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Transkript:

24422 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 201. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. Oktober 2012 Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse ken gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung der SPD angenommen. Tagesordnungspunkt 25: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dorothea Steiner, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Wertstoffsammlung verbessern Mehr Ressourcen aus Abfällen zurückgewinnen Drucksache 17/11161 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz undreaktorsicherheit (f) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Die Reden sind auch hier, wie in der Tagesordnung ausgewiesen, zu Protokoll genommen. Es wäre vielleicht verdienstvoller und effektiver für die weitere Verbesserung der Wertstofferfassung und für den Weg in eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft, wenn die Grünen mit den Parteifreunden und Parteifreundinnen in den Ländern dafür sorgen würden, dass wir uns bei der Wertstoffsammlung nicht schon wieder so lange im Kreise drehen müssen wie beim Kreislaufwirtschaftsgesetz: wir alle haben in schlechter Erinnerung, dass die dort gefundenen Kompromisse zwischen Bund, Kommunen und privater Recyclingwirtschaft von der Länderseite zerlegt wurden. Im Ergebnis haben wir in mühsamen Verhandlungen ein Gesetz erhalten, dass die vorherige Balance nicht mehr beachtet und das nun vor der EU-Kommission rechtlich angegriffen wird. Natürlich setzen wir darauf, dass dieses Gesetz europarechtlich Bestand hat; dennoch sind wir alle miteinander klug beraten, wenn wir beim Wertstoffgesetz nicht in das nächste tote Rennen um Kompromisse gehen, die am Ende nicht halten, weil manche ihre gegebenen Zusagen nicht halten. Michael Brand (CDU/CSU): Ein Antrag zur Unzeit ist es, weil doch alle Beteiligten wissen, dass der neue Bundesumweltminister mit einem durchaus innovativen Verfahren die Öffentlichkeit und die Fachleute dazu eingeladen hatte, sich bis Ende August an einem sehr transparent gestalteten Fachaustausch im Internet zu beteiligen. Dieses Angebot von Bundesminister Altmaier wurde in hervorragender Weise angenommen. Über diese Internetkonsultation hinaus haben natürlich alle Seiten den Minister, andere Minister, das BMU, das Bundeskanzleramt, die EU, die Bundesländer und auch uns als Abgeordnete kontinuierlich mit ihren jeweiligen Vorstellungen vertraut gemacht. Wir als Abgeordnete sind seit langem und in dieser Phase besonders intensiv im Gespräch mit Beteiligten auf allen Ebenen. Der Minister selbst hat während und nach Ende der öffentlichen Konsultation mit den Koalitionsfraktionen, mit den Ländern und mit vielen Beteiligten fundierte Gespräche geführt, um in offener Weise alle Möglichkeiten für eine optimale Regelung zur Einführung eines Wertstoffgesetzes auszuloten. Wir sind also, das kann man fast anfassen, mitten im Konsultationsprozess für einen möglichen Kompromiss mit den Beteiligten. Wenn man das mit Händen greifen kann, dann sollten auch die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen begreifen, dass eine solche Phase nicht der optimale Zeitpunkt ist, mit einseitigen Festlegungen den Bundestag als Gesetzgeber festlegen zu wollen, und damit mögliche Kompromisse, zum Beispiel mit den im Vollzug wichtigen Bundesländern und den Kommunen wie der privaten Recyclingwirtschaft, unmöglich zu machen Solche Festlegungen sind so ungeeignet wie der Versuch einzelner selbst Berufener, die sich als Bote für die Papiere und die Interessen Dritter aufmachen. Wir werden schon auf einem geordneten Verfahren und der sorgfältigen Berücksichtigung der verschiedenen Positionen bestehen müssen. Dies ist der Weg, den Bundesumweltminister Altmaier eingeschlagen hat, und es ist genau der richtige Weg. In der Sache wäre in Bezug auf den Antrag viel zu kommentieren. Vieles ist sicher konsensfähig, aber einiges nicht. Ich will hier nicht in die Erörterung eintreten, ob die Wertstoffsammlung vor Ort in kommunaler, dualer oder privater Trägerschaft erfolgen soll. Auch kann die sicher notwendige Höherwertigkeit der stofflichen Verwertung und die Priorisierung der Vermeidung von Abfällen auf verschiedenen Wegen erreicht werden; hier hat der Antrag erkennbar nicht den besten Weg vorgezeichnet. Zur Konstruktion der Rückführung von Wertstoffen aus Elektro- und Elektonikschrott weist der Antrag einerseits Lücken auf und macht an anderer Stelle falsche Vorgaben. Die Zukunft der Verpackungsverordnung, so viel scheint gesichert, ist die, dass sie hoffentlich bald Vergangenheit ist. Kaum eine Verordnung hat eine solche, teils unselige Tradition, verschiedenste, umstrittene Inhalte, eine kaum gesicherte Datenbasis ganz zu schweigen von Schlupflöchern und deren Ausnutzung und von mangelndem Schutz der eigentlich zu wahrenden Ziele, wie zum Beispiel der Mehrwegquote oder der stofflichen Verwertung. Für Verbraucher, Produzenten, Recycler und auch für die politisch Verantwortlichen ist die Verpackungsverordnung wahrlich keine vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltung. Es ist oftmals ein Hauen und Stechen, und dies oftmals hinter den Kulissen. Hier kann uns der neu aufgesetzte, transparente Prozess des Bundesumweltministers nur helfen. Wir wollen die Produktverantwortung als Element für die Verankerung des Verursacherprinzips verankert sehen, und wir wollen den Missbrauch der Verpackungsentsorgung auf den verschiedensten Ebenen beendet sehen. Wir wollen auch den Kampf um Kampfbegriffe wie Fehlwürfe, Trittbrettfahrer und andere durch eine solide Validierung von Daten ersetzen. Wir wollen die Systemfrage ohne Scheuklappen stellen und das beste System zur Wertstofferfassung der Zukunft etablieren hier darf es keine Denkverbote, keine Erbhöfe und auch keine Ideologie geben. Es zählt der Beitrag zur Ressourcenschonung, und es zählt das für die Umwelt effizienteste System. Welche Art von Ausschreibung von wie vie-

Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 201. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. Oktober 2012 24423 Michael Brand len Teilnehmern, ob mit oder ohne zentrale oder gemeinsame Stelle oder dezentraler Ausschreibung ohne oder mit kommunaler Beteiligung mit oder ohne Inhouse-Vergaben das alles sind Fragen für eine fachliche Erörterung, die wir derzeit durchführen. Was wir nicht wollen, das ist ein falsch angelegtes Beratungsverfahren mit schlechter Analyse und falschen Ergebnissen. Deswegen lehnen wir als CDU/CSU diesen Antrag ebenso ab wie die vielen Versuche, uns vor dem Ende der Konsultationen des Bundesumweltministers schon vorprogrammieren zu wollen. Wir stehen vernünftigen Vorschlägen unvoreingenommen gegenüber. Alte Vorschläge in neuer Verpackung sind dann nicht ratsam, wenn mangelnde Transparenz nur die Eigeninteressen verdecken soll. Alle bleiben eingeladen, sich bei den laufenden Beratungen einzubringen. Bundesminister Altmaier wird zu gegebener Zeit seine Schlussfolgerungen mit den Betroffenen und innerhalb wie außerhalb der Koalition erörtern. Wir hoffen auf einen belastbaren Kompromiss zwischen Kommunen, Privatwirtschaft, Bund und Ländern. Das alles muss einem Ziel dienen: einer effizienten, ressourcenschonenden Lösung. Vorfestlegungen wie dieser Grünen-Antrag helfen da wenig: die Kompromissfähigkeit von Rot und Grün in den kommenden Wochen entscheidet mit darüber, ob wir eine solche Lösung erreichen, oder ob sie diese blockieren, zulasten der Umwelt. Wir bleiben erwartungsvoll gespannt. Gerd Bollmann (SPD): Ich begrüße, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag zur Wertstoffsammlung vorgelegt haben. Um es gleich vorweg zu sagen: Die SPD ist für eine einheitliche Wertstofferfassung. Wir sind für eine Stärkung des vorrangigen Ziels der Abfallvermeidung. Wir sind für einheitliche Regelungen für die Wertstoffsammlung und deren Anwendung auch für hausmüllähnliche Gewerbesammlungen. Wir sind für höhere Recyclingquoten ebenso, wie wir für zusätzliche Maßnahmen zur Stärkung des Mehrweganteils bei Getränkeverpackungen sind. Sie merken, dass wir in vielen Punkten mit den Forderungen meiner grünen Kolleginnen und Kollegen übereinstimmen. Lassen Sie mich daher einige grundsätzliche Ausführungen zu einem möglichen Wertstoffgesetz und zur Verpackungsverordnung machen. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert völlig zu Recht die zeitnahe Einführung der Wertstoffsammlung. Bereits in der letzten Novelle der Verpackungsverordnung wurde das Thema problematisiert. Wir hatten damals durchgesetzt, dass die freiwillige Einführung einer Wertstofftonne und Probeversuche möglich wurden. terium hat seit Beginn der Legislaturperiode versprochen, noch in dieser Periode ein Wertstoffgesetz zur Fortentwicklung der Verpackungsverordnung vorzulegen. Bundesumweltminister Peter Altmaier hat in seinem Zehn-Punkte-Programm die Weiterentwicklung der Verpackungsverordnung zu einem Wertstoffgesetz als eines seiner Ziele für den Rest der Legislaturperiode angekündigt. Wenn alle Union, FDP, Grüne, SPD, Linke, BMU, Wirtschafts- und Kommunalverbände, Umwelt- und Verbraucherverbände für eine einheitliche Wertstofferfassung sind, und dies seit vielen Jahren, dann stellt sich die Frage: Warum haben wir noch kein Wertstoffgesetz? Warum gibt es keinen Gesetzentwurf des BMU? Die Antwort ist klar: Es war und ist das gleiche Problem wie beim Kreislaufwirtschaftsgesetz die unterschiedlichen Auffassungen innerhalb der Regierung bezüglich der Zuständigkeit für die Hausmüllentsorgung. Teile der Regierungskoalition und Teile der privaten Entsorgungswirtschaft wollen ein Wertstoffgesetz nutzen, um die Hausmüllentsorgung weiter zu privatisieren. Die Hausmüllentsorgung, die Sammlung und Verwertung von Siedlungsabfällen, ist ein wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge. Für uns Sozialdemokraten ist eines ganz klar: Die Hausmüllentsorgung unterliegt der kommunalen Verantwortung und Zuständigkeit. Dies gilt auch für die Wertstofferfassung. Wir sind für die einheitliche Wertstofferfassung, aber in kommunaler Zuständigkeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der FDP, Sie sind bereits beim Kreislaufwirtschaftsgesetz mit dem Versuch einer weiteren Privatisierung gescheitert. Akzeptieren Sie das! Inzwischen sind selbst Teile der privaten Entsorgungswirtschaft und große Teile der Union für die kommunale Zuständigkeit bei einer einheitlichen Wertstofferfassung. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, wenn Sie Ihren internen Streit über Zuständigkeiten in der Abfallwirtschaft beilegen, dann gibt es eine gute Möglichkeit, zügig ein Wertstoffgesetz zu verabschieden. Dafür ist allerdings auch ein weiteres Eingeständnis vonnöten. Immer wieder lese ich, auch im 10-Punkte- Programm von Herrn Altmaier und im Thesenpapier des BMU, die Verpackungsverordnung sei ein Erfolg. So heißt es in dem Thesenpapier ich zitiere : Mit der Einbeziehung der produzierenden Wirtschaft in die Entsorgungslast zielt der Verordnungsgeber auf eine Internalisierung der Entsorgungskosten und daraus resultierende Anreize zur Verpackungsvermeidung sowie zum Einsatz verwertungsfreundlicher Verpackungen. Die Strategie war erfolgreich: so ist es seit 1991 nicht nur gelungen, die Entwicklung der Verpackungsmenge vom allgemeinen Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. So weit das Thesenpapier. Außerdem wurden Gutachten über Inhalt und Ausgestaltung einer Wertstofferfassung in Auftrag gegeben. Union und FDP haben in ihrer Koalitionsvereinbarung ein Wertstoffgesetz vereinbart. Das Bundesumweltminis- Ja, die Verpackungsverordnung hat Erfolge erzielt. Erstmals wurden Hersteller finanziell an der Entsorgung für ihre Produkte beteiligt. Die Getrenntsammlung im Haushalt hat sich durchgesetzt. Die Recyclingquoten

24424 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 201. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. Oktober 2012 Gerd Bollmann sind stark angestiegen, und eine leistungsfähige Recyclingindustrie ist entstanden. Aber schauen wir doch einmal genauer hin. In dem alten und im neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz, in der alten und neuen europäischen Abfallrahmenrichtlinie steht die Abfallvermeidung an oberster Stelle der Abfallhierarchie. Und, ist es gelungen, die Zahl der Verpackungsabfälle zu senken? Nein. Nach einem kurzen Rückgang in den 90er-Jahren stieg die Verbrauchsmenge an Verpackungsmaterialien, insbesondere bei Kunststoff. Die Gesamtmenge an Verpackungen lag 2010 um fast 400 Kilotonnen höher als 1991, Tendenz steigend. Ebenso ist die Mehrwegquote eingebrochen. Dies liegt daran, dass Abfallvermeidung als oberstes Ziel zwar im Gesetz steht, aber nicht in der Realität. Die Entsorgungswirtschaft lebt davon, dass die Menge der von ihr zu entsorgenden Abfälle wächst. Abfallvermeidung ist nicht ihr Ziel, kann es nicht sein. Auch der Anreiz für die Hersteller, die Zahl der Verkaufsverpackungen zu verringern, sinkt bei billiger werdenden Lizenzgebühren. Wenn wir es ernst meinen mit der Abfallvermeidung, dann kann eine einfache Fortführung der Verpackungsverordnung mit Ausweitung des Systems auf stoffgleiche Nichtverpackungen kein zielführendes Konzept sein. Betrachten wir weiter die angeblichen Erfolge der Verpackungsverordnung. So heißt es unter anderem vonseiten der Bundesregierung: Ausgehend von den Erfahrungen mit der Verpackungsverordnung hat sich der Wettbewerb mehrerer Anbieter von Erfassungs- und Verwertungsleistungen als effektives Mittel zur Kostensenkung und zur Etablierung effizienter Strukturen erwiesen. Diese Aussage des BMU ähnliche Äußerungen gibt es von der FDP und aus der privaten Wirtschaft ist reine Ideologie. Sie stimmt nicht mit den Fakten überein. Sicherlich, vor allem durch Lohndumping, sind Lizenzgebühren für die Hersteller gesunken. Aber ist der gesamtwirtschaftliche Aufwand günstiger geworden? Es gibt mehrere Gutachten, die dies verneinen. Jüngst hat noch das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut allein die mit der Komplexität verbundenen Verwaltungskosten für alle Beteiligten auf 168 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Ein komplexer, kaum nachzuvollziehender Verwaltungsaufwand, doppelte Strukturen bei der Erfassung und langwierige Verhandlungen zwischen allen Beteiligten. Will angesichts dieser Zustände wirklich jemand von einem kostengünstigen System im volkswirtschaftlichen Sinn sprechen? Und darüber hinaus auch noch von einem effizienten System? Ein System, in dem aufgrund der Trittbrettfahrerproblematik niemand ich betone: niemand wirklich weiß, wie viel Verpackungen lizenziert und verwertet werden. Ein System, in dem die Angaben der lizenzierten Verpackungsmenge bei den dualen Systemen ständig schwanken. Ein System, in dem die dualen Systeme untereinander sich Lug und Betrug vorwerfen und gegenseitig verklagen. Ein System, in dem es trotz zahlreicher Änderungen und Korrekturversuche zahlreiche Schlupflöcher gibt. Ein System, dessen Vollzug vor allem durch eine riesige Anzahl von Gerichtsverfahren gekennzeichnet ist: ÖRE gegen duale Systeme, duale Systeme untereinander, ÖRE gegen private Entsorger, private Entsorger gegen duale Systeme usw. Ja, dieses System ist effizient für die sich mit Abfallrecht befassenden Rechtsanwaltskanzleien. Für sie ist die wettbewerbsorientierte Verpackungsverordnung eine Goldgrube. Meine Damen und Herren von Union und FDP, es reicht nicht aus, die jetzige Verpackungsverordnung auf stoffgleiche Nichtverpackungen auszudehnen und einige kleinere Veränderungen, wie die Einführung einer zentralen Stelle, vorzunehmen. Damit sind die Fehler der jetzigen Verordnung kaum Abfallvermeidung, undurchsichtiger Vollzug, hoher bürokratischer Aufwand und geringe stoffliche Verwertung nicht aufgehoben. Auch immer größere Teile der Privatwirtschaft stehen dem jetzigen System der Verpackungsverordnung skeptisch gegenüber. Bereits im Januar 2010 haben kommunale Spitzenverbände, VKU und der bvse ein gemeinsames Positionspapier vorgelegt. Darin wird eine Weiterentwicklung der Verpackungsverordnung zur Wertstofferfassung unter kommunaler Zuständigkeit bei gleichzeitigem Erhalt des Wettbewerbs aufgezeigt. Diese Vorschläge wurden in den letzten Jahren, zum Beispiel durch Berücksichtigung eines Standardkostenmodells, weiterentwickelt allerdings nicht von der Bundesregierung. Die Vorschläge des BMU orientierten sich immer am derzeitigen Wettbewerbsmodell. Dieses sture Festhalten an einem fehlerhaften System bringt uns nicht weiter. Wir Sozialdemokraten sind nicht gegen Wettbewerb. So, wie der Wettbewerb durch die jetzige Verpackungsverordnung jedoch organisiert ist, ist er volkswirtschaftlich schädlich. Ökologische Verbesserungen, mehr Ressourcenschutz und mehr Abfallvermeidung sind damit nicht zu erreichen. Horst Meierhofer (FDP): Die Grünen zeigen mit diesem Antrag die künftige Zielstellung auf. Leider sind die Umsetzungsvorschläge zum Teil naiv nicht nur, dass diese wirkungslos wären, sie würden die Zielerreichung noch erschweren. Wenn man den Antrag zum ersten Mal liest, gerät man in Versuchung, den sich hübsch anhörenden Vorschlägen Glauben zu schenken. Wenn man dagegen den Versuch unternimmt, die Vorschläge rechts- und umweltpolitisch nachzuvollziehen, offenbaren sich innere Widersprüche. Und diese sind so groß, dass alle gutgemeinten Ziele des Antrags verfehlt werden würden. Die Grünen stellen für ein Wertstoffgesetz eine Vorbedingung: Die Sammlung und Verwertung von Siedlungsabfällen ist ein wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge und unterliegt der kommunalen Verantwortung. Erst daran anschließend werden weitere, vornehmlich ökologische Bedingungen aufgestellt.

Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 201. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. Oktober 2012 24425 Horst Meierhofer Mit der identischen Grundbedingung einer Vollkommunalisierung ist Rot-Grün auch beim Kreislaufwirtschaftsgesetz in die Bundesratsverhandlungen gegangen. Die Grünen haben dafür neben der beabsichtigen Schwächung der privaten Wirtschaft auch den Kollateralschaden umweltunfreundlicherer Regelungen in Kauf genommen. Offenkundig haben die Grünen aus ihren Fehlern nicht gelernt und lassen sich in ihren politischen Entscheidungen nach wie vor von einer lautstarken und polemischen Minderheit beeinflussen. Die moderateren Töne der Mehrzahl der Kommunen bleiben dabei ungehört. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Wir haben bereits jetzt in den abfallrechtlichen Vorschriften ein Problem mit zu vielen unklaren und sich teilweise widersprechenden Vorschriften. In den Bundesländern sind die Vollzugsbehörden aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten personell meist unterbes etzt. Anstatt das Dickicht auf die maßgeblichen Vorschriften herunterzufahren und auch unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebots darauf zu achten, vollziehbare Vorschriften herzustellen, setzt der Antrag der Grünen einen falschen Schwerpunkt durch eine unausgewogene und unkoordinierte Vorschriftenflut. Eine generelle und ausnahmslose Zuweisung der Sammlung, Verwertung und Aufbereitung an die Kommunen hätte eine verheerende Wirkung für die Kreislaufwirtschaft und widerspricht selbst der kommunalen Beschlusslage. Warum? Im Unterschied zur Sammlung von Abfällen und Rohstoffen seit jeher ein klassisches Betätigungsfeld der Kommunen besteht im Bereich der Verwertung und Aufbereitung von Wertstoffen auf kommunaler Seite nur eine geringe Expertise. Fast die gesamte Wertschöpfungskette, die sich an die Sammlung anschließt, wird von einem breiten Mittelstand und einigen größeren Unternehmen durchgeführt. Die Fortentwicklung der eingesetzten Technologien geht zum größten Teil auf Entwicklungen der letzten zwanzig Jahre zurück, in denen innovative und kreative Unternehmen Umwelttechnologien geschaffen haben, die zum Exportschlager geworden sind und die heutigen Recyclingzahlen überhaupt erst möglich machen. Wenn die Grünen jetzt auf die Idee kommen, die Vernichtungsstrategie der privaten Kreislaufwirtschaft auf die Spitze zu treiben, dann sollten sie wenigstens so ehrlich sein, den Wissens- und Technologieverlust und damit einhergehenden ökologischen Nachteil ehrlich und offen einzugestehen. Dass die Bedeutung der Privatwirtschaft am Recycling nicht kleingeredet werden kann, will ich Ihnen dazu anhand von einigen einfachen Zahlenbeispielen erläutern: Bevor der Verpackungsbereich 1991 privatisiert worden war, lagen die Verwertungsquoten bei circa 53,7 Prozent für Glas, 28 Prozent für Papier und Karton und 3,1 Prozent für Kunststoff. 20 Jahre später liegen diese Zahlen bei 87,2 Prozent für Glas, 85 Prozent für Papier und Karton und 90,3 Prozent für Kunststoff. Dass eine große Bedeutung der Privatwirtschaft für die Kreislaufwirtschaft besteht, soll nicht schmälern, dass auch die kommunale Leistung eine entsprechende Würdigung erfährt. Nur muss klar sein, dass gesetzliche Lösungen die Fähigkeiten und Möglichkeiten beider Seiten berücksichtigen sollten und faire und ausgewogene Rahmenbedingungen die Grundlage für eine Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft sind. Die Grünen glauben, alleine mit ökologischen Lenkungsvorgaben diesen Nachteil wettzumachen. Festlegung von Quoten, Mindestanforderung, neue Statistiken, Weiterentwicklung der Pfandregelungen usw. Nur übersehen sie dabei leider, dass mit der Grundvorgabe, Innovationen und neue Technologien wegzudrücken, alle diese Festlegungen zu bloßen Hüllen verkommen. Das bedeutet nicht, dass jeder einzelne Vorschlag an der Sache vorbeigeht: Die Forderung nach einer deutlichen Anhebung der Recylingquoten wird von uns beispielsweise geteilt. Dies gründet darauf, dass zu viele der recyclingfähigen Mischkunststoffe in Sortieranlagen auf direktem Weg in die Verbrennung gehen und der größte Teil der Verwertungsquoten mittlerweile problemlos erfüllbar ist. Wir wollen die Fortentwicklung des rechtlichen Rahmens zu einem Wertstoffgesetz. Das ist für uns keine Frage. Wir haben uns im Koalitionsvertrag dafür eingesetzt, haben gegenüber unserem Koalitionspartner immer wieder darauf gedrängt und inzahlreichen Anträgen die Festlegung auf ein Wertstoffgesetz in der Koalition beschlossen. Wir sehen vor allem die Notwendigkeit, die zweifelsfrei bestehenden Mängel an der Verpackungsverordnung zu beseitigen und die bestehenden Regelungen neu und zeitgemäß zu bündeln. Auch hat eine Wertstofftonne gegenüber der bestehenden Sammelrealität große Vorteile, und wir sehen dadurch auch vor allem die Möglichkeit, dem Bürger einfach und nachvollziehbar ein Sammelsystem zu erklären, das momentan nicht mehr zu verstehen ist. Kunststoff und Metall in die Wertstofftonne, Lebensmittel und Grünzeug in die Biotonne, Papier in die Papiertonne und der Rest in den Restmüll. Mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz haben wir die Basis für dieses Projekt geschaffen. Gerne würden wir es in dieser Legislatur abschließen. Nachdem bereits jetzt aber klar ist, dass wir ohne die Zustimmung des Bundesrats kein Gesetz werden beschließen können, sind wir auf die Kompromissbereitschaft der Opposition angewiesen. Ihr Antrag verdeutlicht, dass Sie diese Kompromissbereitschaft nicht mitbringen. Wenn Sie sich unabhängig von den Zuweisungen an Private oder Kommunen auf eine sachliche Diskussion einlassen würden, würde ich Ihrem Schaufensterantrag noch etwas abgewinnen können. Mit der von Ihnen eingenommenem Hardlinerposition werden wir aber leider nicht zusammenfinden. Sehr geehrte Damen und Herren von den Grünen, gehen Sie noch einmal in sich und überlegen Sie sich gründlich, was die Zielstellung des Wertstoffgesetzes eigentlich sein muss. Wir sind der Überzeugung, dass sich das Zitat einer Anwältin anlässlich eines Fachgesprächs mit Beteiligung aller Fraktionen in diesem Sommer nicht bestätigt. Die Dame, die regelmäßig kommunale Unternehmen zum Kreislaufwirtschaftsgesetz berät, ließ sich zu folgendem Satz hinreißen: Die meisten kommu-

24426 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 201. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. Oktober 2012 Horst Meierhofer nalen Unternehmen halten Kunststoffrecycling für Quatsch. Gerade den Grünen ist zu empfehlen, sich von dieser kommunalen Minderheit zu distanzieren und offen für parteiübergreifende Vorschläge zu sein, die für alle Beteiligten Wege und Möglichkeiten anhand einer sachgeleiteten Umweltpolitik eröffnen. Linke, wenn wir erstens die dualen Systeme abschaffen und zweitens die Lizenzgebühren in eine Verpackungsabgabe umwandeln. Die Verantwortung dafür liegt bei einer zentralen Stelle, diese legt je nach Aufwand für Erfassung, Wiederverwendung, Entsorgung und absoluten Ressourcenverbrauch der Verpackung die Verpackungsabgabe fest. Diese muss jeder Hersteller oder Händler entrichten. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Oma Müller sortiert ihren Müll gründlich, da gibt es das Gefäß für alte Batterien, den gelben Sack für Verpackungen, die Tüte für Papier, den Behälter für Essensreste und den für Restmüll. Flaschen werden sortiert nach Farben eingeworfen, und alte Kleidung und Schuhe gehen zur Kleidersammlung, oder wenn die Sachen zu abgenutzt sind, dann werden sie als Putzlappen eingesetzt, um nach dieser Weiterverwendung dann im Müll zu landen. Der neue Fernseher gab sch on nach knapp drei Jahren seinen Geist auf und wird vom Handwerker mitgenommen reparieren wird teurer als ein neues Gerät. Der vorherige Fernseher hatte zehn Jahre gehalten, genau wie die erste Westkaffeemaschine nach der Wende, die zwölf Jahre gute Dienste tat. Wenn sie mit derselben Kaffeemaschine heute mehr als zwei Jahre ihre Käffchen brühen kann, hat Oma Glück. Das ärgert sie, denn es ist schlecht für die Umwelt, und man muss doch sparsam sein. Wenn Oma Müller wüsste, dass ihr mühsam getrennter Müll dann doch verbrannt wird sie würde es nicht verstehen. Der Antrag unserer grünen Kollegen zeigt die Probleme auf und nennt erstrebenswerte Ziele für eine bessere Abfallwirtschaft. Denen kann niemand widersprechen, aber für die Linke ist das zu wenig. Mit diesem Antrag wird nicht klar, wie verhindert werden soll, dass 70 Prozent des gesammelten Kunststoffes im Ofen landet, zwar nicht in der Müllverbrennungsanlage, aber eben in den Brennkammern im Zementwerk. Die Linke schlägt vor, die Mitverbrennung von Kunststoffen zu verbieten und stattdessen die Entwicklung von Produkten aus recyceltem Kunststoff zu fördern, damit wir echtes Recycling erhalten. Statt allgemeiner Vorgaben für Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit schlägt die Linke vor, dass die Garantiezeiten verlängert werden. Fünf Jahre Garantie für den Fernseher und alle Großgeräte, aber auch für Pkw und Möbel, drei Jahre für Elektrokleingeräte und Haushaltswaren, zwei Jahre für Kleidung. Wir meinen Garantie und nicht die Gewährleistung. Bei Gewährleistung steht der Kunde vor dem Problem, dass er Produktionsfehler beweisen muss dies gelingt selten. Wir verlangen echte Garantie, die den Händler verpflichtet, bei Ausfall seiner Ware Reparatur, Ersatz oder Erstattung des vollen Kaufpreises zu leisten. Warum die Grünen das bürokratische duale System, bei dem von 1 000 Euro Einnahmen 600 Euro in die Verwaltung, die Lizenzierung und als Gewinne an Aktionäre fließen und Betrug die Regel ist, jetzt noch auf weitere Bereiche ausdehnen wollen, erschließt sich mir nicht. Eine bessere Erfassung von Wertstoffen gelingt für die Darüber wird dann ein Erfassungs- und Verwertungssystem in Verantwortung der Kommunen finanziert. Drittens sollte ein Pfandsystem für Elektrogeräte eingeführt werden zum Beispiel 5 Euro Pfand zahle ich beim Erwerb meines neuen Handys, und wenn ich es dann ein paar Jahre später beim kommunalen Wertstoffhof abgebe, bekomme ich die 5 Euro wieder. Eine Ausdehnung der Pfandpflicht auf alle Getränkeverpackungen unterstützt die Linke nicht nur aus Wiederverwertungsgründen, sondern weil damit auch die Vermüllung der Landschaft reduziert wird. Ob eine Mehrwegverpackung in ihrer ökologischen Gesamtbilanz besser ist, ist nicht immer sicher. Aber mit der von der Linken bereits geforderten Verpackungsabgabe, die ja nach ökologischen Gesichtspunkten festgelegt wird, kann dann über finanzielle Anreize die umweltfreundlichere Verpackung preislich bevorzugt werden. Wenn dies die Mehrwegglasflasche ist, dann haben wir sogar noch etwas gegen die Weichmacher in Lebensmitteln erreicht. Für die Linke ist die Abfallwirtschaft Bestandteil der Verringerung des Ressourcenverbrauches und dient damit dem Umweltschutz. Ein überflüssiges Produkt ist auch bei 100 Prozent Recycling eine unnötige Umweltbelastung; da hilft die Recyclingquote nur, den Umweltschaden einzudämmen, verhindert ihn aber nicht. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, sich für so ehrgeizige Ziele der Verringerung des Rohstoffverbrauchs einzusetzen, dass zusätzliche Quoten im Abfallrecht überflüssig werden. Folgen Sie unseren Vorschlägen, dann hat Oma Müller nicht nur das Gefühl, umweltbewusst zu sein, sondern sie ist es auch, und ganz nebenbei stellen wir sicher, dass auch die Enkel von Oma Müllers Enkeln noch genügend Ressourcen und eine intakte Umwelt haben werden. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Versorgung mit Rohstoffen zählt zu den strategisch wichtigsten Themen für die deutsche Wirtschaft. Die Industrie ist bei fast allen metallischen Rohstoffen von Importen abhängig. Kein Laptop, kein Mobiltelefon und keine Solarzelle kommen ohne Metalle wie Kobalt und Platin oder Seltene Erden aus. Für eine grüne, also eine klimaneutrale und ressourceneffiziente Ökonomie, müssen wir nachhaltiger mit den Ressourcen der Erde umgehen. Wir können es täglich lesen: Der Abbau von Rohstoffen und die Bedingungen des Rohstoffhandels sind für Länder mit Rohstoffreserven oft verheerend. Die Gewinnung der Rohstoffe zerstört Natur und Landschaft, hat

Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 201. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. Oktober 2012 24427 Dorothea Steiner gravierende soziale Folgen und ist begleitet von Menschenrechtsverletzungen. Um die Abfallpolitik umweltverträglich zu betreiben, müssen mehr Wertstoffe als bisher zurückgewonnen und verwertet werden. Die Wiederverwertung von Rohstoffen schont primäre Rohstoffquellen, vermeidet Transporte über weite Strecken, verhindert die Zerstörung von Ökosystemen durch den Abbau und spart CO 2 ein. Dieses Potenzial müssen wir entwickeln. Mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz hat die Bundesregierung den Ressourcenschutz und die Wiederverwertung von Ressourcen nicht vorangebracht. Deutschland kann seine Importabhängigkeit und seine Abhängigkeit vom Weltmarkt nur beschränken, wenn knappe Rohstoffe effizient verwendet werden, sie wiederverwendet und zum Teil durch andere Stoffe ersetzt werden. Klar ist: Wir müssen mehr Wertstoffe sammeln und sie wiederverwerten, statt sie in Abfalltonnen oder Schubladen und Schränken verrotten zu lassen. Will man echte Kreislaufwirtschaft, muss man die Rahmenbedingungen verändern. Die Recyclingwirtschaft braucht bessere Bedingungen und mehr Material, um mehr wiederzuverwerten und einen größeren Beitrag zum Schutz von Umwelt und Ressourcen zu leisten. Es kann nicht angehen, dass manche Kunststoffe nicht recycelt werden, weil die Entsorgung über die Müllverbrennung billiger ist. Das ist eine wahre Verschwendung. Der Bundesumweltminister hat noch im Sommer in seinem Zehn-Punkte-Programm angekündigt, im zweiten Halbjahr 2012 einen Gesetzentwurf vorzulegen. Dieser sollte die Wertstoffsammlung verbessern. Von einem Gesetzentwurf ist weit und breit aber nichts zu sehen. Bisher gibt es nur große Ankündigungen, Lösungen werden nicht präsentiert. Der Grünen-Antrag Wertstoffsammlung verbessern Mehr Ressourcen aus Abfällen zurückgewinnen formuliert die Ansätze, um die Abfallpolitik hin zu mehr Ressourcenschutz weiterzuentwickeln. Wir brauchen klare Vorgaben und Regeln für die gesamte Abfallwirtschaft. Ein Aspekt sind größere Anstrengungen bei der Abfallvermeidung. Müll, der nicht entsteht, schont Umwelt und Klima. Eine eigene Studie des Bundesumweltministeriums hat die Klimaschutzpotenziale in der Abfallwirtschaft beindruckend belegt. Der Bundesumweltminister bleibt untätig eine echte Fehlleistung. Wir Grüne fordern die flächendeckende Einführung einer Wertstofferfassung. Notwendig sind bundesweit einheitliche Regeln, wie Wertstoffe im Hausmüll sortiert und gesammelt werden. Das bunte Nebeneinander unterschiedlicher Sammelsysteme ist verwirrend für Verbraucherinnen und Verbraucher. Das führt nicht zum Erfolg. Wir brauchen hohe und strikte Recyclingquoten, orientiert an der jeweils besten vorangegangenen Verwertungsleistung. Können Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, uns erklären, warum die Sammel- und Verwertungsziele nur für den Hausmüll gelten sollen, aber nicht für den Gewerbeabfall? Ich komme jetzt zu einem besonderen Aspekt, zur Verpackungsverordnung und den Getränkeverpackungen. Ein Mehrweganteil von 80 Prozent ist das festgeschriebene Ziel der Regierung. Dieses wird seit Jahren verfehlt. Letzte Woche wurde dem Bundeskabinett mitgeteilt, dass der Anteil von Mehrwegflaschen inzwischen auf 50 Prozent gefallen ist Tendenz weiter sinkend. Der Fehlentwicklung muss gegengesteuert werden. Wir brauchen größere Anstrengungen als bisher, um die Mehrwegquote wieder zu steigern. Ein Nebeneinander von Einweg, Mehrweg, umweltschädlichen Dosen und Ausnahmen für Fruchtsäfte machen das jetzige System intransparent und anfällig für Betrug. Wer kann noch verstehen, was ökologisch vorteilhaft ist und wie man einkaufen soll? Hier werden deutlich klarere Regeln benötigt, zum Beispiel eine Kennzeichnungspflicht. Und für Ressourcenschutz besonders wichtig: Elektronikschrott. In Europa werden lediglich 40 Prozent des Elektronikschrotts recycelt, der Rest landet im Müll oder wird häufig illegal in die Länder des Südens verschifft. Obwohl die europäischen Länder zu den weltgrößten Konsumenten Seltener Erden zählen, funktioniert das Recycling von Seltenen Erden bisher kaum. Unser Augenmerk liegt auf den Sammelsystemen. Wenn mehr Elektronikschrott gesammelt wird, kann auch effektives Recycling ermöglicht werden. Nehmen Sie unsere Vorschläge zur Kenntnis und arbeiten Sie damit. Wenn wir alle uns dafür einsetzen, können wir noch in diesem Jahr ein Wertstoffgesetz beschließen. Das wird der Umwelt nützen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/11161 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit einverstanden. Dann haben wir das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und anderer Gesetze Drucksache 17/10961 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) Drucksache 17/11164 Berichterstattung: Abgeordnete Andrea Wicklein Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Lena Strot hmann (CDU/CSU): Seit im Dezember 2010 die Evaluierung der Spielverordnung vorgelegt wurde, hat sich der Deutsche Bundestag immer wieder damit befasst. In der Spielverordnung sind die Aufstellung und Zulassung der Geldspielgeräte geregelt. Diese findet man in Gaststätten, in Spielhallen,