OP-Checklisten Gesundheitspolitische Entwicklungen aus Sicht des G-BA



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Transkript:

Internationales WHO-Projekt Action on Patient Safety: High 5s Abschlussveranstaltung am 1./2. Juni 2015 in Berlin Dr. Regina Klakow-Franck OP-Checklisten Gesundheitspolitische Entwicklungen aus Sicht des G-BA Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir zunächst, Ihnen zum erfolgreichen Abschluss des internationalen High 5s- OP-Checklisten-Projekts zu gratulieren. Sie haben mich gebeten, OP-Checklisten und gesundheitspolitische Entwicklungen aus Sicht des G-BA zu schildern. Ich will diesen großen Spannungsbogen so zu bewältigen versuchen, indem ich das Einzelinstrument OP-Checkliste in den Kontext der Qualitätsoffensive Krankenhaus stelle, die der Gesetzgeber für diese Legislaturperiode angesagt hat. Zunächst zur OP-Checkliste. Das internationale High 5s-Projekt hat die Implementierung von standardisierten Handlungsempfehlungen in besonders patientensicherheitsrelevanten Bereichen der stationären Versorgung als Ziel. Nach der Erprobung und Evaluation des Einsatzes von OP-Checklisten in den 16 deutschen Projekt-Krankenhäusern steht nunmehr die flächendeckende Implementierung der SOP in den Krankenhäusern an. Grundlage dieser flächendeckenden Implementierung wird eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses bilden, denn der G-BA ist als untergesetzlicher Normgeber für die 1

Festlegung von Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität verantwortlich. Die vom G-BA festgelegten Mindestanforderungen sind für die nach 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser unmittelbar verbindlich. Diese dem G-BA vom Sozialgesetzgeber verliehene Richtlinien-Kompetenz zur Regulierung der stationären Leistungserbringung wird von verschiedener Seite oft kritisiert, wie unlängst auf dem Deutschen Ärztetag. Sei es als Eingriff in die bei den Ländern liegende Zuständigkeit für die Sicherstellung der Daseinsvorsorge. Sei es als Einschränkung der Berufsfreiheit der Krankenhäuser nach Art. 12 Grundgesetz. Ich teile diese Grundsatzkritik nicht. Natürlich müssen die Beschlüsse des G-BA, zum Beispiel bei der Festlegung von Mindestmengen als Voraussetzung für die Erbringung bestimmter Leistungen im Hinblick auf die Berufsausübungsfreiheit verhältnismäßig sein. Maßgeblich hierfür ist, dass mit der Richtlinie des G-BA ein höherer Schutzzweck für die Bevölkerung erfüllt wird, nämlich die flächendeckende Gewährleistung eines Mindeststandards an Versorgungsqualität und Patientensicherheit. Der deutsche Weg zur flächendeckenden Implementierung von OP-Checklisten wird also der Beschluss einer Richtlinie sein, die von den Krankenhäusern dann verpflichtend umzusetzen ist. Dabei verkennt der G-BA nicht, dass OP-Checklisten bereits jetzt schon von vielen Krankenhäusern eingesetzt werden. 2

Deshalb hat der G-BA in den strukturierten Qualitätsberichten der Krankenhäuser bereits ab dem Berichtsjahr 2014 die Möglichkeit zur Darlegung der Anwendung von OP-Checklisten geschaffen. Dies wird allerdings nicht die Verankerung des Einsatzes von OP-Checklisten in einer Richtlinie ersetzen. Es ist sogar ausdrücklicher politischer Wille, dass die teilweise in Krankenhäusern bereits genutzten OP-Sicherheits-Checklisten allgemeiner Standard der Qualitätssicherung werden sollen, so der Koalitionsvertrag von November 2013. Die Bund-Länder-AG zur Krankenhausreform 2015 geht davon aus, ZITAT [aus dem Eckpunkte der Bund-Länder-AG von Januar 2015] dass der G-BA in einer sektorenübergreifenden Rahmenrichtlinie zum Qualitätsmanagement den Einsatz von sog. Checklisten verbindlich regelt (Beschluss ist für Ende 2014 angekündigt). Soweit der G-BA die Regelung zu den OP-Checklisten nicht oder nicht ausreichend verankert, erfolgt eine gesetzliche Regelung im SGB V. ZITAT ENDE Diesen Weg, dem G-BA ziemlich detailliert im SGB V vorzuschreiben, wie er seine Richtlinien als Selbstverwaltung auszugestalten habe, ist der Gesetzgeber schon häufiger gegangen. Sie erinnern sich, dass dem G-BA zum Beispiel im Rahmen des Patientenrechtegesetzes vorgegeben wurde, Mindestanforderungen für Risikomanagement- und Fehlermeldesysteme Top Down verbindlich festzulegen. War das wirklich nötig? Das Thema Patientensicherheit ist in Deutschland proaktiv auf freiwilliger Basis vorangetrieben worden, durch zahlreiche Initiativen der deutschen Ärzteschaft und der Pflegeberufe, durch Gründung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit uvm. 3

Diese Bottom up-vorgehensweise hat maßgeblich dazu beigetragen, das Thema Behandlungsfehler und Schäden in der Medizin zu entskandalisieren und eine patientensicherheitsfördernde Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen. Ab einem gewissen Gefahren-Potential aber hat der Gesetzgeber keine andere Wahl, als zusätzlich zu den freiwilligen Initiativen gesetzgeberisch handeln zu müssen und die Selbstverwaltung und die Leistungserbringer in die Pflicht zu nehmen. Im Falle der Festlegung von Mindestanforderungen für klinisches Risikomanagement und Fehlermeldesysteme ist es dem G-BA glaube ich ganz gut gelungen, im Konsens mit dem Aktionsbündnis Patientensicherheit, dem ÄZQ und der GQMG unbürokratische, schlanke Regelungen zu finden, die die Kernelemente auf den Punkt bringen, ohne den Krankenhäusern und Vertragsärzten ein konkretes Risikomanagement und Fehlermeldesystem vorzuschreiben. Die Regelungen für Risikomanagement und Fehlermeldesysteme haben wir in den bis dato sektoral getrennten Richtlinien für einrichtungsinternes Qualitätsmanagement verankert. D. h. trotz großer inhaltlicher Überschneidungen separat für die stationäre, die vertragsärztliche und die vertragszahnärztliche Versorgung. Wie es um den Umsetzungsstand bei klinischem Risikomanagement in den Krankenhäusern bestellt ist, wird vom Institut für Patentensicherheit ja gerade evaluiert. Zeitgleich mit der Verankerung von Risikomanagement und Fehlermeldesystemen in den sektorspezifischen Richtlinien haben wir seinerzeit beschlossen, eine sektorenübergreifende Rahmenrichtlinie zu schaffen. Und es stimmt, dass wir in diesem Zusammenhang OP-Checklisten in die Richtlinie aufnehmen wollen. 4

Die Beratungen hierzu sind entgegen der ursprünglichen Planung bis Ende 2014 allerdings noch nicht abgeschlossen. Dies liegt jedoch nicht etwa an dem Element der OP-Checklisten, sondern an der übergeordneten Frage, wie und vor allen Dingen wer zukünftig die Einführung von einrichtungsinternem Qualitätsmanagement in deutschen Krankenhäusern und Arzt- und Zahnarztpraxen kontrollieren soll. Ich hoffe aber, dass wir trotz dieser streitigen Frage die neue Richtlinie im Herbst diesen Jahres beschließen können. Das Element der OP-Checkliste wird sich dann als ein Anwendungsbeispiel von Checklisten in einer Liste von QM-Instrumenten wiederfinden, die als etablierte und praxisbezogene Bestandteile von Qualitätsmanagement in der Regel einzusetzen sind. Hiervon kann nur in begründeten Fällen abgewichen werden. Dennoch mag Sie diese vergleichsweise weiche, beispielhafte Verankerung von OP- Checklisten vielleicht wundern, nachdem ich eingangs die Verbindlichkeit der G-BA- Richtlinien so stark betont habe. Ja, die Krankenhäuser und Vertragsärzte und zahnärzte sind gesetzlich dazu verpflichtet, ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln. Mit unseren Richtlinien zum Qualitätsmanagement legen wir allerdings ausschließlich die grundsätzlichen Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement fest und das ist gut so, alles andere wäre meines Erachtens auch nicht sachgerecht. Der Einsatz eines einzelnen QM-Instruments sollte nicht blind als Alibi-mäßige Normerfüllung erfolgen, sondern zielgerichtet in Abhängigkeit von Aufgabenstellung und den Rahmenbedingungen in der einzelnen Einrichtung. 5

Aus Gründen der Nutzerorientierung wurde ja deshalb auch im High 5s-Projekt die WHO-OP- Checkliste an die jeweiligen individuellen Prozesse und Gegebenheiten in den 16 Projekt- Krankenhäusern adaptiert. Aus der Evaluation sind nun neun unterschiedliche Checklisten-Versionen entstanden, die öffentlich zugänglich sind. Der G-BA wird den Krankenhäusern und Arztpraxen nicht vorschreiben, welche dieser oder anderer Versionen eingesetzt werden müssen. Und wer nicht operiert, wie zum Beispiel der Vertrags-Psychotherapeut, braucht natürlich überhaupt keine OP-Checkliste vorzuhalten. Wer jedoch als Einrichtung, die Operationen durchführt unabhängig davon, ob es sich um ein Krankenhaus oder ein ambulantes OP-Zentrum handelt zukünftig keine standardisierten OP-Checklisten nach dem Vorbild der High 5s-SOP einsetzt, kommt und zwar nicht erst im Schadensfall in Begründungsnot. Mindestanforderungen an Fehlerprävention dürfen nicht unterschritten werden. Ich hoffe, der Gesetzgeber vollzieht die Rationale nach, die wir bei der Verankerung von OP- Checklisten als Bestandteil von verpflichtendem Qualitätsmanagement verfolgen. Die Ankündigung der Bund-Länder-AG zur Krankenhausreform, eine gesetzliche Regelung vorzunehmen, wenn der G-BA die OP-Checkliste nicht oder nicht ausreichend verankert, sollte Anlass für uns im G-BA sein, in den Tragenden Gründen zur Richtlinie ausführlich auf den bewussten Verzicht auf diesbezügliche Detail-Vorschriften einzugehen. Bei der Umsetzung gesetzlicher Vorgaben in Richtlinien versucht der G-BA grundsätzlich, ein vernünftiges Verhältnis auszutarieren zwischen verpflichtenden Mindestanforderungen, die von allen Leistungserbringern in gleicher Weise zwingend zu erfüllen sind, und den gerade in der Medizin notwendigen individuellen Gestaltungsspielräumen. 6

Die individuellen Gestaltungsspielräume sind notwendig für die Anpassung auf die Gegebenheiten in der jeweiligen medizinischen Einrichtung, sie sollen vor allen Dingen aber auch den individuellen Behandlungserfordernissen des einzelnen Patienten dienen. Soweit zum Thema OP-Checkliste. Die OP-Checkliste ist ein wichtiges, aber nur eines von vielen Instrumenten und Methoden, um die Sicherheitskultur in der medizinischen Versorgung voranzutreiben, die in der gegenwärtigen Qualitätsoffensive Krankenhaus des Gesetzgebers Erwähnung finden. Die tagtägliche Patientenversorgung steht inzwischen aus verschiedenen Gründen dermaßen unter Spannung, dass der Gesetzgeber gar nicht mehr anders kann, als ein immer dichteres Sicherheitsnetz einzuziehen bzw. den G-BA hiermit zu beauftragen. Die zunehmende Komplexität der modernen Medizin stellt als solche ein Sicherheitsrisiko dar, sei es im OP, sei es in der Arzneimitteltherapie. Morgen werden Sie sich ja mit der Handlungsempfehlung Medication Reconciliation beschäftigen. Das Risiko unerwünschter Ereignisse in der stationären Versorgung steigt jedoch nicht nur aufgrund der immer größer werdenden Komplexität, sondern wird dramatisch verschärft durch die sich zuspitzende Arbeitsdichte in deutschen Krankenhäusern. Im Rahmen der anstehenden Krankenhausreform soll eine Vielzahl von Mindestanforderungen für die Gewährleistung von Versorgungsqualität eingeführt werden. 7

Hiermit soll unter den Rahmenbedingungen einer immer rasanteren Ökonomisierung der Medizin ein Mindeststandard an Versorgungsqualität und Patientensicherheit aufrechterhalten werden. Der G-BA soll Indikatoren zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität entwickeln, die den Planungsbehörden der Länder das Schließen einer Fachabteilung oder gar eines ganzen Krankenhauses erlauben, wenn ein Mindeststandard nicht erreicht wird. Dies sind die neuen sogenannten planungsrelevanten Indikatoren. Die Mindestanforderungen an die Strukturqualität für besonders patientensicherheitssensible Bereiche werden insbesondere auch Personalanhaltszahlen enthalten. Diesen Weg ist der G-BA bei der Festlegung von Mindestanforderungen an die Strukturqualität in der Frühgeborenversorgung schon gegangen, indem wir Pflegepersonalschlüssel für die Intensivtherapie und Intensivüberwachung vorgegeben haben. Es wird im Krankenhaus-Struktur-Gesetz ausdrücklich geregelt werden, dass ein Krankenhaus, das die Mindestanforderungen des G-BA an Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität nicht erfüllt, keinen Vergütungsanspruch hat und diese Leistung nicht erbringen darf. Die Einhaltung der Mindestanforderungen soll durch den MDK kontrolliert werden. Zur ZITAT [aus dem Kabinettsentwurf zum KHSG] Förderung der Qualität soll der G-BA für den Fall der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen ein gestuftes System festlegen, in dem je nach Art und Schwere des Verstoßes folgende Konsequenzen gezogen werden: 1. Vergütungsabschläge, 2. der Wegfall des Vergütungsanspruchs für Leistungen, bei denen Mindestanforderungen nicht erfüllt sind, 3. die Information Dritter über Verstöße, 8

4. die einrichtungsbezogene Veröffentlichung von Informationen zu Nichteinhaltung ZITAT ENDE von Qualitätsanforderungen. Spätestens hier ist glaube ich ein Innehalten angezeigt. Zur Förderung der Qualität soll der G-BA ein Stufensystem von Sanktionen festlegen Zur Förderung der Qualität ein System von Sanktionen Umso unverzichtbarer auf der einen Seite die flächendeckende Implementierung von verpflichtenden Mindeststandards für Qualität und Patientensicherheit inzwischen geworden ist, umso dringlicher muss die Frage erlaubt sein, ob die Klein- und Vielteiligkeit der geplanten Regelungen und vor allen Dingen die durchgängige Betonung des Sanktions-Ansatzes tatsächlich dazu geeignet sind, das Qualitätsniveau aufrecht zu erhalten oder gar eine Förderung der Qualität und Patientensicherheit zu erreichen. Ich komme auf das Beispiel der OP-Checkliste zurück: Entscheidend für den patientensicherheits-fördernden Effekt von OP-Checklisten ist doch nicht, dass die Liste von Inhalten mechanisch abgehakt wird, sondern dass sie als Katalysator für eine bessere Kommunikation und Teamarbeit im Operationssaal verstanden und eingesetzt wird. Helfen Sanktionen, die notwendige einrichtungsinterne Qualitätskultur zu fördern? 9

Einzelne QM-Instrumente können sich nicht entfalten, wenn die notwendige Zeit und Vertrauensatmosphäre fehlen: Nirgendwo auf der ganzen Welt aber dreht sich das Hamsterrad der stationären Leistungserbringung schneller als in Deutschland. Die Schlagzahl der stationären Fälle steigt unaufhörlich an, was nur teilweise durch die Demographie und geänderte Morbidität zu erklären ist. Gemeinsame Visiten von Arzt und Pflege finden so gut wie nicht mehr statt. Die Notaufnahmen quellen über und binden Ressourcen für Patienten, die dort größtenteils gar nicht hingehören. Die patientensicherheitsgefährdenden Folgen der Hamsterrad-Problematik wird der Gesetzgeber mit QS- und QM-Maßnahmen allenfalls in Schach halten können. Aber wie lange? Auf Dauer wird dies auch nicht mit Sanktionen gelingen, wenn keine Lösungen für die eigentlichen Probleme gefunden werden: Für den Personalmangel, für den Rückstau bei der Investitionskostenfinanzierung, für die Refinanzierung der steigenden Personalkosten, für die fallzahlsteigernde Dynamik im DRG-System, für die Betten-Überkapazitäten in verschiedenen Regionen und last but not least für die fehlende sinnvolle sektorenübergreifende Verzahnung der Versorgung. Zwar beinhaltet das Krankenhaus-Struktur-Gesetz auch ein Pflegestellen-Sonderprogramm, einen Strukturfonds und Vorschläge zur Weiterentwicklung der Vergütung. 10

Von fast allen Beteiligten werden die diesbezüglichen Vorschläge im Referentenentwurf jedoch als das Ziel weit verfehlend bezeichnet. Ich betone noch einmal: Es ist wichtig und richtig, dass der Gesetzgeber Mindeststandards für Versorgungsqualität und Patientensicherheit einführt beziehungsweise den G-BA hiermit beauftragt und dabei zum Beispiel den Einsatz von OP-Checklisten für die Zukunft verbindlich vorgegeben wird. Doch auch das damit verbundene Ziel, die Aufrechterhaltung und sogar Förderung von Qualität, droht verfehlt zu werden, wenn die anderen Probleme ungelöst bleiben oder nur halbherzig angefasst werden. Sehr geehrte Damen und Herren, dies soll Sie nicht demotivieren, weiterhin so vorbildliche QS- und QM-Projekte wie die High 5s OP-Checklisten-SOP voranzutreiben. Ganz im Gegenteil. Ihre Projekte sollen implementiert werden, sollen sich entfalten können. Es geht mir auch nicht darum, die etwaige Instrumentalisierung der Qualitätssicherung für Planungszwecke der Länder oder zur Gegenregulierung ökonomischer Fehlanreite zu beklagen. Das tun andere, die häufig mit Qualitätssicherung ansonsten gar nicht so viel am Hut haben. Meines Erachtens sollten wann immer möglich Qualitätsgesichtspunkte und Patientenorientierung, Versorgungsgestaltung und -steuerung Berücksichtigung finden und hierfür wenn nötig Qualitätsindikatoren oder Strukturqualitätsanforderungen oder klinisches Risikomanagement eingesetzt werden. 11

Aber man sollte sich nicht zu einem Qualitätssicherungs-Aktionismus verleiten lassen und dabei in falscher Sicherheit wiegen, während andere massive Probleme, die die Patientensicherheit gefährden, wie zum Beispiel der eklatante Pflegepersonalmangel, ungelöst bleiben. Dies angesichts der bevorstehenden Krankenhausreform zu problematisieren habe ich aus Sicht der Qualitätssicherung geradezu als meine Pflicht empfunden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 12