Einfluss der Einspeisung von Windenergie auf die Struktur des Kraftwerkparks und des Übertragungsnetzes



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Transkript:

Einfluss der Einspeisung von Windenergie auf die Struktur des Kraftwerkparks und des Übertragungsnetzes Torsten Haase, Harald Weber, Universität Rostock Thomas Hamacher, Max-Planck-Institut für Plasmaphysik Garching Kurzfassung Die Energieversorgung in Deutschland, die bisher durch die Stromnachfrage der Verbraucher gesteuert wurde, wird sich in einem Anpassungsprozess hin zu einer durch das stochastisch auftretende Energieangebot aus Windkraftwerken geführten Energieversorgung verändern. Der Ausbau der Windenergie wird an geeigneten Onshore- und Offshore-Standorten forciert. Bis zum Jahr 2030 werden Onshore-Windparks mit einer installierten Leistung von ca. 22 GW und Offshore-Windparks von ca. 26 GW erwartet. Die geplanten Offshore- Windparks mit z.t. mehreren Gigawatt Leistung müssen mit dem bestehenden Höchstspannungsnetz verbunden werden. Darüber hinaus muss für den Transport der Windenergie aus dem verbrauchsschwachen Norden in verbrauchsstarke Gegenden (Rhein-Main- und Ruhrgebiet) gesorgt werden. Es werden Backup-Kraftwerke benötigt, um die fluktuierende Einspeisung aus den Windkraftwerken zu kompensieren und Reserveleistung vorhalten zu können. In diesem Beitrag wird anhand eines Modells des deutschen Energieerzeugungs- und Übertragungssystems ein denkbares Szenario der Energieversorgung in Deutschland im Jahr 2030 diskutiert. 1 Mögliche Entwicklung der Energieversorgung bis 2030 1.1 Entwicklung der Onshore- und Offshore Windenergie bis 2030 Eine attraktive Vergütung der eingespeisten Windenergie und deren Abnahmepflicht nach dem EEG- Gesetz sowie die daraufhin einsetzende rasante technische Entwicklung haben zu einem enormen Boom beim Bau von Onshore-Windkraftanlagen geführt. Bis Ende 2003 waren in Deutschland 14.315 MW an Windkraftleistung installiert, wobei auf die Regelzone von E.ON (6.250 MW) und Vattenfall Europe (5.400 MW) die weitaus größten Anteile entfielen. Die deutsche Windstromproduktion betrug im Jahr 2003 ca. 18,6 TWh (E.ON 8,5 TWh und Vattenfall Europe 6,7 TWh). Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, wobei die jährlichen Zuwachsraten aufgrund der begrenzten ertragreichen Onshore-Standorte geringer ausfallen werden. Ab dem Jahr 2010 wird eine Sättigung eintreten. Die Erhöhung der Windstromproduktion erfolgt dann nur noch durch den Ersatz älterer Anlagen durch leistungsstärkere und ertragreichere Anlagen. Die installierte Onshore-Windkraftleistung wird im Jahr 2030 mit ca. 22 GW prognostiziert. [1] Um den Ausbau der Windenergienutzung in Deutschland auch bei Sättigung im Onshore-Bereich auf hohem Niveau aufrecht zu halten, ist eine allmähliche Erschließung geeigneter Standorte auf See erforderlich. In der Ausschließlichen Wirtschaftszone (Genehmigungsbehörde BSH) sind 18 Windparks beantragt, die zum Teil mehrere hundert einzelne Windkraftanlagen umfassen. Im deutschen Küstenmeer sind innerhalb der 12-Seemeilen-Zone mehrere Windparks bei den Bundesländern Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein in Planung. Die folgende Tabelle zeigt einen möglichen Fahrplan bei der Erschließung der Offshore- Standorte für die Windenergieproduktion. [2] Phase Zeitraum Mögliche Kapazität Vorbereitung 2001-2003 0 MW Start 2004-2006 bis 500 MW erster Ausbau 2007-2010 2.000-3.000 MW weiterer Ausbau 2011-2030 20.000-25.000 MW Geplant sind derzeit Windparks mit einer installierten Leistung von 21.561 MW in der Nordsee und 4.437 MW in der Ostsee. Weitere 800 MW sollen für die H 2 -Produktion direkt Offshore genutzt werden. Geeignete Einspeisungen in das Netz der Vattenfall Europe Transmission wären in Bentwisch, Lubmin und Brunsbüttel möglich. Bei E.ON Netz sind Verknüpfungspunkte in Flensburg, Audorf, Dollern, Conneforde und Diele denkbar. 1.2 Entwicklung der bisher genutzten Energieträger bis 2030 In Deutschland wurden im Jahr 2000 19 Kernkraftwerksblöcke mit einer Nettoleistung von 21.283 MW betrieben. Der Anteil der Kernenergie bei der Nettostromerzeugung belief sich auf ca. 30 %. Im Jahr 2002 trat in Deutschland die Novelle des Atomgesetzes in Kraft, mit der unter anderem die Laufzeit der bestehenden Kernkraftwerke beschränkt wird und wonach keine Genehmigungen für den

Neubau von Kernkraftwerken mehr erteilt werden. Grundlage hierfür war die Vereinbarung der Bundesregierung mit den Betreibern der Kernkraftwerke, dass im Jahr 2030 in Deutschland kein Strom mehr aus der Kernenergie gewonnen werden soll. Ob diese Vereinbarung Bestand hat, oder im Zusammenhang mit der Erreichung der CO 2 -Emissionsgrenzwerte neu diskutiert werden muss, ist fraglich. Diese Übereinkunft hätte zur Folge, dass die Verstromung von Stein- und Braunkohle um 50 % ansteigen würde. Bei der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls hat Deutschland sich verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen um 21 % im Zeitraum von 2008 bis 2012 bezogen auf das Jahr 1990 zu reduzieren. Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie und dem Ausbau der Kohlekraftwerke ist dieses Ziel nicht zu erreichen. Indes muss der politische Wunsch berücksichtigt werden, die heimischen Energieträger wie Stein- und Braunkohle zu fördern und die damit in Zusammenhang stehenden Arbeitsplätze zu erhalten. Das Wasserkraftpotenzial ist in Deutschland fast ausgeschöpft, es werden nur noch Zubauten von 25 MW pro Jahr erwartet. Nach der Inbetriebnahme vom PSW Goldisthal im Jahr 2004 werden keine großen Neubauten von Pumpspeicherwerken erwartet. Die folgende Tabelle verdeutlicht die Entwicklung der Kraftwerkskapazitäten, wobei von einer Stilllegung von Kern- und Heizölkraftwerken ausgegangen wird. Die so entstehende Lücke soll vor allem durch steigende Kapazitäten auf Kohlebasis und durch die Windenergie geschlossen werden. [3] Kraftwerk Kapazität 2000 Kapazität 2030 Kernenergie 21,3 GW 0,0 GW Braunkohle 19,0 GW 24,4 GW Steinkohle 30,7 GW 35,1 GW Erdgas 20,4 GW 20,6 GW Heizöl 8,3 GW 0,0 GW Wasser 8,9 GW 10,3 GW Wind 2,9 GW *22,7 GW Andere 2,9 GW 6,5 GW *Die Prognosen der Enquete-Kommission und vom DEWI bezüglich der zu erwartenden Windkraftinstallation gehen von unterschiedlichen Annahmen aus. Die Erhöhung der Nachfrage an elektrischer Energie in Deutschland wird sehr verhalten prognostiziert. Man geht bis zum Jahr 2030 von einer jährlichen Steigerung um 2,67 bezogen auf das Jahr 2000 (527,2 TWh) aus. Bemerkenswert dabei ist, dass im Haushaltsbereich von einer Reduktion von jährlich 4,87 ausgegangen wird. Die weitere Entwicklung der Energieversorgung findet in einem liberalisierten europäischen Strommarkt statt. Marktteilnehmer sind dabei alle Kraftwerksund Netzbetreiber sowie die Verbraucher. Dieser Markt wird in naher Zukunft noch durch einen Handel mit CO 2 -Emmisionszertifikaten erweitert werden. 2 Modellierung 2.1 Gegenstand der Untersuchung Die Herausforderung für die nächsten Jahre besteht darin, einen Kraftwerkspark zu entwickeln, der verschiedene politischen Interessen und Vorgaben in Einklang bringt, insbesondere die Reduktion der Treibhausgase sowie die Verstromung der heimischen Braun- und Steinkohle im liberalisierten Markt. Anhand eines Modells des deutschen Energieerzeugungs- und Übertragungssystems wird ein Szenario der Energieversorgung bei einer Installation von 26 GW Offshore- und 22 GW Onshore- Windkraftleistung bei reiner Stromproduktion und keinem weiteren Ausbau der Pumpspeicherkraftwerke im Jahr 2030 untersucht. Der Kraftwerkspark und das Übertragungsnetz sollten sich optimal der Charakteristik des Windes anpassen und den quantitativen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch gewährleisten. Mit einem Optimierungsmodell sollen die minimalen Kosten für Investition und Betrieb des Netzes und der Kraftwerke unter den o.g. Randbedingungen ermittelt und folgende Fragen beantwortet werden: - Wie viel thermische Kraftwerkskapazität, die im Jahr 2030 den Grundlastbedarf abdeckt, kann durch den Wind substituiert werden? - Wie viel Brennstoff kann dabei eingespart werden und ist dadurch eine deutliche Reduzierung der CO 2 -Emissionen möglich? - An welchen Standorten im Verbundnetz können kostengünstig Braunkohle- Steinkohle-, oder Erdgaskraftwerke neu installiert werden? - Wo entstehen Engpässe im Übertragungsnetz und wie viel Leitungskapazitäten müssen dann neu errichtet werden? Technische Fragen wie Durchführbarkeit von Lastflüssen, Netzstabilität, Teilnahme an der Netzregelung, Bereitstellung von Kurzschlussleistung, Spannungshaltung und Blindleistungskompensation sowie Konzepte der Anbindung von Offshore-Windparks an das Verbundnetz werden hier nicht untersucht. 2.2 Netzmodell Das Übertragungsnetz und der Kraftwerkspark der deutschen Energieversorgungsunternehmen wurden in der Regelzone Deutschland zusammengefasst. 30 Ersatzknoten repräsentieren die Erzeugungs- und Verbraucherschwerpunkte. Die Kraftwerke, die sich in der jeweiligen Umgebung eines Ersatzknotens befinden, wurden zusammengefasst und nach Energieträgern bzw. Wirkungsweise unterteilt (Braunkohle, Steinkohle, GuD, Erdgas, Pumpspeicher und Laufwasser). Die Kernkraftwerke wurden durch Braunkohle-, Steinkohle- und Erdgaskraftwerke ersetzt.

Großer Wert wurde auf die Modellierung der Pumpspeicherwerke gelegt, da diese z.z. als einziges Kraftwerk in der Lage sind, Energie mit einem hohen Wirkungsgrad zu speichern. Von den Betreibern der Pumpspeicherwerke wurden genaue Daten zur Verfügung gestellt, um die Arbeitsvermögen sowie die mittleren Leistungen im Pump- und Turbinenbetrieb genau bestimmen zu können. Das berechnete Gesamtregelvermögen der Pumpspeicherkraftwerke im Turbinenbetrieb beträgt ca. 43,3 GWh und im Pumpbetrieb ca. 56,7 GWh. [4, 5, 6, 7, 8] Die Verbraucherlasten wurden aus einem UCTE- Datensatz entnommen und den jeweiligen Ersatzknoten zugeordnet. Die Verbraucherleistungen jedes Knotens wurden in 84 typische Tagesgänge gegliedert, so dass für jeden Monat und jeden Wochentag ein Tagesgang in einstündiger Auflösung vorliegt. Diese Verläufe wurden mit Hilfe der vertikalen Netzlast von RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall aus dem Jahr 2003 bestimmt und auf den prognostizierten Verbrauch im Jahr 2030 skaliert. [9, 10, 11, 12] Die Übertragungskapazitäten in der 380/220-kV- Ebene zwischen den Ersatzknoten wurden aus einem detaillierten Modell des UCTE-Netzes ermittelt und zusammengefasst. Das umgebende UCTE-Netz wurde in 10 Netzknoten vereinfacht modelliert, wobei die Erzeugung und der Verbrauch eines UCTE- Mitgliedes an einem Knoten zusammengefasst wurden. Die Übertragungskapazitäten zwischen den einzelnen europäischen Netzbetreibern wurde aus dem Statistischen Jahrbuch der UCTE entnommen. [13] Dadurch ist eine Nachbildung des europäischen Lastflusses möglich, wobei die monatlichen Änderungen berücksichtigt werden. Dies ist besonders wichtig, da das deutsche Netz durch Leistungstransite in Ost- West-Richtung sowie in Nord-Süd-Richtung belastet ist. Kennzeichnend für die deutsche Regelzone sind Stromexporte im Winter und Stromimporte im Sommer. [14] 2.3 Windmodell Grundlage für die Untersuchung waren Winddaten aus dem World-Wind-Atlas. Die Zeitreihen für die Windgeschwindigkeiten der Koordinaten von 5 15 östlicher Länge und 47,5 55 nördlicher Breite (Raster von 2,5 ) lagen in sechsstündiger Auflösung für das Jahr 2000 vor. [15] Die Berechnung der aus dem Wind entnommenen Leistung wurde mit Hilfe der Leistungskennlinien moderner Anlagen für Onshore-Standorte (Anlagen mit 1 MW, 1,5 MW, 2 MW) und für Offshore- Standorte (Anlagen mit 2,5 MW, 3 MW) durchgeführt. [16, 17, 18, 19] Die im Dezember 2003 installierte Wind-Leistung in den Bundesländern wurde auf die Netzknoten verteilt und auf die prognostizierte Onshore-Installation mit 22 GW im Jahr 2030 hochgerechnet. Die prognostizierte Offshore-Installation mit 26 GW wurde auf die Knoten in unmittelbarer Küstennähe verteilt. [1, 2] Die Windstromproduktion im Jahr 2030 würde dann 118,6 TWh bei einem Offshore-Anteil von 69,2 TWh betragen. Der Anteil der Windenergie an der gesamten Stromerzeugung liegt dann bei 20 %. 2.4 Optimierungsverfahren Neben den Parametern Länge und Wirkungsgrad der Ersatzleitungen wurden auch die Kosten für Investition und Unterhalt von 380-kV-Leitungen in das Modell implementiert. [20] Den einzelnen Kraftwerkstypen wurden Parameter wie Wirkungsgrad, CO 2 -Emmision pro erzeugter Arbeit, Brennstoffkosten, Investitionskosten sowie variable und feste Betriebskosten zugewiesen. [3, 21] Die Optimierung des Modells erfolgt mit einer linearen Kostenoptimierung. Die Investitionskosten werden mit einem Annuitätenverfahren über die ökonomische Lebensdauer der Kraftwerke verteilt. Ergebnis der Optimierung sind sowohl die optimalen Kraftwerks- und Leitungskapazitäten als auch die optimale Fahrweise des Kraftwerksparks. Die lineare Optimierung ist aber nicht in der Lage, die niedrigeren Wirkungsgrade im Teillastbetrieb der Kraftwerke abzubilden. Die Optimierung wurde mit dem GAMS Software-Paket (www.gams.de) realisiert. 3 Optimierung Es wurden zwei Szenarien definiert und untersucht, Szenario I (ohne Windkraftinstallation) und Szenario II (mit der o.g. Windkraftinstallation Onshore und Offshore). Das zugrunde gelegte Netzmodell, die Eingangsdaten und die Ergebnisse der Untersuchung sind in den Bildern 1 bis 4 dargestellt. Die Optimierung erfolgte mit den Werten von 12 zufällig ausgewählten Tagen im Jahr (einer pro Monat) im Stundenraster, deren Ergebnisse auf das gesamte Jahr mit 8760 Stunden hochgerechnet wurde. Diese Vereinfachung wurde aus Gründen der Rechengeschwindigkeit und des verfügbaren Speichers vorgenommen. Zukünftig wird für jeden Monat eine typische Woche im Stundenraster gerechnet werden. Bei der Berechnung der strombedingten CO 2 - Emmisionen wird davon ausgegangen, dass bei den Kohlekraftwerken im Jahr 2030 der Wirkungsgrad bei 50 % liegt und das Verhältnis der Verstromung der Braunkohle zur Steinkohle 45 % : 55 % beträgt. Der Emissionsfaktor des Mixes aus Braun- und Steinkohle ergibt dann 360 g CO 2 /kwh thermisch. Die Erdgaskraftwerke haben einen Wirkungsgrad von 40 % und der Emissionsfaktor des Erdgases beträgt 200 g CO 2 /kwh thermisch. [3, 21]

3.1 Szenario I (ohne Windkraft) Die Deckung der Stromnachfrage von 571 TWh erfolgt zu 84,4 % durch Kohlekraftwerke, zu 13,2 % durch Erdgaskraftwerke und zu 2,4 % durch Wasserkraftwerke. Um die benötigte Leistung bereit zu stellen, stehen 7.920 MW aus Wasserkraft zur Verfügung. Zusätzlich installiert das Optimierungsprogramm 56.850 MW an Kohlekraftwerken, die für den Grundlastbedarf konzipiert und 27.030 MW an Erdgaskraftwerken, die für den Spitzenlastbedarf konzipiert sind. Das bestehende Stromnetz wäre ausreichend. Das Optimierungsprogramm errichtet keine neuen Leitungskapazitäten. Bei diesem berechneten Kraftwerksmix würden sich strombedingte CO 2 - Emmisionen in Höhe von ca. 465 Mio. Tonnen jährlich ergeben. 3.2 Szenario II (mit Windkraft) Die Deckung der Stromnachfrage von 571 TWh erfolgt zu 64,9 % durch Kohlekraftwerke, zu 17,0 % durch Windkraftwerke, zu 15,6 % durch Erdgaskraftwerke und zu 2,5 % durch Wasserkraftwerke. Für die Bereitstellung der benötigten Leistung sind 46.000 MW aus Windkraftanlagen und 7.920 MW aus Wasserkraft verfügbar. Zusätzlich installiert das Optimierungsprogramm 45.830 MW an Kohlekraftwerken, die für den Grundlastbedarf ausgelegt und 35.500 MW an Erdgaskraftwerken, die für den Spitzenlastbedarf ausgelegt sind. Das bestehende Stromnetz würde für die Übertragungsaufgaben nicht mehr ausreichen. Es entstehen Engpässe auf den küstennahen Leitungen Richtung Süden. Die Ursache liegt darin, dass Erzeugungs- und Verbraucherschwerpunkte nicht mehr unmittelbar benachbart sind. Das Programm baut zwischen den Ersatzknoten Bremen und Münster 5.670 MVA sowie zwischen Kiel und Hamburg 3.330 MVA an zusätzlichen Leitungskapazitäten. Angenommen wurde eine 2.600 MVA- Leitung zwischen Hamburg und Rostock Die Gesamtlänge der zu errichtenden Leitungen würde dann ca. 1.000 km betragen, wenn man eine 380-kV- Leitung mit 1.300 MVA Übertragungsfähigkeit zu Grunde legt. Bei dem ermittelten Kraftwerksmix würden sich strombedingte CO 2 -Emmisionen in Höhe von ca. 383 Mio. Tonnen pro Jahr ergeben. 3.3 Zusammenfassung Zunächst wird offensichtlich, dass die Installation von 22 GW Onshore- und 26 GW Offshore- Windenergie zu keiner nennenswerten Reduktion der Kapazität von thermischen Kraftwerken führt. Der hauptsächliche Nutzen der Windenergie liegt im Einsparen von Brennstoff (jährlich ca. 7,1 Mio. Tonnen Steinkohle und ca. 14,5 Mio. Tonnen Braunkohle). Zum zweiten wird eine beträchtliche Anzahl von neuen Hochspannungsleitungen gebaut werden müssen, um die Windenergie aus dem Norden in die verbrauchsstarken Gebiete zu transportieren. Vergleicht man die Szenarien I und II hinsichtlich der CO 2 -Emmisionen, so ergibt sich im Szenario mit der Windenergie eine Reduktion um ca. 17,5 %. Dieser Wert liegt dann aber noch immer höher, als der Wert des Jahres 2000. Es würde also in keinem Fall eine Reduktion der Treibhausgasemission eintreten. Im Hinblick auf die installierten Kraftwerkskapazitäten muss festgestellt werden, das im Szenario II 19,4 % weniger Grundlastkraftwerke, aber 31,3 % mehr Spitzenlastkraftwerke gegenüber dem Szenario I gebaut werden. Das erscheint logisch, da der Wind großflächig betrachtet schon eine gewisse Grundlast abdecken kann. Die beträchtliche Fluktuation des Windes kann allerdings nur mit den schnellen Erdgaskraftwerken kompensiert werden, die bei der o.g. Installation natürlich in großem Masse vorhanden sein müssen. Absolut gesehen, beträgt die Einsparung an konventioneller Kraftwerkskapazität aber nur 3 % bei 46 GW Windkraftinstallation. Grundsätzlich kann festgestellt werden: Wenn in Deutschland 22 GW Onshore und 26 GW Offshore Windkraftleistung installiert werden, dann könnten die kraftwerksseitigen CO 2 -Emmisionen in etwa auf dem heutigen Level gehalten werden, wobei aber allen Marktteilnehmern höhere Kosten entstehen. 4 Literatur [1] Deutsches Windenergie-Institut GmbH [2] Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie [3] Enquete-Kommission des 14. Deutschen Bundestages Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung [4] E.ON Wasserkraft GmbH [5] Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG [6] RWE Power AG [7] Schluchseewerk AG [8] Stadtwerke München GmbH [9] E.ON Netz GmbH [10] Vattenfall Europe Transmission GmbH [11] RWE Transportnetz Strom GmbH [12] EnBW Transportnetze AG [13] Statistisches Jahrbuch UCTE 1999 [14] Monatsberichte UCTE 2001 2003 [15] World-Wind-Atlas, Sander + Partner GmbH [16] Enercon GmbH [17] GE-Wind Energy GmbH [18] AN Windenergie GmbH [19] Nordex Energy GmbH [20] Global Link VDI-Verlag GmbH 1994 [21] Öko-Institut e.v.

Bild 1 In der Untersuchung verwendetes Netzmodell des deutschen Verbundnetzes, das mit den umgebenden UCTE-Mitgliedsländern erweitert wurde. Dargestellt sind die jährlichen Energieflüsse auf den Leitungen in [GWh]. Deutlich ist die Durchleitung der Windenergie aus der Nordsee in Richtung Ruhrgebiet und Rhein-Main-Gebiet zu erkennen. Stromtransporte aus Frankreich in Richtung Niederlande werden vom Nordsee-Windstrom verdrängt. Die Windenergie aus der Ostsee wird vor allem in den mitteldeutschen Raum und nach Bayern durchgeleitet. Die Netze Polens und Tschechiens werden mit beansprucht.

Ulm Stuttgart Saarbrücken Rostock Regensburg Nürnberg Münster München Mainz Magdeburg Leipzig Köln Kiel Kassel Karlsruhe Hannover Hamburg Greifswald Freiburg Frankfurt Essen Erfurt Dresden Cottbus Chemnitz Bremen Bodensee Bielefeld Berlin 417 630 821 727 938 796 1.010 1.404 1.305 1.759 2.022 2.434 3.016 2.825 3.118 3.532 3.083 2.954 3.171 3.277 3.760 3.761 4.133 4.436 5.981 6.294 6.569 9.974 11.728 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 10.000 11.000 12.000 Ulm Stuttgart Saarbrücken Rostock Regensburg Nürnberg Münster München Mainz Magdeburg Leipzig Köln Kiel Kassel Karlsruhe Hannover Hamburg Greifswald Freiburg Frankfurt Essen Erfurt Dresden Cottbus Chemnitz Bremen Bodensee Bielefeld Berlin 61 60 46 95 95 59 60 95 186 308 255 256 309 309 445 482 613 585 642 652 + 876 Offshore 1.009 + 8.982 Offshore 675 + 2.918 Offshore 663 905 1.742 2.410 1.954 + 4.491 Offshore 1.903 3.919 + 8.287 Offshore 0 250 500 750 1.000 1.250 1.500 1.750 2.000 2.250 2.500 Ulm Stuttgart Saarbrücken Rostock Regensburg Nürnberg Münster München Mainz Magdeburg Leipzig Köln Kiel Kassel Karlsruhe Hannover Hamburg Greifswald Freiburg Frankfurt Essen Erfurt Dresden Cottbus Chemnitz Bremen Bodensee Bielefeld Berlin Kohle (Grundlast) Erdgas (Spitzenlast) 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 9.000 10.000 Leistung in [MW] Bild 2 maximale Verbrauchernachfrage im Jahr 2030 an den Netzknoten Bild 3 installierte Windkraftleistungen im Jahr 2030 an den Netzknoten Bild 4 konventionelle Kraftwerkskapazitäten im Jahr 2030 an den Netzknoten