Archäologische Nachrichten aus Baden

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Transkript:

Archäologische Nachrichten aus Baden Heft 63 2000 Herausgeber: Förderkreis Archäologie in Baden e.v. Redaktion: Edward Sangmeister, Belfortstraße 22, 79098 Freiburg i. Br. Druck: Kehrer Offset GmbH & Co. KG, Heiligestraße 4, 79100 Freiburg i. Br.

U. Gross Außergewöhnliche Keramikfunde von Burg Hohenbaden, Stadt Baden-Baden Unter den Fundbeständen im Referat für Archäologie des Mittelalters an der Außenstelle Karlsruhe des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg befinden sich umfangreiche Materialien von Burg Hohenbaden. Sie wurden teils von dem verstorbenen Baden-Badener Heimatforscher Paul Braun aufgesammelt, teils durch Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes anlässlich verschiedener Maßnahmen geborgen. Hier sollen nur zwei Stücke vorgestellt werden, die auf dem Sektor der Gefäß- bzw. der Ofenkeramik jeweils Besonderheiten darstellen. Becher Bis auf den fehlenden Rand konnte ein Gefäß (Abb. 2) aus Scherben weitgehend wieder zusammengesetzt werden. Es ist rottonig und beidseitig mit einer hellen, gelblichen Engobe überzogen. Der Boden, der beim genauen Hinsehen noch Spuren vom Abschneiden von der Töpferscheibe zeigt, lädt leicht aus und ist durch beidseitiges Quetschen als sog. Wellenfuß gestaltet. Vor allem die Ausführung der Unterpartie, aber auch die gestreckte, kräftig geriefte Form lassen keinen Zweifel daran, dass man hier in einheimischer Irdenware ein rheinisches Steinzeugvorbild imitierte. Wegen der verengten Mündungspartie, deren Abschluss leider fehlt, wird man am ehesten an einen Trichterbecher denken. Mit der hellen Engobe, die im allgemeinen als Unterlage für einen Glasurüberzug diente, dürfte der Töpfer versucht haben, jene Trichterbecher nachzuahmen, die in der Produktion der Siegburger Ofen seit dem zweiten Drittel des 16. Jhs. die älteren, grau-orangen, geflammten" Exemplare ablösten. Ob das Hohenbadener Stück einst einen Henkel besaß, ist nicht mehr zu entscheiden, weil die Wandung in diesem Bereich nicht vollständig erhalten ist. Als Nachahmung eines Gefäßes aus echtem Steinzeug ist der hier vorgelegte Becher in den oberrheinischen Regionen zwar bemerkenswert, er steht allerdings keineswegs allein. Ein weiteres einschlägiges Beispiel sei mit dem bisher unpublizierten Münzschatzbehälter von Obergimpern angeführt (Abb. 3), der im Badischen Landesmuseum aufbewahrt wird. Das nach Ausweis der darin enthaltenen Gepräge um 1440 vergrabene Gefäß ist den oben erwähnten älteren Trichterbechern des 15. und frühen 16. Jhs. nachempfunden. Es trägt sogar den nicht sehr häufigen Auflagendekor in Gestalt von Beerennuppen, wie er beispielsweise auch an dem zeitgleichen niederländischen Münzbehälter von Merselo (vergraben um 1448/49) vorkommt. Dass auch Krüge aus Steinzeug in der regionalen Irdenware kopiert wurden, zeigen Beispiele aus Pforzheim oder Speyer (Abb. 1). Steinzeug wurde im 14. und 15. Jh. nicht nur im Rheinland, sondern auch im nördlichen Elsass hergestellt, wie noch unveröffentlichte Töpfereiauschussmate- 55

rialien in Hagenau belegen (freundlicher Hinweis Y. Henigfeld, Straßburg). Es ist jedoch entlang des Rheins auf badischer Seite nur sehr spärlich vorhanden - wenn es überhaupt auftritt (von Hohenbaden ist im zahlreich vorliegenden Fundgut nur ein einziges Bodenstück zu nennen). Die Imitationen bezeugen, dass man davon Kenntnis hatte. Sie sind aber lediglich als optische Annäherungen zu werten, als poröse Irdenwaregefäße waren sie technologisch dem versinterten und dadurch flüssigkeitsundurchlässigen Scherben der Vorbilder deutlich unterlegen. 0 5 cm i I Abb. 1: Imitation eines Steinzeugbechers aus grauer Irdenware aus Speyer. 56

Abb. 2: Imitation eines Steinzeugbechers aus engobierter Irdenware von Burg Hohenbaden. Abb. 3: Imitation eines Steinzeugkruges aus rotbemalter Irdenware aus Obergimpern. Nischenkachel Aus dem umfangreichen Bestand an Ofenkeramik, der unbedingt einer eingehenden wissenschaftlichen Aufarbeitung bedarf, sei das Fragment einer Nischenkachel des späten 14./15. Jahrhunderts herausgegriffen (Abb. 4-5). Es fällt sofort durch seine Doppelbödigkeit" ins Auge. Hinzu kommt, dass es sowohl grüne als auch gelbe bis bräunliche Glasur trägt. Auf den ersten Blick könnte man an zwei zufällig miteinander verbackene Kachelböden denken. Dagegen spricht jedoch die Exaktheit, mit der die weißtonige obere Hälfte" mit dem geringeren Durchmesser auf der rottonigen unteren aufsitzt. Das Rätsel ist gelöst, wenn man von einer doppelwandigen Nischenkachel aus zwei Halbzylindern ausgeht. Deren vordere, grün bzw. gelblich-braun glasierte Wandung war einst durchbrochen gearbeitet, sodass als Hintergrund der rote Halbzylinder wahrgenommen wurde. Ein Durchbrechen ist auch deswegen zwingend anzunehmen, weil nur so Glasur in den Spalt laufen konnte, der stellenweise zwischen den beiden Böden zu beobachten ist. Die Wandung des vorderen, helltonigen Halbzylinders wurde anscheinend erst nach dem Zusammensetzten beider Teile bearbeitet, denn auf dem Boden des hinteren sind ausgeschnittene Stückchen aus weißem Ton festgebrannt. Sie konnten durch die wohl engen Offnungen nicht mehr entfernt werden, waren jedoch an dieser Stelle für den Betrachter auch nicht sichtbar. 57

Abb. 4: Seitenansicht der doppelwandigen Nischenkachel von Burg Hohenbaden. Abb. 5: Aufsicht auf die doppelwandige Nischenkachel von Burg Hohenbaden. Abb. 6: Grünglasiertes Nischenkachelfragment von Burg Hohenbaden. Abb. 7: Grünglasiertes Nischenkachelfragment von Burg Hohenbaden. Vergleichbar komplizierte Kacheln mit figürlichen oder architektonischen Darstellungen auf der durchbrochenen Vorderpartie hat es bestimmt häufiger gegeben, als es nach dem derzeitigen Kenntnisstand den Anschein hat. Das hier vorgestellte Exemplar sollte Anlass sein, in Zukunft bei der Bearbeitung gotischer Ofenkeramik verstärkt auf solche Erscheinungen zu achten. Geläufiger - auch auf Burg Hohenbaden - waren jedoch fraglos jene Kacheln, bei denen dem halbierten Zylinder ein randbündiges durchbrochenes Blatt aufgesetzt wurde (Abb. 6-7). Bei der erstgenannten Variante war der Lohn für die größere herstellungstechnische Mühe dafür sicherlich eine weit bessere optische Wirkung. Fotos: Y. Mühleis/LDA Stuttgart Literatur: D. Lutz, Beobachtungen in der Ruine Hohenbaden, Stadt Baden-Baden. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1994, 266 ff. - H. Sarfatij, Münzschatzgefäße in den Niederlanden, I: Die Periode 1190-1566. Ber. ROB 29, 1979, 506 Nr. 14. 58