MIGRATION und FLUCHT. A: Migration (von lat. migratio = Wanderung bzw. von migrare = wandern)



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Transkript:

MIGRATION und FLUCHT A: Migration (von lat. migratio = Wanderung bzw. von migrare = wandern) Migranten sind Menschen, die einzeln oder in Gruppen ihre bisherigen Wohnorte verlassen, um sich an anderen Orten dauerhaft oder zumindest für längere Zeit niederzulassen (ohne Touristen und Arbeitspendler). Migration findet innerhalb von Ländergrenzen statt (Binnenmigration) oder über Ländergrenzen hinweg. Überschreiten Menschen im Zuge ihrer Migration Ländergrenzen, werden sie aus der Perspektive des Landes, das sie verlassen, Emigranten (Auswanderer, Abwanderer) genannt. Aus der Perspektive des Landes, das sie betreten, werden sie Immigranten (Einwanderer, Zuwanderer) genannt. Innerhalb der Europäischen Union wird mittlerweile auch von Binnenmigration gesprochen, auch wenn bei der Migration von einem Mitgliedstaat in den anderen eine Landesgrenze überschritten wird. Bei der erstmaligen Migration von Drittstaatsangehörigen in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union handelt es sich aber um Immigration. Sowohl Binnenmigration als auch Emigration (von lat. ex = hinaus und migrare = wandern) werden geschützt durch Art. 13 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 (AEMR; auch Deklaration der Menschenrechte oder UN-Menschenrechtscharta). Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde mit der Resolution 217 A (III) der UN-Generalversammlung (Vollversammlung) eingeführt. Da nach der UN-Charta nur Resolutionen des Sicherheitsrates bindende Wirkung zukommt, stellt die AEMR aber keine verbindliche Rechtsquelle des Völkerrechts dar. Art. 13 AEMR lautet: 1. Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen. 2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren. Weltweit wird die Zahl der Migranten gemäß einer UN-Schätzung von 2013 auf 231,5 Mio Menschen geschätzt. Nach der Statistik für 2014 für 2014 sind davon 59,5 Mio Flüchtlinge im weitesten Sinn. B: flüchtende Migranten (Flüchtlinge im weitesten Sinn) I.: innerhalb eines Staates flüchtende Migranten Intern Vertriebene (= Binnenvertriebene = Binnenflüchtlinge = internally displaced people (persons)) sind Personen, die gewaltsam aus ihrer angestammten und rechtmäßigen Heimat vertrieben wurden, aber im eigenen Land verblieben sind und keine Staatsgrenze überschritten haben. Gründe für diese interne Vertreibung sind meist bewaffnete Konflikte, aber auch Menschenrechtsverletzungen und Naturkatastrophen. Es gibt keine internationale Organisation mit einem UN-Mandat zu ihrem Schutz und auch keine internationale Konvention zum Schutz der intern Vertriebenen. Deshalb fehlt es an einer juristischen Definition des Begriffs. Die Regierungen der betroffenen Staaten respektieren lediglich die UN- Leitlinien betreffend Binnenvertreibungen gemäß dem Bericht des Beauftragten des Generalsekretärs Francis Deng vom 11.02.1998. Von den genannten 59,5 Mio weltweiten Flüchtlingen im weitesten Sinn im Jahr 2014 waren 38,2 Mio Binnenflüchtlinge. Die Länder mit den meisten Binnenvertriebenen waren 2014: -1-

Syrien Kolumbien Irak Demokratische Republik Kongo Sudan Südsudan Somalia Ukraine 7,6 Mio 6 Mio 3,6 Mio 2,8 Mio 2,1 Mio 1,5 Mio 1,1 Mio 0,8 Mio II.: sich außerhalb ihres Staates befindende Staatsangehörige bzw. sich außerhalb ihres gewöhnlichen Aufenthaltsstaats befindende Staatenlose mit Fluchthintergrund II.1.: Flüchtlinge im juristischen Sinn II.1.1.: Konventionsflüchtlinge Konventionsflüchtlinge sind Menschen, welchen aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK; Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951) der rechtliche Status eines Flüchtlings zuerkannt wurde. Nach Art. 1 GFK i.v.m. Art. 1 Protokoll von 1967 ist ein Flüchtling eine Person, die aus der begründeten Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will, oder der sich als staatenlos infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will. Für die Konventionsflüchtlinge ist weltweit der United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR, Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge). Die Zahl der Konventionsflüchtlinge betrug 2014 14,4 Mio. II.1.2.: Palestinaflüchtlinge Die palestinensischen Flüchtlinge infolge des Palästinakriegs von 1948 und ihre Nachkommen fallen nicht unter die GFK und die Zuständigkeit des UNHCR, jedoch unter die Agenda der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) von 1949/50. II.1.3.: Flüchtlinge nach EU-Recht Der Flüchtlingsbegriff des EU-Rechts bestimmt sich nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit internationalem Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Kurztitel: Qualifikationsrichtlinie). Die Qualifikationsrichtlinie ist als Richtlinie i.s.d. Art. 288 Vertrag über die -2-

Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) für jeden Mitgliedstaat der EU, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel, d.h. eine Richtlinie muss erst noch in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. In der BRD erfolgte diese Umsetzung durch das am 06.09.2013 verkündete und überwiegend am 01.12.2013 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU. Dieses Umsetzungsgesetz änderte als so genanntes Artikelgesetz in Art. 1 das deutsche Asylverfahrensgesetz. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist geregelt in den 3 3 e AsylVfG (zwischenzeitlich geändert in AsylG). Diese Gesetzesnormen entsprechen den Regelungen in Kapitel III: Anerkennung als Flüchtling der Qualifikationsrichtlinie. Die Qualifikationsrichtlinie setzt für die Anerkennung als Flüchtling eine Verfolgung i.s.d. Art. 1 Abschnitt A GFK voraus, weshalb die Flüchtlinge nach EU-Recht auch Konventionsflüchtlinge sind. II.1.4.: Flüchtlinge nach nationalem Verfassungs- und Verwaltungsrecht II.1.4.1.: Asylberechtigte Asylberechtigte sind Flüchtlinge im juristischen Sinn, die auf die BRD bezogen gemäß Art. 16 a GG anerkannt wurden. In den Flüchtlingsstatistiken werden Asylsuchende gesondert ausgewiesen. In 2014 wurden welt-weit 1,8 Mio Asylsuchende gezählt. II.1.4.2.: Kontingentflüchtlinge Kontingentflüchtlinge sind Flüchtlinge im juristischen Sinn, die aufgrund humanitärer Hilfsaktionen aufgenommen wurden. In der BRD sind die 23, 24 AufenthG hierfür Rechtsgrundlage. Sie besitzen allerdings nicht den Status eines anerkannten Flüchtlings gemäß GFK, so dass ihre Rechtsstellung stärker eingeschränkt werden kann (z.b. Wohnsitzauflage). II.2.: subsidiär Schutzberechtigte Die Bestimmung dieser Personengruppe erfolgt ebenso nach EU-Recht durch die Qualifikationsrichtlinie, in der BRD i.v.m. AsylG. Der internationale subsidiäre Schutz ist in 4 AsylG geregelt, mit dem Kapitel VI: subsidiärer Schutzstatus in nationales Recht umgesetzt wurde. Subsidiär Schutzberechtigte sind Ausländer, denen trotz fehlender Flüchtlingseigenschaft i.s.d. GFK ein ernsthafter Schaden i.s.d. Art. 15 Qualifikationsrichtlinie droht. Als ernsthafter Schaden gilt: die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts II.3.: durch Abschiebungshindernisse geschützte Personen In der BRD erfolgt der Schutz dieser Personen über die Abschiebungshindernisse des 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. II.4.: de-facto-flüchtlinge Die Personengruppen aus II.2. und II.3. können auch als de-facto-flüchtlinge bezeichnet werden. -3-

PRÜFUNGSSCHEMA FÜR ASYLERSTANTRAG A: Zulässigkeit I.: Asylantrag I.1.: Anforderungen des 13 Abs. 1 AsylG I.2.: Beschränkung des Asylantrags nach 13 Abs. 2 AsylG I.3.: Asylantrag an der Grenze bei Fehlen der erforderlichen Einreisepapiere (ggf. fortfahren gemäß Prüfungsschema für Asylfolgeantrag) II.: Asylantragstellung II.1.: Persönliche Asylantragstellung bei der Außenstelle des Bundesamtes, die für die Aufnahme des Ausländers zuständigen Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist II.2.: schriftliche Asylantragstellung in den Fällen des 14 Abs. 2 AsylG II.3.: Asylantragstellung bei Familien gemäß 14 a AsylG III.: Verfahrenszuständigkeit der BRD gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO) III.1.: Prüfung der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß Kapitel III der Dublin III-VO III.1.1.: Minderjährige gemäß Art. 8 Dublin III-VO III.1.2.: Familienangehörige, die Begünstigte internationalen Schutzes sind, gemäß Art. 9 Dublin III-VO III.1.3.: Familienangehörige, die internationalen Schutz beantragt haben, gemäß Art. 10 Dublin III-VO III.1.4.: Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa gemäß Art. 12 Dublin III-VO III.1.5.: Einreise und/oder Aufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat gemäß Art. 13 Dublin III-VO (hauptsächlich i.v.m. Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehrund Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (beachte auch: Übereinkommen vom 19.Januar 2001 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Island und des Königreichs Norwegen über die Kriterien und Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in Island oder Norwegen gestellten Asylantrags; -4-

Abkommen vom 26.Oktober 2004 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags) III.2.: Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei Unzuständigkeit III.2.1.: Unzulässigkeit des Asylantrags nach 27 a AsylG III.2.2.: Abschiebungsanordnung nach 34 a AsylG unter Beachtung der Prüfungsnotwendigkeit von Abschiebungshindernissen nach 60 AufenthG III.3.: Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen nach 27 a AsylG (Anfechtungsklage; 80 V VwGO-Eilantrag) III.4.: Überstellungen nach Abschnitt VI der Dublin III-VO B: Begründetheit I.: Asylberechtigung nach Art. 16 a GG I.1.: Ausschluss bei Einreise aus einem sicheren Drittstaat gemäß Art. 16 a Abs. 2 GG I.2.: politische Verfolgung (nur Vorfluchtgründe) I.3.: Rechtstellung von Asylberechtigten nach 2 AsylG II.: Flüchtlingseigenschaft nach 3 ff. AsylG II.1.: Verfolgungshandlung nach 3 a AsylG II.2.: Verfolgungsgründe nach 3 b AsylG II.3.: Verfolgungsakteure nach 3 c AsylG II.4.: Rechtstellung von Flüchtlingen gemäß 3 Abs. 1 AsylG III.: subsidiärer Schutz nach 4 AsylG IV.: Entscheidungsmöglichkeiten des BAMF bei Ablehnung des Asylantrags: unbegründet oder offensichtlich unbegründet (sichere Herkunftsländer; Fälle des 30 AsylG) V.: Entscheidung des BAMF von Amts wegen über Abschiebungsverbot nach 60 Absatz 5 und 7 AsylG gemäß 24 Abs. 2 AsylG VI.: Rechtsbehelfe (Verpflichtungsklage; 80 V VwGO-Eilantrag) -5-

Fall 1: Bei den Antragstellern handelt es sich um eine Familie, bestehend aus den Eltern und 5 Kindern im Alter von 10, 12, 15, 17 und 19 Jahren. Die Antragsteller stammen aus Bosnien-Herzegowina. Vor ihrer Ausreise lebten sie in Banja Luka in der Teilrepublik Republika Serpska. Sie gehören der Volksgruppe der Roma an. Sie tragen vor, dass sie nie eine Schule besuchen und nie eine Ausbildung durchlaufen konnten, weil sie bei den Schulen und den Ausbildern als Roma unbeliebt gewesen seien. Sie hätten in einer Barackensiedlung gelebt und ihren Lebensunterhalt durch Sammeln von Metallen und Flaschen verdient. Es sei aber ein sehr armseliges Leben gewesen. Häufig sei die Ware von serbischen Volkszugehörigen gestohlen und der Ehemann beschimpft und diskriminiert worden. Den Roma sei es verwehrt, ihre rechtliche Situation zu verbessern, denn sie seien von Verfassungs wegen keine anerkannte Minderheit neben den Serben, Kroaten und Bosniaken, weswegen sie keine politischen Rechte hätten. Deshalb sei es für sie auch in der anderen Teilrepublik nicht besser. Im Sommer 2015 wäre eine Gruppe von Arbeitsvermittlern auf dem Marktplatz der Heimatstadt erschienen, die dafür geworben habe, als Arbeitnehmer in die BRD auszuwandern, denn dort würden massenweise Arbeitnehmer gesucht, auch solche ohne Ausbildung. Der Ehemann habe sich sofort gemeldet, um die wirtschaftliche Situation der Familie zu verbessern. Mit ihrem letzten Geld hätten sie die Überfahrt in die BRD, die von den Arbeitsvermittlern organisiert worden sei, bezahlt. Sie seien während der gesamten Fahrt nirgendwo kontrolliert und an keiner Grenze angehalten worden und letztlich vor der Landesaufnahmeeinrichtung in Ingelheim am Rhein abgesetzt worden. Erst dort hätten sie erfahren, dass es sich nicht um eine Behörde der Arbeitsvermittlung handele, sondern um eine Unterkunft für Asylsuchende. In ihrer Not hätten sie deshalb einen Asylantrag bei der zugehörigen Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Bingen am Rhein gestellt. Wegen der Aufregung hätte die ohnehin gesundheitlich belastete Ehefrau einen Herzinfarkt erlitten. Insgesamt sei es schon der zweite Herzinfarkt. Der erste Herzinfarkt sei in Bosnien-Herzegowina nur in geringem Maß behandelt worden, weil die Ehefrau wegen der familiären finanziellen Notlage selbstverständlich nicht über eine Krankenversicherung verfüge und die Behandlung nicht habe bezahlen können. Ist der Asylantrag zulässig, die BRD für das Asylverfahren zuständig und welche Anerkennungschancen haben die Asylantragsteller? -6-