10. So. n. Trinitatis, Israelsonntag,

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Transkript:

10. So. n. Trinitatis, Israelsonntag, 20.08.2017 Predigttext: Röm 9,1-8.14-16 Predigtjahr: 2017, PR II Titel: Israelsonntag. [1] Ich sage die Wahrheit in Christus und lüge nicht, wie mir mein Gewissen bezeugt im Heiligen Geist, [2] dass ich große Traurigkeit und Schmerzen ohne Unterlass in meinem Herzen habe. [3] Ich selber wünschte, verflucht und von Christus getrennt zu sein für meine Brüder, die meine Stammverwandten sind nach dem Fleisch, [4] die Israeliten sind, denen die Kindschaft gehört und die Herrlichkeit und die Bundesschlüsse und das Gesetz und der Gottesdienst und die Verheißungen, [5] denen auch die Väter gehören und aus denen Christus herkommt nach dem Fleisch, der da ist Gott über alles, gelobt in Ewigkeit. Amen. [6] Aber ich sage damit nicht, dass Gottes Wort hinfällig geworden sei. Denn nicht alle sind Israeliten, die von Israel stammen; [7] auch nicht alle, die Abrahams Nachkommen sind, sind darum seine Kinder. Sondern nur»was von Isaak stammt, soll dein Geschlecht genannt werden«(1.mose 21,12), [8] das heißt: nicht das sind Gottes Kinder, die nach dem Fleisch Kinder sind; sondern nur die Kinder der Verheißung werden als seine Nachkommenschaft anerkannt. [ ] [14] Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne! [15] Denn er spricht zu Mose (2.Mose 33,19):»Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.«[16] So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen. Es geht um Erlösung Ihr Lieben, den Sonntag heute nennen wir ISRAEL Sonntag. Der Israelsonntag erinnert seit dem 16. Jahrhundert an den Tag der Zerstörungen des Jerusalemer Tempels. Wir feiern ihn am 10. Sonntag nach dem Trinitatisfest. 11 Wochen nach Pfingsten, dem Geburtsfest der Kirche, denken die christlichen Gemeinden an Israel und 1

den bleibenden Bund Gottes mit seinem Volk, an die Verbundenheit von Christen und Juden, nicht zuletzt auch an die schwierige, vielfach mit Schuld beladene Geschichte der Kirchen im Umgang mit den jüdischen Gemeinden und dem Judentum. Freilich wurde der Israeltag in seiner Geschichte sehr unterschiedlich begangen: Während in der Vergangenheit die Überlegenheit des Christentums demonstriert wurde, stehen heute die Trauer über das Unrecht, das den Juden angetan wurde, sowie die Bemühungen um gute Beziehungen zwischen Juden- und Christentum im Vordergrund. Über diese Dinge wollen wir heute nachdenken und wir lassen uns dabei anregen von den Worten des Apostel Paulus. Der hat an die römische Gemeinde geschrieben. Der Brief an die Römer wird auch als das Testament des Apostels verstanden. Sozusagen sein letzter Wille oder zusammengefasst alles, was ihm und für ihn in seinem Glauben wichtig war. Ich könnte es auch Vermächtnis nennen. Wie die Evangelien sind auch die Briefe des Neuen Testamentes für unsere Lesbarkeit in Kapitel unterteilt. Die Kapitel 9 11 reden von Israel, den Juden, den Verheißungen für das Volk Gottes, das ist Israel, das sind die Juden, und den Heiden. Die Heiden - so wurden ganz umfassend die bezeichnet, die nicht zu Israel gehörten. Für Paulus gehören zu den Heiden auch die Christen, die keine jüdischen Wurzeln hatten. Wir erinnern uns, die ersten Christen waren Juden und wollten Christen sein und nie etwas anderes als Juden. Paulus, wir erinnern uns, war der, der im wahrsten Sinn erleuchtet wurde. Spannend, weil geblendet und erleuchtet, das war bei Paulus so dicht beieinander. Wer geblendet ist, der sieht nichts mehr. Einen Menschen seines Augenlichtes zu berauben, das ist ihn blenden. Wer erleuchtet ist, dem ist ein Licht aufgegangen, um ihn herum ist alles, was dunkel war, hell, alles, was im Dunkeln verborgen lag, sieht er nun. Wir sagen, wenn jemand etwas Wichtiges verstanden hat, ihm sei ein Licht aufgegangen! Paulus war geblendet, blind, aber der Lichtstrahl Gottes, der ihn geblendet, blind gemacht hatte, war auch der, der ihm ein, das Licht aufgehen ließ. Das war die Erkenntnis: Die Verheißungen Gottes, für das Volk Israel gesprochen, galten diesem Volk. Und das war die neue Erkenntnis: Zu diesem Volk, zum Samen Abrahams gehören nicht nur die, die es dem Fleische nach sind, sondern es geht weit darüber hinaus, die Verheißung gehören allen Kindern Gottes. Und verkürzt gesprochen, zu den Kindern Gottes gehören die Heiden, die sich zu Christus bekennen. Das sind die Kinder Gottes, ob Jude oder Heide. Im Brief an die 2

Galater schreibt Paulus: 3, [26] Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. [27] Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. [28] Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. [29] Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Nachkommen und nach der Verheißung Erben. Das ist das Herzstück der Botschaft des Paulus. Aber welche Verwirrung und welche Not um diese Botschaft herum? Und warum? Paulus erlebt, ob in Rom, Ephesus oder Korinth, dass die Heiden das Evangelium hören und sich zu ihm bekennen. Die Juden aber offenbar kaum. Aber dem Fleische nach und gewiss nicht nur dem Fleische nach waren sie es, denen die Verheißungen galten. Jesus war, Jesus ist der Messias, bekennen die Christen. Aus Israel in die Welt gekommen, sie zu erlösen. Die Juden bestritten und bestreiten das. Es geht um Erlösung! Christus ist Erlösung und: Ich sage die Wahrheit in Christus und lüge nicht, wie mir mein Gewissen bezeugt im Heiligen Geist, [2] dass ich große Traurigkeit und Schmerzen ohne Unterlass in meinem Herzen habe. [3] Ich selber wünschte, verflucht und von Christus getrennt zu sein für meine Brüder, die meine Stammverwandten sind nach dem Fleisch! Er ist es nicht, sagen die Juden und warten weiter, bis heute. Ihr Lieben, wir könnten meinen, so viel Schnee von gestern. Was ist uns wichtig? Unser Heil, gar ums Seelenheil? Gar das der Juden? Wie wichtig ist das Verhältnis von Juden und Christen in einer Welt, in der an den meisten Orten Christen Minderheit sind und Juden erst recht? Könnten wir meinen, es sind andere Dinge, die die Menschen in unserer Welt beschäftigen? Der, der sehen will, sieht, es ist nicht so, wir reden über Dinge, die auf verschiedene Weise bis in unsere Tage das Leben von Menschen in der Welt bestimmen. Paulus war unendlich traurig darüber, dass seine Brüder und Schwestern dem Fleische nach Christus nicht annahmen. Zu anderen Zeiten war aus Traurigkeit Zorn, aus dem Zorn war Wut und Hass geworden, der verschieden bedrohlich schillernd, seine furchtbaren Gesichter bis heute zeigt. In diesem Jahr gedenken wir Luthers. Luther war ein Kind seiner Zeit. Er war mit seinem Leben und Denken Zeuge dieser Wut und dieses Hasses, so sehr, dass er schließlich die Völker mordenden Nazis einlud, ihn für ihre schreckliche Propaganda zu gebrauchen. 3

1523 war es noch so, dass Luther, wenn schon kein Verteidiger der Juden, doch einer war, der mittelalterlichem Judenhass besonnen gegenübertrat. Ich hoffe, schrieb er wenn man mit den Juden freundlich umgeht und sie aus der Heiligen Schrift sorgfältig unterweist, würden viele rechte Christen aus ihnen werden (sie) werden abgeschreckt, wenn man ihnen Vorhaltungen macht und nichts auf sich beruhen lässt und wenn man sie nur mit Hochmut und Verachtung behandelt. Zwanzig Jahre später ruft der gleiche Luther: Was sollen wir Christen nun mit diesem verworfenen, verdammten Volk der Juden tun?...ich will meinen treuen Rat geben: Ernstlich, dass man ihre Synagogen und Schulen mit Feuer anstecke und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und zuschütte, so dass kein Mensch mehr einen Stein und Schlacke sehe ewiglich Paulus warb und der jüngere Luther warb. Und aus dem Werben Luthers war blanker, mörderischer Hass des alten Mannes geworden. Hatte der Zeitgeist ihn besiegt? War es Angst gewesen? 396 Jahre nach dieser Wut Luthers brannten die Synagogen, die Schulen und Geschäfte der Juden in Deutschland und das mündete in einem ungeheuren Völkermord. Was mag mit Luther geschehen sein, dass sich in seinem Denken, Reden und Handeln solch ein Wandel vollzogen hatte? Darüber nachzusinnen, dafür reicht die Predigt nicht. Aber die Predigt soll zeigen, das, worüber wir nachdenken, das ist ein Weg, der führt in unsere Tage. Längst ist es so, dass wir erkennen müssen, in unserer Welt, in unserem Land, in unserer Kirche, ist die Wunde offen. Wir versuchen zu verstehen; Paulus, Luther, wir, ein halbes Jahrhundert nach Auschwitz. Keine Gelassenheit im Nachdenken, im Reden, im Handeln. Manchmal schlimmer noch das, was der Jude Wolf Biermann einmal den Afterphilosemitismus genannt hat. Damit drückte er seinen Widerwillen aus gegen die, für die es besonders authentisch sein soll, wenn in der Kirche die jüdischen Feste gefeiert werden, der Pfarrer in der Gemeinde vor Ostern das Passahmahl zelebriert. Erst brachten Deutsche die Juden um und nun tun sie so, als wären sie welche. Und ich? Ich liebe es, die hebräischen Lieder zu singen, ich bin auch nicht so ganz anders. Eine Art religiösen Neokolonialismus, gut gemeint, aber hat einer mal die Juden gefragt, ob ihnen das gefällt, wenn Christen tun, als wären sie Juden? Wie schön war die Welt, als wir sie verstanden. Die Antisemiten, das waren und sind die Rechten. Da wussten wir, wogegen und gegen wen wir waren. Längst ist es aber so, 4

ungebremst und sehr bedrohlich in Europa, in Deutschland und in Berlin, blüht der muslimische Antisemitismus. Der linke Antisemitismus kommt dazu, auf krude Weise wird Antisemitismus, Widerstand gegen israelische Politik und ein bisschen Verschwörungskram durcheinander gebracht. Es sollten doch nur die Rechten sein, die antisemitisch sind! Das schöne Weltbild, das wir uns gemacht hatten, stimmt nicht mehr. Und was tun wir und was tut unsere, meine Kirche? Längst hat sie deutliche Worte zu Luthers Antisemitismus gefunden und wird stets mahnend an das nationalsozialistische Verbrechen an Juden erinnern, einschließlich der Schuld der Kirchen. Möge sie die richtigen Worte in unserer Gesellschaft dort finden, wo moderner Antisemitismus unerträglich wuchert. Noch vor wenigen Jahrzehnten, und wenige Zeit nach dem Holocaust, dem 2. Weltkrieg, bekannte eine deutsche Landeskirche: Mit Schmerz und Trauer stellen wir fest, dass uns dieses Bekenntnis vom Glauben des jüdischen Volkes trennt. Heute würde wohl kein kirchliches Bekenntnis so lauten. Wir reden nicht mehr über die Not des Paulus. Judenmission ist tabu, so sehr, dass für neue Judenchristen kein Platz in der kirchlichen Welt ist. Wie gehen wir mit dem Bekenntnis von Menschen um, die einen anderen Glauben haben als wir? Was bedeutet Mission? Oder sagen, Mission JA!, nur nicht bei den Juden, denn angesichts der deutschen Schuld wäre das geschmacklos. Liebe Gemeinde, das sind viele Gedanken am Israel-Sonntag, mehr Fragen und kaum Antworten, wir sind auf dem Weg und wer auf dem Weg ist, ist sich manchmal sicher, dass es der richtige ist, am Ziel ist er deshalb noch lange nicht. Was bleibt, ist die Sehnsucht nach Versöhnung, nach Frieden, den Menschen miteinander leben können, auch wenn sie unterschiedlichen Glaubens sind. 1942 schrieb der jüdischen Dichter Schalom Ben-Chorin das Gedicht Das Zeichen. Er schrieb es, als sich die Schreckensmeldungen über den Krieg und die Vernichtung seines Volkes häuften. Er selbst war 1935 aus Nazi-Deutschland geflohen, verzagt war er und hoffnungslos, da tröstete ihn die leise Botschaft des Mandelbaums. Denn der blüht, wenn ringsum noch alles kahl ist und auf den hohen Hügeln rund um Jerusalem noch Schnee liegt. In Israel ist er auch heute noch ein Symbol für das neue Leben nach dem Winter. Vielleicht erinnerte sich Schalom Ben-Chorin an Worte des Propheten Jeremia (1,11-12), wir lesen: Und siehe des Herrn Wort geschah zu mir und er sagte: Was siehst du, Jeremia? Und ich antwortete: Ich sehe den Zweig eines Mandelbaums (schaked). Und der Herr sprach zu mir: Du hast recht gesehen, denn ich wache 5

(schoked) über mein Wort, dass ich es halte. Der Mandelbaum als Zeichen, dass Gott über seine Schöpfung wacht. Darum wollen wir bitten und beten, in der Hoffnung, es gemeinsam tun zu können, Christen, Moslems und Juden. Fritz Baltruweit hat das schöne Gedicht von Schalom Ben-Chorin wunderbar vertont, ein Lied draus gemacht, lasst es uns singen! Amen. 6