Jean-François Molle. Risikomanagement aus der Sicht der Industrie



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Transkript:

Jean-François Molle Risikomanagement aus der Sicht der Industrie Lassen Sie mich zunächst kurz die Danone-Gruppe vorstellen, die vielleicht nicht allen so bekannt ist. Danone ist heute ein Konzern mit 13 Mrd. EUR Umsatz, weltweit die Nummer Eins für frische Molkereiprodukte und Kekse sowie die Nummer Zwei für Mineralwasser. Abbildung 2 DANONE GROUP Turnover : 13.3 billion Euro Nº 1 in Fresh Dairy Products N 1 in Sweet Biscuits Jean-Francois Molle, Danone, Paris, Frankreich Zuallererst möchte ich der Europäischen Kommission und insbesondere Dr. Somogyi für die Einladung danken. Ich muss Sie gleich vorwarnen: Ich bin Franzose und werde meinen Vortrag auf Französisch halten. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens fällt es mir natürlich leichter, mich in meiner Muttersprache auszudrücken, und zweitens muss ich meinen Vortrag für das Sitzungsprotokoll überarbeiten, und da ist es mir schon lieber, wenn ich das, was ich geschrieben habe, später noch verstehe. Doch Spaß beiseite. Abbildung 1 INDUSTRY S VIEW ON RISK MANAGEMENT Jean-François M O LLE Groupe DANONE Brussels, 18 and 19 July 2000 1 Nº 2 in Bottled Water Food safety is a key concern Brussels, 18 and 19 July 2000 2 Nun, warum ist Lebensmittelsicherheit für Danone von absolut vitaler Bedeutung? Sie ist es für alle Unternehmen im Landwirtschafts- und Ernährungssektor. Doch bei Danone gibt es noch zwei zusätzliche Gründe: Zum einen nannte ich Ihnen ja bereits zwei seiner Kernprodukte Molkereiprodukte und Mineralwasser, die ein besonderes Gesundheitsimage besitzen. Der Verbraucher stellt also sehr hohe Erwartungen an die gesundheitsfördernde Wirkung und infolgedessen noch höhere Erwartungen an die Sicherheit dieser Erzeugnisse. Zum anderen haben wir vor einigen Jahren, genauer gesagt vor etwa fünf Jahren, umfirmiert. Wir hießen damals BSN. Heute heißen wir Danone. Dies bedeutet: Wenn es heute irgendwo in der Welt eine Krise bei einem unserer Produkte gibt, dann kann sich dies wie eine Kettenreaktion auf alle unsere Marken auswirken.

Abbildung 3 Industry s view on risk management How it works (within Danone)! Some industry s expectations of public authorities Brussels, 18 and 19 July 2000 3 Mein Vortrag befasst sich im Wesentlichen mit zwei Punkten. Die Aufgabenstellung lautet zwar nicht, den spezifischen Einzelfall Danone zu beleuchten, doch will man den zweiten Punkt behandeln, der die Frage stellt, was die Industrie von den Behörden zum Thema Risikomanagement erwarten kann, so ist es notwendig, zunächst zu erklären, wie das bei Danone funktioniert. Und auch, was unternommen wird, wenn es nicht funktioniert. Wie funktioniert es? Drei Schlagwörter, die den allgemeinen Ansatz erklären: 1. Risikoprävention an der Quelle; 2. Berufsverbände: Lebensmittelsicherheitspolitik ist für die Hersteller eine im Vorfeld wettbewerbsbestimmende Politik. Die Krise eines Wettbewerbers ist meist eine Krise für einen selbst. Und schließlich 3. Warum ist die Lebensmittelsicherheit eine Sache der Nahrungskette? Mein Vorredner hat es bereits aufgezeigt: Qualität und Sicherheit entstehen bereits auf dem Feld und im Stall. Wie funktioniert das also: Erster Fall: Die von einem Hersteller zu bewältigenden Risiken sind Risiken, für die gesetzliche Regelungen bestehen. Hier hängt das Risikomanagement im Unternehmen natürlich davon ab, an welchem Ort das Risiko entstehen kann: Beim Zulieferer oder im Herstellungsprozess selbst, auch wenn in jedem Fall die Marke, sprich der Hersteller, die Verantwortung trägt, egal woher das Risiko stammt. Der erste Fall lautet also wie folgt: Risikoeintritt bzw. möglicher Risikoeintritt oder mögliches Risikomanagement während des Herstellungsprozesses. Ich habe das Beispiel eines Molkereiprodukts genommen, in dem E.coli-Bakterien festgestellt wurden. Dies ist ein Hinweis, ein Indikator für mangelhafte Hygienemaßnahmen im Betrieb. Abbildung 4 How it works? 1. General policy = prevention, food associations, a whole food chain approach 2. «Regulated» risks When a risk occurs, the brand is responsible, but the management of the risks differs depending on where it occurs First case : the risk occurs/can be managed during the course of our processes ex. E. coli in fresh dairy products which is an indicator of non-hygienic practices actions : GMP s (HACCP + «entry points») analyses/reporting audits (internal and external) training Brussels, 18 and 19 July 2000 4 Maßnahmen : Anwendung der richtigen Herstellungsverfahren. Und dann eine schwierige Entscheidung zwischen den HACCP-Methoden und anderen Risikomanagement-Methoden für dieses Hygienerisiko im Betrieb. Das Wichtigste in einer Lebensmittelfabrik ist, dass als Erstes die richtigen Herstellungsmethoden festgelegt werden. HACCP ist zwar ein gutes System, aber es funktioniert nicht immer. Und zwar aus mehreren Gründen: Erstens, weil Sie nicht immer einen kritischen Kontrollpunkt haben. Das beste Beispiel dafür sind die Fremdstoffe. Sie haben keine Stelle, an der Sie das Risiko abtöten können, und außerdem können auch die Verfahren, die Sie an diesem Kontrollpunkt einsetzen, und seien sie noch so gut, Fehler aufweisen. Also gilt es bei der Festlegung der richtigen Herstellungsverfahren auch die Stellen gut zu kontrollieren, an denen das Risiko eintreten kann. Der zweite grundlegende Gedanke ist, dass dem Faktor Mensch, sprich der Ausbildung, weiterhin eine vorrangige 2

Bedeutung zukommt. Es wäre infolgedessen ein industrieller Fehler zu denken: Ich habe ja mein Zertifikat, dann ist alles schon in Ordnung. Der Faktor Mensch, die Ausbildung sind Schlüsselfaktoren. Zweiter Fall: Risikoeintritt im Verarbeitungsprozess bzw. Risikomanagement unserer Zulieferer, z. B. um in der Kategorie der gesetzlich geregelten Risiken zu bleiben das Risiko von Rückständen von Pflanzenschutzmitteln (Pestiziden) in Babynahrung 10 ppb eines Pestizids. Abbildung 5 ich Ihnen damit natürlich vermitteln wollte und was ich eingangs schon kurz angesprochen habe, ist, dass man bei diesem Risiko, das sich in der Landwirtschaft findet, sehr gut erkennen kann, wie Lebensmittelqualität und -sicherheit vom gesamten Herstellungsprozess und das beginnt bereits auf dem Feld und im Stall abhängen. Abbildung 6 A specific case : the regulation is clearly not sufficient to win the consumer s confidence ex. sewage sludge use in agriculture the need for a proactive debate with opinion leaders (associations). It works! (risk communication) Second case : the risk occurs/can be managed during the supplier s process ex. GMO? A proactive debate : too late The only «management» option for Danone : no GMO based ingredients! ex : 10 ppb of phyto sanitary residues in baby food («real» risk?) actions : same approach with a specific difficulty : it is not our business (knowledge, control) (here, agricultural production) safety (and quality) is «produced» along the whole food chain including agriculture (in the field or the stable) co-operation with selected suppliers n.b. implementation on a proactive way/deadline (image, best before date) Brussels, 18 and 19 July 2000 5 Welche Maßnahme gilt es hier zu ergreifen? Wir haben hier den gleichen Ansatz bis auf eine zusätzliche Schwierigkeit, dass sich nämlich das Ganze nicht bei uns abspielt und infolgedessen es für uns schwieriger ist, den entscheidenden Faktor, von dem ich vorher sprach, d. h. die richtigen Herstellungsmethoden, zu definieren. Das liegt nicht in unserem Bereich. In diesem spezifischen Fall betrifft dies z. B. die richtigen Anbaumethoden. Und damit hat Danone an sich nichts zu tun, wie auch generell die Hersteller in der Landwirtschaft und im Ernährungssektor damit nichts zu tun haben. Nun, das ist ein Metier, in dem man sich auskennen muss. Der Food safety -Ansatz in der Lebensmittelindustrie hatte sicherlich eine große Auswirkung auf die Einkaufspolitik der Unternehmen, insbesondere bei der Reduzierung der Zahl der Zulieferer. Was Brussels, 18 and 19 July 2000 6 Der letzte Fall, den ich zum Thema reglementierte Risiken noch ansprechen möchte, ist in gewisser Hinsicht ein Sonderfall, ein Beispiel, das aufzeigt, wo die gesetzliche Reglementierung nicht ausreicht, um der Diskussion ein Ende zu setzen oder das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen. Es geht um die Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft. Wir wissen, dieses Thema wird regelmäßig von den Medien aufgegriffen und verunsichert den Verbraucher. Jedoch gibt es in vielen Ländern entsprechende Vorschriften, die, wenn sie korrekt angewandt werden, die Produktionssicherheit gewährleisten. Aber wieder einmal ist die Diskussion hier noch nicht zu Ende. Weil der Verbraucher verunsichert ist. Hier werde ich also schon ein wenig der Session über Risikokommunikation, die nach der Kaffeepause stattfindet, vorgreifen. Wir Hersteller können es uns nicht leisten, Risiken, die den Verbraucher verängstigen, zu ignorieren oder nicht auf die ein oder andere spezifische Art zu behandeln, auch 3

wenn es für diese Risiken gesetzliche Regelungen gibt. Aus diesem Grund ist es dringend notwendig, eine proaktive Diskussion mit den maßgeblichen Meinungsbildnern zu führen, und ich denke hier insbesondere an die Verbraucherverbände. Denn die Reaktion der Technostruktur, die wir darstellen wir, d. h. Forscher, Industrie und Behörden gleichermaßen besteht allzu oft darin zu sagen: Da wir uns nun ja ernsthaft mit dem Thema Risk Assessment auseinandergesetzt haben, gibt es jetzt keine Diskussion mehr. Aber das ist eben falsch. Denn ganz im Gegenteil: Es muss unbedingt eine proaktive Diskussion mit den Verbraucherverbänden geführt werden, bevor eine Krise eintreten kann. Und warum? Weil dies ausschlaggebend für unsere Glaubwürdigkeit ist. Denn eröffnen wir die Diskussion erst, nachdem die Krise bereits eingetreten ist, d. h. aus einer Position der Rechtfertigung heraus (siehe den Fall GVO), dann ist es bereits zu spät. Unsere Glaubwürdigkeit wäre dahin, denn in den Augen der Journalisten und der Bevölkerung würden wir damit nur dem Problem ausweichen und die Situation, wie sie vor der Krise bestand, wieder herstellen wollen. Unsere Botschaft würde aufgefasst als: Es gibt kein Problem, seien Sie beruhigt, kümmern Sie sich um anderes. Das wird so nicht funktionieren. Zweiter Fall: Für die Risiken gibt es keine gesetzliche Regelung. Hier müssen wir ganz klar eine Art privates Risk Assessment durchführen. Die Hersteller haben in Zusammenarbeit mit den Hochschulen eine Reihe von Tools zur Beurteilung nicht reglementierter Risiken implementiert. Am ILSI (International Life Science Institute) sind das z. B. alle Food safety -Arbeitsgruppen. Einige Arbeitsgruppen, die sich aus Wissenschaftlern und Herstellern zusammensetzen, befassen sich mit Themen, für die noch keine gesetzliche Regelung eingeführt wurde, wie z. B. Allergie. Was die Danone-Gruppe anbelangt, so haben wir also eine eigene wissenschaftliche Beratung durch die Hochschulforscher und außerdem innerhalb unseres Forschungszentrums ein Team, das speziell für diese Risikobeurteilung zuständig ist. Wir müssen also die Risikobeurteilung selbst durchführen. Abbildung 7 3. Non «regulated» risks First step : «private» risk assessment ILSI (International Life Sciences Institute) Danone Group Food Safety Scientific Advisory Committee Danone Group Food Safety Center First case : the risk is assessed as «not real» but with an «anxiety or outrage potential» (ex. endocrine disruptors) : the proactive debate Second case : the risk is real ex. allergies, dioxins, private standards and management procedures (preferably interprofessional) Brussels, 18 and 19 July 2000 7 Also erster Fall bezüglich der nicht reglementierten Risiken: Das Risiko wird in einem ersten Schritt als gesundheitlich unbedenklich, allerdings mit einem großen Potenzial der Verunsicherung und Verärgerung der Verbraucher beurteilt. In der Soziologie der Risikowahrnehmung durch die Verbraucher gilt der Faktor Verärgerung, Zorn als äußerst wichtiger Faktor. Zu diesem Fall zählen zum Beispiel die endokrinen Disruptoren. Auch hier handelt es sich um ein etwas heikles Thema, das wissenschaftlich noch nicht vollständig erforscht ist und bei dem die Diskussion mit den Verbraucherverbänden, den maßgeblichen Meinungsbildnern, eingeleitet werden muss. Zweiter Fall: Das Risiko ist reell. Ich habe als Beispiel die Allergene gewählt. Obwohl wir es hier mit einem unserer größten Risiken in der Lebensmittelindustrie zu tun haben, gibt es dafür bislang noch keine gesetzliche Regelung. Was sollen wir also tun? Wir legen unsere eigenen Funktionsregeln fest wenn möglich innerhalb der gesamten Lebensmittelbranche, denn es ist absolut wichtig, dass die Lebensmittelsicherheit 4

bei allen Lebensmittelherstellern erhöht wird. Abbildung 8 What if wrong? Procedures are in place, including crisis management procedures (checked yearly, biennial training for each company) First case, there can be a safety concern We have the product in our plants or warehouses : destruction The product is already sold : public recall Second case, no safety concern to be managed by the quality manager (who must be independent from the plant manager) In any case : efficient and quick traceability (internal, downstream, upstream) is a key point to get out stronger (ex. 1st dioxin crisis) Brussels, 18 and 19 July 2000 8 Was tun, wenn diese Maßnahmen nicht greifen? Das Mindeste ist, sich entsprechend zu rüsten und Verfahren zum Krisenmanagement zu implementieren. Bei der Danone-Gruppe gibt es diese Verfahren bereits, sie werden jährlich einem Audit unterzogen, und alle zwei Jahre findet für jedes Unternehmen eine Schulung für den Ernstfall statt. Erster Fall, wenn die Maßnahmen nicht greifen: Die erste Frage, die man sich stellen muss, lautet: Bestehen gesundheitliche Bedenken? Wenn ja und wenn die Produkte noch bei uns sind, dann ist ihre Vernichtung unumgänglich. Etwas komplizierter wird es, wenn wir die Produkte bereits versandt haben. In dem Fall ist zwischen Rücknahme und Rückruf der Produkte zu entscheiden. In ersterem Fall nehmen wir die Produkte aus allen Absatzkanälen, einschließlich dem linearen, heraus, während bei der Rückrufaktion der Verbraucher aufgerufen wird, die Produkte zurückzubringen. Die Rückrufaktion ist natürlich nur dann gerechtfertigt, wenn die Produkte tatsächlich gesundheitsbedenklich sind. Geht es nicht um die Frage der Gesundheit, so stellt sich die Situation wesentlich einfacher dar. Die Frage, ob die Produkte versandt werden sollen oder nicht, muss im Ermessen des Qualitätsverantwortlichen liegen, der nicht dem Werksleiter unterstellt ist. In jedem Fall ist für das Unternehmen eine rasche und differenzierte Nachvollziehbarkeit erforderlich. Katastrophal ist es, wenn man generell alle Produkte, die einen Markennamen tragen, zurückrufen muss. Die Professionalität besteht also darin, in der Lage zu sein, das Problem und die davon betroffene Produktion ausreichend nuanciert zu identifizieren, um einen so genannten chirurgischen Rückruf vornehmen zu können. Mit anderen Worten: So viel wie nötig und so wenig wie möglich. Die Nachvollziehbarkeit ist ein Schlüsselfaktor für die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Letzter Punkt: Aus einer Krise muss man stets gestärkt hervorgehen. Das heißt, dass am Ende einer Krise eine unumgängliche Aktion steht und dass wir Unternehmen dazu tendieren zu vergessen, was wir aus der Krise lernen sollen. Es gibt ein französisches Sprichwort, das frei übersetzt in etwa besagt: Nach dem Fest ist alles vergessen. Und in der Tat ist die natürliche Tendenz eines Geschäftsführers, dessen Unternehmen gerade eine Krise hinter sich hat, zu sagen: So, das war s. Jetzt können wir wieder zum Tagesgeschäft übergehen. Genau das ist falsch. Wir müssen immer wieder auf das zurück kommen, was nicht funktioniert hat, auf das, was die Krise ausgelöst hat. Der zweite Teil meines Vortrags befasst sich mit folgender Frage: Was kann die Industrie von den Behörden erwarten? Alles, was ich bis jetzt gesagt habe, hätten viele Lebensmittelhersteller sagen können. Meine folgenden Ausführungen spiegeln ebenfalls die große Meinung der Lebensmittelbranche wider. Erstens: Die Lebensmittelhersteller verfügen über zahlreiche Daten, Analyseergebnisse und Fachkenntnisse über die Möglichkeiten des 5

Risikomanagements. Aus diesem Grunde sollten wir unseres Erachtens als Stakeholders in die Diskussionen, welche Verfahren zur Ausarbeitung von Regelungen angewandt und welche Risikomanagementmethoden ausgewählt werden sollen, mit einbezogen werden, und zwar insbesondere über unsere Berufsverbände und ganz speziell über den Europaverband. Abbildung 9 Some industry expectations of public authorities Food safety is a precompetitive issue and what can be said for Danone is valid for most food companies Food companies have many data and the know-how regarding most management options and must be involved as stakeholders in the regulatory process or in the selection of management options There are many emerging risks : there is a clear need for transparent, quick risk assessment ex. 1998, Hong Kong chicken flu Brussels, 18 and 19 July 2000 9 Wir wollen Regelungen und Risikomanagementmöglichkeiten schaffen, die unsere Geschäfte am Leben erhalten. Zweitens: Es tauchen ständig zahlreiche neue Risiken auf. Diese neuen Risiken müssen wir rasch und klar beurteilen können. Infolgedessen müssen wir dieses Thema gemeinsam angehen. Abbildung 10 In the case of an alert, before any tangible safety concern, conservative (to be defined in a concerted process) handling of brand or company names ex. bottled water, internet and Thaïland! The specific case of Central and Eastern Europe : Tremendous work is done by local authorities on risk management High expectations from Western companies (transfer of know how ) relationships between Western and Central and Eastern Europe public authorities to be managed cautiously to prevent backfires on industry denn der Schaden ist manchmal irreversibel oder dauerhaft. Letzter Punkt: Der spezifische Fall der mittel- und osteuropäischen Länder. Die staatlichen Behörden dieser Länder leisten eine beträchtliche Arbeit zur Abstimmung ihrer gesetzlichen Regelungen und zur Verbesserung der Risikomanagementpolitik. Sie haben extrem hohe Erwartungen bezüglich der Industrie Osteuropas, vor allem, was den Know-how-Transfer betrifft. Aber sie stellen auch Forderungen. Unsere Bitte ist Folgende: Die Behörden der westeuropäischen Länder sollten ihren mittel- und osteuropäischen Kollegen möglichst respektvoll begegnen, denn sonst müssen wir mit einer negativen, für uns schwierig zu handhabenden Reaktion rechnen. Mit anderen Worten, wenn die Behörde des osteuropäischen Landes X der Ansicht ist, ungerecht von den westeuropäischen Behörden behandelt worden zu sein, so wird sie sich an die Unternehmen in ihrem Land wenden und sagen Wenn dies so ist, dann werden wir euch mal zeigen, wie das bei uns geht. Es gibt einen natürlichen Nationalstolz, den man respektieren muss. Abschließend möchte ich sagen, dass die Unternehmen in der gegenwärtigen lebhaften Debatte über die Lebensmittelsicherheit sehr stark den Eindruck haben, in den gleichen Prozess wie Forscher und Verwaltungen einbezogen zu sein, um etwas Rationalität in die Debatte zu bringen. Unsere Zusammenarbeit ist Ihnen also sicher, und ich möchte nur noch mit einem kleinen Abstecher in die Krisenkommunikation meinen Vortrag abschließen. Brussels, 18 and 19 July 2000 10 Drittens: Im Falle einer Warnung, bevor es zu einem greifbaren Sicherheitsrisiko kommt, möchten wir, dass mit den Behörden ein konzertiertes Verfahren zur Veröffentlichung der Namen von Unternehmen und Marken festgelegt wird, Auf Abbildung 11 ist auf der Abszisse die Zeit und auf der Ordinate die Medienintensität dargestellt. Die rote Linie ist die so genannte Krisenstärke. Punkt 1 ist der Ausgangspunkt einer Krise: Nehmen wir als Beispiel den Rinderwahn. Hier war der Ausgangspunkt für die BSE- 6

Krise die Erklärung des britischen Ministers vom 20. März 1996. Abbildung 11 Mediatic intensity Crisis level 2 t Scientific publication or forum Action plan decided by companies, lobbies, public authorities Brussels, 18 and 19 July 2000 11 4 A CRISIS STORY 1 3 1 = classical science and technology awareness (literature + networks + conferences) 2 = Networking + intelligence 3 = classical "information" (crisis management kit) 4 = new approach : Rousseau/debate ( t =... months = FCS) Time Ex : dioxins Conferences Results of analytical campaign (dioxins) Public statement (ex. March 20th96/BSE) Event (ex. Oct.96, soy boats in Rotterdam/GMO) Die Kurve der Medienintensität schnellt unmittelbar nach oben, was auch auf der Hand liegt. Sie liegt hier sofort oberhalb der Krisenstärke. Heute antworten die Unternehmen, in dem sie erklären, was sie bei Punkt 3 unternehmen, was jedoch überhaupt nicht funktionieren kann. Denn hier ist es schon zu spät, viel zu spät, denn hier sitzen Sie schon auf der Anklagebank und müssen sich rechtfertigen. Man muss also zu Punkt 4 gehen und ausreichend Intelligenz und Mut mitbringen, um die Debatte auszulösen, bevor es zu einer Krise kommt. Natürlich weiß man nicht, wann genau die Krise eintritt, aber man kennt ja heute sehr wohl die heiklen Themen. Wir machen das in Frankreich seit zwei Jahren, und das funktioniert sehr gut mit den Verbraucherverbänden. Natürlich gibt es immer Unternehmen, die sagen: Sind Sie denn verrückt? Meinen Sie etwa, die gegenwärtigen Probleme reichten uns nicht aus, so dass wir noch welche dazu haben wollen und deshalb die Meinungsbildner auf Risiken aufmerksam machen sollen, die noch nicht einmal aufgetaucht sind?. Ja, genau das. Genau diese proaktive, transparente Debatte brauchen wir, um das Vertrauen der Verbraucher wieder zurückzugewinnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 7