Michael Faraday Naturgeschichte einer Kerze

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Michael Faraday Naturgeschichte einer Kerze

2018 Veröffentlicht im Verlag Franzbecker Hildesheim 2018 Verlag Franzbecker, Hildesheim Michael Faraday Naturgeschichte einer Kerze 168 Seiten, br., Neusatz ISBN 978-3-88120-710-2 www.franzbecker.de

Vorwort * Weil es sich so eingebürgert hat, haben wir den Titel der sechs Vorlesungen für die Jugend von Michael Faraday stehen lassen: Naturgeschichte einer Kerze, aber es ist eine schlechte Übersetzung des englischen Lectures on the Chemical History of a Candle, denn bei Naturgeschichte denken wir Deutschen an geologische, paläontologische oder biologische Zusammenhänge. Darüber handelt das Buch nicht. Die Kerze, die geniale Erfindung des Menschen, würde es zwar durchaus verdienen, historisch betrachtet zu werden, aber auch das war nicht Faradays Absicht. Sein history of a candle ist als Werdegang einer Kerze zu verstehen (besser noch: Werde- und Vergehegang einer Kerze ), und das drückt auch viel besser aus, was Faraday bei seinen vielseitigen und langjährigen Forschungsarbeiten vor allem in den Bann zog: der Aspekt der Verwandlung,..... Wie andersartig ist..unsere Lebens- und Produktionsweise heute! Gerade darüber nachzudenken, regen Faradays Vorlesungen vielleicht auch an: Nicht einmal unsere Großeltern können sich noch an den Fortschritt z. B. in der Qualität der häuslichen Beleuchtung erinnern, als nach Argands Vorschlag Kerzen mit hohlem Docht hergestellt wurden, so daß die Luft nicht nur am Rand, sondern auch im Innern der Flamme Zutritt hat. Die Petroleumlampen, die wir alle *(mit Zitaten aus dem Vorwort von Peter Buck für die Ausgabe dieses Textes als reprint)

kennen, benützen wie selbstverständlich dieses Prinzip des hohlen Dochts, und auch für Bunsens berühmten Brenner stand er Pate.... Inzwischen hat sich das Voltasche Beleuchtungsprinzip so verselbständigt und verselbstverständlicht, daß er unser elektrisches Licht, durch einen einfachen Schalterdruck entfacht und ohne Wartung unterhalten, zum überwiegenden Teil auf Verbrennungsprozesse zurückgeht, die fernab im Kraftwerk ablaufen und - chemisch gesehen - den Prozessen in einer Kerzenflamme ganz ähnlich sind. Und kaum jemand reflektiert darüber, daß die Generatoren auf Faradays Ideen zurückgehen, ja daß alles, was mit elektrischem Strom zu tun hat, Faradays ureigenstes Forschungsgebiet war. In dieser Ausgabe wurde nur die Schrift geändert, damit das Büchlein auch von denen gelesen werden kann, die die alte deutsche Schrift nicht mehr kennen. Alles andere, insbesondere die Rechtschreibung, ist identisch mit der Ausgabe aus dem letzten Jahrhundert, die schon seit längerem als reprint (unter der ISBN 3-88120-010-4) und auch weiterhin erhältlich ist. Aus der französischen Übersetzung, die noch zu Lebzeiten Faradays erschien, wurden eine Reihe von Abbildungen übernommen, die weder in der englischen Originalfassung, noch in der deutschen Übersetzung vorhanden sind. Januar 2005 Verlag Franzbecker KG

Peter Buck Kurze Biografie Michael Faradays Als Michael Faraday am 22. September 1791 in Newington bei London geboren wurde, war England gerade auf dem Weg, sich von seinen Niederlagen aus dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zu erholen, einem Krieg, den es am Ende gegen die halbe Welt geführt hatte. Genau ein Jahr später wurde in Frankreich die Republik ausgerufen. Das bedeutete auch für die englische Bevölkerung bald wieder schwere Zeiten. Faraday stammte aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater, ein Schmied, mußte aus Gesundheitsgründen den eigenen kleinen Betrieb aufgeben und im nahe gelegenen London Arbeit suchen. Er konnte nur sporadisch arbeiten und brachte daher - wie damals üblich - auch nur sporadisch Geld nach Haus. Die Einkünfte reichten oft kaum für das Allernötigste. Er starb 1809, in einer Zeit, als England schlimm unter der Kontinentalsperre Napoleons zu leiden hatte. Michael Faraday war damals gerade 18 alt und stand im vierten Lehrjahr einer sieben Jahre dauernden Buchbinderlehre bei einem französischen Emigranten namens Riebeau, der auch Zeitungen und Bücher verkaufte. Auch in anderer Hinsicht war dieses Jahr 1809 für Faraday von Bedeutung: Unter den Büchern, die Riebeau verkaufte, war ein The Improvement of the Mind, das Faraday förmlich verschlang; es gab eine Anleitung, wie man das Lernen lernen könne. Isaac Watts, der Autor dieses Buches, gab z. B. den Rat,

Buch zu führen über Ideen, interessante Beobachtungen u. ä. Von Faraday existiert ein solches: The Philocophical Miscelleany, collected bei M. Faraday 1809-10. Watts erkenntnistheoretische Ratschläge fanden in Faraday fruchtbaren Boden: Unterscheiden Sie sorgfältig zwischen Wörtern und Sachen, damit Sie sich nicht vom Spreu statt vom Weizen ernähren müssen! 1 Und: Seien Sie nicht zu hastig, auf ein paar speziellen Beobachtungen, Erscheinungen oder Experimenten weitreichende Theorien aufzubauen! 2 Auch Faradays Berührung mit seinem späteren Hauptarbeitsgebiet, der Elektrizitätslehre, läßt sich in diese Zeit zurückverfolgen. Der Lexikonbeitrag eines Chemikers namens J. Tytler für die Encyclopaedia Britannica - 127 engzeilige Doppelspalten Text - regte Faraday zu einen Experimenten an. Es waren einfache Experimente, z. B. eine Anordnung von Zinkscheiben und ½ Pence Münzen, die durch kochsalzgetränkte Papiere getrennt waren, die selbstgebastelte Nachahmung der Voltaschen Batterie, die nachts in einer Ecke von Riebeaus Buchbinderei und Buchhandlung ausprobiert wurden. Diese Interessen führten ihn 1810 zu den Vorträgen, die John Tatum im Rahmen der City Philosophical Society mittwochs gegen Eintritt von 1 shilling über verschiedene Gebiete hielt. Faraday machte sich Notizen von diesen Vorträgen und überarbeitete sie anschließend zu Hause sehr gewissenhaft zu einem 1) I. Watts The Improvement of the Mind, London (1809), S. 118 2) I. Watts The Improvement of the Mind, London (1809) S. 44

1 Erste Vorlesung Die Kerze. Ihre Flamme. Schmelzen des Brennstoffs. Kapillarität des Dochtes. Die Flamme ein brennenden Dampf. Gestalt und Theile der Flamme. Der aufsteigende Luftstrom. Andere Flammen. Die Naturgeschichte einer Kerze wählte ich schon bei einer früheren Gelegenheit zum Thema meines Vortrags, und stände die Wahl nur in meinem Belieben, so möchte ich dieses Thema wohl jedes Jahr zum Ausgang meiner Vorlesungen nehmen, so viel Interessantes, so mannigfache Wege zur Naturbetrachtung im Allgemeinen bietet dasselbe dar. Alle im Weltall wirkenden Gesetze treten darin zu Tage oder kommen dabei wenigstens in Betracht, und schwerlich möchte sich ein bequemeres Tor zum Eingang in das Studium der Natur finden lassen. Vorweg möchte ich mir die Bitte an meine Zuhörer erlauben, bei aller Bedeutung unseres Gegenstandes und allem Ernst der wissenschaftlichen Behandlung desselben doch von den Älteren unter uns absehen zu dürfen und das Vorrecht zu beanspruchen, als junger Mann zu jungen Leuten zu sprechen, wie ich es früher bei ähnlicher Veranlassung getan; und wenn ich mir auch bewußt bin, daß meine hier gesprochenen Worte in weitere Kreise hinausdringen, so soll dies doch nicht abhalten, den früher gewohnten Familienton gegen die mir Nächstste-

2 henden auch in den gegenwärtigen Vorlesungen anzuschlagen. Zuerst muß ich Euch, meine lieben Knaben und Mädchen, wohl erzählen, woraus Kerzen verfertigt werden. Da lernen wir denn ganz sonderbare Dinge kennen. Hier habe ich etwas Holz, Baumzweige, deren leichte Brennbarkeit Euch ja bekannt ist - und hier seht Ihr ein Stückchen von einem sehr merkwürdigen Stoffe, der in einigen Moor-Sümpfen Irlands gefunden wird, sogenanntes Kerzenholz ; es ist dies ein vorzüglich hartes, festes Holz, als Nußholz vortrefflich verwendbar, da es sich sehr dauerhaft zeigt, bei alledem aber so leicht brennend, daß man an seinen Fundorten Späne und Fackeln daraus schneidet, die wie Kerzen brennen und wirklich ausgezeichnetes Licht geben, so daß wir hierin die natürliche Kerze, eigentlich eine Naturkerze vor uns sehen. Wir haben hier indes besonders von Kerzen zu sprechen, wie sie im Handel vorkommen. Hier sind zunächst etliche sogenannte gezogene Lichte. Dieselben werden auf folgende Weise verfertigt: baumwollene Schnüre werden mit einer Schlinge an einem Stab aufgehängt, in geschmolzenen Talg eingetaucht, herausgezogen und abgekühlt, dann wieder eingetaucht, und dieses Verfahren so lange fortgesetzt, bis eine genügende Menge Talg rings um den baumwollenen Docht hängen geblieben ist, und so die Kerze die gewünschte Dicke erhalten hat. Die große Verschiedenartigkeit der Kerzen könnt Ihr recht deutlich an denen sehen, welche ich hier in der

3 Hand halte; diese sind auffällig dünn, sie wurden ehedem von den Bergleuten in den Kohlenbergwerken gebraucht. In früheren Zeiten mußte sich der Bergmann seine Kerzen selbst verfertigen; aus Sparsamkeit nun, besonders aber wohl, weil man der Meinung war, die Grubengase würden von einer kleinen Flamme nicht so rasch entzündet wie von einer großen, machte man die Kerzen so dünn, daß 20, 30, 40, ja 60 auf das Pfund gingen. Statt ihrer kamen die Davy sche und verschiedenen andere Sicherheitslampen in Gebrauch. - Hier seht ihr dagegen eine Kerze, welche Oberst Pasten aus dem untergegangenen Schiff Royal-George entnommen hat. Viele Jahre lang auf dem Meeresgrund der Einwirkung des Seewassers ausgesetzt, überdies geschunden und zerknickt, zeigt sie uns, wie gut sich eine Kerze

4 conservieren kann: denn angezündet brennt sie, wir Ihr hier seht, ganz gleichmäßig fort, und der schmelzende Talg bewährt sich völlig in seinen ursprünglichen Eigenschaften. Herr Field in Lambeth hat mir viele sehr gute Zeichnungen und Materialien aus der Kerzenfabrikation zugestellt, mit denen ich Euch bekannt machen werde. Hier zunächst ist Nierenfett, Rindertalg, ich glaube russischer Talg, aus dem die gezogenen Lichte gemacht werden. Dieser Talg wird nach einem von Gay-Lussac herrührenden Verfahren in die schöne Substanz verwandelt, die Ihr daneben liegen seht. Ihr wißt, daß unsere jetzigen Kerzen nicht so beschmutzend abfetten, wie diese Talglichter, sondern ganz sauber sind, und daß man herabgefallene Tropfen abkratzen und pulverisieren kann, ohne zu beschmutzen. Das Verfahren ist folgende: Der Talg wird zuerst mit gelöschtem Kalk gekocht, wodurch eine Art Seife gebildet wird; dies Seife wird dann durch Schwefelsäure zersetzt, welche der Kalk fortnimmt und das veränderte Fett als Stearinsäure zurückläßt. Zugleich wird etwas Glycerin, eine syrupartige Flüssigkeit, gebildet. Durch Auspressen wird sodann alles Oelige entfernt, und Ihr seht hier einige Preßkuchen, an denen sich zeigt, daß die Unreinigkeiten je nach Stärke des Druckes allmählich mehr und mehr entfernt werden; die zurückgebliebene Masse wird nun geschmolzen und zu Kerzen gegossen, wie sie hier vor uns liegen. Die Kerze, welche ich hier in der Hand habe, ist eine auf dem beschriebenen Wege hergestellte Stearin-Kerze. Daneben habe ich

eine Wallrath-Kerze, aus dem gereinigten Fett des Pottfisches verfertigt; ferner seht Ihr hier gelbes und weißes Wachs, woraus Kerzen gemacht werden; hier eine merkwürdige Substanz, das aus irischen Sümpfen gewonnene Paraffin*), sowie einige Paraffinkerzen, und endlich hier noch eine Substanz, die aus Japan bei uns eingeführt wird, seitdem wir den Zugang zu diesem fernen Lande erzwungen haben, eine Art Wachs, welches mir ein guter Freund gesandt hat, und welches ein neues Material für die Kerzenfabrikation bildet. Wie werden nun diese Kerzen verfertigt? Soeben habe ich Euch von gezogenen Lichten erzählt und will Euch nun auch sagen, wie die gegossenen gemacht werden. Nehmen wir an, irgend eine dieser Kerzen bestehe aus einem Material, das gegossen werden kann. Gegossen, sagt Ihr: Nun, eine Kerze ist doch ein Ding, das schmilzt, und was sich schmelzen läßt, daß läßt sich doch wohl auch gießen. Durchaus nicht! Es ist gar merkwürdig, wie sich im Verlauf der praktischen Arbeit Hindernisse in den Weg stellen, die man vorher durchaus nicht erwartete. Es kann nicht jede Art Kerzen gegossen wer- 5 *) Das Paraffin für die Kerzenfabrikation wird jetzt aus Braunkohlen, gewissen Arten sehr fetter Steinkohlen, aus sogenannten bituminösen, d. h. von organischen Stoffen durchsetzen Schiefern und ähnlichen Rohstoffen gewonnen, indem man dieselben in geschlossenen Gefäßen stark erhitzt. Dadurch erhält man Leuchtgas, Theer, Kokes und andere Produkte; das Paraffin wird dann aus dem Theer durch weitere Bearbeitung gewonnen. Auch bei der Reinigung des Petroleums erhält man Paraffin als Nebenprodukt.

6 den. So ist z. B. das Wachs, eine Substanz, die sehr gut brennt und in einem Lichte zwar leicht schmilzt, aber doch nicht gegossen werden kann; ich werde nachher die Fabrikation der Wachskerzen kurz angeben, jetzt aber zunächst bei den Materialien verweilen, die sich gießen lassen. Hier ist ein Rahmen mit einigen Gießformen, in die zunächst der Docht eingefügt wird. Hier habe ich einen geflochtenen Docht, der nicht geputzt zu werden braucht, an einem kleinen Draht hängen; er reicht bis unten hinab, wo er angepflöckt wird, so daß das Pflöckchen ihn sogleich straff hält und die untere Öffnung völlig schließt, damit nichts Flüssiges hindurch kann.