Grünfläche. Zeitschrift der Grünen in Hessen 2/08. Datenschutz



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Transkript:

Grünfläche Zeitschrift der Grünen in Hessen 2/08 Datenschutz

Editorial Inhalt Impressum Editorial Liebe Freundinnen und Freunde, Wir befinden uns momentan als hessische GRÜNE in einer außergewöhnlichen politischen Lage. Roland Koch ist leider immer noch Ministerpräsident dieses Landes. Seine Abwahl scheiterte an der mangelnden Regierungsfähigkeit der SPD und lässt ihn vorerst als geschäftsführenden Ministerpräsidenten ohne Landtagsmehrheit zurück. Wir GRÜNE versuchen, aus dieser misslichen Lage das Beste zu machen und suchen jetzt von Fall zu Fall Mehrheiten für GRÜNE Politik im Landtag. Die Abschaffung der Studiengebühren, die Einsetzung einer echten Härtefallkommission oder die Verbesserung der Lage an Hessens Schulen erscheinen auch in der jetzigen Situation möglich. Ein Politikwechsel ohne Regierungswechsel muss allerdings zwangsläufig unvollständig bleiben, wie sich an der Weigerung der Regierung zur Umsetzung von Beschlüssen des Landtags zum Thema Wiedereintritt des Landes in die Tarifgemeinschaft und beispielsweise bei Abschiebungsfragen schon jetzt gezeigt hat. In dieser Grünfläche haben wir den Schwerpunkt auf die Themen Datenschutz und Informationszugang gelegt. Unser Staatsverständnis geht grundsätzlich von mündigen Bürgerinnen und Bürgern aus und begreift natürlich auch Sicherheit als ein zentrales Gut. Wir sind uns aber bewusst, dass es absolute Sicherheit nicht geben kann. Vor allem darf Sicherheit nicht zu Lasten der offenen, freien und demokratischen Gesellschaft gehen. Dass die Online-Durchsuchung leider erst die Spitze des Eisberges von Schäubles Maßnahmenkatalog darstellt und was es mit der Vorratsdatenspeicherung auf sich hat, wird in dieser Ausgabe von kundiger Seite kommentiert. Grüße aus Wiesbaden, Euer Tarek Inhalt Aus dem Landesvorstand 1 Freie Kulturszene in Hessen Aufschlag für eine grüne Sportpolitik Schwerpunkt 2 Die informationelle Selbstbestimmung Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch Schwerpunkt 3 Freiheit und Sicherheit Mürvet Öztürk Schwerpunkt 4 Schäuble sucht die Superpolizei Wolfgang Wieland Schwerpunkt 5 Das Recht, in Ruhe gelassen zu werden Cem Özdemir Aus dem Bundestag 6 Der Hunger in der Welt Wolfgang Strengmann-Kuhn Kreisverband im Portrait 7 Der KV Limburg-Weilburg Simon Lissner Aus den Kreisverbänden 8 Wiesbaden, Groß-Gerau, Fulda Aus dem Frauenrat 9 Frauenpolitischer Aufbruch Nicole Maisch Landesarbeitsgemeinschaften 10 LAG Migration und Flucht LAG FREI Grüne Jugend Hessen 11 5 Jahre GJH sind 20% SPD nicht regierungsfähig? Gastseite 12 Mehr Demokratie e.v. Transparency International Impressum Herausgeber: Bündnis 90/DIE GRÜNEN Hessen Kaiser-Friedrich-Ring 65 65185 Wiesbaden Telefon: 06 11.98 92 00 Telefax: 06 11.98 92 033 gruenflaeche@gruene-hessen.de www.gruene-hessen.de Redaktion: Evita Haupt, Peter Kirchner, Kai Klose, Steffi Lotz, Katja Meier, Klaus Strzyz, V.i.S.d.P.: Kai Klose, Politischer Geschäftsführer Titelbild u. Grafiken: Winfried Pfeiffer-Haupt Layout: VE, EH, KK, WPH Bildnachweise: www.pixelio.de Grünfläche Zeitschrift der Grünen in Hessen Juni 2008

Aus dem Landesvorstand Freie Kulturszene in Hessen In ihrem Bericht zur mittel- bis langfristigen Entwicklung der Kulturlandschaft Hessen aus dem Jahr 2002 empfiehlt die Un-abhängige Hessische Kult-urkommission, das ein-klagbare Bürgerrecht auf Kultur als Artikel 62b in die Hessische Verfassung aufzunehmen. Ziel ist, für Kulturinstitute, Kulturinitiativen und kulturelle Projekte die Grundlage für eine lang- und mittelfristige Planungssicherheit zu schaffen. Eine zentrale Forderung die Kulturförderung, die Sicherung eines vielfältigen kulturellen Lebens für alle Bewohner Hessens, sollte für die politischen Akteure verfassungsrechtliche Pflichtaufgabe werden ist bis heute nicht umgesetzt. Immer noch sehen Politiker, insbesondere auf kommunaler Ebene, Kulturförderung als verzichtbare Belastung der Haushalte an. Durch die schlechte finanzielle Situation in den Kommunen sind in erster Linie die sogenannten freiwilligen Leistungen von Kürzungen bedroht. Dies betrifft im Kulturbereich vor allen Dingen die sog. freie Szene. Während staatlich geförderte Kulturbetriebe und Institutionen wie Staatstheater, Landesmuseen oder Kulturinstitute durch langfristige vertragliche Regelungen kaum Kürzungen ihrer Mittel zu verzeichnen haben, ist die freie Szene durch Sparmaßnahmen der Kommunen gefährdet. Dabei geht vom Gesamtetat der Kulturfördermittel nur ein verschwindend geringer Bruchteil hierher. Verglichen mit ihrer Ausstrahlung ist sie in Kulturhaushalten völlig unterrepräsentiert. Freie Kulturinitiativen sprechen ein größtenteils junges Publikum an. Sie sind in besonderem Maße in der Lage, dem Auftrag der Vermittlung von ethischen und ästhetischen Werten zur kulturellen Bildung gerecht zu werden. Jenseits der staatlichen oder kommerziellen Kulturbetriebe bietet die freie Szene jungen Künstlerinnen und Künstlern ein Sprungbrett und leistet vorbildliche Kinder- und Jugendarbeit. Daher müssen wir eine Kürzung der Fördermittel für die freie Szene auf Landes- und auf kommunaler Ebene unbedingt verhindern. l Hildegard Förster-Heldmann ist Mitglied des Landesvorstands, Aufschlag für eine grüne Sportpolitik Joschka am Ball für die Grüne Tulpe dieses Bild mögen einige von uns noch im Kopf haben. Die Tatsache, dass wir Grüne mit Michael Vesper, dem Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, einen hochrangigen Sportfunktionär stellen, wissen schon deutlich weniger, und die Frage nach einer spezifisch grünen Sportpolitik ist bisher weder wirklich beantwortet noch gestellt worden. Höchste Zeit also, dies zu ändern! Sportpolitik mag vielen erst einmal recht trocken erscheinen, doch bietet dieses Politikfeld Anknüpfungspunkte auch für klassische grüne Themen. Gleichzeitig bietet der Sport ein teilweise paradoxes Bild. Sportvereine tragen vor Ort vielfach erfolgreich zur Integration von Jugendlichen bei, während beispielsweise die heterosexuell dominierte Fußballwelt zu den konservativsten Bereichen unserer Gesellschaft gehört und der spielerisch erfolgreiche deutsche Frauenfußball lange um Anerkennung kämpfen musste und noch immer kämpfen muss. Integrative Maßnahmen müssen gestärkt werden, Homophobie und Fremdenfeindlichkeit müssen benannt und angegangen werden. Miteinander gewinnen und verlieren können und in Gemeinschaft Sport treiben sind wichtige Erfahrungen in allen Altersgruppen, die die Zivilgesellschaft und das bürgerliche Engagement festigen klassisch grün eben. Nicht zu vergessen ist für jung und alt auch die Gesundheitsprävention. Während Christ- und Sozialdemokraten meist mit einem oder gleich mehreren Sportvereinen verbandelt sind, können wir Grüne relativ unabhängig agieren und sind offen für neue Sportarten sowie für neue, nicht in den Mainstream passende Vereine und können Althergebrachtes hinterfragen. Ich möchte gerne einen Aufschlag für eine grüne Sportpolitik organisieren und würde mich über zahlreiche Interessierte freuen. Wer Interesse am Thema und an einem ersten Treffen nach der Sommerpause hat, melde sich bitte bei mir: manuel. stock@ gruenehessen.de. Manuel Stock ist Mitglied des Landesvorstands Juni 2008 Zeitschrift der Grünen in Hessen Grünfläche 1

Grünfläche Schwerpunkt Die informationelle Selbstbestimmung muss in die Nähe zur Menschenwürde rücken Hessen könnte sich durch gesetzgeberische Abstinenz als Mutterland des Datenschutzes erweisen. 7. Oktober 1970: Als sich die Risiken einer massenhaften Verarbeitung personenbezogener Daten für die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen abzeichneten, erging in Hessen das Datenschutzgesetz als international erstes seiner Art. Damals hatte der Datenschutz Hochkonjunktur. So stieß die Datenerhebung nach dem Volkszählungsgesetz 1983 auf massiven Widerstand. Im Streit um dieses Gesetz klärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Grundlagen des Datenschutzes und hob im Urteil vom 15.12.1983 das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus der Taufe, das die Befugnis des Einzelnen gewährleistet, grundsätzlich selbst über seine Daten zu bestimmen. Die informationelle Selbstbestimmung ist jedoch nicht ohne Einschränkungen. Solche Beschränkungen bedürfen aber einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich Voraussetzung und Umfang ergeben. Hieraus entwickelte sich ein ausgewogenes Datenschutzrecht, was wir auch brauchen, da sich seither das Datenumfeld stark verändert hat. Heute besteht die Möglichkeit, automatisiert Informationen zu beschaffen, die in ihrer Verknüpfung ein genaues Persönlichkeitsbild abgeben. Die individuelle Privatheit wird dadurch praktisch aufgehoben. Der Staat beansprucht die Berechtigung, unbegrenzt solche Verknüpfungen vorzunehmen, die Wirtschaft will sich ein Bild ihrer potenziellen Kunden verschaffen und selbst im Alltag möchte man alles über die Mitbürger zu erfahren. Dem steht das Datenschutzrecht entgegen. Doch inzwischen erlebt der Datenschutz eine Konjunkturflaute. Zugriffe, die man früher unter Berufung auf die informationelle Selbstbestimmung abwehren konnte, werden nun mit Terrorismusgefahren legitimiert. Deshalb sollte überdacht werden, wie die informationelle Selbstbestimmung in der Grundrechteordnung des Grundgesetzes verankert ist. Diese ist nicht nur ein Katalog wichtiger Rechte, die der Verfassungsgeber unter besonderen Schutz stellen wollte; vielmehr bilden sie ein System, das sich zwischen den Polen der Menschenwürde und der allgemeinen Handlungsfreiheit bewegt. Die Menschenwürde ist nicht beschränkbar, die allgemeine Handlungsfreiheit aber kann durch verfassungskonforme verhältnismäßige Gesetze eingeschränkt werden. Wo aber lässt sich hier die informationelle Selbstbestimmung positionieren? Nun, sie ist zwischen Menschenwürde und allgemeiner Handlungsfreiheit nicht fest lokalisierbar, sondern unterschiedlich stark, je nachdem, in welchem Zusammenhang sie auftritt. Wem die informationelle Selbstbestimmung ein Anliegen ist, der muss sie in die Nähe zur Menschenwürde bringen. Das ist sinnvoller als die Anlehnung an benannte Grundrechte. So wird versucht, Online-Durchsuchungen als Durchsuchungen von Wohnungen zu behandeln; sie haben jedoch nur dann damit etwas zu tun, wenn das Angriffsobjekt sich in einer Wohnung befindet. Die Online-Durchsuchung greift aber die informationelle Selbstbestimmung schlechthin an. Der PC ist im Wohnbereich nicht stärker vor Online-Zugriffen geschützt als anderswo, der Zugriff auf einen Laptop im Zug ist nicht anders zu qualifizieren als der Zugriff auf den heimischen PC. Man muss somit von Fall zu Fall begründen, weshalb ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung unmittelbar die Menschenwürde antastet, was bei der Online-Durchsuchung durchaus möglich ist. In jüngster Zeit erwies sich die informationelle Selbstbestimmung als argumentative Waffe gegenüber dem Gesetzgeber eher als stumpf. Rasterfahndungen, Online-Durchsuchungen etc. markieren eine Entwicklung hin zu einer inakzeptablen Beschneidung bürgerlicher Freiheitsposition. Das BVerfG hat dagegen in einer Reihe jüngerer Entscheidungen die informationelle Selbstbestimmung bestärkt. Bei diesen Entscheidungen ließ das Gericht aber eine Hintertür offen, die dem Gesetzgeber Beschränkungen ermöglicht, wenn er sich nur bessere Argumente einfallen lässt. In Bund und Ländern ist man deshalb dabei, die Beanstandungen zu reparieren. Das wird man ohne Gegenargumente kaum verhindern können. Der Begründungsspielraum würde unnötig beschnitten, wenn man ein Datenschutzgrundrecht ausformulieren würde, denn dann müssten zugleich die Schranken bestimmt werden. In welche Richtung das ginge, ist unschwer vorstellbar. Im Kampf für Bürgerrechte sollte man darauf dringen, dass der Gesetzgeber die Handlungsspielräume nicht ausschöpft, die ihm das BVerfG eingeräumt hat. Hessen könnte sich hier durch gesetzgeberische Abstinenz als Mutterland des Datenschutzes erweisen. Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch ist Hessischer Datenschutzbeauftragter 2 Grünfläche Zeitschrift der Grünen in Hessen Juni 2008

Freiheit und Sicherheit sind miteinander vereinbar Wir wollen keinen weiteren Raubbau an Bürgerrechten, der den Bürgerinnen und Bürgern eine falsche Sicherheit vorzugaukelt. Hessen hat am 27. Januar einen neuen Landtag gewählt. Obwohl das Parlament nun eine neue Mehrheit hat, glaubt die geschäftsführende Landesregierung nach alter Manier in vielen Politikbereichen einen Sonderweg gehen zu können; so auch in der Debatte um Datenschutz und innere Sicherheit. Wer Sicherheit gegen Wahrung der Bürgerrechte ausspielt, gaukelt damit eine falsche Sicherheit vor und höhlt den Schutz des privaten Raums aus. In der Arbeit der Grünen-Fraktion im hessischen Landtag gilt es daher stets im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, die ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung haben, auf die feine Linie zwischen notwendiger und überflüssiger Datensammlung zum Schutz der inneren Sicherheit zu achten. Durchsuchung wie sich ausschließen lässt, dass Unbeteiligte Opfer der Überwachung werden. Wer nichts geheim zu halten hat, der muss noch lange nicht alles enthüllen. Kommunikation lebt davon, dass Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden wem sie was und unter welchen Vorraussetzungen mitteilen oder vorenthalten wollen. Kommunikation lebt also von Schwellen, die die Politik zu akzeptieren hat und trotzdem wirksam gestalten kann. Betrachtet man die ausgeweitete Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung, die Verwertung der Mautdaten und die Speicherung von Passfotos auf zentralen Rechnern für sich, so stellen sich diese Maßnahmen vielleicht noch als harmlos da. Der Blick auf das gesamte Paket zeigt allerdings ein ganz anderes Bild: Die Grenze zwischen innerer und äußerer Sicherheit fällt immer mehr in sich zusammen und damit auch die Trennung von Polizei und Geheimdiensten. Bei der heimlichen Online-Durchsuchung wird allerdings eine sehr private Schwelle überschritten. Der Entwurf des BKA-Gesetzes ist nicht nur ein weiterer Baustein in der stetigen Entwicklung einer Entföderalisierung im Innenbereich unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung, das BKA bekommt dadurch auch umfangreiche Befugnisse zur Gefahrenabwehr, die verfassungsrechtlich problematisch sind. Gefahrenabwehrmaßnahmen gehören zudem in dern Zuständigkeitsbereich der Landespolizei. Statt der ständigen Erweiterung der Befugnisse des BKA, sollten die bisher vorhandenen Möglichkeiten einer Gefahrenabwehr besser und effektiver genutzt werden. Außerdem werden gerade Terroristen Mittel haben oder Wege finden, sich den geplanten Überwachungsmaßnahmen zu entziehen und was bleiben wird, ist nur eine weitere Einschränkung der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger. Wir als GRÜNE lehnen diese Einschränkung der Grundrechte ab und treten für eine Politik ein, in der Freiheit und Sicherheit miteinander vereinbar sind. Für die Menschen wird es kaum noch nachvollziehbar sein, welche ihrer Daten gespeichert werden und welche nicht. Und dann stellt sich auch noch die Frage: Von wem werden die Daten gespeichert? Wer gibt was an wen weiter? Viele offene Fragen stehen im Raum, auf die eine abschließende Antwort noch gefunden werden muss. Auch ist festzuhalten, dass das Internet bereits jetzt schon unter stark zunehmender Beobachtung der Behörden steht. Sowohl öffentliche Internetangebote und Portale wie auch die onlinebasierte Kommunikation via E-Mail, Chat oder Internet-Telefonie können bereits nach geltendem Recht überwacht werden. Anstatt wie der Innenminister neue Alleingänge anzukündigen, deren Verfassungskonformität in Frage steht und die im Parlament sowieso keine Mehrheit finden würden, wollen wir als Grüne Fraktion das bestehende Polizeigesetz aktualisieren und verfassungskonform gestalten. Wir wollen keinen weiteren Raubbau an Bürgerrechten betreiben um den Bürgerinnen und Bürgern eine falsche Sicherheit vorzugaukeln. Fotos, Tagebücher, E-Mail-Verkehr mit dem Arbeitgeber oder dem Anwalt: Der Computer ist unser Briefkasten, Telefon, Fernseher, Tagebuch, Einkaufszentrum, Radio und Fernseher zugleich. Völlig unklar ist bei der Online- Mürvet Öztürk ist Mitglied im Hessischen Landtag Juni 2008 Zeitschrift der Grünen in Hessen Grünfläche 3

Grünfläche Schwerpunkt Schäuble sucht die Superpolizei Nun liegt das Gesetz zur Abwehr von Gefahren durch den internationalen Terrorismus endlich vor. Es füllt die Kompetenzen des BKA zur Gefahrenabwehr aus, die seit der Föderalismusreform im Grundgesetz stehen. Bekannt wurde es durch die sogenannte Online-Durchsuchung; es enthält aber einiges mehr, das mindestens genauso rabiat in die Grundrechte eingreift. Online-Durchsuchung der virtuellen Privatsphäre In seinem Urteil zum entsprechenden Landesgesetz des Düsseldorfer FDP-Ministers Wolf hat das Bundesverfassungsgericht das neue Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme geschaffen. Die SPD versprach, das eins zu eins umzusetzen. Da hat sie nun zu tun. Schäubles Entwurf entnimmt zwar Worte aus dem Urteil, verfehlt aber dessen Geist. Statt den Kernbereich der Privatsphäre wasserdicht abzuschotten, wird ihr Schutz unter den Vorbehalt des technisch Möglichen gestellt. Was soll das aber für ein Schutz sein, der nicht weiter reicht als die Programmierkunst des BKA? Dass laut Entwurf dann zwei BKA-Beamte die möglicherweise intimen Details durchsieben und nur das weniger Private zu den Akten sortieren, macht den staatlichen Vertrauensbruch nicht weniger schlimm und schon gar nicht ungeschehen. verlegt. Da jedoch gehören diese Instrumente einfach nicht hin. Bisher gab es solche Kompetenzen für die Geheimdienste, also Behörden ohne Exekutivbefugnisse. Einige der Maßnahmen kamen, mit hohen Hürden, bei der Strafverfolgung zum Einsatz also nach einer Tat, nicht bei angenommener Gefahr. Dass die Länderpolizeien auch schon mit einigen dieser Instrumente arbeiten, macht es nicht besser. Die wenigsten dieser Gesetze bestehen den Bürgerrechts-TÜV. Und aus diesen Landespolizeigesetzen ließ Schäuble nun den jeweils härtesten Stoff ziehen: Ein wahres Worst of. Am Ende steht das deutsche FBI mit vollen nachrichtendienstlichen Befugnissen, aber ohne adäquate Auch das reale Leben im Visier Die übrigen Maßnahmen im Gesetz sind bisher im Schatten geblieben, allerdings zu Unrecht, denn es handelt sich um eine regelrechte Giftliste. Obenan steht der Große Lauschund Spähangriff. Das BKA darf in Wohnungen nicht nur Wanzen, sondern auch Kameras installieren Stasi 2.0 in der Multimedia-Version. Besonders übel: Das Horchen und Gucken ist sogar in den Wohnungen Unbeteiligter erlaubt, wenn dort Verdächtige vermutet werden. Weitere Tiefpunkte sind das Recht, zu jeder Tages- und Nachtzeit ohne richterliche Anordnung in Wohnungen einzudringen, umfassend Telefone abzuhören, mit IMSI- Catchern jedermanns Handy zu orten sowie der Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern. Sogar die berüchtigten Datenstaubsauger Rasterfahndung und Schleierfahndung findet man wieder, auch wenn sie in der Praxis versagt haben. Auf dem Weg zum Schnüffelstaat Diese allgemeine Attacke auf Bürgerrechte und Rechtsstaat wird dadurch noch dramatischer, dass es sich hier um ein Präventionsgesetz handelt. Es braucht für den Einsatz dieser polizeilichen Instrumente noch keine einzige Straftat geschehen zu sein, es reicht die bloße Existenz des internationalen Terrorismus. In beispielloser Weise wird polizeiliche Arbeit hier ins gesellschaftliche Vorfeld parlamentarische Kontrolle. Die Geheimdienste werden, wie unvollkommen auch immer, von zwei Gremien des Bundestages kontrolliert. Eine vergleichbare Kontrolle des BKA durch den Innenausschuss ist weder vorgesehen noch denkbar. Die Auseinandersetzung beginnt erst All das war der SPD bisher offenkundig gleichgültig, denn es stand auch schon in früheren Entwürfen. Da war noch der Parteilinie zuzustimmen, sobald die Online- Durchsuchung geklärt ist. Sich jetzt über lange Bekanntes zu empören, ist nicht recht glaubwürdig. Deshalb kommt es darauf an, in die Auseinandersetzung um dieses Gesetz zu gehen, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie den vielen Initiativen, die sich gegen die Ablösung des freiheitlichen Rechtsstaates durch den präventiven Sicherheitsstaat wehren. Wolfgang Wieland ist Mitglied im Deutschen Bundestag, Sprecher für innere Sicherheit der Bundestagsfraktion 4 Grünfläche Zeitschrift der Grünen in Hessen Juni 2008

Das Recht, in Ruhe gelassen zu werden Egal, ob wir eine SMS verschicken, im Internet surfen oder telefonieren wir hinterlassen Spuren, die den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehen. Der Terrorismus ist eine erhebliche Herausforderung für den demokratischen Rechtsstaat. Gefährdungen müssen fortlaufend überprüft werden, ebenso die Tauglichkeit und Verhältnismäßigkeit der Sicherheitsgesetze, denn solche Maßnahmen schränken die Freiheit ein, verbessern aber nicht immer die Sicherheit. Daher haben wir beim 2002 in Kraft getretenen Terrorismusbekämpfungsgesetz darauf bestanden, dass die Maßnahmen befristet gültig sind und vor Ende 2006 überprüft werden. Als Bürgerrechtspartei ist uns bewusst, dass der Staat nicht nur die Sicherheit seiner Bevölkerung schützen, sondern auch deren Grundrechte achten muss. Nicht etwa die Geltung der Freiheitsrechte muss begründet werden, sondern ihre Einschränkung. Anordnung einschränkte. Die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde von 35.000 Bürgerinnen und Bürgern steht noch aus. Auch der Europäische Gerichtshof wird noch ein Urteil zur EU-Richtlinie sprechen. Eine Signalwirkung für die Bürgerrechte hat das im Februar ergangene Urteil zur Online-Durchsuchung. Die Karlsruher Richter haben die in Nordrhein-Westfalen gültigen Vorschriften für nichtig erklärt und mit dem Recht auf Integrität und Vertraulichkeit von Computern und anderen informationstechnischen Systemen ein neues Grundrecht geschaffen, das auch Eingang in unser Grundgesetz finden muss. Die Große Koalition und der Innenminister hingegen zäumen das Pferd von hinten auf. Nicht nur haben sie es unterlassen, die Effizienz und Auswirkungen der Maßnahmen auf die Grundrechte extern evaluieren zu lassen. Vielmehr muss neuerdings die Geltung der Grundrechte begründet werden und eben nicht mehr deren Einschränkung. Vorratsdatenspeicherung, Online- Durchsuchung, die Verwertung von Mautdaten usw. die Maßnahmen der Großen Koalition führen direkt vom Rechtsstaat, in dem die Unschuldsvermutung gilt, in einen Präventionsstaat, in dem jeder potenziell verdächtig ist. Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ist am 1. Januar 2008 in Kraft getreten. Kommunikationsdienste sind seither verpflichtet, die Verbindungsdaten aller ihrer Kundinnen und Kunden sechs Monate zu speichern. Egal, ob wir eine SMS verschicken, im Internet surfen oder telefonieren wir hinterlassen Spuren, die den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehen. Das Gesetz setzt eine entsprechende Richtlinie der EU um, geht in der möglichen Verwendung der Daten allerdings darüber hinaus. Das reicht dem Innenminister jedoch nicht, er möchte auch noch heimlich auf Computer-Festplatten zugreifen. Dieses Urteil sollte zum Anlass genommen werden, den Datenschutz anzupassen. Das sollte nicht nur auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene geschehen, denn die Harmonisierung des Europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts führt auch zu einem verstärkten Austausch sensibler Daten. Nötig ist ein EU-Rahmenbeschluss, der die Grundrechte der Bevölkerung auf hohem Niveau schützt und das vom BVerfG bereits 1983 formulierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Wegweiser nimmt. Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz, warnt nicht grundlos vor einem Ende der Privatsphäre. Er beklagt dabei nicht nur die staatlichen Eingriffe, sondern auch die Sorglosigkeit der Bürgerinnen und Bürger. Die Menschen müssen letztlich selbst entscheiden, welche Daten sie offenbaren. Das befreit den Staat jedoch nicht davon, die Grundrechte zu achten und einem Missbrauch Schranken zu setzen. Durch die Online-Durchsuchung und Vorratsdatenspeicherung werden für eine freiheitliche Gesellschaft elementare Grundrechte massiv entwertet. Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten, führen die Verteidiger des Präventionsstaates an. Man möchte sie fragen, welchen Sinn die freie Entfaltung der Persönlichkeit noch hat, wenn das Recht des Einzelnen, in Ruhe gelassen zu werden, derart beschnitten wird. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die richtige Antwort gegeben, als es die Speicherung der Daten bzw. deren Nutzung im März 2008 in einer einstweiligen MCem Özdemir ist Mitglied des Europaparlaments Juni 2008 Zeitschrift der Grünen in Hessen Grünfläche 5

Aus dem Bundestag Die Deutsche Bank, steigende Lebensmittelpreise und was der Hunger in der Welt mit uns zu tun hat Bei der derzeitigen Hungerkrise handelt es sich nicht um eine Naturkatastrophe, sondern um die Folgen einer von Menschen gemachten ökonomischen und politischen Entwicklung, die durch ein Umsteuern in verschiedenen Politikfeldern verändert werden kann und muss. Neulich klebte an meiner Brötchentüte eine Werbepostkarte. Ein neuer Brötchenbringdienst, dachte ich zuerst, als ich sah, dass es sich um Werbung der Deutschen Bank handelte: Freuen Sie sich über steigende Preise? Alle Welt spricht über Rohstoffe mit dem Agriculture Euro Fonds haben Sie die Möglichkeit, an der Wertentwicklung von sieben der wichtigsten Agrarrohstoffe zu partizipieren. Investition in etwas Greifbares. Was da harmlos Wertentwicklung von Agrarrohstoffen genannt wird, meint den Anstieg der Lebensmittelpreise und bedeutet für einen großen Teil der Bevölkerung in ärmeren Ländern eine Zunahme des Hungers. Hier werden also Geschäfte auf dem Rücken hungernder Menschen gemacht. Die weltweite Spekulation mit Agrarrohstoffen, also dem Kauf von Nahrungsmitteln und dem Verkauf zu höheren Preisen, ist eine wesentliche Ursache für den deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise in der Welt. Natürlich ist dieses Spekulieren nicht der einzige Grund dafür. Es gibt ein ganzes Bündel von Gründen, die zu der aktuellen Hungerkrise geführt haben. Einer ist dabei durchaus positiv, nämlich die ökonomische Entwicklung in vielen Schwellenländern, insbesondere in China und Indien. Steigende Einkommen führen zu einer Zunahme der Nachfrage nach Lebensmitteln und damit zu einer Erhöhung der Preise. Mit zunehmendem Wohlstand geht darüber hinaus auch eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten einher. So hat sich insbesondere die Nachfrage nach Fleisch deutlich erhöht. Mittlerweile werden 30% der Agrarflächen für den Anbau von Futtermitteln für die Fleischproduktion verwendet. Neben dem Anstieg der Nachfrage nach Lebensmitteln im Allgemeinen und nach Fleisch im Besonderen sind bei der Entwicklung der Preise auch angebotsseitige Effekte von Bedeutung. So hat der Klimawandel Auswirkungen auf die Anbaumöglichkeiten, wovon wiederum arme Länder besonders betroffen sind. Eine weitere Ursache sind die Agrarsubventionen der Industrienationen. Billige Lebensmittel aus den USA oder Europa haben in den vergangenen Jahren die Märkte in den armen Ländern überschwemmt, wodurch die einheimische Landwirtschaft zugrunde gerichtet wurde. Agrarsubventionen müssen deswegen abgebaut werden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass in steigenden Agrarrohstoffpreisen auch Chancen liegen, da sich dadurch die Produktion von Lebensmitteln in den armen Ländern wieder stärker lohnt. Viele Landwirte in den ärmeren Regionen setzen allerdings mittlerweile auf den Anbau von Energiepflanzen, da sich herumgesprochen hat, dass sich damit höhere Gewinne erzielen lassen. Zwar werden bisher nur etwa 2% der Nutzflächen dafür verwendet, aufgrund der entstandenen Erwartungen hat die Diskussion um Biosprit aber einen erheblichen Anteil an dem Anstieg der Nahrungsmittelpreise. Alles zusammen: Die Erwartungen bezüglich der Bedeutung von Agrartreibstoffen, von Biomasse für die Energieversorgung, die zunehmende Nachfrage nach Lebensmitteln, insbesondere nach Fleisch bei gleichzeitiger Verknappung der zur Verfügung stehenden Agrarflächen wegen des Klimawandels, heizen die Spekulationen und die Nachfrage nach Lebensmitteln als Anlagemöglichkeit an. Das lässt die Lebensmittelpreise noch stärker steigen, wodurch ein Kreislauf in Gang kommt, der eine wesentliche Ursache des jetzt zu beobachtenden Preisanstiegs mit der Konsequenz zunehmenden Hungers ist. Was tun? Bei der derzeitigen Hungerkrise handelt es sich nicht um eine Naturkatastrophe, sondern um die Folgen einer von Menschen gemachten ökonomischen und politischen Entwicklung, die durch eine Änderung in verschiedenen Politikfeldern verändert werden kann und muss. Eine Regulierung der internationalen Märkte für Agrarprodukte, insbesondere als Anlage- und Spekulationsobjekte, ein Abbau der Agrarsubventionen, eine Politik gegen den Klimawandel, eine Energiepolitik weg vom Öl und eine Förderung der Landwirtschaft in den armen Ländern sind dringend geboten, um die Hungerkrise zu bekämpfen. Zudem muss dafür gesorgt werden, dass sich die städtische Bevölkerung in Entwicklungsländern trotz der hohen Preise die teurer gewordenen Nahrungsmittel leisten kann. Dies kann nur gelingen, wenn auch ärmere Länder ihre Sozialsysteme ausbauen und verbessern. Es kann aber auch jede/r einzelne einen Beitrag dazu leisten, indem weniger oder gar kein Fleisch konsumiert, Energie gespart, nicht in Lebensmittel-Fonds investiert und weniger Auto gefahren wird egal ob mit Benzin, Diesel oder Biosprit. Wolfgang Strengmann-Kuhn ist Mitglied des Deutschen Bundestags, Sprecher für Außenwirtschaftspolitik der Buddestagsfraktion 6 Grünfläche Zeitschrift der Grünen in Hessen Juni 2008

Die Kreisverbände im Porträt Kreisverband Limburg-Weilburg Der Landkreis liegt zwischen den Mittelgebirgen Taunus und Westerwald in Mittelhessen. Dabei wird ein großer Teil des Kreisgebietes von den Tallandschaften der Lahn (Weilburger Lahntalgebiet und Limburger Becken) eingenommen, die den Kreis von Nordosten nach Südwesten durchfließt. Das Limburger Becken bildet mit seiner Boden- und Klimagunst eine der ertragreichsten Agrarlandschaften Hessens und hat darüber hinaus als günstiger Lahnübergang seit dem Mittelalter hohe verkehrsgeographische Bedeutung.. Wolfgang Lippe, unser derzeitiger Kreisschatzmeister und eines der langjährigen Parteimitglieder, schrieb anlässlich des 25- jährigen Bestehens unseres Kreisverbandes: Sie (also wir) kommen mir manchmal vor wie diese verrückten Gallier aus dem alten Comic. Wenn ein politischer Kampf ansteht, brüllen sie nach ihrem Druiden und fordern den Zaubertrank. Dann legen sie los. Ihr möchtet wissen was in diesem Gebräu drin ist? Hört und lest zwischen den Zeilen findet ihr das Rezept! 1980 entstand die Partei in einem überschaubaren, ländlichen, konservativen Landkreis. Darüber kann auch eine eher konservative SPD nicht hinwegtäuschen. CDU- Wahlergebnisse, die einer bayerischen CSU Ehre machen würden, sind keine Seltenheit. Auslöser für die Parteigründung war nach übereinstimmender Meinung der Parteialten der Plan, in unserem Landkreis eine nukleare Wiederaufbereitungsanlage zu bauen. Unter den Säulen unserer Partei sozial, ökologisch, basisdemokratisch und gewaltfrei war wohl die ökologische die Mutter des Kreisverbandes. Der Plan wurde mit dem Vermerk politisch zur Zeit nicht durchsetzbar in den achtziger Jahren zu den Akten gelegt. Senta Seip, grünes Urgestein und Parteigedächtnis, berichtet von zahlreichen Erfolge des Kreisverbandes im Kreis und in den Kommunen, wie etwa der Schließung der Giftmülldeponie Offheim oder dem Verzicht auf Pestizide auf den Flächen der Stadt Limburg. Seither sind wir eine kleine, aber feste politische Größe im Kreis. Überhaupt, unsere grünen Frauen! Das Trio Infernale von 1984 mit Helga Gilbert, Marlies Winter und Senta Seip galt in der Stadt Limburg, sozusagen der Hauptstadt des Kreises, als Frauenpowertrio und mischte die Stadtfraktion kräftig auf. Die großen politischen Themen kommen bei uns im Kreisverband nicht zu kurz. Ein Schwerpunkt unserer Jugendlichen war und ist das virulente Thema Nazis. Eine der größten Demonstrationen erlebte Limburg zu Beginn des Irak-Krieges III, an deren Zustandekommen wir uns im Rahmen eines großen überparteilichen Bündnisses beteiligten. Wir setzten uns frühzeitig mit der These unseres ehemaligen Landesvorstandsmitglieds Berninger auseinander, die Landwirte könnten die Ölscheichs der Zukunft werden. Das war und ist in unserem Kreisverband höchst umstritten. Auch die seinerzeit eingeladenen Landwirte sahen das durchaus differenziert. Aktionen zur Klimawende sind ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Den Kreisverband bewegte die Auseinandersetzung um die Politik unserer Partei in Afghanistan. Im Vorfeld überwog die Unterstützung des Antrages A-05, der nun seit Göttingen Parteitagsbeschluss ist. Unterdessen hat Andreas Buro einen friedenspolitischen Vorschlag zu Afghanistan unterbreitet, der den Parteitagsbeschluss von Göttingen weiter konkretisiert. Wir setzten uns kritisch mit der Beschlusslage zu Hartz IV auseinander und unterstützten den Münsteraner Appell. Und vor dieser Zeit müssen wir kritisch anmerken, dass die Parteilinie zum Kosovo uns nicht einfach nur viele Mitglieder kostete, sondern bis auf den heutigen Tag unter vielen Mitgliedern im Kreisverband als politisch fataler Sündenfall gesehen wird. Angesichts grober Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Guantanamo und rechtswidriger Entführungen Terrorverdächtiger unter den Augen der rot-grünen Regierung setzten sich Mitglieder unseres Kreisverbandes für einen hessischen Parteirat ein. Rupert von Plottnitz, Gast dieses Parteirates, fand die richtigen, wichtigen Worte. Also auch innerparteilich ein klein gallisch Dorf? Das setzen wir politisch durch statt allzu oft das ist politisch nicht durchsetzbar erhoffen wir als Parteiaussage. An dieser Stelle danken wir vor allem dem MdL für unseren Landkreis, Mathias Wagner, und dem MdB Omid Nouripour, die oft einen schier unglaublichen Langmut bei manch heftiger KMV aufbrachten. Danken möchten wir auch Dieter Oelke, ohne dessen Rat und Tat wir heute nicht da wären, wo wir sind. Simon Lissner ist Mitglied im Kreisvorstand Juni 2008 Zeitschrift der Grünen in Hessen Grünfläche 7

Aus den Kreisverbänden Wiesbaden: Demo gegen Kohlekraftwerk auf der Ingelheimer Aue Trotz Regenwetters demonstrierten am 19. April mehr als 2000 Menschen gegen das geplante Kohlekraftwerk auf der Ingelheimer Aue. Zur der Demonstration hatten zahlreiche Organisationen und Initiativen aufgerufen. Mit von der Partie war auch der Kreisverband Wiesbaden. Zunächst zogen circa 1500 Menschen durch Mainz bevor weitere 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wiesbaden dazu stießen. In der Mainzer Innenstadt versammelten sich die Demonstranten zu einer Abschlusskundgebung. Nachdem bereits die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung gegen den Bau gestimmt hatte, sprach sich mittlerweile auch der Mainzer Stadtrat gegen das Kohlekraftwerk aus. Die Voten beider Städte sind für den Planer der Anlage die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden (KMW) allerdings nicht bindend. Bis 2012 soll so auf der Rheinhalbinsel zwischen Mainz und Wiesbaden das Kohleheizkraftwerk mit einer Leistung von rund 800 Megawatt entstehen. Am 29.April begann das Erörterungsverfahren in Mainz. Insgesamt waren rund 47000 Einwendungen eingegangen. Mit ersten Ergebnissen der zuständigen und entscheidenden Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) wird frühestens Ende des Jahres gerechnet. Groß-Gerau: Hessen ist GENtechnikFREI Nachdem die drei Versuchsflächen für den Anbau gentechnik-veränderter Pflanzen der Firma Monsanto und der Uni Gießen in Niedermöllrich (bei Wabern) und Rauischholzhausen (Ebsdorfergrund) durch hartnäckige Bürgerinitiativen und die Grünen vor Ort gestoppten werden konnten, stand noch eine weitere Fläche in Groß-Gerau zur Diskussion. Zwei Versuchsfelder sollten dort zusammengelegt werden. Zunächst sah es so aus, als werde die eindeutige Aufforderung des Landkreises Groß-Gerau an die Universität, auf den Versuch zu verzichten, nicht erhört. Dies stieß auf weitere Gegenwehr der Bürgerinitiativen, verschiedener Naturschutzverbände und der Grünen, die das Feld daraufhin besetzten und damit die Aussaat zunächst behindern konnten. Die Grüne Landtagsfraktion unterstützte das Engagement und berief eine Sondersitzung des Umweltausschusses ein. Mit einer Mehrheit wurde die geschäftsführende Landesregierung aufgefordert, auf allen landeseigenen Flächen ihre Zustimmung für den Anbau von GVO- Pflanzen ab sofort zu versagen. Damit hätte die Uni Gießen in Zukunft auf landeseigenen Flächen keine Berechtigung mehr, Sortenwertprüfungen mit GVO-Mais durchzuführen. Umweltminister Wilhelm Dietzel hat daraufhin zugesagt, zeitnah einen Aktionsplan für den Erhalt einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Hessen vorzulegen und alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, damit die gentechnikfreie Landwirtschaft und auch Naturschutzgebiete in Hessen zukünftig vor Verunreinigungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen geschützt werden. Außerdem hat die geschäftsführende Landesregierung das von ihr angekündigte fünfjährige Moratorium auf einen Verzicht für gentechnisch veränderte Organismen auf landeseigenen Flächen bestätigt. Auch die bereits bestehenden gentechnikfreien Regionen in Hessen sollen unterstützt und ein Netzwerk einrichtet werden, welches diese Regionen berät, koordiniert und dazu beiträgt, dass sich ganz Hessen mittelfristig zu einer gentechnikfreien Region entwickeln kann. Fulda: Neuer Kreisvorstand im Amt Die Mitglieder des Kreisverbandes Fulda haben ein neues Vorstandsteam. Zur neuen Vorstandssprecherin wurde die Landtagsabgeordnete Margaretha Hölldobler- Heumüller gewählt, die die Nachfolge von Bernd Eckart antritt, der dem KV die letzten zehn Jahre vorstand. Mit einem Geschenk und langem Beifall bedankten sich die Mitglieder bei Bernd Eckart für seine lange und erfolgreiche Arbeit, in der es ihm gelungen ist, den Kreisverband auch in schwierigen Zeiten zusammenzuhalten. Zudem hat er sich erfolgreich für grüne Inhalte eingesetzt und in der Region Fulda viel für die Akzeptanz der Partei getan. Als Kreisschatzmeister wiedergewählt wurde Jürgen Niemann. Neu im Vorstandsteam sind Uta Eddeling (Schriftführerin), Katja Schmirler (Beisitzerin) und Peter Kirchner (Beisitzer). Als wichtiges Ziel will sich der neue Vorstand verstärkt um neue Mitglieder besonders in den ländlicheren Teilen des Kreises bemühen und dabei neue Zielgruppen ansprechen. 8 Grünfläche Zeitschrift der Grünen in Hessen Juni 2008

Aus dem Frauenrat Neue Mehrheiten für den frauenpolitischen Aufbruch in Hessen suchen Die Umsetzung einer modernen GRÜNEN Frauenpolitik ist längst überfällig, zu diesem Schluss kam der Frauenrat der hessischen Grünen bei seiner letzten Sitzung im Mai. In einer engagierten Diskussion war schnell klar, dass nach neun Jahren des Stillstands die Zügel des Handelns wieder in die Hand genommen werden müssen, um Frauen und eine geschlechtergerechte Gesellschaft aktiv und effektiv zu fördern. Deshalb haben die Frauen einen umfassenden Beschluss gefasst, in dem sie die Landtagsfraktion auffordern Mehrheiten im Parlament für eine moderne Frauenpolitik zu suchen. Gerade im öffentlichen Dienst in seiner Vorbildfunktion muss das Thema Gleichberechtigung wieder stärker ins Blickfeld gerückt werden, um Frauen zu stärken und ihre Potentiale nicht zu vergeuden. Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessern, in dem wir gerade auch die Rückkehr von Frauen in den Beruf fördern. Vor allem auch Frauen mit Migrationshintergrund haben mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung verdient. Für ein starkes Hessen kann auf Potentiale und die integrative Wirkung dieser Frauen nicht länger verzichtet werden. Standhafte Frauenpolitik bedeutet jedoch nicht nur die Gleichberechtigung im Berufsleben. Unter anderem muss die Infrastruktur für von Gewalt betroffene Frauen endlich wieder ausgebaut und verbessert werden die Finanzierung soll durch das GRÜNE Sozialbudget dauerhaft auf sichere Füße gestellt werden. Auch der Landeshaushalt ist im Hinblick auf seine Auswirkungen auf die Gleichstellung von Männern und Frauen zu überprüfen und neu auszurichten. Nicole Maisch ist frauenpolitische Sprecherin des Landesvorstands Termine 13. Juni 2008, 11.00-17.00 Uhr Grün zahlt sich aus Finanzkonferenz des Bundesverbands Forum im Dominikanerkloster, Kurt-Schumacher-Str. 23, 60311 Frankfurt am Main 17. Juni 2008, 19.00 Uhr LAG Medien DB Lounge, Frankfurt am Main 19. Juli 2008 Christopher Street Day Frankfurt am Main 8. August 2008 AG GRÜNE Alte Der genaue Ort wird noch bekannt gegeben: www.gruene-hessen.de 16.August 2008, 11.00 Uhr Frauenrat Stadtwerke Frankfurt, Kurt-Schumacher-Str. 10, 60311 Frankfurt am Main 29. August 2008, 18.00 LAG ChristInnen Kreisgeschäftsstelle der GRÜNEN, Oppenheimer Straße 17, Frankfurt am Main 30. August 2008, 15.00 bis 22.30 Uhr SONNE, WIND UND WIR! Klimatour 08 Extra-Highlight für Hessen und Rheinland-Pfalz Mit Wir sind Helden, Filmen, regionalen Bands, Diskussionen, Kinderprogramm Veranstaltet von der Heinrich Böll Stiftung Hessen und Rheinlandpfalz KUZ, Kulturzentrum Mainz, Dagobertstraße, Mainz Juni 2008 Zeitschrift der Grünen in Hessen Grünfläche 9

Landesarbeitsgemeinschaften (LAGen) LAG Migration und Flucht Erfolgreiche Integration bedeutet Zukunft Lang genug ruhte im hessischen Landesverband die Arbeitsgemeinschaft Migration und Flucht wir wollen diese seit unserer Neugründung im Dezember letzten Jahres wieder mit Arbeit und Aktivitäten füllen und neu beleben. Die LAG beschäftigt sich vor allem mit den Themen Integration, Flüchtlingspolitik, Diversity und Partizipation. Ein ganz entscheidender Teil unserer Arbeit in der nächsten Zeit wird die Erstellung eines Positionspapiers sein. Unter dem Leitsatz Integration ist ein gesellschaftlicher Prozess, der keinen Abschluss findet, sondern immer wieder neu gefördert werden muss wollen wir ein Integrationspapier für Hessen erarbeiten. Zuwanderung und Integration sind Schlüsselthemen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wir sehen Integrationspolitik als Querschnittsthema im Zentrum grüner Gesellschaftspolitik. Das Ziel der Integrationspolitik muss es sein, Integration auf gleicher Augenhöhe zu ermöglichen sowie eine gleichberechtigte Teilhabe und Mitwirkung zugewanderter Bürgerinnen und Bürger sowie die Förderung und Wertschätzung ihrer spezifischen Kompetenzen zu gewährleisten. Die Chancen der Bundesrepublik Deutschland, im internationalen Wettbewerb zu bestehen, sind von der Zuwanderung von Menschen aus anderen Ländern abhängig. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird Deutschland nicht nur aus politischen und humanitären Gründen Einwanderinnen und Einwanderer aufnehmen müssen, sondern auch aus wirtschaftlichen. Um die Arbeit an unserem Papier fortzusetzen, um über die hessische Integrations- und Flüchtlingspolitik zu diskutieren und zu beraten, wird sich die LAG im Juni treffen. Den genauen Termin werdet ihr über die üblichen Kommunikationswege erhalten; ihr könnt aber bereits jetzt beim Landesverband (landesverband@gruenehessen.de) euer Interesse anmelden. Daniel Mack ist Co-Sprecher der LAG Migration und Flucht LAG Frieden, Europa und Internationale Politik (FREI) Während auf Bundesebene für die Themenfelder FRIEDEN, EUROPA und NORD-SÜD jeweils eine eigene Arbeitsgemeinschaft existiert, sind diese in Hessen in der LAG Frieden, Europa und Internationale Politik (FREI) zusammen repräsentiert. Wir greifen aktuelle Themen aus allen drei Themenfeldern auf, wobei es meist ein kurzes Impulsreferat von einem Mitglied mit anschließender ausführlicher Diskussion gibt. Beim letzten Treffen am 5. Mai hat Martin Häusling einen Input zu Ernährungskrise und Agrartreibstoffe gegeben und argumentiert, dass die Verarbeitung von Agrarprodukten zu Treibstoffen (z.b. Mais in den USA oder Zuckerrohr in Brasilien) nur bedingt für die Nahrungsmittelkrise verantwortlich ist. Die LAG FREI trifft sich etwa sechsmal im Jahr, in der Regel an einem Montag- oder Freitagabend von 19 bis 21 Uhr in einer hessischen Stadt, Termine und Orte werden in der LAG abgesprochen. Wir bemühen uns, die Ergebnisse in Protokollen festzuhalten, die über den LAG-Verteiler verschickt werden. Die nächsten Termine und vorgesehenen Themen sind: Mo. 9.6.08 in Gießen, Thema: Entwicklungszusammenarbeit und Hessen s Wirtschaft in der globalisierten Welt Die LAG hat sich vorgenommen, die Entwicklungszusammenarbeit des Landes Hessen weiter kritisch zu begleiten und die internationale Verpflechtung der hessischen Wirtschaft genauer anzuschauen. Es soll ein Vorschlag entwickelt werden, die Beziehungen hessischer Firmen zu Entwicklungs- und Schwellenländern zu erfassen positive wie kritische/negative und daraus eine Landkarte der Vernetzung der hessischen Wirtschaft zu machen. Mo 25.8.08 in Frankfurt, Thema: Europa und Europawahl 2009 Fr. 31.10.08 in Limburg oder Wiesbaden, Thema evtl. Friedenspolitik/ Afghanistan Einladungen mit TOP und genauer Ortsangabe werden jeweils zwei Wochen vorher verschickt. InteressentInnen an Mitarbeit oder regelmäßigen Informationen nehmen wir gerne in den LAG-Verteiler auf, bitte E-Mail an die LAG-SprecherInnen Klaus Lengefeld und Dr. Hildegard Scheu: Hildegard.Scheu@avigato.de oder klauslengefeld@ yahoo.com. Hildegard Scheu und Klaus Lengefeld sind SprecherInnen der LAG FREI 10 Grünfläche Zeitschrift der Grünen in Hessen Juni 2008

Grüne Jugend Hessen Fünf Jahre GJH-Lavo sind 20% Liebe Freundinnen und Freunde, zu Beginn ein kleines Rechenspiel, was ja, wie wir seit der letzten LMV wissen, auch eine Geisteswissenschaft ist: Vier Jahre Beisitzerin und ein Jahr Vorsitzende machen zusammen fünf Jahre GJH- Landesvorstand und das sind in meinem Fall im Moment 20 % meiner Lebenszeit. Das ist eine lustige Zahlenspielerei, aber auch eine Zahl, die mich dazu veranlasst, zum einen diese Zeit Revue passieren zu lassen, zum anderen aber auch, jetzt anderen das Steuer zu übergeben. Fünf Jahre, das ist soviel, wie die Studierenden, die den Bachelor- und Masterabschluss machen müssen, für ein ganzes Studium zur Verfügung haben, was im Falle der Studierenden aus meiner Perspektive weder für sie noch für die Wissenschaft ausreicht. Aber es ist eine Zeitspanne, in der man mit dem GJH-Lavo ein facettenreiches Studienobjekt an der Hand hat. So gibt es viel über innerparteiliche Strukturen, über Machtverhältnisse, über Gruppenbewegungen, über Politikverdrossenheit, über neues Engagement, über den Wandel der sozialen und ökologischen Bewegung und vieles mehr zu lernen. Man lernt, wie politische Ziele erreicht werden können, aber auch, wie man den Laden einfach am Laufen hält. Je mehr Energie investiert wird, desto mehr wird erreicht, und zwar auf jeglicher Ebene. In fünf Jahren habe ich einige Lavos kommen und gehen sehen und habe beobachten können, wie neue Zusammensetzungen sich auf die kulturelle, strukturelle und inhaltliche Arbeit auswirken. Es ist eine ganze Generation an neuen Mitgliedern herangewachsen, was mich besonders freut. Und genau diese Generation hat es nun verdient, ihre eigenen Erfahrungen zu machen, sich auszuprobieren und mit ihrer Kultur und ihren Persönlichkeiten den Laden zu prägen und zu bereichern. Natürlich wünschen sich alle, die gehen und die viel investiert haben, dass von dem, was man angefangen und aufgebaut hat, etwas bleibt. Aber dadurch gehen immer auch neue Möglichkeiten und Freiräume verloren und deshalb wünsche ich meinen NachfolgerInnen und der GJH, dass sie es so tun, wie sie es für richtig halten. Der Maßstab sind eure Ziele und eure Wünsche, seid also mutig, frei und eigenständig, nutzt die Zeit für euch, um Erfahrungen zu sammeln, und gebt der GJH ein Stück eurer wertvollen Zeit. Es grüßt euch grün und herzlich Elisabeth Amrein Elisabeth Amrein ist ehemalige Vorsitzende der GJH Grünes Urteil: SPD = nicht regierungsfähig? Nach der missglückten Regierungsübernahme hat sich das Klima zwischen SPD und Grünen im Landtag abgekühlt. Während Ypsilanti die Grünen warnt, ihre Ziele aufzugeben, haut die grüne Seite zurück und attestiert der SPD fehlende Regierungsfähigkeit. Wo bleibt denn da die Perspektive? In Jamaika? 1. Abkühlung = Normalisierung Zunächst einmal muss man beherzte Kritik an der SPD und ihrem Versagen bei der Regierungsbildung unterstützen, schon allein, damit die rot-grünen Wechselwähler kapieren, wer es verbockt hat, Roland Koch aus dem Amt zu hieven. Darüber hinaus bedeutet es auch eine Normalisierung der Verhältnisse zwischen uns Grünen und der SPD in der Opposition gibt s schließlich keine Koalition. 2. Jamaikaoption Meinung nach langfristig. Man muss aber realistisch sein und erkennen, dass ein Zusammengehen mit Roland Koch und Jörg- Uwe Hahn den politischen Exitus der Grünen in Hessen bedeuten würde. Und unsere Wählerinnen und Wähler sowie die rot-grünen Wechselwählerinnen und Wechselwähler schauen genau, was wir jetzt in Pressemitteilungen und Parteitagsbeschlüssen erklären. 3. Perspektive Mit wechselnden Mehrheiten ohne Regierungsbeteiligung können die Grünen viel weniger erreichen als in einer Minderheitsregierung oder in einer rot-grün-roten Koalition. Ein Politikwechsel wird so nicht erreicht, da die Regierung Beschlüssen des Parlaments nicht nachkommt, sondern auf Neuwahlen setzt. So blieben die beschlossenen Anträge zur Umwandlung von Gesamtschulen oder zum Bleiberecht von Flüchtlingen folgenlos und bei Staudinger droht dasselbe. Nachdem der Regierungswechsel gescheitert war, intensivierten CDU wie FDP ihr Werben um eine Jamaikakoalition. Sollen nun die Hessen dem Hamburger Vorbild folgen? Im Beschluss des Parteirates heißt es, dies sei die unwahrscheinlichste Variante. Nichts ausschließen ist da die Devise. Wir als GJH halten diesen Weg für falsch. Es sind keine grundsätzlichen Erwägungen, die mich zu dieser Überzeugung bringen, im Gegenteil! Die Möglichkeit, auch mit der CDU grundsätzlich koalitionsfähig zu sein, nützt den Grünen meiner So berechtigt der Ärger über die SPD auch sein mag, ihr jetzt die Regierungsfähigkeit abzusprechen, darf uns nicht in Daueropposition zwingen. Der jetzige Zustand stärkt Roland Koch und bei Neuwahlen hätte er zusammen mit der FDP gute Chancen. Daher muss man gegebenenfalls nach einer Schonzeit Ja zu Verhandlungen sagen, wenn SPD und Die Linke einen neuen Versuch zum Regierungswechsel starten. Daniel May ist ehemaliger Vorsitzender der GJH Juni 2008 Zeitschrift der Grünen in Hessen Grünfläche 11

Gastseite Mehr Demokratie e.v. Mehr Demokratie e.v. ist eine seit 1988 bestehende überparteiliche Bürgeraktion mit derzeit in Hessen etwa 230 und bundesweit ca. 4500 Mitgliedern, in der alle politischen Strömungen des demokratischen Spektrums vertreten sind. In Hessen finden neben Mitgliederversammlungen regelmäßige Sitzungen des Arbeitskreises Demokratie statt; außerdem führen wir bei bestimmten Anlässen Straßenaktionen oder Saalveranstaltungen durch. Das Hauptziel von Mehr Demokratie ist es, in Deutschland den Volksentscheid zu Sachfragen auf Bundesebene einzuführen. Volks- und Bürgerentscheide gibt es bisher nur in den Bundesländern, und zwar zu unterschiedlich günstigen Bedingungen. Dabei sind verschiedene Hürden der Themenzulässigkeit und der Sammlungsbedingungen für Unterschriften sowie bürokratische Schikanen aller Art zu überwinden. Häufig werden gültige Volksund Bürgerentscheide von der Obrigkeit ignoriert oder auf dem Verwaltungs- und Rechtsweg abgewürgt. Artikel 20 des Grundgesetzes sagt, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird. Die herrschende politische Meinung interpretiert diese Verfassungsbestimmung in der Weise, dass Abstimmungen nur für den Fall einer Neugliederung des Bundesgebietes (nach Artikel 29) in Frage kommen. Für einen bundesweiten Volksentscheid müsse man deshalb das Grundgesetz ändern. Diesbezüglich wurde bereits im Jahre 2002 ein Gesetzentwurf im Bundestag behandelt, der aber an der nötigen Zweidrittelmehrheit scheiterte. Wir beabsichtigen im Herbst 2008 erneut, einen parlamentarischen Vorstoß zu unternehmen. In Hessen bedarf es für ein Volksbegehren eine Beteiligung von 20% der Stimmberechtigten, deren Unterschriften innerhalb von 14 Tagen (nach der Zulässigkeitserklärung durch die Landesregierung) auf Ämtern gesammelt werden müssen; eine Straßensammlung ist nicht zulässig. Erst dann erfolgt ein Volksentscheid, der von Amts wegen durchgeführt wird und keinen weiteren Einschränkungen unterliegt. Die Hürden für ein Volksbegehren in Hessen sind praktisch unüberwindbar, sodass dieses Volksrecht bisher nur auf dem Papier steht. Transparency International Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Transparency International hat sich zum Ziel gesetzt, weltweit gegen Bestechung und Bestechlichkeit zu kämpfen. Über 70 nationale Chapter der Organisation arbeiten weltweit an der Umsetzung dieser Idee. Transparency International hat erreicht, dass das Thema Korruption heute auf der Agenda von Öffentlichkeit und Politik steht. Seit 1993 existiert Transparency International Deutschland e.v. Im Vordergrund der Arbeit des von ehrenamtlich Engagierten getragenen Vereins steht die Korruptionsbekämpfung in Deutschland. Zentral zur Bekämpfung und Eindämmung der Korruption ist die Schärfung des öffentlichen Bewusstseins über ihre schädlichen Folgen. Besonders wirksam sind gemeinsames Handeln von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. In dieser Koalition initiiert und begleitet Transparency Deutschland Gesetzgebungsvorhaben wie aktuell die Vergaberechtsnovelle und fordert wirksame Instrumente zur Korruptionsbekämpfung ein. Dazu gehören die Einführung eines Korruptionsregisters (im größten Bundesland NRW bereits realisiert), die Stärkung von Informations- und Akteneinsichtsrechten der Bürger gegenüber der Verwaltung, wirksame Regelungen gegen Abgeordnetenbestechung, die vollständige Veröffentlichung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten und die Eindämmung der Korruption im Gesundheitswesen. Schließlich hat Transparency Deutschland mit dem Integritätspakt und der Checkliste für Self-Audits in Unternehmen wirksame Instrumente zur Korruptionsprävention entwickelt. Die Arbeit von Transparency Deutschland stärkt Demokratie und Bürgerrechte. Sie fördert die Integrität von Verwaltung und Justiz, die Verantwortlichkeit der Wirtschaft, die Transparenz politischer Vorgänge und die Partizipation der Zivilgesellschaft. Transparency Deutschland ist eine gemeinnützige, politisch unabhängige Organisation und lebt von der Einsatzbereitschaft seiner ehrenamtlichen Mitglieder. Sie finanziert sich durch Spenden-, Förder- und Mitgliedsbeiträge. Nähere Informationen sind der Website www.transparency.de zu entnehmen. 12 Grünfläche Zeitschrift der Grünen in Hessen Juni 2008

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