Die Zehn Gebote das Grundgesetz der Freiheit Gottesdienst am 18. Sonntag nach Trinitatis 29. September 2013 um 9:30 Uhr Nikolauskirche Satteldorf



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Transkript:

Die Zehn Gebote das Grundgesetz der Freiheit Gottesdienst am 18. Sonntag nach Trinitatis 29. September 2013 um 9:30 Uhr Nikolauskirche Satteldorf Orgelvorspiel Anette Ley Eingangslied: 295,1-3 Wohl denen, die da wandeln Trinitarisches Votum: Gemeinde: Amen Begrüßung zum Wochenspruch: Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe. (1. Joh 4,21) Psalmgebet 19 (708) Gemeinde: Ehr sei dem Vater... Eingangsgebet Stilles Gebet Schriftlesung: 1. Mose 20,1-17 Christine Schuh Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten. Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht. Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. 1

Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, geben wird. Du sollst nicht töten. Du sollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat. Lied: 231, 1-2 und 11-12 Dies sind die heilgen Zehn Gebot Predigt über 2. Mose 20,1-17 Liebe Brüder und Schwestern, jeder Mensch soll an seinen zehn Fingern ablesen können, was die wichtigsten Grundregeln für ein gelingendes Lebens sind. Diese Regeln heißen Gebote und bewusst nicht Verbote. Es geht nicht darum, uns Menschen willkürlich zu gängeln oder den Spaß zu verderben. Davon ist nirgends die Rede. Sondern es geht darum, Regeln zu benennen, die für ein gutes Leben unverzichtbar erscheinen. Dass die beiden Gesetzestafeln, die Mose vom Berg Sinai herunterbringt, genau so zu verstehen sind, zeigt die Präambel der Zehn Gebote: Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Mose hat das Volk Israel auf Gottes Geheiß hin aus der Knechtschaft geführt. Das ehemals versklavte Volk ist nun frei und steht davor, ins gelobte Land einzuziehen. Als notwendige Ausrüstung für dieses neue Leben, gibt Gott seinem Volk zehn Grundregeln an die Hand, die den Grundstock des Gesetzes bilden sollen, nach denen Israel in Freiheit leben soll. Die Zehn Gebote verstanden als Grundgesetz der Freiheit. Damit ist von Anfang an klargestellt: Ein Leben in Freiheit bedeutet nicht Haltlosigkeit, Grenzenlosigkeit, Zügellosigkeit und Willkür des Handelns. Freiheit und Regeln schließen sich nicht aus, sondern ein. Unser Handeln in Freiheit braucht eine Richtschnur, es benötigt Ziele und Wertmaßstäbe. 2

Es ist nötig, die Eckpfeiler abzustecken, den Rahmen, innerhalb dessen ein gutes Zusammenleben möglich ist. Damit sind dann auch zugleich die Grenzen benannt, die nicht überschritten werden dürfen. Auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nennt solche Eckpfeiler: - Menschenwürde (GG Art. 1) - Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit - Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2) - Gleichberechtigung (Art. 3) - Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4) Aus jedem dieser Grundrechte lässt sich ein Verbot ableiten, das vor der Grenzüberschreitung des Grundrechts schützen soll: Die Würde des Menschen ist unantastbar. - Die Persönlichkeitsrechte anderer dürfen nicht verletzt werden. - Die Freiheit der Person ist unverletzlich. - Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Damit wird deutlich: Die Freiheit des Einzelnen hört dort auf, wo die Freiheit des Andern beginnt. Auch das Grundgesetz der Freiheit Israels kennt bereits den Schutz solcher Persönlichkeitsrechte. Er lautet in seiner Urform im Dekalog so: Du sollst nicht töten. Du sollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat. Das sind alles Gebote, welche Freiheit, Person und Eigentum des einzelnen Menschen schützen sollen vor dem Zugriff anderer. Beachten wir dabei einmal ausnahmsweise, welche Gebote hier nicht ausgesprochen werden. Zum Beispiel diese drei: Du sollst dein Handeln entsprechend deinem Geschlecht ausrichten, denn die Rolle von Mann und Frau sind strikt zu trennen. Du sollst deiner Herkunft und Abstammung gemäß leben und die Grenzen deiner sozialen Stellung nicht überschreiten. 3

Du sollst die Gesetze der Obrigkeit nicht übertreten, denn Gott wird den nicht ungestraft lassen, der sich seiner Obrigkeit widersetzt. Wir spüren sofort: Schon allein, dass diese drei Gebote, die im Horizont der damaligen Zeit durchaus naheliegen, nicht in den Zehn Geboten genannt werden, birgt ein ungeheures Freiheits- und Gleichberechtigungspotential in sich. Es wird eben nicht unterschieden zwischen Mann und Frau. Es wird eben kein Unterschied gemacht bezüglich der biologischen, ethnischen oder sozialen Stellung von Menschen. Sondern hier wird eine Gleichheit und Freiheit aller Menschen vorausgesetzt, die bis zum heutigen Tag nicht selbstverständlich ist, nämlich längst nicht in allen Religionen und Teilen der Welt anerkannt wird. Schon allein daher scheint es nicht angemessen, die Zehn Gebote als eine Art natürliches Gesetz anzusehen, das allen Menschen gleichermaßen ins Herz und ins Gewissen geschrieben ist. Dass es ein solches natürliches Licht der Vernunft im Gewissen der Menschen geben könnte, haben die Stoiker, viele Theologen des Mittelalters wie Thomas von Aquin bis hin zu den Aufklärungsphilosophen der Moderne angenommen. Auch Hans Küngs Weltethos-Projekt fußt auf der Grundlage dieser These. Doch der erbitterte Widerstand, den der Katalog der Menschenrechte bis heute in vielen Ländern der Welt erfährt, zeigt, dass es kultur- und religionsbedingte Unterschiede gibt, was man als die allgemeinen Grundrechte des Menschen anerkennt und was nicht. Nach einem verheerenden Weltkrieg wurde im Jahr 1948 von den Vereinten Nationen eine Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. Doch bis heute ist die Umsetzung dieser Menschenrechte in allen Verfassungen und Gesetzgebungen der Welt bei weitem nicht abgeschlossen. Woran das liegen könnte? Man hat immer wieder zu Recht betont, dass der moderne Katalog der Menschenrechte sein Fundament im biblischchristlichen Menschenbild und dessen Freiheitsverständnis besitzt. Weil das so ist, erscheint es bis heute schwierig, dass sich religiös anders geprägte Kulturen auf dieses christlich geprägte Menschenbild und Freiheitsverständnis verpflichten lassen wollen. Sowohl in muslimischen Ländern als auch in Indien, sowohl in afrikanischen Kulturen als auch im asiatischen Raum rührt sich hier offen oder verdeckt Widerstand, die universale Menschenrechtscharta der UN anzuerkennen, weil hier traditionell zum Teil gänzlich andere Wertmaßstäbe gelten. Etwa eben keine Gleichheit von Mann und Frau. 4

Etwa eben keine Gleichheit der Menschen unabhängig von ihrer Abstammung oder sozialen Stellung. Anders ausgedrückt: Ohne die Zehn Gebote der Bibel wäre der Katalog der Menschrechte nicht zu denken. Hier im Dekalog sind die Wurzeln unserer modernen Menschen- und Freiheitsrechte zu finden. Einen großen Unterschied gibt es freilich: Die Zehn Gebote sind ganz bewusst nicht religiös- und weltanschaulich neutral gehalten wie die Menschenrechte und unser deutsches Grundgesetz, sondern in ihrer religiösen Bindung klar und unverkennbar positioniert. Der zweiten Tafel des Gesetzes Mose ist eine erste Tafel vorangestellt, die sich allen voran auf die rechte Ausgestaltung der Gottesbeziehung richtet. Noch bevor es um die Persönlichkeitsrechte des Menschen und die Regeln menschlichen Zusammenlebens geht, wird in der ersten Tafel des Dekalogs das Verhältnis des Menschen zu Gott erörtert: Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Mit dieser Vorordnung der ersten Tafel vor die zweite wird eine wichtige Überzeugung des jüdisch-christlichen Glaubens ausgedrückt: Im rechten Glauben an Gott liegt die Wurzel für alles weitere Handeln des Menschen in der Welt. Hier in der Gottesbeziehung liegt das Fundament für einen sorgsamen Umgang auch mit dem Mitmenschen. Eben dies zeigt die Ausführung des Sabbatgebots, die ganz klar eine soziale Komponente enthält: Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn. Hier wird die Arbeit nicht auf bestimmte Menschengruppen etwa Herren und Sklaven -, 5

sondern auf Arbeits- und Ruhetage verteilt. Gottes Handeln in der Schöpfung soll dem Menschen dabei zum Vorbild dienen. Denn der Mensch ist als ausgezeichnetes Geschöpf Gottes Ebenbild. Wie die Freiheit Gottes des Schöpfers sich selbst an Ordnungen, an Regeln und Rhythmen gebunden hat, so soll sich auch die Freiheit des Menschen an Ordnungen, Regeln und Rhythmen halten. Denn hier im ethischen Raum der Freiheit ist nicht alles von Natur aus durch Kausalgesetze geregelt und vorherbestimmt. Hier kann es immer nur ethische Gesetze und Normen geben, an denen sich der Menschen in seiner Freiheit selbst bindet. Er wird nicht gezwungen dazu, diese Regeln zu halten, er hat die Freiheit, sie zu brechen. Aber er muss dann auch die Konsequenzen seines Handelns tragen und selbst verantworten. Der Mensch ist frei, das Unrechte zu tun, er ist frei zu sündigen. Aber er hat auch die Freiheit, das Rechte zu tun und die Gebote des guten Lebens zu befolgen. Freiheit ohne Bindung, Freiheit ohne Maß und Ziel, Freiheit ohne Grenzen entartet und wird zur Willkür, die den Handlungsraum der Freiheit und das soziale Miteinander selbst zerstört. Eine Freiheit, die sich nicht an selbstgesetzte gute Regeln und Ordnungen bindet, zerstört in ihrem grenzenlos ausufernden Tun letztlich die Fundamente der Freiheit. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Ein Mensch, der sich nicht beherrschen will, der für sich kein Maß und keine Grenze anerkennt, schadet sich selbst und allen, mit denen er zusammenlebt. Eine Familie, die für Kinder und Eltern keine verbindliche Regeln aufstellt, lässt eine Kultur des Mutwillens und der Haltlosigkeit entstehen. Ein Gemeinwesen, das so liberal sein will, dass es sich nicht an Gesetze bindet, lässt das Willkürgesetz des Stärkeren und Mächtigeren regieren. Regeln und Gebote sind notwendig um der Freiheit willen. Das gute Leben braucht stabile Ordnungen, die dem besonderen Schutz der Gemeinschaft unterstehen so wie der Generationenvertrag zwischen Kindern- und Eltern oder die Ordnung der Ehe. Wer stabile Ordnungen mutwillig und leichtfertig aufs Spiel setzt, fügt dem Grundfundament der Freiheit des Zusammenlebens schweren Schaden zu. Eben dies bestätigt Jesus in der Bergpredigt, wenn er das Gebot der Nächstenliebe radikalisiert zum Gebot der Feindesliebe. 6

Oder wenn er das Verbot der Ehescheidung bekräftigt und sogar noch verschärft, weil es zuvor in Bezug auf den Mann eher lax und äußerlich gehandhabt worden war. Eine Ehe konnte nach mosaischem Gesetz vom Mann aus unter bestimmten Bedingungen ja durchaus rechtmäßig geschieden werden, etwa wenn die Ehe kinderlos geblieben war. Das gute Leben braucht stabile Ordnungen, die dem besonderen Schutz der Gemeinschaft unterstehen. Das gilt für das Zusammenleben von Mann und Frau genauso wie für das Zusammenleben der Generationen. Dass wir auch den alten Eltern, die nicht mehr für sich selbst sorgen können, ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, gehört aus Sicht des Dekalogs zu den Grundfundamenten unseres Zusammenlebens. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, geben wird. In Beduinenvölkern der damaligen Zeit war es demgegenüber durchaus üblich, die alten Eltern allein und schutzlos in der Wildnis zurückzulassen. Respekt und Achtung vor der Person der Eltern, auch wenn diese im Alter nicht mehr die gewohnte Rolle im sozialen Gefüge auszufüllen vermögen, eben das steht hinter dem Elterngebot, das in unserer Zeit eine eigentümlich neue Aktualität erhält. Der Dekalog enthält gewiss nicht alle Regeln, die wir für ein verantwortliches Leben brauchen, aber er gibt die Richtlinie vor. Die Zehn Gebote sind Anfang und Grundlage einer christlichen Ethik, die nie ein für alle Mal fertig und festgeschrieben ist, sondern die immer lebendig auf die jeweilige geschichtliche Situation hin ausgelegt und zugeschnitten werden muss. Nicht für alle unsere ethischen Fragen gibt es vorgestanzte fertige biblische Antworten. Nicht für alle unsere Fragen haben wir ein Herrenwort Jesu. Manchmal sind wir ganz auf die Entscheidung unseres Gewissens angewiesen. Weil es stets naheliegen kann, dass wir die Zehn Gebote starr und gesetzlich missverstehen, hat Jesus selbst das ganze mosaische Gesetz in dem einen Doppelgebot der Liebe zusammengefasst: Du sollst den Herrn deinen Gott lieben von ganzem Herzen und von ganzem Gemüt; dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. 7

Dieses Doppelgebot der Liebe zeigt auf, dass wir uns nicht in einem starren Gesetzesrahmen, sondern in einem Handlungsraum der Freiheit bewegen. Liebe und dann tu, was du willst, hat der Kirchenvater Augustin einmal gesagt. Martin Luther hat gemeint, dass wir aus dem Geist der Freiheit selbst in die Lage versetzt werden, eigenständig Dekaloge zu schreiben für unser Leben, das Gott zur Ehre leben und dem Nächsten zum Nutz sein will. Denn entscheidend ist nach Luther, dass alle unsere Werke aus dem Glauben heraus geschehen. Besonders aber Dietrich Bonhoeffer hat sich gegen eine neue Gesetzlichkeit in der christlichen Ethik ausgesprochen. Für Bonhoeffer wird die ethische Frage nicht durch ein Abheben von der Wirklichkeit hin zum abstrakten Ideal, sondern durch ein Eintauchen in die Wirklichkeit in ihrer vollen konkreten Diesseitigkeit angegangen. Die Gebote sind wichtig, aber sie müssen vom Einzelnen immer im Kontext seiner besonderen geschichtlichen Situation selbst verantwortet werden. Und diese Verantwortung bleibt immer Wagnis, das Wagnis im rechten Geberauch seiner Freiheit manchmal auch ganz unvermeidlich Schuld auf sich zu laden. So war es für Christen wie Bonhoeffer ein Wagnis, in den Widerstand gegen Hitler zu gehen, weil damit die notwendige Übertretung zweier anderer Gebote eingeschlossen ist: des Gebots, die Obrigkeit zu ehren und achten als übertragenes Elterngebot, sowie des Gebots, nicht zu töten. Verantwortung bleibt immer Wagnis. Verantwortung braucht klare Richtlinien, aber sie wird in starrer Gesetzlichkeit erdrückt und pervertiert. Daher wollen wir die Zehn Gebote nehmen, wie sie gemeint sind: als zehn gute Regeln für ein Leben in Freiheit, dass wir in Liebe zu Gott, in Liebe zu unserem Nächsten und zu uns selbst verantworten sollen. Amen Tauflied: 206, 1-3 Liebster Jesu, wir sind hier Taufe Musikteam: Du bist Du Jochen Ziegler Fürbittengebet und Vaterunser Abkündigungen 8

Musikteam: Segenslied Segen Gemeinde singt: Amen, Amen, Amen Orgelnachspiel 9