Veränderung der soziologischen Bindung in Ackerwildkraut-Gesellschaften auf Sandböden

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Transkript:

Tuexenia6:25-36. Göttingen 1986 Veränderung der soziologischen Bindung in Ackerwildkraut-Gesellschaften auf Sandböden - Hans-Gerhard Kulp und Hermann Cordes - ZUSAMMENFASSUNG Beim Vergleich der Vegetationsaufnahmen von Wintergetreideäckern auf Sandböden des Bremer Raumes aus den Jahren 1950-52 und 1983 zeigt sich eine starke Veränderung in der Vegetationsstruktur. Aus rein pflanzensoziologischer Sicht hat sich das Aphano-Matricarietum auf Böden, die früher vom Teesdal'io-Arnoseridetum besiedelt waren, ausgebreitet. Bei der statischen Berechnung der soziologischen Bindung der häufigsten Arten untereinander zeigt sich jedoch, daß die Ackerwildkraut-Gesellschaften, die früher klar voneinander abgrenzbar waren, unter heutigen intensivierten Agrar-Produktionsmethoden so nicht mehr existieren. Auch die Zeigereigenschaften der Ackerwildkrautarten sind durch veränderte Konkurrenzverhältnisse bei langjährigem Herbizideinsatz z.t. nicht mehr gültig. Dies äußert sich im bevorzugten gemeinsamen Auftreten von Arten, die nach herkömmlichem Verständnis ökologisch gegensätzliche Ansprüche haben, wie z.b. Trocken- und Feuchtezeiger. ABSTRACT Comparison of vegetation samples from 1950-52 and 1983 of winter grain fields on sandy soils around Bremen showed a drastic change of the vegetation structure. The Teesdat'io-Arnoser'Cdetum has been displaced by the Aphano-Matr'Coar'Cetum on about 60% of the fields where it was found 30 years ago. By computing the sociological relation between the most common weed species, it was shown that the clearly definable weed communities from 1950-52 no longer exist, due to current intensive agricultural methods. The use of weed species as indicators for soil or humidity has also become doubtful because today many competitive relationships have been changed by the application of herbicides. The irregular use of various herbicides leads to disordered aggregation of species without constituting new societies. PROBLEMSTELLUNG Die Intensivierung der Landwirtschaft hat zu einer starken Verarmung und Uniformierung der Ackerwildkrautfluren geführt. Für den Nordwestdeutschen Raum haben dies MEISEL (1966), MEISEL & HÜBSCH MANN (1976), KUTZELNIGG (1984) und KULP & PREUSCHHOF (1985) nachgewiesen. Neben der rein quantitativen Verarmung in Form von geringeren Artenzahlen, Deckungsgraden und Stetigkeiten wird festgestellt, daß auch eine qualitative Verschiebung im Artenspektrum stattgefunden hat. Auf Sandböden breiten sich nährstoffliehende, neutrale Bodenreaktion bevorzugende und herbizidunempfindliche Arten aus und werden zu "Problemunkräutern". Seltener geworden sind dagegen säuretolerante und anspruchslose Arten. Dieser Veränderung der Stetigkeiten ökologischer Artengruppen liegt offensichtlich ein Wandel der Standortbedingungen und damit Konkurrenzverhältnisse auf den Äckern zugrunde. Ziel dieser Untersuchung ist es festzustellen, ob die durch traditionelle Bewirtschaftungsmethoden und andere Faktoren des Standortes geprägten Ackerwildkraut-Gesellschaften von früher, auf die sich die pflanzensoziologische Systematik bezieht, auch heute noch bei stark modernisierten Bearbeitungstechniken existieren und geeignet sind, Aussagen über die Standortverhältnisse zu machen. Die Analyse von Stetigkeitsveränderungen und ihrer Ursachen sowie die 25

Gefährdung von Ackerwildkrautarten auf Sandböden ist nicht Gegenstand dieser Veröffentlichung (siehe hierzu KULP & PREUSCHHOF 1985). METHODEN 1. V e g e t a t i o n s a u f n a h m e n Grundlage der Untersuchung sind 189 Vegetationsaufnahmen auf Wintergetreideäckern von Hermann KÜSEL aus den Jahren 1950-52 auf reinen bis lehmigen Sandböden aus dem Süden und Osten des Bremer Raumes. Aufgrund von KÜSELs genauer Angabe der jeweiligen Meßtischblatt-Koordinaten war es möglich, 1983 auf denselben bzw. benachbarten Feldern erneut die Ackerwildkrautvegetation zu kartieren (ebenfalls 189 Vegetationsaufnahmen) und damit im direkten Vergleich die Veränderungen der letzten 30 Jahre zu dokumentieren. 1950-52 wurden möglichst artenreiche, 2m2 große Flächen im Randbereich der Felder ausgewählt und nach der Methode von BRAUN-BLAN- QUET aufgenommen. 1983 wurde genauso verfahren; allerdings mußte die Aufnahmefläche auf 25m2 vergrößert werden, weil sich der Dekkungsgrad der Arten stark vermindert hatte und nur noch so annähernd alle Arten erfaßt werden konnten. Die Vegetationsaufnahmen zeigen kein repräsentatives Bild des jeweiligen Ackers, da versucht wurde, jedes Vorkommen einer Art (als mögliches Samenreservoir) zu erfassen. In der Mitte der Felder waren die Bestände in der Regel wesentlich artenärmer als im Randbereich. Die Aufnahmen wurden in Vegetationstabellen zusammengefaßt, und es wurde versucht, sie anhand der Kennarten Assoziationen zuzuordnen. 2. B e r e c h n u n g d e r s o z i o l o g i s c h e n B i n d u n g d e r A c k e r w i l d k r ä u t e r Um zu berechnen, welche Arten bevorzugt zusammen Vorkommen und welche sich meiden, wurde in beiden Datensätzen mit Hilfe des x2- Tests (YATES' Korrektur, MUELLER-DOMBOIS & ELLENBERG 1974) auf Basis der Präsenz errechnet, ob zwei Arten häufiger oder seltener zusammen auftreten als es nach der Zufallsverteilung zu erwarten wäre. Dabei wurden in beiden Untersuchungszeiträumen nur die jeweils 50 häufigsten Arten berücksichtigt (Stetigkeit > 5%, s. Tab. 2 ). Mit Hilfe der Großrechenanlage der Universität Bremen wurde für jedes Artenpaar (jeweils 1225 Paare) x2 berechnet und bestimmt, ob die Korrelation positiv oder negativ ist. Alle Korrelationen mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von < 5% wurden berücksichtigt; besonders hervorgehoben wurden solche mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von < 0,1%, die als gut gesichert gelten (KREEB 1983). Die signifikanten positiven Korrelationen zwischen den Arten wurden in Form eines Netzdiagramms (DE VRIES 1953) dargestellt, wobei die Arten so angeordnet sind, daß eventuell vorhandene Gruppen deutlich erkennbar werden (Abb. 2). Negative Korrelationen wurden in Form einer Tabelle dargestellt, in der die Arten nach den oben erwähnten Gruppen geordnet sind (Abb. 3). Innerhalb der Gruppen wurden die Zeigerwerte für Feuchte, Reaktion und Stickstoff nach ELLENBERG (1982) arithmetrisch gemittelt. ERGEBNISSE 1. V e r ä n d e r u n g i n d e r p f l a n z e n s o z i o - 1 o g i s c h e n B e w e r t u n g d e r V e g e t a t i o n s a u f n a h m e n Bei Zugrundelegung des pflanzensoziologischen Systems nach BRAUN- BLANQUET lassen sich die Vegetationsaufnahmen auf Sand und lehmi- 26

Artenzahl Abb. 1: Häufigkeitsverteilung der Artenzahlen pro Aufnahme. gern Sand mit Hilfe von Charakterarten zwei Assoziationen zuordnen: - dem Teesdalio-Arnoseridetum Tx. 1937 mit den Charakterarten Arnoseris minima und Anthoxanthum aristatum und - dem Aphano-Matricarietum Tx. 1937 mit den Charakterarten Matricaria chamomilla und Aphanes arvensis (Verbandskennart). Die Lammkrautflur siedelt auf humus-, nährstoff- und basenarmen, meist sauren Sandböden, während die Kamillen-Gesellschaft lehmigere, nährstoff- und basenreichere Böden anzeigt. Die Zuordnung der Vegetationsaufnahmen anhand der Charakterarten zu den beiden Assoziationen ergibt folgendes Bild: Tab. 1: Verteilung der Vegetationsaufnahmen auf Ackerwildkraut-Gesellschaften 1950-52 1983 Teesdalio-Arnoseridetum 37 17 Arnoseridetum/Matricarietum 18 2 Aphano-Ma tr i c ar i e tum 70 110 Kennartenlose Aperetalia-GesellSchaft 64 60 Die Kamillen-Gesellschaft hat sich also erheblich ausgebreitet und tritt auch in vielen Regionen des Untersuchungsgebietes auf, die früher nur von der Lammkrautflur besiedelt waren. Ein Teil der Aufnahmen ließ sich nicht zweifelsfrei einer Assoziation zuordnen und mußte als Mischform gesondert aufgeführt werden. Früher wie heute wiesen ca. 1/3 der Aufnahmen keine Charakterarten auf. Sie können als Fragment-Gesellschaft der Ordnung Aperetalia aufgeführt werden (MEISEL 1969). Die Vegetationsaufnahmen von 1983 sind sehr viel heterogener als vor 30 Jahren (siehe Abb. 1). Es gibt immer noch artenreiche Ackerflächen mit gut ausgebildeten Assoziationen, vor allem auf extentiv bewirtschafteten Äckern. Aber sehr viel größer als früher ist der Anteil der artenarmen, anscheinend intensiver genutzten Äcker. Die Ausbreitung der anspruchsvolleren Kamillen-Gesellschaft ist schon bezeichnend für die Veränderung der ökologischen Bedingungen auf den Äckern. Einer tiefergehenden Analyse mit Hilfe der pflanzensoziologischen Differenzierungsmöglichkeiten widersetzte sich jedoch das Aufnahmematerial von 1983, da eine Einteilung in Sub- 27

28

tdtdq.de U H td E fl) <D O H H - P Q.-H td O U ex. > O _J < Abb. 2a) b): Positive signifikante Korrelationen (nach dem X2-Test) zwischen den 50 häufigsten Arten auf Sandböden 1950-52 und 1983. Irrtumswahrscheinlichkeit < 5% --- ; < 0,1% ---- ^rh OCL 29

assoziationen, Varianten und Fazies nicht durchzuführen war. Des halb wurde eine andere Methode gewählt, um mit Hilfe der nachbar schaftlichen Beziehungen zwischen den Arten eine Aussage über die Veränderung der Standortbedingungen auf den Äckern zu machen. 2. S o z i o l o g i s c h e w i l d k r ä u t e r B i n d u n g d e r A c k e r 2.1. 1950-52 Die häufigsten Ackerwildkrautarten aus den Vegetationsaufnahmen 1950-52 weisen untereinander 120 signifikant positive (bevorzugtes gemeinsames Auftreten) und 169 negative Beziehungen (gegenseitiges Meiden) auf (Irrtumswahrscheinlichkeit 4 5%). Mit Hilfe dieser Be ziehungen lassen sich Artengruppen bilden, die untereinander viele positive Beziehungen und nach außen möglichst negative Beziehungen zeigen (s. Abb. 2a und 3a). Eine ökologische Charakterisierung der Gruppen fällt nicht leicht, ist aber zumindest ansatzweise mit Hilfe der gemittelten ELLENBERGschen Zeigerwerte für Feuchte, Bodenreaktion und Stickstoff (mf, mr, mn) möglich. Säure- und Magerzeiger (mf:4,4 mr:2,4 mn:4,2) gruppieren sich um Solevanthus annuus. Eine Untergruppe aus mehrjährigen Arten um Rumex aoetosella bildet den einen Pol, demgegenüber eine relativ sz sz c i r n r cu > ^ c <d co q. qj O -p D _C O O D. Q.JZ CU h E l l ) 4 J (d C C Ü - P C C d H H C O H C d r j H J ( D C d H (d 3 C O O O M rh (O C d -h o 0>4-> H rh D )O cu c x </) i i ; CO -H C O H H c M CT P a CU rr c d co cr-p c w 2 o ; > 2 ; n o a. i i C L h C L C 3 ü < í o. u c / i h- LU co 0 itach 4enth Ranún Vichi Match Juncb Gnaph Polpe Polhy Poaan Trire Plama Galsp Galte Agrgi Polto Chrse Sagin Tarax Equis Stell Polav Piala Polam Ceras Sonar Veron Myoso Elyre Aphan Capbp Cheno Erodm Polco Sperg Rapha Scler Centa Viola Disch Amos Antho Agrca Rumex Achil Holcm Leont Senvu Apera : o cu c o. i m n con 1o O E o oicd t C TO O M SZ 0 rh CD CL ro. sz Du.COo a c d c ) >..- 1 a. co cr u z u jtru CUO E -P =j c : ü o h o c > ( J f-i E sz 1 I O C ( : en z) o O CU CU ( c ec a: ce X _J CO C () () () I a)1950-52 30 Stachys palustris Mentha arvensis Ranunculus repens Vicia hirsuta Matricaria chamomilla Juncus bufonius Gnaphalium uliginosum Polygonum persicaria Polygonum hydropiper Poa annua Trifolium repens Plantago major Galeopsis speciosa Galeopsis tetrahit Agrostis gigantea Polygonum tomentosum Chrysanthemum segetum Sagina procumbens Taraxacum officinale Equisetum arvense Stellaria media Polygonum aviculare Plantago lanceolata Polygonum amphibium Cerastium arvense Sonchus arvensis Veronica arvensis Myosotis arvensis Elymus repens Aphanes arvensis Capsella bursa pastoris Chenopodium album Erodium cicutarium Polygonum convolvulus Spergula arvensis Raphanus raphanistrum Scleranthus annuus Centaurea cyanus Viola arvensis Digitaria ischaemum Arnoseris minima Anthoxanthum aristatum Agrostis capillaris Rumex acetosella Achillea millefolium Hoi cus mollis Leontodón autumnal is Senecio vulgaris Apera spica venti

nährstoffliehendere Untergruppe um Chenopodium album liegt. Auch die Kennarten des Teesdalio-Arnoseridetum sind in dieser Säuregrup pe vertreten. Ihre Arten meiden ganz signifikant eine Feuchtegrup pe um Juneus bufonius (mf:6,2 mr:5,4 mn:6,2), zu der neben ausge sprochenen Feuchtezeigern auch eine Reihe von Arten gehört, die stickstoffreiche Standorte benötigen. Hier findet sich auch Matricaria ohamomilla, die Kennart der Kamillen-Gesellschaft. Vermittelnd zwischen der Feuchte- und der Säuregruppe steht eine kleine neutrale, mittlere Standortbedingungen anzeigende Gruppe um Veronioa arvensis und Myosotis arvensis (mf:5,2 mr:5,7 mn:6,0), die in einer Subassoziation der Lammkrautflur genannt wird (MEISEL 1969), deren Arten aber auch als Begleiter in der Kamillen-Gesell schaf t auftreten können. Die vierte Gruppe, die völlig von den anderen isoliert ist, besteht aus Seneoio vulgaris und Leontodon autumnalis. Apera spioa-venti zeigt als einzige Art zu keiner anderen Art sig nifikant positive Beziehungen, da sie mit 97% Stetigkeit fast überall auftritt (s. Tab. 2). Vor 30 Jahren ließen sich also die Ackerwildkräuter, die bevorzugt zusammen vorkamen, gut in ökologisch einigermaßen homogene Gruppen einteilen, die auch in das pflanzensoziologische System einzuord nen waren. co Q. CO CO C h r j D H E C > D ( D C C L I l ) O E 3. - U Z (D (0 O DICOi I f - H X - P O O C h m > 0 C cd CO C -M i 1 CO i 1 ) 1 _C Q-r-H CD O (-1 Q) U f-l C i 1 ( D C f l H E I D - P O h M i i i i >. 0) 1 0 O V U V U L / V U L J L J V _ / h H» - l L_l_ VU VU _V_ H -t VU VU VU ' I vu VU -U r i i -- - vu---' \-J ir c L C jn s x a. iii- h c iu u ü L ü o t / ) 2 : o o D. ( / ) ü. c n n Q : o < iz > u [ L il L ije c o e o Ranún Poatr Gnaph Juncb Matdi Holcm Poaan Polav Tridu Trire Aphan Capbp Galte Cheno Erodm Chrvu Stell Match Chrse Centa Polco Sperg Piala Achil Scler Rumex Crept Antho Myoso Veron Cirar p hy Elyre Avena Galap Apera Viola () ( ) (: ) S ( ) b) 1983 () Ranunculus repens Poa trivial is Gnaphalium uliginosum Juneus bufonius Matricaria discoidea Holcus mollis Poa annua Polygonum aviculare Trifolium dubium Trifolium repens Aphanes arvensis Capsella bursa pastoris Galeopsis tetrahit Chenopodium album Erodium cicutarium.chrysanthemum vulgare Stell aria media Matricaria chamomilla Chrysanthemum segetum Centaurea cyanus.polygonum convolvulus Spergula arvensis Plantago lanceolata Achillea millefolium Scleranthus annuus Rumex acetosella Crepis tectorum Anthoxanthum aristatum Myosotis arvensis.veronica arvensis Cirsium arvense Polygonum persicaria.polygonum hydropiper Elymus repens.avena fatua Galium aparine Apera spica venti Viola arvensis signifikant (Irrtumswahrscheinlichkeit < 5%) hoch signifikant (Irrtumswahrscheinlichkeit < 0,1%) negative Beziehung innerhalb einer Gruppe Abb. 3 a ) b ) : Negative signifikante Korrelationen (nach dem X2-Test) zwischen den 50 häufigsten Arten. Arten nach den Gruppen von Abb. 2 geordnet. Arten ohne signifikante Korrelationen nicht aufgeführt. 31

2.2. 1983 Die 50 häufigsten Arten zeigen untereinander nur noch 94 signifikant positive und nur 69 negative Beziehungen. Das Netzdiagramm (Abb. 2b) zeigt, daß eine klare Gruppenbildung nicht mehr möglich ist. Die Gruppen von 1950-52 haben sich teilweise aufgelöst und vermischt, und es sind völlig neue Beziehungsnetze zwischen den Arten entstanden. Nur 13 positive und 9 negative Beziehungen, die vor 30 Jahren auftraten, sind auch 1983 noch vorhanden. Anhand dieser konstanten Artenverbindungen lassen sich Fragmente der alten Gruppen wiederfinden. Diese sind jedoch durch zahlreiche positive Korrelationen so miteinander vernetzt, daß sie ohne den Bezug zu 1950-52 nicht mehr als Gruppen erkennbar wären. Um Matricaria chamomilla hat sich eine Gruppe mit Vicia hirsuta, V. sativa und Chrysanthemum segetum von den Feuchtezeigern abgespalten und mit Centaurea cyanus als zentraler Art verbunden. Die Kornblume war früher mit Mager- und Säurezeigern vergesellschaftet. Die Feuchtegruppe um Junous bufonius ist in ihrem Kern erhalten geblieben und um Matricaria disooidea und Poa trivialis erweitert. Die Mager- und Säurezeiger um Anthoxanthum aristatum und Scleranthus annuus treten heute zusammen mit der Veronica arvensis-gruppe auf, die früher deutlich von ihnen getrennt war. Zusammen haben sie mehrere positive Beziehungen zu der Feuchtegruppe, die vor 30 Jahren gemieden wurde (siehe Sperguta arvensis). Bei der Säuregruppe hat sich der nährstoffliehendere Flügel um Chenopodium album und Capsella bursa-pastoris mit einer Gruppe aus Wiesen- und Ruderalarten, Stickstoff- und Verdichtungszeigern um Trifolium repens verbunden. Diese heterogene Gruppe steht wiederum in engem Kontakt mit den Feuchtezeigern. Capsella bursa-pastoris bevorzugt heute die Nachbarschaft von Juncus bufonius und Gnaphalium uliginosum, die sie früher gemieden hat. Gleichzeitig tritt sie auch bevorzugt mit dem Trockenzeiger Erodium oioutarium auf. Auch Matricaria disooidea und Plantago lanceolata verhalten sich positiv sowohl zu Feuchte- wie zu Trockenzeigern. Die Bodenwasserverhältnisse scheinen für diese Arten nicht mehr der ausschlaggebende Faktor ihrer Verteilung zu sein. Elymus repens und Avena fatua bilden eine isolierte Gruppe, die keinerlei positive Beziehung zu anderen Arten aufweist, aber die Anthoxanthum-Veronica-Gruppe signifikant meidet. Polygonum persicaria, Cirsium arvense und Polygonum hydropiper haben ebenfalls keine Affinität zu anderen Arten. So weisen die beiden Knöterich- Arten auch keine Bindung mehr an andere Feuchtezeiger auf. Daß Polygonum persicaria ein Trockenzeiger ist (Feuchtezahl 3 nach ELLENBERG 1982), muß nach unseren Beobachtungen zumindest für Getreideäcker bezweifelt werden, denn die Art trat fast immer in Nachbarschaft von Feuchte- und Staunässezeigern auf. Neben Apera spica-venti stehen nun auch Viola arvensis, Galium aparine, Lolium multiflorum und Artemisia vulgaris völlig isoliert und lassen sich keiner Gruppe zuordnen. Auffällig ist das Verhalten von Arten, die sich seit 1950 stark ausgebreitet haben (Matricaria chamomilla, Stellaria media) und wenig positive Beziehungen zu anderen Arten aufweisen (wie Avena fatua, Galium aparine und Viola arvensis) (s. Tab. 2). Sie meiden deutlich Vertreter extremer (nasser oder saurer, nährstoffarmer) Standorte wie Gnaphalium uliginosum, Juncus bufonius, Polygonum hy dropiper, Anthoxanthum aristatum, Rumex acetosella, Scleranthus annuus und Spergula arvensis. Da diese Arten stark abgenommen haben, kann man vermuten, daß sich ihre Abnahme und die Zunahme der ersteren wechselseitig bedingt haben. Die Veränderung der Bodenver hältnisse auf den Äckern (Düngung, Kalkung, Drainage) ist eine plausible, aber keine völlig ausreichende Erklärung für die verwirrenden Artenverschiebungen. Dazu verhalten sich die Zeiger- 32

Tab. 2: Zeigerwerte und Veränderung der Stetigkeit von Ackerwildkräutern im Raum Bremen Abkiirz. Zeigerwert Stetigkeit (%) (Abb.23) Artname F R N 1950-52 1983 Achil Achillea millfolium 4 X 5 36 29 Agrca Agrostis capillaris X 3 3 27 2 Agrgi Agrostis gigantea 8 7 6 15 4 Antho Anthoxanthum aristatum X 2 3 11 9 Apera Apera spica-venti 6 4 X 97 92 Aphan Aphanes arvensis 6 4 5 18 12 Arnos Arnoseris minima 4 3 4 24 3 Artem Artemisia vulgaris 6 X 8-5 Avena Avena fatua 6 7 X - 12 Capbp Capsella bursa-pastoris X X 5 29 41 Centa Centaurea cyanus X X X 87 58 Ceras Cerastium holosteoides 5 X 5 21 8 Cheno Chenopodium album 4 X 7 48 22 Chrse Chrysanthemum segetum 5 5 5 8 13 Chrvu Chrysanthemum vulgare 5 X 5 3 14 Cirar Cirsium arvense X X 7 6 9 Crept Crepis tectorum 3 X 6 2 9 Disch Digitaria ischaemum 5 2 3 12 - Elyre Elymus repens 5 X 8 62 60 Equis Equisetum arvense 6 X 3 13 6 Erodm Erodium cicutarium 3 X X 16 13 Galsp Galeopsis speciosa - - - 6 2 Galte Galeopsis tetrahit 5 X 7 26 26 Galin Galinsoga parviflora 5 5 8 2 14 Galap Galium aparine X 6 8-17 Geran Geranium pusillum 3 X 7-7 Gnaph Gnaphalium uliginosum 7 4 4 37 13 Holcm Holcus mollis 5 2 3 31 16 Juncb Juncus bufonis 7 3 X 55 12 Leont Leontondon autumnalis 5 X 5 12 4 Lolmu Lolium multiflorum 4 X X - 6 Match Matricaria chamomilla 6 5 5 34 54 Matdi Matricaria discoidea 5 7 8 5 11 Matin Matricaria inodora X 6 6-18 Menth Mentha arvensis 8 X X 18 3 Myoso Myosotis arvensis 5 X 6 18 49 Piala Plantago lanceolata X X X 32 10 Plama Plantago major 5 X 6 16 16 Poaan Poa annua 6 X 8 24 16 Poatr Poa trivialis 7 X 7 4 8 Polam Polygonum amphibium 8 X 6 7 6 Polav Polygonum aviculare X X X 82 51 Polco Polygonum convolvulus X X X 85 71 Polhy Polygonum hydropiper 8 4 8 13 11 Polto Polygonum tomentosum - - - 23 4 Polpe Polygonum persicaria 3 X 7 22 12 Ranún Ranunculus repens 7 X X 34 10 Rapha Raphanus raphanistrum X 4 5 21 3 Rumex Rumex acetosella 5 2 2 64 12 Sagin Sagina procumbens 6 7 6 6 - Scler Scleranthus annuus X 2 4 63 15 Senvu Senecio vulgaris 5 X 8 7 2 Sonar Sonchus arvensis 5 7 X 12 1 Sperg Spergula arvensis 5 2 6 65 13 Stach Stachys palustris 7 7 7 8 1 Stell Stellaria media 4 7 8 46 57 Tarax Taraxacum officinale 5 X 7 20 9 Tridu Trifolium dubium 5 5 4 1 5 Trire Trifolium repens X X 7 48 12 Veron Veronica arvensis 5 6 X 35 34 Visca Vicia sativa X X X 80 64 Vichi Vicia hirsuta X X X 58 55 Viola Viola arvensis X X X 82 92 * Artname nach OBERDÖRFER (1983 a) 33

pflanzen oft zu widersprüchlich. Die 50 häufigsten Wildkräuter der Wintergetreideäcker auf Sandböden sind also nicht mehr wie vor 30 Jahren in ökologische Gruppen einteilbar, die mit den traditionellen Standortfaktoren (Feuchte, Reaktion, Stickstoff) charakterisierbar wären. Die Kennarten der beiden Getreidewildkraut-Gesellschaften Matrioaria ohamomilla und Anthoxanthum aristatum (Arnoseris minima konnte wegen zu seltenen Vorkommens bei der Berechnung nicht mehr berücksichtigt werden) liegen immer noch an gegenüberliegenden Polen des Artenspektrums, doch haben Arten in ihrer Nachbarschaft nun unmittelbaren Kontakt miteinander (Scleranthus annuus und Myosotis arvensis zu Vicia sativa). Das durch die Bewirtschaftung ermöglichte Vordringen der Kamillen-Gesellschaft auf Standorte, die von den Bodenverhältnissen früher nur die Lammkrautflur zugelassen haben, hat zu der Vermischung und Überlagerung der beiden Assoziationen geführt. DISKUSSION Die Ausbildung des Aphano-Matricarietum auf ehemaligen Teesdalio- Arnoseridetum-Standorten im Laufe von 30 Jahren wird auch von OBER DÖRFER (1983 b) bestätigt. MEISEL (1969) dagegen war noch davon ausgegangen, daß Aphanion-Arten nicht auf potentielle Quercion robori-petraeae-standorte Vordringen. Bei der statistischen Berechnung der soziologischen Bindung der Ackerwildkrautarten zeigten sich 1983 z.t. neue, in der Anzahl aber sehr viel weniger Beziehungen zwischen den Arten als 1950-52. Früher beruhte die Gruppenbildung der Ackerwildkraut-Arten auf ähnlichen Ansprüchen an Boden und Klima - unter Konkurrenzbedingungen. Heute sind neue, für die Verteilung der Ackerwildkräuter wichtige Faktoren hinzugekommen, vor allem eine Vielzahl verschiedener Herbizide, auf die jede Art anders reagiert. Diese neuen Faktoren überlagern anscheinend die früher entscheidenden Standortfaktoren und verändern die Konkurrenzbedingungen zwischen Arten, so daß eine Art heute eine verengte oder erweiterte ökologische Amplitude haben kann. Auf konventionell bewirtschafteten Äckern gibt es zum Teil gar keine direkte Konkurrenz zwischen Ackerwildkräutern mehr; denn die Bestände sind so lückig, daß eine Pflanze, welche die Unkrautbekämpfungsmaßnahmen überlebt hat, nur noch gegen das Getreide konkurrieren muß. Die Zeigerwerte nach ELLENBERG sind unter solchen Bedingungen auf Äckern in Frage zu stellen. Wenn z.b. Trockenzeiger (Erodium oicutarium) statistisch abgesichert bevorzugt mit Feuchtezeigern (Poa trivialis) auftreten, sind sie offensichtlich nicht mehr gültig. Die ursprünglich für diese Arten wichtigen und mit den Zeigerwerten erfaßbaren Faktoren sind wohl zweitrangig geworden. HOLZNER (1978) wies bereits darauf hin, daß sich das Zeigerverhalten von Arten durch Herbizideinsatz verändern würde. Die neuen Standortsfaktoren, vor allem der Einsatz der Pflanzenschutzmittel, werden jedoch je nach angebauter Frucht und von Jahr zu Jahr variiert oder gar nicht angewandt. So können auch die früher entscheidenden Standortsfaktoren von Zeit zu Zeit wieder ausschlaggebend werden. Dieser Wechsel der jeweils wirksamen Faktoren scheint zu verhindern, daß sich im gleichen Maße wie früher stabile Beziehungen zwischen den Arten bilden und zu neuen Artengruppen (etwa "Herbizidresistente" und "Herbizidempfindliche") vereinen. Statt der drei ökologisch abgrenzbaren Gruppen existiert heute nur noch eine große Artengruppe. Die intensive Bewirtschaftung, nicht nur mit Pflanzenschutzmitteln, sondern auch erhöhter Düngung und Kalkung, scheint die Standortsunterschiede so nivelliert zu haben, 34

daß sich keine deutlich unterscheidbaren Pflanzengemeinschaften mehr ergeben. Während früher die Kennarten der Assoziationen von einer jeweils typischen Artenkombination quasi gesetzmäßig umgeben waren, sind sie heute nur noch als Pole eines großen Artenspektrum anzusehen. Auf einem großen Teil der Äcker ist die Vegetation gar nicht mehr auf Assoziationsebene zu beschreiben, da nur wenige Ordnungs- und Klassencharakterarten vorhanden sind. Doch selbst bei Vorkommen von Assoziations-Kennarten handelt es sich bei der Artenliste oft um ein heterogenes Sammelsurium von Kräutern und Gräsern mit nach herkömmlichem Verständnis ökologisch gegensätzlichen Ansprüchen, die nicht zusammen in eine Vegetationsaufnahme "passen". Die früher klar getrennten Pflanzengemeinschaften und ihre Kennarten haben sich unter heutigen Produktionsmethoden vermischt, d.h. die stark veränderte Kamillen-Gesellschaft überlagert die Reste der Lammkrautflur. Man sollte darauf verzichten, die Vegetation auf diesen Äckern, die jahrzehntelangem Herbizideinsatz ausgesetzt war, detailliert pflanzensoziologisch anzusprechen, sondern sie einer ranglosen Aperetalia-Gesellschaft zuordnen, auch wenn sie "zufällig" eine Kennart wie Matrioavia chamomilla aufweist. Reine Kamillen- oder Lammkrautfluren gibt es nur noch auf wenigen extensiv bewirtschafteten Äckern. Nur hier scheinen sowohl Zeigerwerte als auch Pflanzengesellschaften noch ihre Gültigkeit zu haben. SCHRIFTEN DE VRIES, D.M. (1953): Objectiv combinations of species. - Acta. bot. neerl. 1: 497-499. ELLENBERG, H. (1982): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer Sicht. 3. Auf1. - Ulmer, Stuttgart. 989 S. HOLZNER, W. (1978): Weed species and weed communities. - Vegetatio 38: 13-20. KREEB, K.H. (1983): Vegetationskunde. - Ulmer, Stuttgart. 331 S. KULP, H.-G. PREUSCHHOF, B. (1985): Untersuchung zum Rückgang von Ackerwildkräutern im Raum Bremen. - Verhandl. Ges. f. Ökologie 13: 689-692. Göttingen. KUTZELNIGG, H. (1984): Veränderung der Ackerwildkrautflora im Gebiet um Moers/ Niederrhein seit 1950 und ihre Ursachen. - Tuexenia 4: 81-102. MEISEL, K. (1966): Ergebnisse von Daueruntersuchungen in nordwestdeutschen Ackerunkrautgesellschaften. - In: TÜXEN, R. (Hrsg.): Anthropogene Vegetation. Ber. Internat. Sympos. I W Stolzenau 1961: 86-96. Junk, Den Haag. - (1969): Verbreitung und Gliederung der Winterfrucht-Unkrautbestände auf Sandböden des nordwestdeutschen Flachlandes. - Schriftenr. Vegetationskd. 4: 7-22. Bonn-Bad Godesberg. -, HÜBSCHMANN, A. von (1976): Veränderungen der Acker- und Grünlandvegetation im nordwestdeutschen Flachland in jüngerer Zeit. - Schriftenr. Vegetationskd. 10: 109-124. Bonn-Bad Godesberg. MUELLER-DOMBOIS, D., ELLENBERG, H. (1974): Aims and methods of Vegetation ecology. - New York. 547 pp. OBERDÖRFER, E. (1983a): Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Süddeutschland. 5. Auf1. - Ulmer, Stuttgart. 987 S. - (1983b): Süddeutsche Pflanzengesellschaften Teil 3. 2. Aufl. - Fischer, Jena. 35

PREUSCHHOF, B., KULP, H.-G. (1985): Veränderung der Ackerwildkrautvegetation im Raum Bremen. - Dipl. Arbeit Univ. Bremen. 144 S. Anschriften der Verfasser: Dipl. Biol. Hans-Gerhard Kulp Prof. Dr. Hermann Cordes Arbeitsgruppe Geobotanik/Vegetationskunde und Naturschutz Fachbereich 2, Universität Bremen Postfach 330 440 D - 2800 Bremen 33 36