Warum musste Gaddafi sterben?

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Mittwoch, 31. Mai 2017, 17:18 Uhr ~8 Minuten Lesezeit Warum musste Gaddafi sterben? Frankreichs Rolle im Krieg um Libyen. von Werner Ruf Bildlizenz CC0 Im Dezember 2007 hatte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy Muammar al-gaddafi mit großem Pomp in Paris empfangen: Ein riesiges Gelände am Fuße der Champs-Élysées wurde geräumt, damit der libysche Herrscher sein folkloristisches Wüstenzelt im Herzen von Paris aufstellen konnte. Den Medien wurde eine scheinbar unverbrüchliche Männerfreundschaft präsentiert, untermauert durch einen vor Herzlichkeit strotzenden Gegenbesuch Sarkozys in Tripolis. Knapp vier Jahre später machte sich Frankreich zum radikalen Befürworter des Krieges

gegen den libyschen Führer: Am 16. Februar 2011 hatte der Aufstand in Bengasi begonnen. Schon am 10. März empfing Sarkozy in Paris Vertreter des Nationalen Übergangsrats, der sich in Bengasi gebildet hatte, und erkannte diesen als alleinigen Vertreter des libyschen Volkes an, obwohl nicht einmal die Hälfte von dessen Mitgliedern bekannt, geschweige denn erkennbar war, wen diese repräsentierten. Zeitgleich versuchte Frankreich, von der EU ein Mandat für die Errichtung einer Flugverbotszone zu erhalten, was aber die übrigen 27 Mitgliedstaaten der EU ablehnten. Parallel dazu drängte Sarkozy die NATO zum Eingreifen, was diese mit der Begründung ablehnte, dazu bedürfe es eines Beschlusses des UN-Sicherheitsrats und der Aufforderung durch die Regionalorganisation Arabische Liga. Prompt lieferte die inzwischen von den Golfstaaten beherrschte Arabische Liga am 11. März die notwendige Resolution. Unmittelbar nach Annahme der UN-Sicherheitsratsresolution 1973 am 17. März, die eine Flugverbotszone verfügte, begann Frankreich (gemeinsam mit Großbritannien) mit massiven Bombardements von libyschen Militäreinrichtungen am Boden. Am 20. Oktober wurde Gaddafi festgenommen und getötet. Es wäre sicherlich zu einfach, zu glauben, dass Sarkozy mit der Beseitigung Gaddafis die Spuren jener 50 Millionen US-Dollar verwischen wollte, die er von Gaddafi für seinen Wahlkampf für das Präsidentenamt erhalten haben soll. Auch war Libyen traditionell ein wichtiger Waffenimporteur aus Frankreich. Allein in den Jahren

2005 bis 2009 hatten die Mitgliedstaaten der EU Waffen im Umfang von insgesamt fast einer Milliarde Euro geliefert, an der Spitze der Exporteure standen Italien mit 287 Millionen, Frankreich, das schon in den 1970er-Jahren 110 Mirage-Kampfflugzeuge an Libyen geliefert hatte, mit 210 Millionen an zweiter Stelle, dem folgten Großbritannien mit 119 Millionen und Deutschland mit 83 Millionen. Zahlen über die Vorjahre liegen nicht vor, da der UN-Sicherheitsrat von 1986 bis 2004 ein Embargo für Waffenexporte nach Libyen verhängt hatte. Der afrikanische Traum von Gaddafi Gaddafi hatte seit seiner Machtübernahme in der Einigungspolitik die Chance gesehen, den Einfluss der Politik der ehemaligen Kolonien (und vor allem Libyens!) in der Weltpolitik zu vergrößern. Nach dem Scheitern zahlreicher Versuche, sich mit arabischen Ländern zusammenzuschließen, hatte er sich in den vergangenen Jahren vor allem Afrika zugewandt, wo er die Afrikanische Union zu einer zentralen Plattform seiner Politik machte. Konsequent nutzte er dabei die gewaltigen finanziellen Ressourcen seines bevölkerungsarmen Landes zur Unterstützung der armen afrikanischen Brüder. Ein konkretes Instrument von Gaddafis Afrikapolitik war das Projekt eines afrikanischen Nachrichtensatelliten (AFSAT), das gemeinsam mit der Afrikanischen Organisation für Satelliten-Kommunikation und hauptsächlich finanziert von Libyen realisiert werden und einmalig nur 400 Millionen US-Dollar kosten sollte. Bis dahin mussten die Staaten Afrikas jährlich die Summe von 500 Millionen US-Dollar für die Nutzung eines europäischen Satelliten aufbringen. Das größte und wichtigste Vorhaben aber war die Realisierung einer afrikanischen Währungsunion, die unmittelbar bevorstand: Ab 2011 sollte sie mithilfe von drei Institutionen realisiert werden:

1 Die Gründung einer afrikanischen Investitionsbank mit Sitz in Sirte (Libyen), 2 die Gründung eines afrikanischen Währungsfonds mit Sitz in Yaounde (Kamerun) mit Einlagen in Höhe von 42 Milliarden US- Dollar und 3 die Gründung einer afrikanischen Zentralbank in Abuja (Nigeria) zwecks Einführung einer afrikanischen Währung. Zur Kapitalausstattung dieser Institutionen sollten die Guthaben der libyschen Zentralbank von rund 30 Milliarden US-Dollar genutzt werden, die die Obama-Regierung eingefroren hatte. Für dieses gigantische Vorhaben standen ferner jene 144 Tonnen Gold im Wert von sechs Milliarden US-Dollar und Vorräte an Silber in etwa gleicher Höhe zur Verfügung, die Gaddafi angehäuft hatte, wie die BBC 2011 unter Berufung auf Daten des IMF berichtete. Im Foreign Policy Journal untersuchte Hoff, warum der Westen generell und Hillary Clinton speziell den Sturz Gaddafis betrieben. Bis zum Vorabend der Verabschiedung der Resolution 1973 des UN- Sicherheitsrats waren die US-Regierung und vor allem Verteidigungsminister Robert Gates gegen eine bewaffnete Intervention. Aber Hillary Clinton und der US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen Susan Rice gelang es, Obama umzustimmen. Aus den analysierten E-Mails ergibt sich Folgendes: Die US- Außenministerin nahm billigend in Kauf, dass die Rebellen Kriegsverbrechen begehen, dass US-Militärausbilder nach Libyen geschickt werden und dass al-qaida in die Opposition eingebunden wird. Auch die Behauptungen über Viagra und Massenvergewaltigungen unterstützte man. Zudem war man um Ghaddafis Gold- und Silberreseserven besorgt. Die E-Mails bestätigen ferner, dass Clinton wusste, dass Zehntausende schwarzafrikanische Arbeiter in Libyen von den Rebellen gefoltert und in ethnischen Säuberungen ermordet wurden. Auch die Motivation Frankreichs wird deutlich angesprochen. Hoff zitiert aus den E-Mails: Dieses Gold [ ] sollte dazu verwendet werden, eine panafrikanische Währung zu schaffen, die auf dem libyschen Gold-Dinar fußte. Dieser Plan [Gaddafis, W.

R.] sollte den frankophonen afrikanischen Staaten eine Alternative zum Französischen Franc (CFA) bieten. Der gigantische Gold- und Silberschatz ist mit der Zerstörung der Staatlichkeit Libyens spurlos verschwunden. Frankreichs Macht auf afrikanischem Boden Der Franc CFA, wie die in den ehemaligen französischen Kolonien gültige Währung genannt wird, ist ein Resultat der Konferenz von Bretton Woods, auf der 1944 das Weltwährungssystem neu geordnet wurde. Frankreich gelang es durch die Schaffung einer besonderen Währungszone, der Communauté Financière d Afrique (CFA), seine damaligen Kolonien eng an sich zu binden: Garantiert und kontrolliert wird der Franc CFA von der französischen Zentralbank, bei der 85 Prozent der Reserven deponiert sind. Entscheidungen über den Wechsel der Parität werden in Paris getroffen, ohne Konsultation der afrikanischen Partner wie bei der Abwertung des Franc CFA im Jahre 1994. Gesichert ist der freie Kapitalverkehr zwischen dem französischen Franc und dem Raum des Franc CFA. Mit der Schaffung der Eurozone blieb dieses System erhalten: Frankreich wurde nur verpflichtet, die EU über Änderungen der geltenden Vereinbarungen zu unterrichten. Theoretisch gibt es zwei Franc CFA, den Franc BCEAO, der das ehemalige französische Westafrika, also die Länder Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo umfasst, und den Franc BEAC, der das ehemalige französische Zentralafrika (Äquatorialguinea, Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Tschad und Zentralafrikanische Republik) einbindet. Diese Unterscheidung ändert aber nichts an der Konvertibilität der Währungen. Tatsächlich garantiert dieses System Frankreich einen ungehinderten Zugang zu den afrikanischen Märkten und eine

gesicherte Versorgung mit billigen und strategisch wichtigen Rohstoffen (Öl, Uran, Diamanten, Gold). Der freie Kapitalverkehr ermöglicht die ungehinderte Repatriierung von Profiten und Korruptionsgeldern. Das Regime des CFA ist wichtige Grundlage für die Entstehung jenes Françafrique genannten Systems der Ausplünderung Afrikas, der kriminellen Praktiken französischer Konzerne (flankiert von der Politik), die von Korruption bis zu Waffenschmuggel und Mord reichen. Abgesichert wird die Dominanz Frankreichs durch Militärbasen in zahlreichen seiner ehemaligen Kolonien, so in Djibouti, Elfenbeinküste, Gabun, Kamerun, Senegal, Togo, Tschad, Zentralafrikanische Republik. Diese Abkommen stammen meist aus der Zeit der Unabhängigkeit (1960), ihr Inhalt ist bis heute größtenteils geheim. Dass Frankreich sein Militär großzügig nutzt, um seine Dominanz zu sichern, beweist die Tatsache, dass es seit der Unabhängigkeit dieser Länder dort mehr als 50 Mal militärisch intervenierte im Durchschnitt also einmal im Jahr. Das Ende von Gaddafi Unbestreitbar dürfte sein, dass Frankreich im Verbund mit Großbritannien und massiv unterstützt von der inzwischen von den Golfstaaten beherrschten Arabischen Liga nicht nur diesen Krieg, sondern auch einen regime change wollte. Gaddafis afrikanische Politik, insbesondere die Idee der Schaffung einer afrikanischen Währung, bargen die Gefahr der Zerstörung des postkolonialen französischen Imperiums. So ist es nicht verwunderlich, dass es die afrikanischen Staaten waren, die bis zuletzt auf eine politische Verhandlungslösung setzten: Am 10. März 2011, als Nicolas Sarkozy die EU und die NATO zu einer Militärintervention drängte und sieben Tage vor Verabschiedung

der Sicherheitsratsresolution 1973, hatte die AU einen Plan vorgelegt, der eine sofortige Feuereinstellung, einen Dialog für einen einvernehmlichen Übergang und einen demokratischen Staatsaufbau forderte, wie der damalige Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union und ehemalige gabunische Außenminister darlegte. Gaddafi hatte diesen Plan, wie auch die Resolution 1973 akzeptiert und UN-Beobachter eingeladen, die Einhaltung der Waffenruhe in Libyen zu überprüfen. Statt der Nutzung dieser diplomatischen Ouvertüren folgten die Bomben. Etwa 2.000 Milizen waren im Land unterwegs, das reichte von Räuberbanden bis zu regelrechten Armeen mit Tausenden von Kämpfern, darunter der Islamische Staat. Auswärtige Mächte wie Frankreich, Großbritannien, die USA operierten im Lande mit Spezialeinheiten. Die USA und Ägypten bombardierten mit Flugzeugen und Drohnen. Chaos in Libyen Die immer prekäre, kurze Staatlichkeit Libyens ist zerstört. In Tripolis sitzt eine von islamistisch-dschihadistischen Kräften gestützte Regierung, die keine Zentralgewalt auszuüben vermag. Dies gilt auch für die in Tobruk ansässige nicht islamistische Regierung, die vom Westen als legitim anerkannt war. Seit Oktober 2015 versuchen die EU und die Vereinten Nationen, eine Regierung der Nationalen Übereinkunft zu etablieren, die aber aus Sicherheitsgründen meist in Hotels in Tunesien tagt. Schließlich agiert militärisch und politisch General Khalifa Haftar, ein 1990 desertierter hoher Offizier Gaddafis. Er befehligt die Nationale Libysche Armee, die formal der Tobruk-Regierung untersteht, de facto aber ihre eigenen bzw. Haftars Ziele verfolgt. Nach der Zerstörung der Staatlichkeit Libyens versinkt das Land immer tiefer in Chaos und Gewalt. Die terroristischen

Gewaltakteure alimentieren sich aus Plünderungen, Erpressung und dem Export von Öl, womit sie Waffen, Gerät und den Sold ihrer Kämpfer bezahlen. Die EU und der Westen verhängen kein Embargo gegen die Ölexporte, aus denen sich die Gewaltakteure finanzieren, sondern unterstützen weiterhin die unter ihrem Druck geschaffene Regierung der Nationalen Übereinkunft, die in Libyen selbst keine Legitimationsbasis zu finden scheint. Der amtierende Präsident Lybiens, Sarraj, versucht, mit westlicher Unterstützung das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden, wie sein Besuch beim Oberkommando des U.S. Africa Command (Africom) in Stuttgart im August 2016 zeigt. Dort ging es um die Schaffung einer Partnerschaft bei der Terrorismusbekämpfung, Luftunterstützung der USA und die Ausrüstung und Ausbildung einer gegenüber der Sarraj-Regierung loyalen Armee und vor allem dies ist die Hauptsorge der EU den Aufbau einer effizienten Küstenwache. Die Bemühungen des Sondergesandten der Vereinten Nationen, des deutschen Diplomaten Martin Kobler, dürften angesichts des politischen Chaos im Lande selbst zum Scheitern verurteilt sein. So wird auch das Hauptziel der EU nicht erreicht werden, endlich in Libyen eine landesweite Autorität zu etablieren, die, koste es, was es wolle, den Strom von Flüchtenden über das Mittelmeer wirksam unterbindet. Der Sturz und die Ermordung Gaddafis haben den Emanzipationsbestrebungen der afrikanischen Staaten einen kräftigen Riegel vorgeschoben. Der Krieg in Mali und die Stationierung zusätzlicher französischer Truppen in Burkina Faso sichern weiter die Dominanz Frankreichs in seinen ehemaligen Kolonien und dürften als Signal dafür gewertet werden, dass Frankreich nach wie vor alles tun wird, um die dortigen Ressourcen zu sichern und freundliche Regime an der Macht zu halten. Zuerst erschienen in: WeltTrends. Das außenpolitische Journal, Nr. 127 (Mai 2017), S. 50-56 (http://welttrends.de/heft-127/). Weitere Artikel sind unter shop.welttrends.de erhältlich.

Werner Ruf, Jahrgang 1937, ist Professor für Internationale Politik an der Universität Kassel im Ruhestand. Seine Arbeit umfasst Lehrtätigkeiten in den USA und Frankreich, Forschungsaufenthalte in Nordafrika. Dieses Werk ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de)) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen dürfen Sie es verbreiten und vervielfältigen.