K R Ä U T E R & R E Z E P T E Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums: Hier investiert Europa in die ländlichen Gebiete Kulturpakt Gleisdorf 1
Vorwort Liebe Leserin! Lieber Leser! Der Inhalt dieses Büchleins wurde gemeinsam mit Bewohnerinnen des Bezirkspflegeheim Gleisdorf erarbeitet. Meine Kernfrage war: Mit welchen Mitteln hat man sich früher, damals, seinerzeit, dereinst oder eben in den Tagen vor einer flächendeckenden medizinischen Versorgung geholfen? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Wissen über die Heilkraft von Pflanzen mehr und mehr verloren geht. Selbst viele 80-, 90-Jährige wissen heute nur mehr wenig über Kräuter und deren stärkende, schmerzlindernde, entzündungshemmende oder allgemein kurierende Wirkung. So wurde meine oben angeführte Frage ironischerweise nicht selten beantwortet mit: Wie wir uns geholfen haben? Wir sind zum Arzt gegangen Ein paar wenige Naturverbundene aber habe ich im Bezirkspflegeheim Gleisdorf dann doch kennen lernen dürfen. Von diesen fünf Damen stammen die unter den Grafiken angeführten Zitate. Die pink abgedruckten Rezepte und Hinweise habe ich zwei meiner persönlichen Schätze der Literatur, nämlich dem Kräuterbüchlein von Pfarrer Johann Künzle, erschienen 1912, und der Kneipp-Blätter -Sammlung aus dem Jahre 1898 entnommen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Entdecken bzw. Genießen der Natur! Anna Maria Tauser-Fürpaß Diese Broschüre ist ein Produkt des Kulturpakts Gleisdorf, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, wertvolles Wissen aus früheren Tagen zu bewahren und an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben.
Wer in den Wald geht um Brombeeren zu sammeln, von den wilden, süßen Früchten kostet und die gute Luft in sich aufnimmt, der wird spüren wie tief, wie ungestüm und wie brennend die Freude am Leben sein kann. Sie zeichnet uns rote Wangen und ein Lächeln ins Gesicht. Anna Maria Tauser-Fürpaß
Inhaltsverzeichnis Arnika Föhren Echte Kamille Gemeiner Beifuß Große Brennnessel Heublumen Meerrettich Salbei Schafgarbe Schwarzer Holunder Linde Spitzwegerich Tüpfeljohanniskraut 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30
Mei Muatta håt sich beim Sensenwetzen in die Hånd einigschnitten. Då håt sie einfach an Arnikaschnåps drübergschüttet, an Fetzen drumherumgwickelt und weitergearbeitet. 6
Arnika Arnica Montana (Bergwohlverleih, Fallkraut, Johannisblume, Schnupftabaksblume, Stichwurzel, Kraftrose) Gesammelt werden die Blüten von Juni bis August, die Blätter im Mai und die Wurzel im März, April und September. Die Arnika ist schwach giftig, weshalb von der Einnahme abgeraten wird. Außerdem steht sie unter Naturschutz. Für die äußerliche Anwendung ist sie jedoch hervorragend geeignet. Anwendung: Wunden, Prellungen, Verstauchungen, Blutergüsse, rheumatische Beschwerden, Insektenstiche. Arnika-Schnaps: Arnikablüten werden in Schnaps angesetzt, 10 Tage an die Sonne oder sonst an die Wärme gestellt, dann durchgeseiht. Bei offenen Wunden muss diese Tinktur so mit Wasser verdünnt werden, dass man drei Ess-löffel voll auf 1 Liter Wasser nimmt. Bei Verstauchungen kann man sie unverdünnt nehmen. 7
Früher sagte man, wenn einer eine eiternde oder schlecht heilende Wunde hatte: Leg dir doch a wüds Pech auf! 8
Föhren- und Lärchenpech Des wüde Pech Man erhitzte es, bis es flüssig war, und strich es dann auf die Wunde. Es hat eine ziehende Wirkung. Anwendung: Geschwülste, Gichtknoten, Zugsalbe, auf Wunden wirkt sie heilend. Pechsalbe: Bienenwachs Olivenöl Harz Schweineschmalz Alles zu gleichen Teilen nach einander erhitzen und alles miteinander vermischen noch heiß mit einem Löffel abschöpfen und in Salbentiegel füllen. Bis zum Erkalten offen stehen lassen und dann verschließen. 9
Früher hat man Entzündungen zum Beispiel im Ohr warm behandelt. Hierfür nahm man ein Leinensäckchen voll Kamillenblüten und erwärmte es. Das Sackerl wurde dann auf das wehe Ohr gelegt. 10
Echte Kamille (Mutterkraut, Maria-Magdalena-Kraut, Kummerblume) Die Echte Kamille erkennt man daran, dass der Köpfchenboden der Blüte hohl ist. Gesammelt werden die Blüten von Mai bis August. Die Pflanze hat antibakterielle Wirkstoffe, die experimentell nachgewiesen wurden (s. Bisett & Wichtl). Anwendung: Krämpfe aller Art, Magenschleimhautentzündung, Magengeschwür, Blähung, Entzündungen, Halsschmerzen, Hauterkrankungen, Zahnfleischbluten, Frauenleiden. Kamillentee: 1 Teelöffel des getrockneten Krautes mit einem viertel Liter kochendem Wasser übergießen und für ca. 10 Minuten zugedeckt ziehen lassen. Abseihen und nach Wunsch mit Honig süßen. 11
Für einen Tee tauchte man den Wilden Wermut einfach kurz ins kochende Wasser. Das hat gereicht, denn sonst wär der Tee viel zu bitter geworden. 12
Gemeiner Beifuß (Weiberkraut, Wilder Wermut, Besenkraut, Sonnenwirbel, Johannisgürtel) Gesammelt wird das Kraut von März bis April. Die blühenden Zweigspitzen von Juli bis August. Die Wurzel von September bis Oktober. Pollenallergikern und Schwangeren ist von der Anwendung abzuraten. Anwendung: Appetitlosigkeit, Verdauungsstörung, Zahnweh, Gallenleiden, Menstruationsstörungen, Fieber, Würmer, Insekten, müde Beine. Beifußöl für müde Beine: Eine Handvoll des getrockneten Krautes wird mit einem halben Liter Olivenöl übergossen und für 3 Wochen an einen warmen Platz gestellt. Abseihen und in dunkle Fläschchen abfüllen. 13
Für den Spinat nahm man entweder junge Brennnesselblätter, gemischt mit Spinatblättern, oder auch nur Brennnesselblätter allein. Getrocknet und im Mörser zerrieben streute man die Brennnessel auch über Suppen und andere Gerichte. 14
Große Brennnessel (Hanfnessel, Haarnessel, Tausendnessel) Die jungen Blätter und Triebe können das ganze Jahr über ab März gesammelt werden. Die Samen von Juli bis Oktober und die Wurzeln von September bis Oktober. Anwendung: Rheumatische Beschwerden, Blasenentzündung, Prostatabeschwerden, Magen-Darm-Leiden, Hauterkrankungen, Blutarmut, für die Blutreinigung, Potenzsteigerung, Haarausfall. Brennnesseltee: 1 Teelöffel des getrockneten Krautes wird mit einem viertel Liter kochendem Wasser übergossen und für 10 Minuten zugedeckt stehen gelassen. Abseihen und nach Wunsch mit Honig süßen. 15
Das Leinensackerl wurde mit Heublumen gefüllt, im heißen Wasser warm gemacht und auf eitrige oder schlecht heilende Wunden gelegt. Heublumen galten als ziehend, was bedeutet, dass sie Eiter und schlechte Säfte aus der Wunde ziehen sollten. 16
Heublumen (Heunisln) Mit dem Namen Heublume meint man nicht eine bestimmte Pflanzenart, sondern die auf dem Heuboden durch das trockene Heu hindurchgefallenen Bestandteile vieler verschiedener Pflanzenarten wie zum Beispiel Löwenzahn, Schafgarbe und Spitzwegerich. Fertige Heublumensäckchen bekommt man in der Apotheke. Anwendung: Rheumatismus, Gelenkleiden, Verstauchung, krampfhafte Schmerzen, Frostbeulen. Heublumenbad: Heublumensäckchen im nicht zu heißen Badewasser ziehen lassen. 20 Minuten baden und dann nachruhen. 17
Wenn daheim jemand Fieber hatte, schnitt meine Mutter den Kren in Scheiben und fädelte diese auf einen Faden auf. Diese Kette musste der Kranke dann um den Hals oder an Armen und Füßen tragen. 18
Meerrettich (Kren) Gesammelt wird die Wurzel von Juli bis August. Sie wird frisch verwendet. Meerrettich weist einen hohen Anteil ätherischer Öle auf und wird seit Jahrhunderten als natürliches Antibiotikum geschätzt. Bei Magen-, Darmgeschwüren, Nierenerkrankungen und in der Schwangerschaft ist Vorsicht geboten. Anwendung: Blutarmut, Husten, Heiserkeit, Bronchitis, Appetitlosigkeit, Blähungen, Gicht, rheumatische Beschwerden, Frostbeulen, Skorbut, Harnwegsinfekte. Meerrettich-Zwiebel-Honig: Frisch geriebener Meerrettich wird mit Zwiebelsaft und Honig versetzt. Bei Husten kann man von dieser Mischung alle 2 bis 3 Stunden einen Teelöffel voll einnehmen. 19
Unsere Nachbarin hatte immer so schöne Zähne. Wir fragten sie, wie sie das mache. Da meinte sie, dass sie jeden Tag frische Salbeiblätter kaut und ihre Zähne deswegen so gesund und schön sind. 20
Salbei (Gartensalbei, Edelsalbei, Rauchsalbei) Gesammelt werden die Blätter vor der Blüte und die blühende Sprossspitzen von Mai bis Juli. Das in seinen Blättern enthaltene, stark duftende ätherische Öl ist zum Teil an seiner desinfizierenden Wirkung beteiligt. Anwendung: Halsschmerzen, Entzündungen im Hals- und Rachenraum, Blähungen, Durchfall, Diabetes, Nachtschweiß, Hautkrankheiten, übermäßiges Schwitzen. Salbeitee: 1 Teelöffel des getrockneten Krautes wird mit einem viertel Liter kochendem Wasser übergossen und für 10 Minuten zugedeckt ziehen gelassen. Abseihen und nach Wunsch mit Honig süßen. 21
Als Kinder bekamen wir oft schulfrei, um Unmengen an Schafgarbe zu pflücken. Diese wurden dann auf einem Leiterwagen zu einer Sammelstelle gebracht und getrocknet. Dann wurden sie an die Front geschickt, um daraus Wundheilmittel zu machen. 22
Schafgarbe (Schafrippen, Tausendblatt, Bauchwehkraut, Blutstillkraut, Blutkraut) Gesammelt werden die jungen Blätter von April bis Juni, die Blüten und blühenden Triebspitzen von Juni bis August. Manche Menschen reagieren auf den frischen Pflanzensaft allergisch. Anwendung: Bauchweh, Magen-Darm-Störungen, Blähungen, Leber- und Gallenleiden, Appetitlosigkeit, Menstruationsstörungen, blutende Wunden, Zahnfleischbluten, Weißfluss, Hauterkrankungen, krampfartige Verspannungen der weiblichen Geschlechtsorgane. Schafgarbentee: 1 Teelöffel des getrockneten Krautes wird mit einem viertel Liter kochendem Wasser übergossen und für 10 Minuten zugedeckt stehen gelassen. Abseihen und nach Wunsch mit Honig süßen. 23
Mein Vater hat immer gesagt, dass man vor dem Holler den Hut ziehen soll. 24
Schwarzer Holunder (Holler, Flieder, Holder) Gesammelt werden die Blütendolden bei trockenem Wetter von Juni bis Juli und die voll ausgereiften Beeren von September bis Oktober. Vorsicht ist geboten bei unreifen und rohen Holunderbeeren sowie bei zu hoher Dosierung, da es zu Übelkeit, Magenschmerzen und Brechreiz kommen kann. Anwendung: Fieber, Erkältung, zur Blutreinigung, rheumatische Beschwerden, neuralgische Schmerzen, Appetitlosigkeit. Holundertee: 1 Teelöffel des getrockneten Krautes wird mit einem viertel Liter kochendem Wasser übergossen und für 10 Minuten zugedeckt ziehen gelassen. Abseihen und nach Wunsch mit Honig süßen. 25
Bei Fieber und Erkältung wurde ein Tee aus den Lindenblüten gekocht und heiß getrunken. Der Kranke wurde bis zum Hals schön warm zugedeckt. Zusätzlich wurde ein großer runder Stein im Ofen erhitzt und in Tüchern eingeschlagen dem Kranken ins Bett gelegt. Diese Anwendung führte dann zum heilsamen Schwitzen. 26
Linde (Sommerlinde, Winterlinde, Großblättrige Linde) Gesammelt werden die Blüten von Mai bis Juni. Die Linde erreicht ein Alter von bis zu 1000 Jahren. In Großmutters Zeiten stellte man sich aus Lindenkohlenpulver und Salbeipulver ein vorzügliches Zahnputzmittel her. Anwendung: Erkältungskrankheiten, Husten, rheumatische Beschwerden, Krämpfe, Unruhe, Schlaflosigkeit. Lindenblütentee: 1 Teelöffel der getrockneten Blüten wird mit einem viertel Liter kochendem Wasser übergossen und für 10 Minuten zugedeckt ziehen gelassen. Abseihen und nach Wunsch mit Honig süßen. 27
Den Spitzwegerich haben wir als Kinder gleich von der Wiese weg gegessen! 28
Spitzwegerich (Heilwegerich, Wundwegerich, Lämmerzunge, Lungenblatt, Rippenkraut, Rossrippe) Gesammelt wird die junge ganze Pflanze vor der Blüte. Der Spitzwegerich wurde im Herbst 2013 mit Verweis auf die in ihm enthaltenen antibakteriellen und blutstillenden Wirkstoffe zur Arzneipflanze des Jahres 2014 gewählt. Anwendung: Husten, Bronchitis, Asthma, Entzündungen im Mund- und Rachenraum, Insektenstiche, zur Behandlung von kleinen Wunden, Augenentzündung, Verstopfung. Spitzwegerichfrischsaft: Die frischen Pflanzen werden mit ein wenig Wasser versetzt, zerquetscht und anschließend durch ein Leinentuch gepresst. Der Saft muss sofort verwendet werden oder mit Alkohol haltbar gemacht werden. 29
Das gute Johanniskraut erkennt man sofort an seinem Blut. Wenn du nämlich eine Blüte zwischen den Fingern zerreibst, kommt Blut, also ein roter Blütensaft hervor. 30
Tüpfeljohanniskraut (Tüpfelhartheu, Sonnenwendkraut, Blutkraut) Gesammelt werden die Blüten von Juni bis Juli und das ganze blühende Kraut von Juni bis August. Johanniskraut wirkt photosensibilisierend und erhöht die Lichtempfindlichkeit der Haut. Deswegen sollte man unmittelbar nach Gebrauch nicht in die direkte Sonne gehen, da die Gefahr, einen Sonnenbrand zu bekommen, erhöht ist. Anwendung: Depressive Verstimmungen, Nervosität, Angst, Schlaflosigkeit, Lungen- und Harnwegserkrankungen. Johanniskrautöl wird äußerlich bei Prellungen, Blutergüssen, Nervenschmerzen, rheumatischen Schmerzen und Verbrennungen verwendet. Johanniskrautöl: Nimm ein paar Handvoll Johannisblüten, zerquetsche sie, bis sie bluten, und lege sie in hochwertiges Olivenöl. Diese Mischung lässt du 10 Tage an der Sonne stehen, bis das Öl rot geworden ist. Nimm nun nochmals so viele Johannisblüten, zerquetsche sie wieder, lege sie wieder ins gleiche Öl ein und lasse dieses noch einmal 10 Tage stehen. Diesen Vorgang kannst du 3 bis 4 Mal wiederholen, bis das Öl dunkelrot geworden ist. 31
in Gleisdorf Stadtgemeinde Gleisdorf Kultur & Marketing Rathausplatz 1 8200 Gleisdorf Tel. (03112) 2601-0 gemeinde@gleisdorf.at Kulturpakt Gleisdorf Kulturpaktbeauftragte: Mag. (FH) Katharina Scheidl 8200 Gleisdorf Rathausplatz 1 Tel. (03112) 2601-430 Mobil (0664) 60 2601 430 katharina.scheidl@gleisdorf.at Impressum: Fotos: Helmut Rabel, Aktiv Fotogruppe Gleisdorf, Karin Pallier; Zeichnungen: Anna Maria Tauser-Fürpaß; Text: Anna Maria Tauser-Fürpaß Druck: Zimmermann Viel zu oft gehen wertvolles Wissen und alte Traditionen in der heutigen Zeit verloren. Der Kulturpakt Gleisdorf hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Kulturgut zu bewahren und an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Im Rahmen der Projektreihe Dialog ALT-JUNG bearbeiten Kinder des Städtischen Kindergartens und Bewohner des Bezirkspflegeheimes gemeinsam unterschiedliche Themen. Diesen Herbst ging es darum, das Fachwissen der Bewohner zu bewahren. Diese Broschüre ist ein Teil von insgesamt vier Broschüren zu den Themen LIEDGUT, SAGEN & GESCHICHTEN, KRÄUTER & REZEPTE und KÜCHENGEHEIMNISSE. Die Kinder des Kindergarten Sonnenstrahls werden sich mit den Ergebnissen beschäftigen und gemeinsam mit den Bewohnern des Pflegeheimes Teilprojekte wie das Singen der alten Weisen, das Kochen der alten Rezepte oder das Produzieren von Salben umsetzen. Weitere Informationen zu den Themen Kunst und Kultur finden Sie online unter www.gleisdorf.at/kunst-kultur. www.gleisdorf.at