Invariantentheorie. Vorlesung 13. Alexander Grothendieck (1928-) Das Spektrum eines kommutativen Ringes

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Transkript:

Prof. Dr. H. Brenner Osnabrück WS 2012/2013 Invariantentheorie Vorlesung 13 Alexander Grothendieck (1928-) Das Spektrum eines kommutativen Ringes Bei einer linearen Operation einer Gruppe G auf einem K-Vektorraum V haben wir einerseits die Operation auf dem geometrischen Objekt, nämlich dem Vektorraum, und andererseits die Operation auf dem zugehörigen Polynomring als Gruppe von Ringautomorphismen. Es ist wünschenswert, zu einer solchen algebraischen Operation auf einem beliebigen kommutativen Ring auch eine geometrische Interpretation zu besitzen. Dieses (und vieles andere) leistet das Spektrum eines kommutativen Ringes. Definition 13.1. Zu einem kommutativen Ring R nennt man die Menge der Primideale von R das Spektrum von R, geschrieben Spek(R). Man spricht auch von einem affinen Schema. Definition 13.2. Auf dem Spektrum eines kommutativen Ringes R ist die Zariski-Topologie dadurch gegeben, dass zu einer beliebigen Teilmenge T R die Mengen D(T) := {p Spec R p T} als offen erklärt werden. 1

2 Für einelementige Teilmengen T = {f} schreiben wir D(f) statt D({f}). Lemma 13.3. Die Zariski-Topologie auf dem Spektrum Spek(R) eines kommutativen Ringes R ist in der Tat eine Topologie. Beweis. Es ist D(0) = und D(1) = Spek(R), da jedes Primideal die 0 und kein Primideal die 1 enthält. Zu einer beliebigen Familie T i, i I, aus Teilmengen T i R ist ( ) D(T i ) = D T i. Dabei ist die Inklusion klar, da T i T i gilt und da aus S T stets D(S) D(T) folgt. Für die andere Inklusion sei p D ( T i). D.h. es gibt ein f T i mit f p. Somit gibt es ein i I mit f T i und daher p D(T i ) für dieses i. Zu einer endlichen Familie T 1,...,T n aus Teilmengen T i R ist n D(T i ) = D(T 1 T n ). i=1 Dabei bezeichnet T 1 T n die Menge aller Produkte f 1 f n mit f i T i. Hierbei ist die Inklusion klar. Für die umgekehrte Inklusion sei p D(T i ) für alle i = 1,...,n vorausgesetzt. Das bedeutet, dass es f i T i mit f i p gibt. Aufgrund der Primidealeigenschaft ist dann f 1 f n p, also p D(T 1 T n ). Wir betrachten das Spektrum stets als topologischen Raum. Die Primideale sind die Punkte dieses Raumes. Wir schreiben häufig X = Spek(R) und x X, um die geometrische Sichtweise zu betonen. Für das Primideal, das durch x repräsentiert wird, schreibt man dann wiederum p x. Die Komplemente der offenen Mengen, also die abgeschlossenen Mengen in der Zariski-Topologie, werden mit bezeichnet. V(T) = {p Spek(R) T p} Proposition 13.4. Für das Spektrum X = Spek(R) eines kommutativen Ringes R gelten folgende Eigenschaften. (1) Es ist D(T) = D(a), wobei a das durch T erzeugte Ideal (Radikal) in R sei. Man kann sich also bei der Beschreibung der offenen Teilmengen auf die Radikale von R beschränken. (2) Für eine Familie a i, i I, von Idealen in R ist ( ) D(a i ) = D a i.

(3) Für eine endliche Familie a i, i = 1,...,n, von Idealen in R ist ( n n ) D(a i ) = D a i = D(a 1 a n ). i=1 i=1 (4) Es ist D(a) = X genau dann, wenn a das Einheitsideal ist. (5) Es ist D(a) D(b) genau dann, wenn a rad(b) gilt. (6) Das Spektrum ist genau dann leer, wenn R der Nullring ist. (7) Es ist D(a) = genau dann, wenn a nur nilpotente Element enthält. (8) Die offenen Mengen D(f), f R, bilden eine Basis der Topologie. (9) Eine Familie von offenen Mengen D(a i ), i I, ist genau dann eine Überdeckung von X, wenn die Ideale a i zusammen das Einheitsideal erzeugen. Beweis. (1). Die Inklusion ist klar. Die andere Inklusion beweisen wir durch Kontraposition und nehmen p D(T) an. Dann ist T p und somit gilt a rad(a) p, da ein Primideal ein Radikalideal ist. Daher ist auch p D(rad(a)). (2) und (3) sind klar nach (1) und dem Beweis zu Lemma 13.3. (4). Wenn a nicht das Einheitsideal ist, so gibt es nach Aufgabe 13.6 ein maximales Ideal a m, also m D(a). (5). Die Implikation von rechts nach links ist klar. Für die Umkehrung sei a rad(b) vorausgesetzt. Dann gibt es ein f a mit f n b für alle n N. Dann gibt es auch ein Primideal p b mit f p. Also ist p D(a) und p D(b). (6). Der Nullring besitzt kein Primideal. Ein vom Nullring verschiedener kommutativer Ring besitzt nach Aufgabe 13.6 maximale Ideale. (7). Jedes Primideal enthält sämtliche nilpotenten Elemente, also ist V(a) = X für ein solches Ideal. Wenn dagegen a ein nicht nilpotentes Element f enthält, so gibt es nach Aufgabe 13.7 auch ein Primideal p mit f p,alsoistp D(f) D(a).(8).DiesfolgtdirektausD(a) = f a D(f). (9) folgt aus und (2) und (4). Proposition 13.5. Für das Spektrum X = Spek(R) eines kommutativen Ringes R gelten folgende Eigenschaften. (1) Der Abschluss einer Teilmenge T X ist V ( x T p x). (2) Der Abschluss eines Punktes x X ist V (p x ). (3) Ein Punkt x Spek(R) ist genau dann abgeschlossen, wenn p x ein maximales Ideal ist. Beweis. (1). Für y T ist y V (p y ) V ( x T p x), so dass die angegebene Menge eine abgeschlossene Menge ist, die T umfasst. Sei q ein Primideal mit q V ( x T p ) x, also x T p x q. Um zu zeigen, dass q auch zum Abschluss von T gehört, muss man zeigen, dass T jede offene Umgebung von q schneidet. Sei also q D(f), d.h. f q. Dann ist auch f x T p x und somit gibt es ein x T mit f p x. Also ist p x D(f) und somit T D(f). (2) ist ein Spezialfall von (1). (3) folgt aus (2). 3

4 Vor der nächsten Aussage erinnern wir an die (Quasi)-Kompaktheit von topologischen Räumen: Ein topologischer Raum X heißt kompakt (oder überdeckungskompakt), wenn es zu jeder offenen Überdeckung X = U i mit U i offen und einer beliebigen Indexmenge eine endliche Teilmenge J I gibt derart, dass X = i JU i ist. Häufig spricht man von kompakt nur, wenn der Raum neben dieser Überdeckungseigenschaft auch hausdorffsch ist, und nennt dann die Überdeckungseigenschaft die Quasikompaktheit. Korollar 13.6. Das Spektrum X = Spek(R) eines kommutativen Ringes R ist quasikompakt. Beweis. Nach Proposition 13.4 (9) ist X = D(a i) genau dann, wenn die Ideale a i, i I, zusammen das Einheitsideal erzeugen. Das von der Familie erzeugte Ideal besteht aus allen endlichen Summen f 1 +...+f n mit f j a ij. Wenn also das Einheitsideal erzeugt wird, so bedeutet dies, dass es eine endliche Auswahl {i 1,...,i n } I und Elemente f j a ij gibt mit n j=1 f j = 1. Dann ist aber n n X = D(1) = D(f j ) = D(a ij ) j=1 j=1 und somit ist eine endliche überdeckende Teilfamilie gefunden. Das Spektrum ist nur in Ausnahmesituationen ein Hausdorffraum, d.h. im Allgemeinen kann man zwei Punkte des Spektrums nicht durch offene Umgebungen trennen. Beispiel 13.7. Ein Körper hat bekanntlich nur zwei Ideale, nämlich das Einheitsideal K, das kein Primideal ist, und das Nullideal 0, das ein Primideal ist. Das Spektrum eines Körpers besteht also aus einem einzigen Punkt. Beispiel 13.8. Die Primideale in Z sind einerseits die maximalen Ideale (p), wobei p eine Primzahl ist, und andererseits das Nullideal 0. Die maximalen Ideale bilden die abgeschlossenen Punkte von Spek(Z). Das Nullideal ist darin ein weiterer nicht abgeschlossener Punkt. Die einzige abgeschlossene Menge, in der dieser Punkt enthalten ist, ist die ganze Menge. Die abgeschlossenen Mengen in Spek(Z) sind neben der Gesamtmenge die endlichen Teilmengen aus maximalen Idealen. Man visualisiert Spek(Z) als eine (gedachte Gerade), auf der die Primzahlen diskret liegen, während der Nullpunkt ein fetter Punkt ist, der die gesamte Gerade representiert.

Beispiel 13.9. Für den Polynomring R = K[X 1,...,X n ] über einem Körper K vermitteln die sogenannten Punktideale eine gute geometrische Vorstellung von Spek(R). Ein Punktideal hat die Form (X 1 a 1,X 2 a 2,...,X n a n ) zu einem festen Tupel a = (a 1,a 2,...,a n ) K n. Ein Punktideal ist der Kern des durch X i a i festgelegten K-Algebrahomomorphismus ϕ a : R K und daher ein maximales Ideal. Diese Zuordnung definiert insgesamt eine injektive Abbildung K n Spek(R). Wenn K algebraisch abgeschlossen ist, werden dadurch sogar alle maximale Ideale von R erfasst. Daher stellt man sich das Spektrum des Polynomrings in n Variablen als den affinen Raum vor, der allerdings auch noch weitere nichtabgeschlossene Punkte enthält. Zu einem Polynom f K[X 1,...,X n ] besitzt V(f) K n eine anschauliche Interpretation: Es ist a V(f) K n genau dann, wenn f(a 1,...,a n ) = 0 ist. Auch wenn ein beliebiger endlichdimensionaler K-Vektorraum V mit dem zugehörigen Polynomring K[V] vorliegt, so erhält man eine natürliche Einbettung V Spek(K[V]). Einem Vektor v V ist das maximale Ideal {f K[V] f(v) = 0} zugeordnet. Dieses wird von den in v verschwindenden Linearformen erzeugt. Als Variante erwähnen wir noch das K-Spektrum. Definition 13.10. Es sei K ein kommutativer Ring und R eine kommutative K-Algebra. Zu einer weiteren K-Algebra L nennt man die Menge der K- Algebrahomomorphismen Hom K (R,L) das L-Spektrum von R. Es wird mit L Spek (R) bezeichnet. Dies Bezeichnung wird insbesondere bei L = K verwendet. Wenn man zu einer K-Algebra R das affine Schema als X = Spek(R) bezeichnet, so schreibt man auch X(L) für das L-Spektrum und spricht von der Menge der L- wertigen Punkte. Wenn K ein algebraisch abgeschlossener Körper und R vom endlichen Typ über K ist, so besteht X(K) genau aus den maximalen Idealen von R. 5

Abbildungsverzeichnis Quelle = Alexander Grothendieck.jpg, Autor = Konrad Jacobs, Lizenz = CC-BY-SA 2.0 1 7