Erfahrungsbericht zur Systemischen Strukturaufstellung (SySt ) von R. T. August 009 Die Autorin ist Diplom-Ingenieurin, Fachbereich Maschinenbau, und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der RWTH Aachen University.
Im Rahmen des Mentoring-Programm TANDEM der RWTH Aachen fanden sich die Autorin als Mentee und Frau Elisabeth Ferrari, Ferrari Unternehmensberatung, als Mentorin zusammen. Innerhalb dieser Mentoringbeziehung unterstütze die Mentorin als SySt - Beraterin die Mentee bei beruflichen Fragestellungen. Die Autorin dankt Frau Ferrari sehr herzlich für die zuverlässige Unterstützung während einer besonderen Berufsphase mit besonderen und im Ergebnis positiven Wendepunkten. Was ist SySt? Die Begriffe systemisch und systematisch trennen nur zwei Buchstaben voneinander, der Unterschied der Definitionen ist wesentlich größer. Laut Duden [DUD0] bedeutet systematisch ordentlich gegliedert, in ein System gebracht oder auch planmäßig, gezielt, absichtlich. Hingegen ordnet er systemisch eher dem Bereich der Medizin zu, ein Organsystem oder mehrere Organe in gleicher Weise betreffend oder auf sie wirkend. Das Nachschlagen dieser unterschiedlichen Bedeutungen ist hilfreich, um sich der SySt auch begrifflich richtig zu nähern. Bei der Systemischen Strukturaufstellung handelt es sich um eine von Prof. Matthias Varga von Kibéd und Dipl.-Psych. Insa Sparrer entwickelten Methode, die die innere Sichtweise auf subjektive, problematische Systeme der menschlichen Gefühls- und Gedankenwelt verändern soll [SyS09]. Nach Varga und Sparrer existieren eine Vielzahl von Arten der Systemischen Strukturaufstellung, siehe [SyS09], es soll hier jedoch nur auf die Problemaufstellung und die Tetralemmaaufstellung eingegangen werden. Problemaufstellung Die Problemaufstellung spiegelt einen als Problem empfundenen Sachverhalt wider, indem einzelne Aspekte des Problems durch definierte Positionen dargestellt werden. Dies geschieht nach [SyS09] anhand einer spezifischen und sehr umfangreichen Grammatik, auf die hier nicht im Detail eingegangen werden kann. Wesentliche Teile der Problemaufstellung laut [SyS09] sind: Fokus Stellt den Träger und Besitzer des Problems dar, durch den das subjektive Problemempfinden gegeben ist. Ansonsten handelt es sich um ein fachspezifisches Problem, das ohne Emotionen, rein sachlich aus der Welt diskutiert werden kann. Ziel Ohne Ziel [gäbe es] kein Problem, sondern einen unklaren Zustand. Jedes Problem setzt voraus, dass ein gewünschter Zustand nicht erreicht werden kann. Dabei ist es möglich, dass die Nichtveränderung der Position ebenfalls Ziel des angestrebten Zustands ist. Hindernisse Ein Problem stellt sich erst als solches dar, wenn kein direkter Weg zum Ziel führt, sondern die Sicht auf den Lösungsweg durch Hindernisse versperrt wird. Im Verlauf einer Aufstellung können sich die Hindernisse, je nach veränderter Sichtweise, zu wichtigen Positionen verändern, die die Erreichung des Ziels erst ermöglichen.
Ressourcen Ressourcen stellen bereits vorhandene Fähigkeiten dar, die ein Erreichen des Ziels ermöglichen. Dabei müssen die Ressourcen nicht offen für den Problembesitzer greifbar, sondern können auch als stille Reserven bereits vorhanden sein und werden durch die Beschäftigung mit dem Problem in veränderter Sichtweise entdeckt. Gewinn Dies ist der Nutzen, der dadurch entstand, dass das Problem noch nicht gelöst ist. Der Gewinn ist häufig bei einem Problem nicht bekannt. Manchmal besteht er auch nur in einer Energieeinsparung. Solange das Problem besteht, muss nichts verändert werden und folgt der alltäglichen Routine. Die Problemlösung erfordert eine Änderung, die mit der Aufgabe der Routine verbunden ist und Kraft und Aufmerksamkeit erfordert. In dieser Hinsicht ist oft die Lösung des Problems schwerer als das Weiterleiden am Problem. Der Gewinn wird somit zum Preis, der für die Lösung des Problems zu zahlen ist und in gewisser Weise ein Teil von ihr wird. Zukünftige Aufgabe Das Erreichen des Ziels führt den bisherigen Problembesitzer einen Schritt weiter und fordert die Verwirklichung der mit der Lösung verbundenen Aufgaben. Im Rahmen der Problemaufstellung soll die Sichtweise auf das vorhandene Problem verändert werden und mit der veränderten Einstellung ändert sich auch das Problem, so dass eine Lösung möglich wird. Die Problemveränderung bzw. lösung der Systemischen Strukturaufstellung erfolgt, zumindest in der Gruppenarbeit, in einer wörtlich zu nehmenden räumlichen Aufstellungen der Problematik, wobei jede Position des Systems durch einen Teilnehmer symbolisiert wird, der wirklich im System steht. Die Thematik des Problems kann allen Teilnehmern bekannt sein, oder nur dem Problembesitzer und gegebenenfalls dem Moderator. Die anfängliche räumliche Aufstellung erfolgt durch den Teilnehmer mit Problembesitz, die Veränderung der Aufstellung wird durch den Moderator indirekt vorgenommen, indem Fragen zum Befinden eines Einzelnen lediglich mit besser oder schlechter beantwortet werden. Auf Basis der moderatorischen Leitung, Aktion und Reaktion der Teilnehmenden richten sich die einzelnen Positionen des Problems, die einzelnen Teilnehmer, räumlich aus und spiegeln das hierbei subjektiv Empfundene nach Außen wider. Dadurch entsteht für denjenigen, der das Problem besitzt ein neues Bild seiner Problematik, das sich so lange verändert, bis die einzelnen Positionen oder der Problembesitzer an dem Bild keinerlei Veränderungen mehr vornehmen möchten, weil sich in diesem Moment eine deutliche Verbesserung eingestellt hat. Das ursprüngliche Problem-Bild hat sich verändert, mit ihm die Sichtweise auf das Problem und (hoffentlich) die Einstellung dazu, im günstigsten Fall wurden bisher unbekannte Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Persönliche Einschätzung der Methode Problemaufstellung Bei dieser Methode handelt es sich um ein Vorgehen, das objektiv festgelegten Mustern und einer definierten Grammatik folgt, subjektiv jedoch einige Fragen aufwirft. Als Laie verfolgt man die (räumliche) Aufstellung mit einem zweifelhaften Gefühl, da zunächst nicht klar ist, nach welchem System das ganze vonstatten geht. Die Grammatik ist recht umfangreich und kann ohne intensive Beschäftigung und Einarbeitung in das Thema nicht ausreichend verstanden werden.
4 Ist man als Neuling in einer Aufstellung involviert, stellen sich automatisch geringfügig emotionale und physische Reaktionen auf das Geschehen der Aufstellung ein, die nicht objektiv nachvollzogen werden können. Dabei wurde die eigene Position innerhalb der Gruppe als gut oder schlecht empfunden und letzteres führte eine physische Veränderung der eigenen Aufstellung herbei. Verwunderlich mutet das Verhalten der involvierten Personen an, deren Sensitivität für das Geschehen bereits geschärft ist oder die ihre Emotionen mehr als durchschnittlich extrovertiert ausleben. So kam es in erlebten Aufstellungen durchaus vor, dass einzelnen Teilnehmer, auch ohne das Thema der Aufstellung zu kennen, ihren positiven und negativen Emotionen freien Lauf ließen. Ganz gleich, ob die Emotionen sich still entwickelten, oder extrovertiert geäußert wurden, der Ursprung ließ sich aus Sicht des Anfängers nicht ergründen. Die räumliche Aufstellung lässt sich in Einzelarbeit nicht direkt umsetzen, da schlicht die notwendige Teilnehmerzahl nicht gegeben ist. Die Einzelpositionen der Aufstellung lassen sich aber alternativ durch Platzhalterfiguren darstellen. Problematisch hierbei ist jedoch, dass der Problembesitzer abwechselnd in die unterschiedlichen Positionen schlüpfen und sich in die übrigen Positionen, die eigentlich nicht seine sind, hineinversetzen muss. Das Hineinversetzen in unterschiedliche Positionen geschieht auch bei der Gruppenaufstellung, jedoch kommen dort unterschiedliche Sichtweisen der Teilnehmer zusammen, wo hingehen bei der Einzelaufstellung alles in einer subjektive Sichtweise betrachtet wird. Erstaunlich ist, dass die fertige Aufstellung in jedem Fall zu einer veränderten Sichtweise des Problembesitzers führt, oder diesen auf seinen Lösungsweg führt. Es hat sich jedoch bei einer Gruppenaufstellung mit bekanntem Thema gezeigt, dass der Lösungsweg des Einzelnen nicht mit dem von der übrigen Gruppe als Lösung empfundene Vorgehen übereinstimmen muss. Die Empfindungen der einzelnen Teilnehmer und das als normal angesehene Verhalten in der Gesellschaft können durchaus weit auseinander gehen. Ebenso, wie das Lösungsempfinden des Problemstellers, im Vergleich mit dem Empfinden von mit ihm verwandten oder verbundenen Personen, die an der gleichen Aufstellung beteiligt waren. Dies mag verdeutlichen, dass Individuen in den seltensten Fällen einer allgemein gültigen Handlungsweise folgen. Laut Aussage der Begründer der Systemischen Strukturaufstellung und der Praktizierenden gelingt eine Aufstellung immer, unabhängig von Thema, Teilnehmenden oder den durchführenden, sinnvollerweise erfahrenen Modertoren. Selbst die Sensitivität der Teilnehmenden hat keinen Einfluss auf den Ausgang einer Aufstellung. Tetralemmaaufstellung Üblicherweise vermutet man die Lösung für ein binäres Entscheidungsproblem in der Entscheidung zwischen den sich gebotenen zwei Möglichkeiten, entweder das EINE () oder das ANDERE (). Das Tetralemma geht weit über diese zwei Entscheidungsmöglichkeiten hinaus. Es vervielfältigt so zu sagen die Lösungsmöglichkeiten, indem es nicht voraussetzt, dass nur diese zwei Varianten die richtigen Lösungswege sind. Das Tetralemma bietet aufbauend auf den zwei Wahlmöglichkeiten zunächst eine Dritte, nämlich BEIDES (), welches als Kompromiss interpretiert werden kann, dargestellt in Abbildung. Bei geschicktem Herangehen kann man durch die Wahl von BEIDES eine Vielzahl der Vorteile aus dem EINEN und dem ANDEREN wählen, bei gleichzeitigem Ausschluss einer gewissen Menge der Nachteile der Varianten () oder ().
5 Ist der Kompromiss BEIDES nicht die individuell richtige Lösung, kann der ursprüngliche Kontext (der symbolische Rahmen um -) verlassen und das Problem in einen neuen Zusammenhang gestellt werden. Somit wählt man KEINES VON BEIDEN (4), siehe Abbildung. Ein einfaches Beispiel: Beim Kauf einer Bluse fällt die Entscheidung zwischen rot () und gelb () schwer. Eine rote Bluse mit gelben Blumen () wäre schön, wird aber nicht angeboten, also entscheidet sich der Käufer doch für einen warmen Pullover (4). 4 Abbildung Abbildung Tetralemma nach [FER08] Und mit der Entscheidung für die Position (4), KEINES VON BEIDEN, befindet man sich automatisch an der nächsten Position, jedoch mit dem Unterschied, dass sich das Problem minimal verlagert hat (hier *), so zu sagen eine Ebene höher (Abbildung ). 4 * * 4 * 5. Position Abbildung Abbildung 4 Tetralemma nach E. Ferrari Tetralemma nach [FER08]
6 Anhand des Beispiels: Statt der Bluse wird nun ein Pullover gekauft, doch nun steht die Entscheidung an, ob dieser aus Wolle oder Kaschmir sein soll. Aber das Tetralemma lässt auch hier noch eine weitere Lösungsmöglichkeit zu, die 5. Position: Es ist nicht dies und auch jenes nicht und selbst das nicht [FER08]. Die fünfte Position negiert alle bisherigen Positionen und letztendlich sich selbst, wodurch der Entscheidungsprozess erneut von Anfang beginnen kann (Abbildung 4). Im bisherigen Beispiel hieße dies wohl, weder Blusen noch den Pullover zu kaufen, sondern das Geschäft ohne Einkäufe zu verlassen, weil beispielsweise kein wirklicher Bedarf besteht. Persönliche Einschätzung der Methode Tatralemmaaufstellung Das Tetralemma bietet über die übliche Entscheidung des Kompromiss (BEIDES) hinaus weitere Lösungsmöglichkeiten, die die Handlungsmöglichkeiten deutlich erweitern. Die Entstehung der Lösungsmöglichkeiten hängt von der individuellen Kreativität des Einzelnen oder der seiner Berater ab. Die Tetralemmaaufstellung bietet ebenso wie die Problemaufstellung ein höchst lösungsorientiertes Herangehen an (individuelle) Problemstellungen. Abhängig von der Problemstellung ist es jedoch nicht einfach, weitere Lösungsmöglichkeiten über den Kompromiss hinaus entstehen zu lassen, je nachdem um welches Problem es sich handelt. Bei dem genannten Blusenbeispiel ist es noch einfach, doch die Entscheidung zwischen zwei angebotenen Arbeitsplätzen führt oft zu einem Kompromiss (BEIDES, bspw. in Form eines neu verhandelten Arbeitsvertrags). Wohingegen das Verlassen des ursprünglichen Kontext, um zu einer weiteren Lösungsmöglichkeit zu gelangen, bei dem Arbeitsplatzbeispiel deutlich schwerer fallen kann, wenn es darum geht, ein KEINES VON BEIDEN zu finden (bspw. Selbständigkeit statt Angestelltenstellung). Manche Wahlmöglichkeit ist rein theoretisch gegeben, wird aber voraussichtlich nicht als sinnvolle Lösung angesehen werden. Wahrscheinlich ist sie im Sinne der Tetralemmaentscheidung dann auch nicht mehr relevant. Die Kenntnis über die Methodik des Tetralemmas unterstützt in jedem Fall bei der Entscheidung über schwierige Sachverhalte. Im Gegensatz zur Problemaufstellung kann diese Systematik auch jederzeit von Einzelpersonen angewendet werden. Persönliches Fazit Die genannten Methoden der Systemischen Strukturaufstellung dienen in jedem Fall der Lösungsfindung bei Problemen. Sehr nützlich ist dabei das spezielle Eingehen auf individuelle Sichtweisen und Empfindungen. Es werden keine allgemeingültigen Lösungen entworfen, geschweige denn vorgegeben, sondern ein auf das subjektive Empfinden abgestimmter Lösungsweg selbständig entwickelt. Je nach Art der Systemischen Strukturaufstellung, wie die hier genannte Problemaufstellung und die Tetralemmaaufstellung, bringt die Methode Vor- und Nachteile in der Anwendung bei Gruppenarbeit bzw. mit Einzelpersonen und der jeweiligen Problemstellung. Die Vorgehensweise der Systemischen Strukturaufstellung lässt die Vermutung zu, dass die Methoden je nach Größe des empfundenen Problems und bei entscheidungsfreudigen Menschen als anstrengend empfunden werden können. Ihre Anwendung scheint für schlichte Fragen des Alltags zu aufwendig, wenn die repräsentative Wahrnehmung des Problembesitzers bereits selbständig als Problemlöser aktiv ist.
7 Sehr Positiv ist, dass die Vorgehensweise nicht dem Vertiefen und Verstärken von Problemen und ihren Ursachen dient, sondern wirklich rein lösungsorientiert und zukunftsorientiert ausgerichtet ist. Hierdurch werden Probleme nicht verstärkt, sondern behoben auf eine sehr individuell abgestimmte Art und Weise. Anders gesagt, lohnt es sich, Probleme und Lösungswege nicht nur im inneren Zwiegespräch auszuloten, sondern auch Vertrauenspersonen hinzu zu ziehen, wodurch die eigenen Sichtweisen und Lösungswege auf vielfältige Weise erweitert werden können. Literaturverzeichnis [DUD0] Duden Das große Fremdwörterbuch, Dudenverlag,. Auflage, 00 [FER08] Ferrari, E., Wege aus dem Dilemma - Tetralemma: Ein BEIDES finden, Ferrari Beratung, Unternehmensberatung Aachen, 008 [SyS09] Homepage des SySt -Institut, Dipl. Psych. Insa Sparrer & Prof. Dr. Matthias Varga von Kibéd GbR, Institut für systemische Ausbildung, Fortbildung und Forschung, http://www.syst.info/index.php, 009