Euborellia arcanum - Eine in Gewächshäusern lebende neubeschriebene Ohrwurmart von Danilo Matzke

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Transkript:

Euborellia arcanum - Eine in Gewächshäusern lebende neubeschriebene Ohrwurmart von Danilo Matzke In Tropenhäusern gibt es oft eine Vielzahl von wirbellosen Arten, die versehentlich mit Pflanzen und Substrat aus unterschiedlichen Ländern eingeschleppt wurden. Eine solche Verschleppung von Tieren geschieht auch häufig beim Austausch von Pflanzenmaterial zwischen Gewächshäusern. Die im Zuge einzelner Untersuchungen aufgefundenen Arten sind meist tropischen Ursprungs und kamen mit Gütern auf dem Landweg sowie über den Schiffs- oder Luftverkehr nach Europa (Nischikawa & Kusui 2008). Die meisten dieser gebietsfremden Arten bleiben in den Gewächshäusern und ihre Populationen lösen sich auf. Einige Populationen jedoch passen sich an ihre neue Umwelt (Gewächshaus) an, vermehren sich und breiten sich aus. Bei umfangreichen Untersuchungen im Leipziger Tropenhaus Gondwanaland wurde eine überraschende Entdeckung gemacht. Zur zielgerichteten Untersuchung eines mehrfach unter Steinen und auch Holz gefundenen Ohrwurms wurde unter anderem eine detaillierte Analyse des männlichen Genitals durchgeführt. Vergleiche mit allen bekannten Arten der Gattung Euborellia bestätigten, dass es sich hierbei um eine bisher unbekannte Art handelt. Gemeinsam mit dem tschechischen Kollegen Dr. P. Kocarek beschrieb ich die Spezies. Die neue Art erhielt den Artnamen Euborellia arcanum, was mysteriös" oder auch Rätsel" bzw. Geheimnis" bedeutet. Der Name spiegelt die Tatsache wider, dass bis heute unbekannt ist, auf welchem Weg diese Art nach Europa kam. Wahrscheinlich stammt sie ursprünglich aus Südamerika und kam über Florida mit Pflanzenmaterial nach Europa. Bei der daraufhin initiierten Suche nach Ohrwürmern in anderen Gewächshäusern in Deutschland und Österreich konnte dieselbe Spezies nachgewiesen werden, so auch in der Biosphäre Potsdam und in einem Tropenhaus in Schönbrunn (Österreich). Mit mehreren Exemplaren von E.arcanum aus dem Zoo Leipzig und der Biosphäre Potsdam wurde eine kleine Zucht aufgebaut. Aus dieser Zucht konnten wertvolle Daten zur Biologie und Lebensweise dieser neuen Spezies gewonnen werden. Dass neue Spezies aus Gewächshäusern beschrieben werden, ist durchaus nicht ungewöhnlich. Im 19. Und 20. Jahrhundert wurden unter anderem die zwei neuen Ohrwurmarten Eubrellia annulipes und Euborellia peregrina beschrieben. 53 ARTHROPODA POPULARIS

Beide wurden anstatt in ihrem natürlichen Biotop und Lebensraum in Gewächshäusern nachgewiesen. Wobei E. annulipes durch LUCAS 1847 aus einem großen Gewächshaus in Paris und E. peregrina von MJÖBERG 1904 aus dem Gewächshaus des Bergianschen Garten bei Stockholm beschrieben wurden. E. annulipes wurde in vielen Ländern eingeführt und gilt heute als die am weitesten verbreitete Art der Ordnung Dermaptera (KOPPENHÖFER 1994). Diese Art kommt im Gondwanaland (Zoo Leipzig) sowie in anderen Gewächshäusern Deutschlands vor. Artprofil zu Euborellia arcanum Mit einer Körperlänge von 17-21mm (Körper und Zange) ist es eine auffällig große Art. Die adulten Tiere sind flügellos, besitzen einfarbig gelbe Beine und 2-3 weiß-gelbliche Fühlerglieder. Die Männchen haben eine leicht asymmetrische Zange und bei den Weibchen ist sie schlank und spitz auslaufend. Merkmale Der Große Gewächshausohrwurm ist mit einer Länge von 17-21mm (Körper+Zange), die Weibchen können auch noch etwas größer werden, der größte Vertreter der Gattung Euborellia. Seine Grundfarbe ist schwarzbraun, glänzend, die Fühler sind schnurförmig, 19-21-gliedrig, schwarzbraun mit Ausnahme der in der Regel 2-3 weiß-gelblichen Glieder im Bereich der Antennenglieder 12-15. Das Halsschild ist etwas länger als breit, mit parallelen Seiten oder nur schwach nach hinten verbreitert; Vorderrand fast gerade; Seitenränder gerade; Hinterrand konvex. Flügel und Flügeldecken fehlen. Beine einfarbig gelblich, Abdomen fein punktiert. Tergite (außer das letzte Tergit) konvex, etwas nach hinten verbreitert; seitliche Drüsenfalten auf den Tergiten 3-4 sichtbar. Tergite 7-8 mit einem niedrigen, stumpfen, seitlichen Längskamm. Letztes Tergit quer, an den Seiten konvex, leicht nach hinten verengt, mit einer sichtbaren mittleren Längsfurche; seitlicher Längskamm runzelig. Die rötlich braune Zange beim Männchen mit leicht eingebogenem rechten Zangenarm. Beim Weibchen sind die Zangenarme gerade und spitz auslaufend, nur an der Spitze sind sie leicht eingebogen. Verbreitung Das Ursprungsland ist wahrscheinlich das tropische Brasilien, die Art kommt aber auch in Florida und einigen Gegenden der südlichen USA vor. Von dort 54 ARTHROPODA POPULARIS

kam die Art vermutlich mit Pflanzenmaterial nach Europa, wo sie jetzt synan-throp in Gewächs- und Tropenhäusern lebt. Die Art wurde in Deutschland, Österreich und in der Schweiz nachgewiesen. Der Große Gewächshausohrwurm ist bis jetzt in Deutschland nur in Sachsen (Tropenhaus Gondwanaland") und in Brandenburg (Tropenhaus Biosphäre Potsdam") bekannt. Weitere Vorkommen sind jedoch nicht auszuschließen. Lebensweise Nach der Paarung legen die Weibchen im Boden eine tiefe Brutkammer an und darin 35-65 Eier. Die Eier werden regelmäßig gereinigt sowie unbefruchtete oder beschädigte Eier entfernt. Die Embryonalentwicklung kann je nach Umgebungstemperatur 12-15 Tage dauern. Die Larven werden dann 8-12 Tage vom Muttertier betreut, bis sie sich mit der zweiten Häutung selbstständig machen. Das Weibchen fertigt nach 43-55 Tagen ein weiteres Gelege an. Die Larven durchlaufen in der Regel fünf Häutungen. Ihre Entwicklung vom Schlupf bis zur Imago dauert 98-293 Tage, wobei das vierte und fünfte Stadium die meiste Zeit benötigen. Ohrwürmer sind im Allgemeinen Allesfresser und auch E. arcanum benötigt vegetarische wie tierische Nahrung. Er zeigt ein für Ohrwürmer ungewöhnliches Fressverhalten, indem er die Nahrung in seine Wohnröhre zieht, um ungestört zu fressen. Dieses Verhalten wurde bei Ohrwürmern bislang noch nicht beobachtet. Lebensräume Der Große Gewächshausohrwurm ist eine Bodenart, die lockere und sich schnell erwärmende Böden bevorzugt. Er lebt meist in Gängen, die unter Steinen oder Holz angelegt werden, kommt aber auch im Mulm von auf dem Boden liegenden Stämmen vor. Originalbeschreibung in der Zeitschrift Zootaxa, siehe: http://www.mapress. com/zootaxa/2015/f/zt03956p139.pdf Man sollte also bei einem Besuch in einem Gewächs oder Tropenhaus Ausschau nach den geheimnisvollen Bewohnern halten. Vielleicht trifft man dann auf den Ohrwurm Euborellia arcanum oder andere Arten. 55 ARTHROPODA POPULARIS

Literatur Klostermeyer, E.C. (1942) The life history and habits of the ring legged earwig, Euborellia annulipes (Lucas, 1847) (Order Dermaptera). Journal of the Kansas Entomological Society, 15, 13 18. Matzke, D. & P. Kocarek 2015: Description and biology of Euborellia arcanum sp. nov., an alien earwig occupying greenhouses in Germany and Austria (Dermaptera: Anisolabididae). Zootaxa 3956 (1): 131 139. Nischikawa, M. & Kusui, Y. (2008) Earwigs (Dermaptera) collected in airplanes and ships called at ports in Japan. Tettigonia, 9, 7 11. Männchen von Euborellia arcanum ARTHROPODA POPULARIS 56

Weibchen von Euborellia arcanum Verfasser: Danilo Matzke Stöckel str. 19 04347 Leipzig E-Mail: damilo.matzke@arcor.de 57 ARTHROPODA POPULARIS