Möglichkeiten zur Herstellung der Verkehrssicherheit an Habitatbäumen

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Transkript:

Möglichkeiten zur Herstellung der Verkehrssicherheit an Habitatbäumen Prof. Dr. Dirk Dujesiefken 1. EINLEITUNG muss der Baum weg oder kann er bleiben? Diese Frage ist häufig zu hören nach einer Untersuchung zur Verkehrssicherheit. Im Forst gibt es i. d. R. nur diese Alternative: ja oder nein. Der Bestand im Forst wird gepflegt, indem Bäume mit Schäden entnommen werden; die Besten werden erhalten und gefördert. Im städtischen Bereich dagegen finden von je her eher eine Einzelbaumbetrachtung statt: Der Baum an der Straße, im Park oder im Garten soll möglichst erhalten werden. Werden Indizien für eine mangelnde Stand- oder Bruchsicherheit festgestellt, wird nicht gleich gefällt, sondern nach Möglichkeit mit baumpflegerischen Mitteln die Verkehrssicherheit wieder hergestellt, z. B. durch eine Totholzbeseitigung, eine Kroneneinkürzung oder den Einbau einer Kronensicherung. Obwohl es inzwischen allgemein bekannt ist, dass es verschiedene baumpflegerische Maßnahmen zum Erhalt von Bäumen gibt, wird bei Diskussionen um Bäume in Behörden, mit Bürgern oder mit der Presse häufig die o. g. Ja-Nein-Frage gestellt und nicht gefragt, was es an Alternativen hierzu gibt. Die Praxis in der Vergangenheit hat gezeigt, dass bei Habitatbäumen die Diskussion häufig in ähnlicher W1eise abläuft. Durch den Artenschutz verstärkt sich sogar diese Polarität, vor allem wenn die Meinung vorherrscht, Habitatbäume dürfe man gar nicht anfassen. Aufgrund der tatsächlich oder vermeintlich mangelnden Verkehrssicherheit von Bäumen werden die genehmigenden Behörden jedoch meist nur mit Fällanträgen konfrontiert. Sowohl Antragsteller als auch genehmigende Behörden sollten jedoch viel mehr die Alternativen zu den Fällungen diskutieren. Im optimalen Fall wird der Habitatbaum erhalten bzw. das Habitat nicht ge- oder zerstört und trotzdem wird die Verkehrssicherheit des Baumes wieder hergestellt. Hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen, die des Naturschutzes und der Verkehrssicherheit sei an dieser Stelle auf die jeweiligen Veröffentlichungen verwiesen (Breloer 2001, 2003, Günther 2002, FLL-Baumkontrollrichtlinien, 2010, Dietz et al. 2013). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es weder zu Gunsten der Verkehrssicherheit noch zu Gunsten des Naturschutzes einen generellen Vorrang gibt. Die berechtigte Sicherheitserwartung des Verkehrs und der Schutzstatus der im Baum lebenden Organismen spielen hierbei die wesentliche Rolle. Die Abwägung und Entscheidung hierzu trifft nicht der Baumpfleger vor Ort, sondern erfolgt durch die genehmigenden Behörden, i. d. R. die Untere bzw. Obere Naturschutzbehörde. 1

2. BAUMPFLEGERISCHE MÖGLICHKEITEN ZUR HERSTELLUNG DER VERKEHRSSICHERHEIT Geschädigte Altbäume können oftmals noch viele Jahre bis Jahrzehnte durch baumpflegerische Maßnahmen verkehrssicher an ihrem Standort erhalten werden. Diese können sogar deutlich preiswerter sein als die Fällung des Baumes mit nachfolgender Rodung des Stubbens und der dann meist geforderten Nachpflanzung. Leistungsbeschreibungen von Maßnahmen für den Erhalt von Bäumen bzw. für die Herstellung der Verkehrssicherheit enthält die ZTV-Baumpflege (2006). In diesem Regelwerk werden auch Sondermaßnahmen beschrieben, die gerade bei Altbäumen mit erheblichen Vorschäden in Frage kommen können. Überwiegend handelt es sich um Schnittmaßnahmen sowie um Kronensicherungen. Die relevanten Leistungsbeschreibungen für Altbäume bzw. Habitatbäume sind: a) Lichtraumprofilschnitt b) Totholzbeseitigung c) Kronenpflege d) Sondermaßnahmen - Kronenregenerationsschnitt - Kroneneinkürzung - Einkürzung von Kronenteilen - Kronensicherungsschnitt - Nachbehandlung stark eingekürzter Bäume mit Ständerbildung e) Kronensicherung Bei schwer geschädigten Bäumen oder Habitatbäumen wird häufig auch noch die so genannte Kappung ins Feld geführt. Die Kappung ist keine Leistungsbeschreibung der ZTV-Baumpflege! Die Kappung wird aber in der ZTV-Baumpflege eindeutig definiert, und zwar als: umfangreiches, baumzerstörendes Absetzen der Krone ohne Rücksicht auf Habitus und physiologische Erfordernisse. Die Kappung ist keine fachgerechte Maßnahme. Vom Kappen zu unterscheiden ist die Erziehung von Bäumen zu Formgehölzen. Hierbei handelt es sich um regelmäßig wiederkehrende Schnittmaßnahmen, die aus gestalterischen Gründen durchgeführt werden. Die Kappung ist im Gegensatz dazu die radikale Entfernung der ausgewachsenen Krone. Um umfangreiche Schnittmaßnahmen zur Sicherung bruchgefährdeter Kronenteile zu vermeiden, werden seit vielen Jahren Kronensicherungen eingebaut. Während man früher mit Gewindebolzen und Stahlseilen so genannte Kronenverankerungen in die Bäume eingebaut hat, werden seit etwa 1990 vermehrt umschlingende Systeme mit Gurten und/oder Hohltauen verwendet. 2

In den vergangenen Jahren gab es zum Thema Kronensicherung eine kontrovers geführte Diskussion zwischen erklärten Befürwortern und Gegnern dieser Methode. Inzwischen hat sich die Diskussion versachlicht und es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Schnittmaßnahmen und Kronensicherungen sich ergänzende Methoden sind. Da der Einsatz vom jeweiligen Einzelfall abhängt, beinhaltet die ZTV-Baumpflege hierzu Entscheidungshilfen. Bei Altbäumen erfolgt häufig eine Kombination von Schnittmaßnahmen und Kronensicherungen, um so alle Aspekte hinsichtlich Naturschutz und Verkehrssicherheit sowie auch Gestaltung berücksichtigen zu können. 3. ZIELKONFLIKT NATURSCHUTZ UND VERKEHRSSICHERHEIT Ziel des Naturschutzes ist es, die Lebensbedingungen für geschützte und seltene Tierund Pflanzenarten zu erhalten oder gar zu verbessern. Je älter Bäume sind, umso häufiger weisen sie Totholz, Wunden sowie Höhlungen und damit Lebensraum für Pflanzen und Tiere auf. Genau solche Schäden stellen jedoch unter dem Aspekt der Verkehrssicherungspflicht ein Problem dar. Totäste sowie Kronenteile mit Faulstellen können herunter brechen und Schäden an Personen und Sachen verursachen. Durch umfangreiche Schnittmaßnahmen in der Krone oder gar die Fällung können derartige Schäden zwar verhindert werden, wertvolle Lebensräume gehen jedoch verloren. Ein Verlust von Baumteilen oder ganzer Bäume kann auch dadurch entstehen, dass die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen nicht erfolgen oder nicht rechtzeitig durchgeführt werden. Somit führen weder das Unterlassen von Maßnahmen noch die Radikallösung durch Fällung zum Ziel. Da Habitatbäume und deren Zustand sehr unterschiedlich sein können, gibt es keine Patentrezepte für deren Umgang. Es sind stets Einzelfallentscheidungen. Wünschenswert wäre z. B. eine Entscheidungsmatrix. Eine solche gibt es jedoch noch nicht; einen Anfang hierzu hat die FLL gemacht und 2013 einen Arbeitskreis zum Thema Artenschutz und Baumpflege gegründet. Auch die aktuelle, in Überarbeitung befindliche ZTV-Baumpflege soll den Artenschutz zukünftig stärker berücksichtigen als bisher. Unabhängig davon gibt es bereits eine ganze Reihe an Praxisbeispielen (Landesregierung Schleswig-Holstein 2009, Dietz et al 2013). Sie zeigen auf, dass es in dem o. g. Spannungsfeld zwischen Fällung und nichts tun viele Möglichkeiten gibt im Umgang mit Habitatbäumen. 3

4. LÖSUNGSANSÄTZE 4.1 Zeitliche Verschiebung der Maßnahme Solange keine akute Verkehrsgefährdung vorhanden ist, kann geprüft werden, ob die Maßnahme aus Gründen des Naturschutzes verschoben werden kann. Zum Schutz von Vögeln kann eine Schnittmaßnahme auch nach dem Brutgeschäft erfolgen, z. B. im Spätsommer, Herbst oder Winter. Aus Gründen des Schutzes von Fledermäusen können derartige Maßnahmen beispielsweise aus dem Winter auch in das Frühjahr oder in den Sommer verlegt werden. Hier bedarf es einer engen Abstimmung mit dem Spezialisten aus dem Artenschutz. 4.2 Absperren des Baumbereichs / Gefahrenbereichs Besteht eine akute Verkehrsgefährdung und im Baum lebt eine besonders geschützte Art, kann als temporäre Lösung auch das Absperren des Gefahrenbereiches eine Lösung sein. Während dies an Straßen sicherlich häufig nicht umsetzbar ist, kann dieses aber beispielsweise in Parkanlagen eine gute Möglichkeit sein, z. B. auf das Brutgeschäft von Vögeln Rücksicht zu nehmen. 4.3 Provisorische Sicherungsmaßnahmen Würden beispielsweise umfangreichere Schnittmaßnahmen in der Krone die im Baum lebenden Organismen stark beeinträchtigen, kann geprüft werden, ob durch eine geringere Schnittmaßnahme oder eine Kronensicherung kurzfristig die Verkehrssicherheit hergestellt werden kann. Wenn die geschützten Tiere den Baum verlassen haben, können dann die umfassenderen Arbeiten am Baum durchgeführt werden. 4.4 Erhalt einer Baumhöhle durch Einkürzung von Kronenteilen Befindet sich in einem Stämmling beispielsweise eine umfangreiche Höhlung, wodurch die Bruchsicherheit nicht mehr gegeben ist, kann unter Umständen die Sicherheit durch eine Einkürzung von Kronenteilen wieder hergestellt werden. Durch den Rückschnitt erfolgt eine Entlastung dieses Kronenteiles und das Habitat kann erhalten bleiben. 4.5 Erhalt einer Baumhöhle durch den Einbau einer Kronensicherung Befindet sich eine Höhlung in einem Stämmling oder einem Starkast, kann an Stelle einer Einkürzung von Kronenteilen auch der Einbau einer Kronensicherung die Verkehrssicherheit wieder herstellen bei gleichzeitigem Erhalt des Habitats. Eine wesentliche Voraussetzung für diese Lösung ist, dass in der Krone zur Sicherung des bruchgefährdeten Kronenteils ein oder mehrere Äste bzw. Stämmlinge zur Sicherung vorhanden sind. 4

4.6 Erhalt eines Habitatbaumes durch Kroneneinkürzung Befindet sich eine umfangreiche Höhlung im Stamm (z. B. eine Mulmhöhle mit Eremit), sind Kronensicherungen oder Einkürzungen von Kronenteilen häufig nicht die geeignete Maßnahme zur Herstellung der Bruchsicherheit. In diesem Fall kann z. B. die Kroneneinkürzung oder als stärkerer Eingriff der Kronensicherungsschnitt eine Lösung sein. 4.7 Erhalt eines Habitatbaumes durch Sicherung an Nachbarbäumen Ist ein Baum aufgrund einer umfangreichen Höhlung im Stamm nicht mehr bruchsicher, kann als Alternative zu einer Verkleinerung der Kronen durch eine Kroneneinkürzung oder durch einen Kronensicherungsschnitt eine Sicherung des Baumes an den Nachbarbäumen eine geeignete Maßnahme sein. Es handelt sich ebenfalls um eine Maßnahme gemäß ZTV-Baumpflege und eignet sich nur bei dicht beieinander stehenden Bäumen, in einer prägenden Gruppe oder einer Allee mit geringem Pflanzabstand. 4.8 Erhalt eines Habitatbaumes durch Erdanker Das Abspannen eines ganzen Baumes durch Erdanker kommt vor allem in Frage bei Bäumen mit umfangreichen Höhlungen bzw. Schäden im Stammfuß sowie im Wurzelbereich. Diese Sicherungsmaßnahme ist vor allem eine Lösung für Parkbäume; bei Straßenbäumen sind Sicherungen mit Erdankern häufig nicht realisierbar. Typische Beispiele für Sicherungen mit Erdanker sind Buchen mit einem Befall mit dem Riesenporling oder halbseitig abgestorbene Eichen mit Heldbock. 4.9 Schutz von geöffneten Höhlungen in Bäumen Ist bei stark geschädigten Bäumen die Verkehrssicherheit weder durch den Einbau einer Kronensicherung noch durch Erdanker wieder herstellbar, bleibt zur Herstellung der Stand- und Bruchsicherheit lediglich ein Kronensicherungsschnitt mit einer erheblichen Reduktion der Krone. Durch diese starken Rückschnitte können größere Höhlungen in Ästen und Stämmlingen geöffnet werden. Dieses Öffnen hat jedoch zur Folgen, dass sich das Kleinklima innerhalb dieses Lebensraumes verändert. Um die Veränderung dieses Kleinklimas so gering wie möglich zu halten, kann als Minderung des Eingriffs für die in der Mulmhöhle lebenden Arten die neu geschaffene Höhlungsöffnung abgedeckt werden. Bei einem derart starken Eingriff in den Baum und in die Habitatstrukturen handelt es sich aus Sicht des Naturschutzes nicht mehr um eine Schutzmaßnahme, sondern um eine Schadensbegrenzung. Deshalb sollte vor einem derartigen Rückschnitt geprüft werden, ob durch einen geringeren Rückschnitt oder durch eine Kronensicherung der Eingriff minimiert werden kann. 5

4.10 Sicherung von Baumteilen mit Habitatstrukturen bei Kronensicherungsschnitten Muss zur Herstellung der Verkehrssicherheit ein Kronenteilen mit darin vorhandenen Lebensräumen z. B. für Vögel oder Insekten komplett entfernt werden, kann dieses Baumteil unzersägt an eine andere Stelle verbracht werden, um dort weiterhin, zumindest für eine begrenzte Zeit, noch als Habitat zu dienen. Eine derartige Maßnahme muss in enger Abstimmung mit Fachleuten aus dem Naturschutz erfolgen. Handelt es sich um Äste oder Stämmlinge, ist es i. d. R. wichtig, dass diese wieder mehr oder weniger senkrecht aufgestellt werden. Das Kleinklima im Bereich dieses Habitats sowie die Art der Besonnung bzw. Beschattung ist ebenfalls von Bedeutung. Aus Sicht des Naturschutzes ist diese Maßnahme insgesamt die problematischste, da sie insgesamt den stärksten Eingriff bedeutet. Zudem sind die Habitatstrukturen nur noch auf Zeit erhaltensfähig. Da sich hierdurch Organismen nur auf Zeit retten lassen, handelt es sich ebenfalls um eine Schadensbegrenzung. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es zwischen dem eingangs erwähnten Fällen oder nichts tun im Umgang mit Habiatbäumen eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt. Verkehrssicherheit und Naturschutz müssen sich nicht ausschließen. Die aufgezeigten Lösungsansätze sind Beispiele und sollen anregen, ausgewogene Lösungen zu finden, die gleichermaßen dem Naturschutz und der Verkehrssicherheit dienen. Literatur: Breloer, H., 2003: Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen aus rechtlicher und fachlicher Sicht. 6. überarbeitete und erweiterte Auflage. Bäume und Recht, Band 2. Thalacker Medien, Braunschweig, 144 S. Dietz, M.; Schieber, K.; Mehl-Rouschal, C., 2013: Höhlenbäume im urbanen Raum. Teil 2: Leitfaden. Entwicklung eines Leitfadens zum Erhalt eines wertvollen Lebensraumes in Parks und Stadtwäldern unter Berücksichtigung der Verkehrssicherung. Umweltamt der Stadt Frankfurt am Main, 95 S. Günther, J.-M., 2001: Die aktuelle Rechtsprechung zur Verkehrssicherheit von Bäumen. In: Dujesiefken, D., Kockerbeck, P. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2001, Thalacker Medien, Braunschweig, 133-144. Günther, J.-M., 2002: Aktuelle Entwicklungen im Baumschutzrecht und bei Naturdenkmalen. In: Dujesiefken, D., Kockerbeck, P. (Hrsg.): Jahrbuch der Baumpflege 2002, Thalacker Medien, Braunschweig, 159-171. 6

Landesregierung Schleswig-Holstein, 2009: Historische Alleen in Schleswig-Holstein geschützte Biotope und grüne Naturdenkmale. Schriftenreihe LLUR SH Natur, 15, 230 S. Richtlinien für Regelkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen Baumkontrollrichtlinien (2010). Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL), Bonn, 53 S. ZTV-Baumpflege (2006): Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Baumpflege. 5. Auflage, Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung, Landschaftsbau, Bonn, 71 S. Autor: Prof. Dr. Dirk Dujesiefken Institut für Baumpflege Brookkehre 60 21029 Hamburg info@institut-fuer-baumplege.de Prof. Dr. Dirk Dujesiefken leitet das Institut für Baumpflege und ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für holzbiologische Baumanalysen, Baumpflege und sanierung. Er lehrt an der HAWK, Göttingen, an der Schwedischen Universität (SLU), Alnarp, sowie an der Universität für Bodenkultur (BOKU), Wien. Weiterhin leitet Prof. Dr. Dujesiefken bei der FLL den Regelwerksausschuss der ZTV-Baumpflege und ist Mitglied in den Arbeitskreises der Baumkontrollrichtlinie, der Baumuntersuchungsrichtlinie sowie für den Fachbericht Artenschutz und Baumpflege. 7