Welche Möglichkeiten bietet das Internet für Menschen mit Depression? Christine Rummel-Kluge



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Transkript:

Welche Möglichkeiten bietet das Internet für Menschen mit Depression? Christine Rummel-Kluge

Behandlung der Depression Arzt/Ärztin Psychotherapeut/in + z.b. Internet

Zugangsmöglichkeiten zum Internet ~ 80% der Allgemeinbevölkerung in D nutzt das Internet 1 ~ 80% der Studienteilnehmer mit einer psychischen Erkrankung nutzen das Internet 2,3 aus Trefflich et al. 2015 1 van Eimeren & Frees, 2013 2 Trefflich et al. 2015; 3 Record et al. 2015

1. 2. 3. 4.

Einteilung 1. Informations-, Psychoedukations-, Aufklärungsseiten, z.b. bei Krankenkassen, wikipedia, Depressionsliga e.v., Stiftung Deutsche Depressionshilfe 2. Social Media, z.b. Online-Diskussionsforen, Communities, TWITTER, Chats, Blogs, Facebook 3. Online-Interventionen, z.b. Selbstmanagement- Programme, Online-Therapie-Programme

1. Informationsseiten

1. Informationsseiten Informationen i.d.r. durch dritte Instanzen überprüft, z.b. durch Qualitätssiegel Broschüren der Krankenkassen zum Thema Depression entsprechend der aktuellen Versorgungsleitlinien geschrieben und von Fachleuten mitpubliziert

Checkliste zu Gesundheitsinformationen aus dem Internet 10 Kriterien für die Bewertung der Transparenz und Verlässlichkeit 1. Wer ist Anbieter der Gesundheitsinformationen? Name, vollständige Adresse und eine Kontaktmöglichkeit per Telefon oder per E-Mail sollten leicht auffindbar und gut lesbar angegeben sein. 2. Welche Ziele und wirtschaftlichen Interessen verfolgt der Informationsanbieter? Es muss deutlich werden, ob es sich um einen kommerziellen Anbieter handelt oder nicht. Bei kommerziellen Anbietern sollte die Branche (z.b. Arztpraxis, Pharmaunternehmen) erkennbar sein. Ansonsten sollte erkennbar sein, welche Ziele vom Anbieter verfolgt werden. Insgesamt sollten diese Angaben von der Homepage aus ohne Schwierigkeiten zu finden sein. www.vz-nrw.de/mediabig/86661a.pdf

Einteilung 1. Informations-, Psychoedukations-, Aufklärungsseiten, z.b. bei Krankenkassen, wikipedia, Depressionsliga e.v., Stiftung Deutsche Depressionshilfe 2. Social Media, z.b. Online-Diskussionsforen, Communities, TWITTER, Chats, Blogs, Facebook 3. Online-Interventionen, z.b. Selbstmanagement- Programme, Online-Therapie-Programme

2. Social Media: Diskussionsforum SDD heute 28.000 registrierte Nutzer fast 500.000 Beiträge in 33.678 Themen Februar 2014 ca. 24.000 registrierte Nutzer 440.000 Beiträge Februar 2009 ca. 8.800 registrierte Nutzer 270.000 Beiträge 2001 Gründung des Diskussionsforum Depression Fachlich moderiertes Diskussionsforum der Stiftung Deutsche Depressionshilfe Blume et al. 2009, Hegerl & Niedermeier 2010

2. Social Media: Diskussionsforum SDD

2. Social Media: Diskussionsforum SDD Austausch Zeit- und ortsunabhängig 11 Minuten Verweildauer 25% neue Nutzer im Jahr Kontakt von Betroffenen zu Betroffenen von Angehörigen zu Angehörigen zwischen Betroffenen und Angehörigen Selbsthilfe 3,2 Mio Seitenaufrufe/Jahr Stille Mitleser 10x höher als aktive Nutzer unmittelbare Selbsthilfe online

2. Social Media: Online Community - Keine fachliche Moderation - gefährliche Beiträge werden gelöscht

2. Social Media: Twitter #notjustsad: > 2300 Tweets innerhalb eines Tages - Versuch sich mitzuteilen als Weg aus der gefühlten Isolation - Niederschwelliger 1. Schritt, wieder soziale Kontakte aufzubauen - Nicht alleine sein, oft Feedback auf Tweets - Viele Menschen mit ähnlicher Leidensgeschichte kennenlernen => Entlastung - Problematisch: wie viele Details aus Krankengeschichte online preisgeben?

2. Social Media: Facebook Studie: Facebook unterstützt antidepressive Pharmakotherapie 1-60 Patienten mit therapieresistenter Depression, 3 Gruppen: - Facebook mit Psychiater als Freund - Facebook ohne Psychiater als Freund - kein Facebook - Mind. 1h/d auf Facebook für 3 Monate - Ergebnis: Facebook mit Psychiater > Facebook ohne Psychiater > kein Facebook bzgl. Verbesserung in Depressionsscores (HAMD-17 und BDI nach 2 und 3 Monaten) 1 Pereira, The Scientific World Journal, 2014

2. Social Media: Aktuelle systematische Übersichtsarbeit 1 - Bei chronischen Erkrankungen (u.a. auch Depression) 42 Studien untersucht - Einfluss von Social Media in 48% hilfreich, in 45% neutral oder unklar, in 7% vermutlich schädlich - Bei 85% der hilfreichen Studien Facebook oder Blogs verwendet - Fazit: Social Media zur sozialen und emotionalen Unterstützung bei chronischen Erkrankungen höchstwahrscheinlich geeignet um Patientenversorgung zu verbessern 1 Patel et al., Am J Med, 2015

Einteilung 1. Informations-, Psychoedukations-, Aufklärungsseiten, z.b. bei Krankenkassen, wikipedia, Depressionsliga e.v., Stiftung Deutsche Depressionshilfe 2. Social Media, z.b. Online-Diskussionsforen, Communities, TWITTER, Chats, Blogs, Facebook 3. Online-Interventionen, z.b. interaktive Selbstmanagement- Programme, Online-Therapie-Programme

3. Online-Interventionen: interaktive Programme - Nur englische Programme bewertet, 32 eingeschlossen - kognitive Verhaltenstherapie häufigster Ansatz - Interaktiver Teil: Stimmungsratings und Arbeitsblätter (z.b. Planung von Aktivitäten) z.b. www.ifightdepression.com 2 - Guided, online-basiert, kostenlos - 2 Versionen (25+, 15-24) - 6 Kernmodule, Stimmungsmonitoring, Arbeitsblätter, regionale Hilfsangebote - Verfügbar in 8 Sprachen 1 Renton et al., J Med Internet Res, 2014; 2 Arensman et al., JMIR Res Protoc, 2015

3. Online-Interventionen: Therapieverfahren - Internet-basierte kognitive Verhaltenstherapie durch einen Therapeuten als Add-on ist besser als Treatment as usual 1 - Internet-basierte kognitive Verhaltenstherapie durch einen Therapeuten ist genauso wirksam wie face-to-face - Therapie 2,3 - Aktuelle Entwicklung: Mischung von Internet-basierter Therapie und face-to-face-sitzungen 4,5 1 Kessler et al. Lancet 2009, 2 Andersson et al. J affect disord 2013, 3 Wagner et al. J affect disord 2014 4 Van der Vaart et al. BMC Psychiatry 2014, 5 Kooistra et al. BMC Psychiatry 2014

Risiken - unwissenschaftliche, unseriöse, irreführende oder gefährliche Internet-Seiten (z. B. selbstverletzendes Verhalten bei Jugendlichen 1 ) => Anbieter/Impressum - Unkontrollierte Selbstbehandlung: z.b. Internet- Apotheken, Therapieanleitungen im Internet => Rücksprache mit behandelndem Arzt/Therap. => Ansprechen der Profis von Internetnutzung - Verstärkung sozialer Rückzugstendenzen 1 Singaravelu et al. Crisis, 2015

Chancen - Informationsquelle Stärkung der Patientenposition ( informierter Patient ) - Hilfe zur Selbsthilfe (Selbsthilfegruppen): Austausch/Unterstützung durch andere Betroffene - Niederschwellige (anonyme) Kontaktaufnahme mit professionellen Hilfeangeboten (z. B. Ärzte, Kriseneinrichtungen) - Unterstützung bei der individuellen Behandlung bis hin zu individuellen Therapien via Internet

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: Priv.-Doz. Dr. med. Christine Rummel-Kluge christine.rummel-kluge@medizin.uni-leipzig.de