!«pepik und Mikesch schliefen miteinander auf dem Backofen. Wenn Pepik am Abend hinaufkletterte, kam auch Mikesch gleich herbeigeflitzt, machte hopp! und war früher oben als Pepik. Danach kuschelte er sich zu ihm unters Federbett und schnurrte ihm zufrieden ins Ohr. Das hörte sich an, als surrte ein Spinnrad. Und vor dem Einschlafen erzählte ihm Pepik Märchen. Die hörte der Kater Mikesch fürs Leben gern. Nur wenn Pepik mit einer Gespenstergeschichte anfing, bat er ihn:»so was erzähle mir lieber nicht! Da muss man sich ja fürchten, wenn man nachts in der Scheune Mäuse jagt!«einmal hörte Pepik den alten Schneider-Großvater das Märchen vom gestiefelten Kater erzählen. Es gefiel ihm so gut, dass er an seinem Vater so lang herumbettelte, bis er auch dem Mikesch ein Paar Stiefel schusterte. Pepik überreichte sie ihm eines schönen Tages im Winter. Da war Mikesch gerade völlig durchfroren von der Mäusejagd heimgekommen. Besonders an den Pfoten war ihm schrecklich kalt. Deshalb hatte er eine Mordsfreude, als ihm Pepik die schönen neuen Stiefel schenkte. Der Jubel war groß, aber es dauerte eine ganze Zeit, bis er in den Stiefeln richtig gehen konnte. Wie oft purzelte er kopfüber in den Schnee, bevor Pepik 6

ihm beigebracht hatte, wie man aufrecht auf den Hinterpfoten läuft! Aber er nahm es von der lustigen Seite und lachte darüber. Übrigens brauchte er auch an den Vorderpfoten nicht mehr zu frieren, denn außer den Stiefeln hatte ihm Pepik auch noch Handschuhe besorgt, dicke Fäustlinge, wie sie die Buben tragen. Dann pantschten sie miteinander lustig auf dem Hofplatz im Schnee herum, bauten Schneeburgen und rodelten den lieben langen Tag. Unter den Dorfkindern gab es eine große Überraschung, als Pepik seinen Mikesch eines schönen Tages auf die Eisbahn mitbrachte. Zwar hatten einige Buben gezähmte Eichhörnchen zu Hause, auch Stare, Häschen und Igel; aber das alles war nichts Besonderes. Und da kommt nun auf einmal dieser Pepik zum Dorfweiher, und dicht hinter ihm spaziert auf zwei Beinen ein schwarzer Kater, der an den Vorderpfoten warme Fäustlinge trägt und in seinen Stiefeln über das Eis stapft wie ein Alter. Sofort kamen die Buben auf ihren Schlittschuhen von allen Seiten herbeigesaust und umringten sie.»nanu!«, sagte Schreiners Franta, indem er kopfschüttelnd auf Mikesch zeigte,»wer ist das denn?«und nun stellt euch, bitte, die Gesichter der Dorfkinder vor, als ihm der Kater in aller Seelenruhe zur Antwort gab:»ich? Ich bin Schusters Mikesch.«Einige Kinder rannten spornstreichs mit lautem Geschrei nach Hause.»Mutter! Vater!«, riefen sie schon von weitem,»auf der Eisbahn ist Schusters Pepik mit einem Kater, der sprechen kann!«und sofort machten sie wieder kehrt und rannten an den Dorfweiher zurück.»ist er vielleicht vom Zirkus?«, wollte Schreiners Franta wissen; aber Pepik erklärte voller Stolz, er selbst habe Mikesch das Sprechen beigebracht. Da bat ihn Franta:»Verkauf ihn mir gegen meine Mundharmonika!«Aber Pepik hätte ihn nicht einmal gegen einen ausgewachsenen Leierkasten verkauft! 7

»Komm«, sagte er zu Mikesch,»ich zeig dir, wie man übers Eis schlittert.«es dauerte nicht lang, da tummelte sich auch Mikesch auf dem zugefrorenen Weiher. Wenn er über sein Schwänzchen stolperte, schlug er einen Purzelbaum und fegte mit seinem Fell die Eisbahn blank. Was meint ihr wohl, wie die Dorfkinder da gelacht haben! Und weil Mikesch sah, wie viel Spaß ihnen das machte und wie sie sich nur so schüttelten vor Lachen, ließ er sich fortan absichtlich jeden Augenblick auf die Nase fallen. Er tat stets so, als habe er sich tüchtig wehgetan, rieb sich den Rücken und wimmerte:»autsch, das hat wehgetan! Ich glaube, Pepik, wir müssen heut Abend die alte Kräuterfrau kommen lassen, damit sie mir die blauen Flecken mit Salbe einschmiert «Der ganze Kerl krümmte sich zusammen wie eine Leierkastenkurbel, und so humpelte er zum Vergnügen der Kinder über den Dorfweiher. Plötzlich aber richtete er sich starr auf. Im nächsten Augenblick streifte er die Fäustlinge von den Vorderpfoten und einszwei fuhr er aus den Stiefeln. Hastig stopfte er die Fäustlinge in die Stiefelschäfte, die Stiefel selbst warf er sich über die Schulter, und hast du nicht gesehen schon saß er hoch droben auf der kahlen Pappel, die am Ufer des Weihers stand. Es war aber auch allerhöchste Zeit! Schon kam nämlich Nachbars Karo herbeigestürzt wie der leibhaftige Teufel, und es fehlte nicht viel, da hätte er Mikesch gerade noch am Schwanz erwischt. Karo war außer sich vor Zorn. Er bellte Mikesch etwas in der Hundesprache zu und Mikesch antwortete ihm darauf in der Katzen- 8

sprache. Aber auf einmal packte ihn die Wut und nun schrie er den verdutzten Karo mit Menschenworten an:»scher dich weg, du elender Köter!«Was meint ihr, wie Nachbars Karo da erschrocken ist! Sofort hörte er auf zu bellen. Die Haare sträubten sich ihm, er klemmte den Schwanz zwischen die Beine und nahm Reißaus, dass der Schnee hinter ihm aufstob! Als Karo verschwunden war, stieg Mikesch von seiner Pappel herunter. Er schlüpfte wieder in die Stiefel, zog die Fäustlinge an und kehrte voller Stolz auf die Eisbahn zurück. Die Kinder empfingen ihn mit lautem Jubel. Einer der Buben setzte sich den kleinen Helden auf die Schultern und nun ging es ein paar Mal im Zuckeltrab rund um den Weiher. Wäre es nach den Kindern gegangen, dann hätten sie sich mit Mikesch bis nach Mitternacht auf der Eisbahn vergnügt. Aber es wurde allmählich Zeit zum Abendbrot.»Pepik! Mikesch! Kommt heim!«, rief auch Schusters Großmutter. Da gehorchten die beiden und gleich nach dem Abendessen krochen sie in die Federn. Sie waren rechtschaffen müde und durchfroren, und es dauerte nicht lang, da schnarchten sie schon. Mikesch schlief wie erschlagen, nur einmal rief er im Traum:»Scher dich weg, du elender Köter!«9

Schusters Großmutter erlebt eine Überraschung Schusters Großmutter war eine ordentliche Hausfrau. Bei ihr brauchte niemand Hunger zu leiden, jedermann bekam sein Essen rechtzeitig und reichlich. Pepik speiste am liebsten mit Mikesch an dem niedrigen Tischchen neben dem Ofen. Er lehrte ihn mit einem Löffelchen aus einer kleinen Blechschüssel essen, und es dauerte nicht lang, da aß Mikesch artiger als mancher Junge. Großmutter hatte den Kater gern, weil er höflich und folgsam war. Wenn Pepik nicht im Hause war und sie brauchte jemand, der ihr vom Dachboden Zwiebeln, gedörrte Birnen oder Zwetschgen holte, dann schickte sie einfach Mikesch los und der brachte ihr alles, was sie verlangte. So war Großmutter recht zufrieden mit ihm, und manch liebes Mal streichelte sie ihm das Fell, wenn er auf der alten quietschenden Handmühle den Kaffee mahlte und dabei vor sich hin sang: 10»Es sprang der Hund übers Haberfeld, über die grü-hüüüne Wiese!«Aber eines Tages hat sich Großmutter wegen Mikesch ganz schön ärgern müssen! Es war um die Mittagszeit und sie trug dem Schweinchen Paschik gerade Stampfkartoffeln mit Milch in den Stall. Sie stieß den Riegel zurück, öffnete das Türchen und beobachtete Paschik eine Weile. Dann sagte sie:»paschik, Paschik, du gefällst mir nicht! Wirst kein bisschen dicker, bleibst dürr wie ein Zaunstecken. Woran liegt das bloß?«und nun stellt euch das bitte vor! Das Schweinchen Paschik wischt sich mit der Vorderpfote den Rüssel, blinzelt Großmutter aus sei-

nen Schweinsäuglein pfiffig an und auf einmal sagt es:»nun ja, Großmutter, wie mir Mikesch erzählt hat, ist doch jetzt Schlanksein die große Mode!«Schusters Großmutter blieb eine Zeit lang wie betäubt stehen. Aber dann stellte sie den Topf mit den Stampfkartoffeln energisch auf den Boden nieder, stemmte die Hände in die Hüften und rief aus:»herr des Himmels!! Da hört aber doch alles auf! Du bist mir ein schönes Tier! Sind wir ein Zirkus oder ein ordentliches Hauswesen? Nicht genug, dass wir einen Kater haben, der sprechen kann wie ein Hanswurst jetzt bringt dieser Pepik auch noch dem Schweinchen das Reden bei!«großmutter war ernstlich böse. So eine Geschichte!»Ich würde ja gar nichts sagen, wenn ihr euch miteinander unterhaltet, von mir aus auf Türkisch oder auch in der Mohrensprache«, schimpfte sie.»aber dass dir der Mikesch so einen Unsinn einredet, das geht zu weit! Da hast du dein Fressen Und jetzt geh ich zum alten Gemeindehirten, dem muss ich das gleich erzählen!«großmutter verriegelte den Stall und lief hinaus auf den Hügel, wo in seinem hölzernen Häuschen der alte Gemeindehirt wohnte. Jetzt stand er gerade beim Zaun und striegelte seinem Ziegenbock 11

Bobesch den langen Spitzbart. Das schien Bobesch zu zwicken, denn er meckerte immer wieder zornig auf. Großmutter wünschte dem Hirten einen schönen guten Tag und fing gleich an ihm vorzujammern, was für Qualen sie mit ihrem Pepik auszustehen habe:»zuerst hat er dem Kater Mikesch beigebracht in der Menschensprache zu reden, und nun auch noch dem Schweinchen Paschik! Wenn er doch lieber das Einmaleins ordentlich gelernt hätte!ja, ja«, brummte der alte Gemeindehirt.»Im ganzen Dorf erzählt man sich schon, dass Euer Pepik das Siebener-Einmaleins nicht kann!das mit dem Kater hätte ich ihm noch durchgehen lassen«, fuhr Großmutter fort.»mögen sich die beiden getrost auf dem Ofen Geschichten erzählen! In dieser Zeit treibt Pepik wenigstens keine Dummheiten mit den anderen Jungen. Aber die Sache mit Paschik, Gevatter, die ärgert mich!«der Gemeindehirt machte ein finsteres Gesicht. Er stützte das Kinn in die Hand und dachte ein Weilchen nach. Dann sagte er streng:»ist Euch Paschik etwa frech gekommen, Großmutter?Das nicht gerade«, erwiderte Großmutter.»Aber guten Tag dürfte er ruhig sagen, wenn er schon sprechen kann. Doch nein, dafür kann er ja nichts, wenn es ihn niemand gelehrt hat. Aber stellt Euch vor: Mikesch hat dem Paschik eingeredet, er soll nicht dick werden, weil Schlanksein jetzt Mode sei. Sagt selbst, Gevatter: Was hab ich davon, dass Paschik sprechen kann, wenn er mir dabei mager bleibt? Ratet mir, was ich tun soll!«der Gemeindehirt kratzte sich eine Weile am Kinn und dann kraulte er eine Weile den Ziegenbock Bobesch hinter den Ohren. Schließlich meinte er bedächtig:»zunächst, liebe Großmutter, würde ich mir den Mikesch ordentlich ins Gebet nehmen. Er soll den Paschik ja nicht mehr zu solchen Dummheiten anstiften, sonst wird er davongejagt. Und danach würde ich dem Pepik verbieten, noch weitere Haustiere in der Menschensprache zu unterrichten. Er soll lieber seine Recht- 12

schreibregeln und das Einmaleins ordentlich lernen! Im Übrigen will ich Euch nicht erzürnen, Großmutter, aber ich finde, dass es gar nicht schlecht wäre, wenn die Tiere reden könnten. Wenn ich von den Bauern geholt werde, um nach ihrem kranken Vieh zu sehen, tut es mir jedes Mal von Herzen Leid. Die armen Viecher können einem nicht sagen, wo es sie schmerzt und sticht, sondern einen nur schweigend mit traurigen Augen anschauen. Wie froh wäre ich, wenn mir solch eine kranke Kuh gleich an der Stalltür sagen könnte: Schön willkommen, Gevatter Hirt, wie gut, dass Sie da sind! Ich fühle mich gar nicht wohl in meiner Haut. Schon seit Tagen schmeckt mir das Essen nicht mehr, ich bin am ganzen Leib wie gerädert. Auch habe ich Magenschmerzen und Kopfweh! Ja, Großmutter, wenn das so wäre, wüsste ich auf der Stelle, wie ich diese Kuh zu behandeln hätte, und brauchte nicht lang herumzurätseln.da habt Ihr auch wieder Recht«, sagte Großmutter.»Mich hat es auch immer bedrückt, dass ich nicht gewusst hab, was unserm Paschik fehlt, wenn er mal nicht gefressen hat. Aber jetzt frag ich ihn einfach danach und er sagt mir Bescheid Also, schönen Dank, Gevatter Hirt! Jetzt gehe ich gleich zu Paschik und frage ihn, wie ihm das Mittagessen geschmeckt hat und worauf er noch Appetit hätte. Lebt wohl, Gevatter Hirt, mitsamt Eurem Ziegenbock Bobesch!«13

Großmutter lief rasch nach Hause, und sie nahm es nicht weiter krumm, als sie sah, dass Mikesch gerade bei Paschik zu Besuch war und eifrig auf ihn einredete. Als er sie erblickte, wollte er rasch verschwinden, aber Großmutter winkte ihm freundlich zu, er möge bleiben. Paschik begrüßte sie höflich mit einem»schön willkommen, Großmutter!«Dabei blinzelte er zu Mikesch hinüber, wie um zu fragen, ob er seine Sache gut gemacht habe.»also, erzählt euch was Gescheites«, sagte Großmutter.»Aber dass du mir unsern Paschik nie wieder zu solchem Unsinn anstiftest, Mikesch, das sag ich dir! Und du, Paschik, friss ordentlich, damit ich zufrieden sein kann mit dir! Brauchst mir nur zu sagen, was dir schmeckt, ich werde dir s gerne geben. Und wenn nachts mal ein Dieb kommt und dich stehlen will, dann schrei kräftig um Hilfe! Da wird er sicher gleich ausreißen, der Halunke, weil er denkt, dass am Stall ein Mensch ist!«als Großmutter gegangen war, sagte Mikesch zu Paschik:»Ich bin froh, dass die Sache so gut abgelaufen ist! Ich hab ganz schön Angst gehabt, dass es der Pepik wegen mir mit dem Besen kriegt, weil doch ich es bin, der dir die Menschensprache beigebracht hat. Was meinst du, wie froh ich bin, dass wir zwei nun ein bisschen miteinander schwatzen können, wenn Pepik in der Schule ist. Früher konnten wir uns nicht mal guten Morgen sagen! Nur eines, Paschik: Sei höflich zur Großmutter, widersprich ihr nie und friss immer schön alles auf, was sie dir vorsetzt! Dann wird sie zufrieden sein und bestimmt nichts dagegen haben, wenn wir Freundschaft halten. So, und nun muss ich in die Scheune und nachsehen, dass die Mäuse dort keinen Unfug treiben!«14