Regierungen sind keine Gentlemen

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Transkript:

Gen-ethischer Informationsdienst Regierungen sind keine Gentlemen Interview mit Pat Mooney von Pat Mooney Das Umweltinstitut München e.v. sprach im März diesen Jahres mit dem Kanadier Pat Mooney, Direktor der internationalen Organisation ETC (Action Group on Erosion, Technology and Concentration), über Terminator-Technologie und den Erlass 81 im Irak. Neben der Nanotechnologie und dem Syngenta-Patent hat sich die ETC Group in letzter Zeit intensiv mit der sogenannten TerminatorTechnologie beschäftigt. Der jüngste Vorstoß, das Moratorium für die Entwicklung von Terminator-Pflanzen zu torpedieren, kam von ihrer eigenen, also der kanadischen Regierung. Ich war nie weniger stolz, ein Kanadier zu sein, als während der letzten Wochen. In der Tat kommen hier zwei Dinge zusammen. Erst Syngenta mit einer Art Terminator-Patent, dann die Terminator-Technologie selbst. Um etwas auszuholen: das sogenannte Terminator-Patent wurde 1998 erteilt. Die öffentliche Reaktion gegen Terminator-, also Suizidgen-Technologien, war aber dermaßen überwältigend, dass Konzerne wie Syngenta oder Monsanto beteuerten, dass sie diese Technologie nicht anwenden würden. Monsanto war diesbezüglich sehr klar: Sie verpflichteten sich sogar, diese Bestätigung jährlich zu erneuern. Das heißt jedoch auf der anderen Seite, sobald der Konzern diese Verpflichtung nicht erneuert, ist sie hinfällig. Daher ist es ein nicht sehr belastbares Versprechen. Die Vereinten Nationen entschieden auf der Grundlage der Biodiversitätskonvention, ein Moratorium für jede Weiterentwicklung der Terminator-Technologie zu verhängen, sei es in Bezug auf Freisetzungsversuche oder auf Kommerzialisierung. Allerdings ist das Moratorium ein gentlemen s agreement. Es gibt keinen rechtsverbindlichen Beschluss. Das Problem ist: Regierungen sind keine Gentlemen, und wir haben diesem gentlemen s agreement nie getraut. Wir wussten auch, dass es starken Druck von Seiten der

Konzerne gibt, speziell von Monsanto, die Regierungen dazu zu bringen, ihren Standpunkt bezüglich des Moratoriums zu ändern. Und plötzlich tauchte das Thema letzten Monat [Februar 2005, die Red.] auf.... das war bei dem Treffen des wissenschaftlichen Beratergremiums der Konvention über die Biologische Vielfalt. Dort treffen sich eigentlich Wissenschaftler, um auf wissenschaftlicher Ebene darüber zu beraten, wie man auf die Gefährdungen der biologischen Vielfalt reagieren soll. Die kanadische Regierung kam jedoch mit einem ganz spezifischen Ziel zu der Konferenz: Sie wollte das Moratorium beenden. Sollte das nicht gelingen, wollte sie jeden anderslautenden Beschluss der anwesenden Wissenschaftler blockieren. Im Vorfeld der Konferenz gab es daher eine diplomatische Initiative der kanadischen Regierung: Sie schickte Vertreter zu den Regierungen der Entwicklungsländer, die fragten: "Unterstützt ihr unseren Vorschlag?" Kanada bot den Regierungen im Gegenzug Unterstützung für die Erforschung der Terminator-Technologie an, falls sie das Moratorium zu Fall brächten. Sie sagten also: helft uns, das Moratorium zu beenden, wir bezahlen. Das ist reine Bestechung. Zum Glück bekamen wir eine Kopie des Positionspapiers der kanadischen Regierung zugespielt, als wir gerade in Bangkok angekommen waren. Wir haben es sofort an die anwesenden Delegierten und die Medien weitergegeben. Daraufhin zeigten uns die Vertreter der Entwicklungsländer die Faxe, die sie von der kanadischen Regierung bekommen hatten. Die Offensive hatte einen monatelangen Vorlauf gehabt. Auf der Konferenz wurden die kanadischen Vertreter dafür in der Luft zerrissen. Trotzdem wurden sie ins Komitee für die Erarbeitung der Abschlusserklärung gewählt. Dieses tagt hinter verschlossenen Türen, und Kanada hat dort erneut sehr hoch gepokert und den Ländern erneut Geld angeboten. Als das Dokument dann zur Verabschiedung ins Plenum ging, waren auf einmal alle Punkte, die Kanada gefordert hatte, in der Abschlusserklärung. Beendung des Moratoriums für die Terminator-Technologie, freie Fahrt für Freisetzungsversuche und Kommerzialisierung. Und so musste in letzter Minute etwas geschehen. Vor allem Österreich hat darauf bestanden, dass das Moratorium in Kraft bleibt, aber auch Schweden und Norwegen. In Kanada wurde aufgrund dieser Vorkommnisse ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, der der Frage nachgehen soll, wie und warum die Regierung so gehandelt hat. Das ist ein Schritt, der Mut macht. Welches Interesse hatte Kanada an diesem Vorstoß? Dafür gibt es drei Gründe. Zuallererst: Die US-Regierung hat die Biodiversitätskonvention nicht unterzeichnet, wie so viele Verträge. Daher kann sie nur als Beobachter teilnehmen und nicht als vollständiges Mitglied. Kanada gehört dagegen zu den Erstunterzeichnern. Daher fragte die US-Regierung, ob

Kanada als enger Nachbar diesen Auftrag für sie übernehmen könnte. Zweitens gibt es natürlich den Druck der Konzerne, die auch in Kanada sitzen. Monsanto, Dupont, Syngenta, sie alle wollen Terminator-Technologie, sie wollen, dass das Moratorium aufgehoben wird. Drittens gibt es innerhalb der Regierung und der Behörden einflussreiche Leute, die die Terminator-Technologie wollen, obwohl sie das nie öffentlich zugeben würden. Es gibt eine große Anzahl Wissenschaftler in Kanada, die für die Regierung arbeiten und die sehr offen dafür sind. Sie lieben jede neue Technologie. Im Grunde hat Kanada bisher jede neue Technologie geliebt, sei es die Atomtechnologie oder was auch immer. Alles ist ein Spielzeug, das man probieren muss. Als das Spiel der kanadischen Regierung ans Licht kam, ging die Absurdität jedoch erst richtig los. Kanadische Diplomaten stellten sich vor die Kamera und sagten: Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis von Bangkok, wir sind froh, dass das Moratorium in Kraft geblieben ist - eine vollständige Umkehrung sowohl ihrer Position vor und während der Konferenz als auch ihres Verhandlungspapiers. Die gleichen Leute kamen hinterher zu uns und machten uns Vorwürfe, wie schändlich wir uns betragen hätten. Geht es nur um die Terminator-Plattform, die das US-Unternehmen Delta & Pine Land zusammen mit dem US-Landwirtschaftsministerium entwickelt und patentiert hat oder entwickelt jeder Konzern - Syngenta, Bayer, Dow, Dupont - seine eigene Terminator-Technologie? Jeder der genannten Konzerne arbeitet daran und will seine TerminatorTechnologie kommerzialisieren. Das erste Patent, das auf diese Technologie erteilt wurde, wurde der Firma Delta & Pine und dem Landwirtschaftsministerium der USA erteilt. Es läuft immer noch auf diese beiden Inhaber. Monsanto versuchte, Delta & Pine wegen dieses Patents zu kaufen. Aufgrund der Monopolgesetze in den USA wurde dem Konzern die Übernahme allerdings untersagt. Monsanto hat aber sein eigenes Terminator-Patent, das sogar ein Jahr vorher erteilt wurde. Und es gibt noch etwa ein Dutzend Terminator-Patente, von Syngenta, Dupont, BASF und einigen anderen. Mittlerweile gehen die Unternehmen so vor, dass sie sich aufgrund der negativen Schlagzeilen keine Patente mehr erteilen lassen, die klar als Terminator-Patente zu identifizieren wären. Stattdessen reichen sie mehrere Patente ein, die zusammengenommen ein Terminator-Patent ergeben. Für die Konzerne ist diese Technologie einfach zu verlockend. Wie kann man einen Konzern glücklicher machen, als wenn man jedes Jahr Saatgut kaufen muss? Daher werden sie weiterhin Druck ausüben, um ihr Ziel zu erreichen. Der andere Grund ist, dass eine völlig neue Generation von gentechnisch veränderten Pflanzen, die so genannten Pharmapflanzen, auf die Zulassung warten. Sie produzieren Medikamente für die Pharmaindustrie. Sie wissen, dass das gefährlich ist und die Öffentlichkeit sich dem widersetzen wird. Die Lösung für sie ist, zu sagen: Keine Sorge, wir haben Selbstmordgene in diese

Pflanzen eingefügt, und daher können sie nicht in Nachbarfelder auskreuzen. Das ist ein weiterer Grund, warum Firmen die Terminator-Technologie wollen. Können Sie uns ein wenig darüber berichten, was Sie über den Erlass 81 im Irak wissen? Erlass 81 ist ein drakonisches Gesetz. Die US-Militärregierung im Irak hat ein Gesetz erlassen, das dem Land Sortenschutzrechte für Pflanzen auferlegt. Das Gesetz sagt, dass keine der Pflanzensorten, die im Irak zugelassen und registriert sind, nachgebaut werden darf. Das klingt zunächst relativ harmlos. Wenn wir uns jedoch die Hilfslieferungen mit Saatgut, die von der EU oder den USA während der letzten anderthalb Jahre geleistet wurden, oder die Nahrungsmittelhilfe, von der sieben Prozent als Saatgut verwendet werden, betrachten, ist die Lage dramatisch. Denn schon heute sind alle diese patentierten und geschützten Getreidesorten im Land. Jetzt müssen die Saatgutkonzerne nur noch ins irakische Patentamt in Bagdad spazieren und sagen: Gebt uns die Rechte auf die Pflanzensorten, die bereits im Land sind. Das führt letzten Endes dazu, dass die Bauern von der Wiederaussaat von Saatgut, nach dem sie nicht gefragt haben, abgehalten werden. Das ist ein unvorstellbar grausames Gesetz. Denken Sie nicht, dass die irakischen Bauern dagegen Widerstand leisten werden? Natürlich werden sie das, aber welche Aussichten hat das, wenn einem Menschen mit Maschinengewehren gegenüberstehen? Es ist einfach unfassbar, in einer Krisensituation, wie sie im Irak bezüglich der Ernährungssituation herrscht, eine dermaßen restriktive Gesetzgebung zu verhängen, die verhindert, dass die Bauern Lebensmittel erzeugen können. Es ist unglaublich, dass die Menschen dieser zusätzlichen Bedrohung ausgesetzt werden. Jetzt kommt es darauf an, wie das Militär dieses Gesetz durchsetzt. Sie können das mit Waffengewalt tun. Für uns ist das kein Fall, der vor das Europäische Patentamt gehört, sondern vor die Genfer Konvention. Das ist ein Kriegsverbrechen, nicht nur gegen die Menschen im Irak, sondern gegen die gesamte Zivilisation, denn die Getreidevielfalt im Irak ist überlebenswichtig für die Menschheit. Könnte die neue irakische Regierung Erlass 81 außer Kraft setzen? Ich denke nicht, dass sie das kann. Wir müssen daher über die Vereinten Nationen und über die Genfer Konvention Druck auf die Regierungen der USA und des Irak ausüben, damit dieses Gesetz zurückgezogen wird. Wir sollten darüber hinaus Syngenta, Monsanto und Bayer klarmachen: "Schaut, was ihr anrichtet." In Ländern wie dem Irak darf es keine Rechtsansprüche auf Pflanzensorten geben. Gleichzeitig muss der irakischen Regierung vermittelt werden, dass Industriesaatgut, wie immer es in den Irak gekommen ist, von den Bauern frei genutzt werden kann. Im Hinblick auf die öffentliche Meinung würden die Konzerne es nicht wagen, dieser Forderung zu widersprechen. Sie würden

zumindest sagen: "wir erklären ein Moratorium für dieses Gesetz, wir werden keinen Sortenschutz auferlegen, zumindest bis der Krieg vorüber ist und Frieden im Land herrscht." Auch wenn das Jahrhunderte dauern wird. Kann öffentlicher Druck helfen? Ja, das glaube ich. Der Irak ist kein kommerziell interessantes Ziel für die Agrokonzerne, und wird es in absehbarer Zukunft auch nicht werden. Sie verlieren daher nur, wenn sie dieses Gesetz durchsetzen, anstatt die Möglichkeit zu nutzen, "Mr. Nice Guy" zu spielen. Der Irak ist kein lukratives Pflaster für die Unternehmen, da gebe ich Ihnen recht. Aber ist er nicht vielleicht ein Mosaikstein des Plans, den man als "schleichende Kontamination" bezeichnen könnte, und der darin besteht, möglichst große Teile der Welt mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu kontaminieren, damit die EU ihre restriktive Gentechnikgesetzgebung aufgeben muss und gezwungen ist zu sagen: "Es ist vorbei. Wir können nichts mehr dagegen machen."? Sicher. Aber es macht zunächst keinen Unterschied. Die Kontamination geht ohne dass Patente dabei eine Rolle spielen - über die Nahrungsmittelhilfe weiter. Die Kontamination des Irak wird daher auch fortgesetzt werden, wenn Erlass 81 ausgesetzt wird. Ich würde die These leicht abwandeln: Es ist sehr im Sinne der Unternehmen, dass Kontamination möglichst großflächig stattfindet, und Konzerne wie Monsanto sind über die heutige Situation hocherfreut. Dies war aber nicht die ursprüngliche Strategie. Bevor die großen Konzerne das Spielfeld betraten, sah es so aus: Es gab eine sehr schlechte und schlampige Technologie kleiner Unternehmen. Die Großkonzerne mussten nach der Übernahme dieser Firmen der Wall Street beweisen, dass diese markttauglich sind und so brachten sie die unausgereifte Technologie vollkommen übereilt auf den Markt. Die Konzerne waren überzeugt, dass sie die Technologie beherrschen und es keine Probleme mit der Öffentlichkeit gibt. Daher waren sie geschockt, dass die Gesellschaft, besonders in Europa, so ablehnend reagierte. Damit hatten sie nicht gerechnet. Sie hatten nicht gedacht, dass sie Kontamination als Konzept benötigen würden, sie dachten einfach, sie bekommen, was sie wollen. Erst seit der negativen Reaktion der Öffentlichkeit müssen sie auf dieses Konzept zur Verbreitung der Technologie zurückgreifen. Erlauben Sie mir noch eine letzte Anmerkung zum Thema Terminator-Technologie: Wenn wir nicht sehr bald, in den nächsten vierzehn Monaten [bis März 2006, die Red.], ein dauerhaftes Moratorium oder ein definitives Verbot dieser Technologie herbeiführen, wird sie nicht mehr zu verhindern sein. Man kann sehr genau sehen, an welchen Stellen in diesem Zeitraum Druck ausgeübt wird. Im März 2006 findet in Spanien ein Treffen der Biodiversitätskonvention statt, und im Mai eine Vollversammlung der Mitgliedsstaaten. Dort wird es einen Frontalangriff aller Gentechnikkonzerne

geben, mit Unterstützung der Regierungen aus Kanada, Australien, Neuseeland, Brasilien und Argentinien, um das Moratorium zu Fall zu bringen. Vielleicht werden sie gewinnen. Wir haben noch genau 14 Monate, um unsere jeweiligen Regierungen zu überzeugen, dass es nicht mehr nur ein De-facto-Moratorium geben soll, sondern ein offizielles Moratorium oder ein vollständiges Verbot. Wenn uns das nicht gelingt, werden wir wahrscheinlich verlieren. Der Zeitrahmen ist sehr eng, und wenn wir zögern, werden wir verlieren. Interview und Übersetzung: Andrea Reiche und Andreas Bauer Der Kanadier Pat Mooney ist Mitbegründer und Direktor der internationalen Organisation ETC Group (Action Group on Erosion, Technology and Concentration), die sich für die Förderung kultureller und ökologischer Vielfalt und Menschenrechte einsetzt. ETC steht für erosion insbesondere genetischer Resourcen und von traditionellem Wissen, technology im Sinne neuer Technologien und concentration von ökonomischer Macht. Sie war früher unter dem Namen RAFI bekannt (RAFI: Rural Advancement Foundation International, etwa: Internationale Stiftung zur Förderung ländlicher/bäuerlicher Strukturen). Pat Mooney erhielt 1985 den Alternativen Nobelpreis für seinen Einsatz zum Schutz der biologischen Vielfalt in der Dritten Welt. zur Artikelübersicht Informationen zur Veröffentlichung Erschienen in: GID Ausgabe 172 vom Oktober 2005 Seite 39-41