Interkulturelle Konfliktvermittlung/ Mediation im Fußball Schiri, wir wissen wo dein Auto steht

Ähnliche Dokumente
Gewaltprävention und Konfliktmanagement im Fußball

DEUTSCHER PRÄVENTIONSTAG

Spieler streckt Schiedsrichter mit Kopfstoß nieder

Fallbeispiel 2 BASISWISSEN GRUNDLAGEN DER MANNSCHAFTSFÜHRUNG INTEGRATION. Gibt es für den Trainer eine andere Lösungsmöglichkeit?

Umgang mit Gewalt. Wilfried Wilkens

Spieler streckt Schiedsrichter mit Kopfstoß nieder. Spieler streckt Schiedsrichter mit Kopfstoß nieder

SGM Uhingen. Leitbild

aus Heft 13/2013 Sport 2 Kommentare

Ergebnisprotokoll Workshop "NEIN! zu Diskriminierung und Gewalt" B-Junioren Spvgg. Blau-Weiß Gießen

Fair-Play Liga der F-Junioren. GFT- Oberbayern Christoph Heckl

Die nachstehenden Fragen und Antworten wurden der DFB-SR-Zeitung Nr. 6/2016 entnommen.

Prof. Dr. Gunter A. Pilz. Bedeutung der Fußballerfahrung und Erfolgsorientierung

Angelika Ribler. Sport und Flüchtlinge

LEITBILD FC Rorschach-Goldach 17

Gewaltprävention in der Pflege. Interprofessioneller Pflegekongress Dresden, April 2014

Konzept/Leitbild Abteilung Junioren

Schiedsrichter Pflichtsitzung Regeländerungen

FASZINATION FUSSBALL SPONSORINGKONZEPT

Die nachstehenden Fragen und Antworten wurden der DFB-SR-Zeitung Nr. 1/2017 entnommen.

Kreisschiedsrichterausschuß Kreis 28 Siegen-Wittgenstein Kader-A-SR Februar 2017 Regelbogen zur Fort- und Weiterbildung.

Sportgemeinschaft Orlen 1949 e.v. Abteilung Jugendfußball Das Wertesystem der Jugendarbeit

Konzept Gewaltprävention. Umgang mit Gewalt in der Gemeinschaftsschule Harksheide

Sport und Flüchtlinge. Angelika Ribler

TSV Großsteinberg e.v. TSV Großsteinberg e.v.

Gewalt und Gewaltprävention im Amateurfußball. Prof. Dr. Gunter A. Pilz

Jugendkonzept der SG Endingen

Jugendkonzept und Leitlinien für den Jugendfußball des SV Steinbach

Konfliktmanagement in öffentlichen Organisationen

Regel 3 - Spieler Betreten und Verlassen des Spielfeldes

Rechtsextremismus im Sport

Handballkreis Industrie e.v.

VIELFALT ALS NORMALITÄT

Gewaltprävention. Bernhard Gutowski DFB-Schiedsrichter-Kompetenzteam

LEITBILD FC Rorschach-Goldach 17

Leitbild und Verhaltenskodex des FSV Dippoldiswalde

Facetten der Gewalt im Sport Wie auf Gewalt zu reagieren ist

Vereinskodex Jugendfußball TSV Lengfeld

Strafordnung (Stand 07/2018)

Organisation gegen Gewalt an Menschen mit Behinderung

Prävention und Nachhaltigkeit in Schule. von. Helmolt Rademacher Christian Wild

Der Auswechselspieler. in Wort und Bild

Regeländerungen 2017

Ansätze Zielsetzungen Durchführung und Ressourcen Modellprojekt im Fußball

stratos I N S T I T U T K O N F L I K T M A N A G E M E N T W I R T S C H A F T S M E D I A T I O N T E A M E N T W I C K L U N G

Konzept für den Junioren-Fußball in Frankenhardt

Schulung am Bernd Domurat - DFB-Kompetenzteam

LEITBILD Fussball in der Region

Sponsorenmappe DJK Germania Hoisten. Mai 2015

HERZLICH WILLKOMMEN. Bezirksveranstaltung am in Musterheim. FAIRPLAY-Liga in der G- und F-Jugend

Vorlesung Sportrecht

Verhaltensregeln für Trainer und Eltern

SR-Jahreshauptversammlung

Nachhaltige Konzepte zur Gewaltprävention in Schule

Schweigen schützt die Falschen Prävention und Intervention sexualisierter Gewalt im Sport

Durchführungsbestimmungen Fai- Play Liga Kreis Büdingen für G und F Junioren Saison 2015/2016

Freizeit und Kriminalität bei Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund

Konfliktvermittlung im Stadtteil St. Georg Mediation im Sozialraum. Katty Nöllenburg

DFB-Qualifizierungsbausteine

Inhaltsverzeichnis. Vorwort

Gewaltpräventive Schulentwicklung zahlt sich aus! Helmolt Rademacher

Vorstellung von Qualifizierungsmöglichkeiten

Inklusion. im Landessportbund Hessen e.v. William Sonnenberg Referent für Sport & Inklusion

Der Sonderbericht. Leistungsgruppe VT Frankenthal,

GEWALT GEHÖRT INS ABSEITS ERARBEITUNG EINES EHRENKODEX

Elektronischer Spielbericht im Jugendbereich. Schulung / Infoveranstaltung Kreis(jugend)-Administratoren. Frankfurt / Grünberg im Juli / August 2012

Die nachstehenden Fragen und Antworten wurden der DFB-SR-Zeitung Nr. 4/2016 entnommen.

Integrationskonzept. TuS Bad Arolsen 1919 e.v.

SV Rheidt 1926 e.v. Bewerbung um einen Zuschuss im Rahmen des Programmes der Kreissparkasse Köln WIR FÜR DIE REGION.

Die nachstehenden Fragen und Antworten wurden der DFB-SR-Zeitung Nr. 3/2017 entnommen.

1418Coach. Sportamtes

Trainingshallen befinden sich an der Schule. An Schulen verbringen die Kinder die meiste Zeit des Tages (zunehmend in Ganztagsschulen).

Vertreter: Dipl.- Psych. Siegrun Hainke Psychologische Psychotherapeutin

SV Petershausen. Gesamtkonzept der Abteilung Fußball

Verhaltenskodex für Jugendtrainer und -betreuer

Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen e.v.

FUSSBALL. Ich bin gut! Wir sind besser! WIESO FUSSBALL?

Treten. direkter Freistoß bzw. Strafstoß

Beratungsstelle Brennessel Hilfe gegen sexuellen Missbrauch. Jahresstatistik 2016

Gesundheit. Fortbildungsangebote für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

2007/2008 : Fit für die neue Serie?

Anforderungen an ein modernes Gesundheitsmanagement im öffentlichen Dienst

Wettspielverschiebungen

JSV Ettringen Grund-und Leitsätze des Vereins Ettringen im April 2015

Kinder- und Jugendfußballstiftung Jena

SV Petershausen. Gesamtkonzept der Abteilung Fußball

VERBAND UND VEREINE - PRO AMATEURFUSSBALL

Verhaltenskodex für Nachwuchsleistungssportler der

Intervention ist wichtig, Prävention noch besser! Sexueller Gewalt in der Sportjugend Bayern vorbeugen

Sicherheit auf den Sportanlagen und in den Fußballstadien Schulungs- und Informationsabend für Vereinsvertreter in den Bezirken des SBFV

FUSSBALL GRENZENLOS Die Integration von Geflüchteten als Mittel der Präventionsarbeit

2 In der 1. Halbzeit wird das Spiel für drei Minuten wegen einer Verletzung unterbrochen. Wann muss diese Zeit nachgespielt werden?

Änderungen der IFAB Spielregeln 2017/18 Regel 3 Spieler außerhalb des Spielfeldes Erzielen eines Tores mit zusätzlichen Personen auf dem Spielfeld

Regeltest der Schiri-Gruppen bis Oktober Regelfragen Oktober 2017

Leitbild für den Jugendfußball der SpVg Möhnesee von 1921 e.v.

Schiedsrichtergruppe Jura Nord - Lehrteam

Basketball Bezirksfachverband Lüneburg e.v. (BBL) Bremer Basketball-Verband e.v. (BBV) Ordnungsstrafen-Katalog

Jugend gesund bewegen Voll aktiv im Sportverein

Erziehung, das Schlüsselwort? Warum gerade dieses Wort?

Transkript:

Interkulturelle Konfliktvermittlung/ Mediation im Fußball Schiri, wir wissen wo dein Auto steht

Projekt Interkulturelle Konfliktvermittlung/Mediation im Fußball Ausgangssituation: Im Ligabetrieb des Jugend- und Amateurfußballs kommt es zu gewaltförmigen Konflikten während oder nach Fußballspielen Beteiligte Spieler, Fußballtrainer und Schiedsrichter sind teilweise mit der Deeskalation der Situationen überfordert Die traditionelle Sportgerichtsbarkeit kann diese Konflikte nicht nachhaltig lösen

Ein Beispiel: Nach einem härteren Foul in der zweiten Halbzeit des Spiels FC Germania gegen FC Türkspor spricht der Schiedsrichter einen Feldverweis gegen einen Spieler von Türkspor aus. Zuschauer rufen lautstark Kommentare aufs Spielfeld. Die Mannschaft des bestraften Spielers protestiert, die deutschen Spieler hätten sie schon die ganze Zeit verbal hinter dem Rücken des Schiedsrichters mit Sprüchen wie Scheiß Kanaken, wenn das Spiel um ist, machen wir euch platt provoziert und bedroht. Außerdem pfeife der Schiri parteiisch für die deutsche Mannschaft. Die deutschen Spieler weisen die Beschuldigungen weit von sich und fühlen sich ebenfalls von Sprüchen wie Ihr seid doch alle Nazis beleidigt.

Nach immer heftiger werdenden Wortwechseln, bei der auch der Schiedsrichter mit der Drohung Schiri, wir wissen wo dein Auto steht!, bedacht und körperlich bedroht wird, bricht dieser das Spiel ab. Zuschauer, Eltern, Trainer und Betreuer stürmen auf das Spielfeld. Es entwickelt sich eine Massenschlägerei, die erst durch die hinzu gerufene Polizei beendet werden kann. Am nächsten Tag lautet die Schlagzeile in der regionalen Tagespresse: Massenschlägerei, Verfolgungsjagden, Morddrohungen Fußball unter Polizeischutz

Projekt Interkulturelle Konfliktvermittlung/Mediation im Fußball 1998: Start des Projektes mit dem Ziel, im HFV und in seinen Vereinen ein konstruktives Konfliktmanagement zu entwickeln und zu verankern Zielgruppen: alle im Fußballsystem agierenden Personen: Trainer, Schiedsrichter, Vereinsführungskräfte, Spieler, Eltern,...

Stichworte zum Konzept Konflikte sind etwas Normales, Alltägliches auch im Sport Ungelöste Konflikte können die Beteiligten sowie den den Wirt (z.b. den Verein oder den Verband) schädigen Sie zeigen an, dass etwas nicht stimmt und ermöglichen Veränderungen (der Nutzen von Konflikten) Problem: unprofessioneller Umgang mit Konflikten, wenig Wissen über die Eskalation/Deeskalation sowie den Nutzen von Konflikten. Jeder kennt Konflikte und meint sie selbst lösen zu können. Systemische Herangehensweise: setzt nicht nur an Einzelpersonen an, sondern versucht Strukturveränderungen im Fußballsystem zu initiieren - Kontextsteuerung (nach Wilke 1987)

Das Interkulturelle am Fußball. Im Fußball sind, im Gegensatz zu den meisten anderen Sportarten, überproportional viele (männliche) Personen mit Migrationshintergrund organisiert. In Hessen sind dies 38 % der aktiven Spieler Es haben sich in den alten Bundesländern selbst organisierte Migrantenfußballvereine gebildet. In Hessen ca. 130 (= 5%) Diese Situation wird von vielen deutschen Fußballvertretern als Problem bewertet ( Segregation, Parallelgesellschaften, ) Es kommt zu Ressourcenkonflikten, z.b. um Sportplätze Es kommt zu gegenseitigen ethnisierenden Zuschreibungen, die sich in Konflikten verdichten Am Wochenende spielen dann nicht mehr die regionalen Vereine X gegen Y, sondern Deutschland gegen die Türkei Fußball wirkt wie ein Mikrokosmos, er eignet sich zur symbolischen Austragung von gesellschaftlichen Konflikten (nach KLEIN/KOTHY/CABADAG 2000)

Sport/Fußball als Gewaltprävention?! Im Sport hat Prävention eine Inflation erfahren und bezieht sich auf drei Bereiche: Gewalt-, Gesundheits- und Suchtprävention Er wird oft unpräzise verwendet als Vorbeugung UND Behandlung Sport werden generalpräventive Funktionen zugeschrieben (Otto Schily: Sport ist die beste Schutzimpfung gegen Gewalt ) Auf der anderen Seite wird Sport, insbesondere Fußball angeklagt selbst Gewalt zu erzeugen oder zumindest zu verstärken Projekt: Gewaltprävention = vorbeugende Maßnahmen, die sich einerseits an die im System agierenden Personen richten, andererseits an den strukturellen Konfliktpotenzialen ansetzen

Projekt Interkulturelle Konfliktvermittlung/Mediation im Fußball Ausdifferenzierung von drei Projektbereichen: A) Gewaltprävention B) Konfliktbearbeitung C) Organisationsinternes Konfliktmanagement

A) Gewaltprävention Qualifizierung von Funktionsträgern Teamleiter Trainer Vereinsführungskräfte Schiedsrichter Qualifizierung nichtlizenzierter Trainer Kurs Der Trainer als Coach Kurse für Mannschaften Teamentwicklungs- Trainings (A- und B- Junioren) Konflikt -Trainings (A- und B- Junioren) Fairness - Trainings (C- bis F- Junioren)

B) Konfliktbearbeitung Mediationen (...) Mediation zwischen Vereinen Soziale Trainings mit Jugendmannschaften Runder Tisch gegen Antisemitismus Elternabende Aufarbeitung von Gewalterfahrungen Hearings mit ethnischen Vereinen Vereins-Coaching Rechtswesen Strafreduktion oder Einstellung von Strafverfahren durch Teilnahme an einem vom HFV anerkannten Konfliktlösungsverfahren ( 8 der Rechts- und Verfahrensordnung)

C) Organisationsinternes Konfliktmanagement Qualifizierung Ausbildung von 40 systeminternen Fußballmediator/innen (+ 3 Handballmediatoren) Fortbildung von hauptberuflichen Mitarbeiter/innen des HFV und des Sportamtes Frankfurt/M. Interkulturelle/Interreligiöse Arbeit Umsetzung Interkultureller Qualitätsstandards Installation und Begleitung des AK Interkulturell im HFV (ethnische Vereine) Aktivitäten gegen Antisemitismus

Ergebnisse aus der Analyse von 3218 Sportgerichtsurteilen (nach PILZ 2000) Im Fokus: Konflikte, Altersverteilung, Täter/Funktion, Opfer/Funktion, Täter/Herkunft/Vereinszugehörigkeit, Täter/Herkunft/Strafmaß Die Konflikte sind im Untersuchungszeitraum 2001 bis 2004 um 20% gestiegen Im Seniorenbereich kommt es im Verhältnis zum Jugendbereich 6,3 x so häufig zu Konflikten 20% aller Täter sind Trainer Projektstudien

Täter aus Migrantenfußballvereinen werden überproportional häufig verurteilt Verschiedene Interpretationen Strukturelle Schwierigkeiten in den Migrantenfußballvereinen, kaum Lizenz- Trainer, schlecht geführt, wenig Disziplin, schlechtes Regelwissen Migrantensportvereine werden stärker/öfter provoziert Täter aus Migrantenfußballvereinen werden bereits vom Schiedsrichter eher erfasst und im Spielberichtsbogen vermerkt Täter aus Migrantenfußballvereinen begehen häufiger Delikte

Täter mit Migrationshintergrund werden zwar nicht öfter, aber im Bereich der hohen Strafen überproportional hart bestraft Mögliche Interpretationen Die Täter mit Migrationshintergrund begehen härtere Delikte, schwerere Tätlichkeiten und werden deshalb härter bestraft Die Täter werden aufgrund ihrer anderen Herkunft härter bestraft (pädagogische Maßnahme, Anpassungsaufforderung, )

Nähere Informationen im neu erschienenen Handbuch Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! 132 Seiten, 8.- bestellbar unter info@sportjugend -hessen.de