LESEPROBE
Einleitung Was dieses Buch beinhaltet Dieses Arbeitsbuch nimmt Sprache und Literatur aus der Vermittlungsperspektive in den Blick, d.h. Sprache und Literatur werden sowohl als Medien als auch als Gegenstände von Vermittlung betrachtet. Es geht um eine wissenschaftliche Sicht auf die Funktionen und Wirkungen von Sprache und Literatur in der Öffentlichkeit in vielfältigen Situationen, Institutionen und Organisationen. Der Ansatz versteht sich insofern als diskurstheoretisch, als davon ausgegangen und insbesondere auch vorgeführt wird, dass das der Vermittlung zugrunde liegende und durch sie generierte Wissen in Kontexte, thematische Felder und Präsentationsmodalitäten eingebettet ist, in denen sich die vermittelnd kommunizierenden Akteure bewegen. Es wird gezeigt, dass und wie sowohl die Formen der Vermittlung (Sprache, sprachliche Konventionen, Medien, Literatur) als auch die Instanzen der Vermittlung (Einrichtungen und deren Trägergruppen) der Aufmerksamkeit und der wissenschaftlichen Bearbeitung bedürfen, um zu einer erkenntnisgewinnenden Tiefenschicht vorzudringen, die dann erst die Voraussetzung für ein begründetes (potentielles) eigenes Handeln in den genannten Kontexten, Kommunikations- und Tätigkeitsfeldern bilden kann. Einem Grundlagenkapitel folgen Analysen des gegenwärtigen Status von Sprache und Literatur, von Einrichtungen der Vermittlung und deren Selbstverständnis und von organisierter Vermittlung. Nicht fehlen dürfen die Vermittlungsleistungen, die durch einen Medientransfer erfolgen oder sich durch die Medialität konstituieren, sowie historische Unterschiede von Vermittlungskonventionen. Schließlich ist in der heutigen Wissensgesellschaft die Frage nach der Verantwortung von Wissensvermittlung an ein interessiertes Laienpublikum bzw. der Glaubwürdigkeit und Qualität populärwissenschaftlicher Darstellungen zu stellen. Die Publikation versteht sich als ein Studien- und Arbeitsbuch. Sie wendet sich an alle Interessierten, die Einblick in und Verständnis für die öffentliche Kommunikation mit und durch Sprache und Literatur und deren Vermittlung bekommen wollen. Insbesondere ist an Studierende von polyvalenten Bachelor-Studiengängen im Bereich der Germanistik, der Medien- und
12 Einleitung Kommunikationswissenschaften, aber auch der Lehrämter für geisteswissenschaftliche Fächer, insbesondere Deutsch, gedacht. Der Aufbau der einzelnen Kapitel folgt einer klaren Struktur mit Vorstellung des jeweiligen Themas und illustrativen Modellanalysen. Die Abfolge der einzelnen Komponenten kann dabei jedoch durchaus variieren. Aufgaben zum Verständnis des Dargestellten sind in die Kapiteltexte integriert, solche zum Transfer und zur eigenen Weiterarbeit schließen jeweils ein Kapitel ab. Selbstverständlich werden auch Literatur-, Quellen- und Recherchehinweise gegeben. Das Buch stellt nicht nur Wissen zu Verfügung, sondern vermittelt Kompetenzen zu selbständiger Weiterarbeit in diesem Themenfeld dies vor allem auch im Hinblick auf Hausarbeiten, Bachelor-Abschluss- und weitere Qualifikationsarbeiten. Insbesondere aber will das Buch einen Beitrag zum Auftrag des Bachelor-Studiums leisten, der darin besteht, wissenschaftliche Grundlagen für ein späteres berufliches Anwendungsfeld zu erwerben. In diesem Sinne wendet es sich an all diejenigen, die mit ihrem ersten Universitätsabschluss einen Einstieg in einen Germanistik-basierten oder Germanistikassoziierten Beruf anstreben, vernachlässigt aber keinesfalls diejenigen, die weiterstudieren möchten. Neu ist an diesem Buch gegenüber anderen, bislang vorgelegten Studienbüchern, dass es die Arbeit, die es anbietet, als anwendungsorientierte Germanistik versteht; es einem diskurstheoretischen Ansatz verpflichtet ist, der grundlegende Einsichten in Gegenstände und Sachverhalte (Sprache und Literatur) gerade durch die Vermittlungsperspektive verschafft; es Modelle der Teilfächer der Germanistik wahrnimmt und sie aus der Vermittlungsperspektive zusammenführt; es zeigt, wie germanistische Kompetenz zum Verstehen von Vermittlungssituationen mit Sprache und Literatur und von Sprache und Literatur beiträgt;
Einleitung 13 es das Denken in Modellen als Garantie wissenschaftlich verantwortbarer Arbeit verlangt und vom Leser fordert, sich auf in diesem Sinne wissenschaftliche Arbeit einzulassen; es beim Leser diese Arbeit und das Verständnis dafür fördert; es das Verständnis für Vermittlungsarbeit ermöglicht, d.h. zeigt, wie sie erfolgt, wie sie effektiv ist oder auch nicht und wie sie aus dieser Einsicht heraus verbessert werden könnte; es damit auch den Erwerb eigener Vermittlungskompetenz initiiert, begleitet und verbessert; es eine Berufsorientierung auf wissenschaftlicher Grundlage für Germanistik-assoziierte Berufsfelder leistet (Verlag, Literaturhaus, Theater, Kulturjournalismus, Unternehmenskommunikation, Beratung für Vermittlungsabsichten im Alltag, in der Wirtschaft und vieles mehr); es so angelegt ist, dass jedes Kapitel einem Theorie-Anwendungs- Verfahren verpflichtet ist; es stets von einer Vermittlungsfrage und -situation ausgeht, wissenschaftliche Modelle als Grundlagen für Verstehensprozesse und Problemlösungen vorstellt, beispielhaft Modellanalysen durchführt und Aufgaben zum Verständnis des Dargestellten sowie zum Transfer und vor allem zur eigenen Weiterarbeit anbietet. Die Arbeit mit diesem Buch setzt gewisse fachliche Grundkenntnisse in den Sprach- und Literaturwissenschaften voraus und fordert sie auch ein. Über die Literaturhinweise sind die Anbindungen z.t. herstellbar und können nachgelesen werden. Es handelt sich jedoch nicht um ein Einführungsbuch für die Aufnahme eines Germanistikstudiums. Das vorrangige Anliegen ist vielmehr der Erwerb von Verständnis für Vermittlungsarbeit, auf die man in der Öffentlichkeit stößt, und die Möglichkeit, sich auf wissenschaftlicher Grundlage daran zu beteiligen.
Kapitel I Grundlagen. Die Bedeutung von Vermittlung 1. Vermittlung und Kommunikation Man kann sich nicht nicht verhalten, gleichgültig, ob man allein ist oder sich in Gesellschaft mit anderen befindet. Man kann nicht nicht kommunizieren so das bekannte Axiom Paul Watzlawicks (Watzlawick u.a. 2007, S. 50ff.), sofern man mit anderen überhaupt in Kontakt tritt. Tut man dies nicht und zieht sich zurück, so gibt man das Signal, nicht kommunizieren zu wollen, kommuniziert aber immerhin das. Verhalten und Kommunikation scheinen also allgegenwärtig und unvermeidlich zu sein, womit allerdings noch nichts über die Qualität gesagt ist. Wie aber sieht es mit der Vermittlung aus? Kann man auch nicht nichts vermitteln? Vermittelt jeder, der kommuniziert, auch immer etwas? Es scheint so, dass das Axiom der doppelten Verneinung hier nur bedingt gilt, d.h. es ist zu differenzieren: Setzt man kommunizieren mit vermitteln gleich und denkt dabei an solche Situationen, in denen jemand zwar nicht kommunizieren will, es aber dennoch tut, etwa indem er schweigt, so ist ganz klar, dass er natürlich auch etwas vermittelt. In diesem Fall wäre es die mangelnde Bereitschaft, sich zu äußern, oder es wäre seine Distanz dem Sachverhalt oder der Beziehung gegenüber, in deren Rahmen die Kommunikation stattfindet. Unter dieser Vorgabe würde das Axiom dann auch für Vermittlung gültig sein und man würde entsprechend sagen können, dass man nicht nichts vermitteln kann. In der Tat würde man in solchen Fällen einer Verweigerung sogar eher von Vermittlung sprechen statt von Kommunikation. Anders sieht es aus bei expliziten Vermittlungsabsichten. Vermittlung ist in solchen Fällen nicht identisch mit Kommunikation, sondern ist mehr als Kommunikation. Sie hat darüber hinaus eine didaktische Komponente: Sie hat einen Gegenstand oder Sachverhalt, der vermittelt werden soll. Sie will gezielt und absichtsvoll Informationen, Einsichten, Erkenntnisse, Lernzuwachs und damit verbunden Veränderungen beim Adressaten hervorrufen.