2.1 Hinweise zur Verwendung der Arbeitsblätter zu therapierelevanten Problembereichen - Ziele setzen - Protokolle - Geldmanagement - Konfliktmanagement Einstellungen und Werte V Arbeitsmaterialien Hinweise zur Verwendung der Arbeitsblätter S.1
Die therapeutische Arbeit hin zu einem symptomfreien Leben wird hilfreich unterstützt und vertieft durch das Verbalisieren und schriftliche Ausformulieren von therapierelevanten Problembereichen. Im Folgenden sollen verschiedene Arbeitsblätter zur Behandlung des pathologischen Glücksspiels hinsichtlich Anwendbarkeit und Nutzen dargestellt werden. Arbeitsblätter Ziele setzen Die Zielformulierung stellt zu Beginn jeder Behandlung die entscheidende Grundlage für den weiteren Verlauf dar. Pathologische Glücksspieler formulieren gegenüber ihrem Behandler in der Regel zu Beginn ein sogenanntes Negativ -Ziel: Ich will nicht mehr spielen!. Das heißt, sie formulieren ein Ziel, das beschreibt, was nicht mehr sein soll. Die sich aufdrängende Frage lautet entsprechend: Was soll stattdessen sein? Eine Zielformulierung erfolgt immer positiv und definiert damit die Richtung, die als Veränderung angestrebt wird. Das fällt vielen Spielern sehr schwer, da sie aufgrund ihrer langjährigen Suchtentwicklung verlernt haben, adäquate positive (Lebens-) Ziele zu formulieren. Die Arbeitsblätter helfen bei dem ersten wichtigen Therapieschritt, positive Lebensziele zu formulieren, die attraktiv, konkret, realistisch und erreichbar für den Betroffenen sind. Sie können zusammen oder alternativ verwendet werden. Für das Arbeitsblatt Lebensbereiche benennt der Betroffene zunächst seine aktuellen Lebensbereiche und nimmt für den IST-Zustand eine prozentuale Einteilung vor, die Zeitaufwand und Bedeutsamkeit veranschaulichen. Dies wird in einen Zeit-Kuchen eingetragen. In der Regel nimmt zu Beginn das Glücksspiel einen hohen Kuchenanteil ein. Im nächsten Schritt definiert der Betroffene den SOLL- Zustand, in dem er eine realistische Einteilung und Neuorientierung auf adäquate Lebensbereiche vornimmt. Hierfür kann das Arbeitsblatt Prioritäten setzen unterstützend eingesetzt werden. Dafür benennt der Betroffene zunächst priorisierte Lebensbereiche, denen er in seinem Leben eine Bedeutung beimessen möchte und legt eine Reihenfolge fest, z. B.: 1. Partnerschaft, 2. Arbeitsplatzsituation, 3. Freizeitaktivitäten etc. Im nächsten Schritt formuliert er Teilziele für diese Lebensbereiche, die sich in kurz-, mittel- und langfristige Ziele unterscheiden lassen. Ein vertiefendes Vorgehen findet sich auf dem Arbeitsblatt konkrete Zielformulierung. Hier sind Vorschläge für einzelne Lebensbereiche vorgegeben und werden unterteilt in die Unterpunkte Übergeordnetes Ziel, konkrete Umsetzung, Teilziel und beeinflusste andere Lebensbereiche. Dieses Arbeitsblatt ist dann besonders hilfreich, wenn kaum mehr Lebensbereiche neben der Glücksspielsucht erkannt werden oder der Betroffene durch eine stark invalidierende Biografie nie entsprechende Lebensbereiche erleben konnte. In diesem Fall muss der Betroffene lernen, dass die Priorisierung eines Bereichs zu Lasten oder Nutzen eines anderen Bereichs geht und entsprechend abwägen. Die Zielformulierungen von pathologischen Glücksspielern erweisen sich oftmals in als unzureichend, da die Bewältigung der suchtspezifischen Folgen wie Verschuldung, Vertrauensmissbrauch, Arbeitslosigkeit oder laufende Strafverfahren in der Zielformulierung meist vergessen werden. Die von den Spielern zu Recht formulierten Positiv -Ziele können jedoch erheblich in ihrer Umsetzung von den noch zu bewältigenden Folgen der Spielsucht gestört werden. Um hier Enttäuschungen und demotivierende Erfahrungen zu ersparen, sollte der Behandler diese Aspekte in der Zielformulierung undbedingt berücksichtigen. Ziel der Arbeitsblätter Zielformulierung : die Ausformulierung positiv gerichteter alternativer Lebensinhalte zum Spielen. V Arbeitsmaterialien Hinweise zur Verwendung der Arbeitsblätter S.2
Arbeitsblätter Protokolle Protokolle oder auch sogenannte Symptom-Tagebücher sind hilfreiche Methoden zur verbesserten Verhaltensbeobachtung und Selbstwahrnehmung der verschiedenen Symptome und ihrer situativen Auslöser. Im Fall der Glücksspielsucht bezieht sich dies auf ein Spielverlangen, das in bestimmten Situationen auftritt bzw. sich unter bestimmten Bedingungen verstärkt. Am häufigsten werden Tagebücher zur Rückfallbearbeitung bzw. prävention eingesetzt. Die Protokolle helfen durch ihre Vorgaben, die jeweilige (Rückfall-) Situation sehr genau zu analysieren. Das Tagesprotokoll ermöglicht eine sehr genaue Darstellung bei häufigem Auftreten des Suchtdrucks. Das Wochenprotokoll kann verwendet werden, wenn das Spielverlangen bereits reduziert auftritt. In beiden Protokollen sind die verschiedenen Spalten wie folgt definiert: Zunächst wird in der ersten Spalte die Situation beschrieben, die unmittelbar vor Anstieg des Suchtdrucks bestand, z. B.: Kritisiert worden vom Vorgesetzten, von einem Elternteil zurück gewiesen worden, Streit mit der Ehefrau usw. In den nächsten drei Spalten beschreibt der Spieler, welche Gedanken ihm aufgrund der Situation durch den Kopf gingen (z.b.: Immer bin ich der Dumme, Was haben die alle gegen mich, Ich bin es nicht wert, dass man mich respektiert etc.), was er dabei gefühlt hat (z.b. Ärger, Traurigkeit, Scham etc.) und wie der Körper darauf reagiert hat (z.b. Anspannung, Herzklopfen, Magenschmerzen etc.). In der nächsten Spalte schreibt der Betroffene auf, was er in der Situation dann tatsächlich gemacht hat, z. B.: Spielen gehen. Das heißt, dass es in einem der drei vorausgegangenen Spalten den Impuls gegeben haben muss: Spielen könnte jetzt eine gute Lösung sein. Meist ist es ein Gedanke, der zum Spielen motiviert, es kann aber auch ein Gefühl sein oder eine Körperempfindung. Wichtig ist, diesen handlungsleitenden Impuls zu erkennen, denn er ist für das anschließende Verhalten verantwortlich. In der letzten Spalte ( Situation danach ) werden die Konsequenzen des Verhaltens beschrieben, z.b. den Streit vermieden, negative haben Gefühle sich verringert, Spieldruck hat nachgelassen etc. Durch die Konsequenzen wird ersichtlich, warum das Verhalten einen gewissen Vorteil hat und deshalb beibehalten wird. Die Vorteile bestehen aber meist nur kurzfristig und werden von langfristigen negativen Folgen abgelöst. Abschließend kann das Protokoll aufzeigen, an welchen Stellen dysfunktionale Strategien zur Problemlösung angewandt werden, also z. B.: welche Gedanken oder Verhaltensweisen letztlich zu einem Rückfall geführt haben. In einem nächsten Schritt sollen diese durch funktionale Strategien ersetzt werden. Ziel der Arbeitsblätter Protokolle : das Aufzeigen der Häufigkeit von Spielrückfallsituationen sowie die Möglichkeit eines quantitativen Vergleichs über den Therapieverlauf, Rückfallverhinderung durch Situationsanalysen von Rückfallsituationen sowie das Bewusstwerden der handlungsleitenden Impulse und der aufrechterhaltenden Bedingungen. Erarbeitung alternativer und funktionalerer Verhaltensreaktionen in Rückfallsituationen. Arbeitsblätter Geldmanagement Die meisten Spieler haben im Laufe ihrer Suchterkrankung jeglichen Überblick über ihre finanzielle Situation verloren. Die nachfolgend beschriebenen Arbeitsblätter sollen - als Ergänzung zu den bereits im Praxishandbuch aufgeführten Arbeitsblättern Monatlicher Haushaltsplan, Schuldenaufstellung und Ausgabenprotokoll - helfen, den Überblick über die Einnahme- und Ausgabensituation zurück zu erlangen. Das Arbeitsblatt Ausgabenprotokoll erfasst alle Ein- und Ausgaben eines Tages und unterteilt sie in entsprechende Bereiche (z.b. Ausgaben für Kleidung, Rauchwaren, Kaffee, Anschaffungen etc.). Diese Auflistung entspricht einem Haushaltsbuch und verhilft im zweiten Schritt zu bewussten Kaufentscheidungen und Preisvergleichen. Dabei soll zudem berücksichtigt werden, wie viel Haushalts- V Arbeitsmaterialien Hinweise zur Verwendung der Arbeitsblätter S.3
geld der Spieler an diesem Tag zur Verfügung hatte und wie viel er nach Abzug der heutigen Ausgaben für den nächsten Tag als zur Verfügung stehendes Geld übertragen kann. Das Arbeitsblatt Monatlicher Haushaltsplan erfasst zudem alle monatlichen Fixkosten, wie Wohnungsmiete, Abgaben für Nebenkosten, Telefon, Auto, Versicherungen und Altersvorsorge. Bei der Bearbeitung dieses Blattes wird häufig deutlich, dass viele Spieler ihre Fixkosten gar nicht oder nur ungenau kennen und zudem Sparrücklagen als Spielgeld zweckentfremdet wurden. Neben der Beschäftigung mit der tatsächlichen finanziellen Situation bietet dieses Arbeitsblatt die Möglichkeit einer Edukation über verschiedenste Geldumgangsformen. Weiterhin ermöglicht es eine realistische Einschätzung der Schuldentilgung, wobei eine gewisse Summe als Taschengeld zur freien Verfügung eingeplant werden sollte. Das dritte Arbeitsblatt Schuldenaufstellung bietet die Möglichkeit, alle Gläubiger sowie die offenstehenden bzw. bereits getilgten Schuldenbeträge, Rechnungen und Zahlungsrückstände aufzulisten. Hierbei sollen auch private Gläubiger genannt werden, auch wenn diese bislang keine Rückzahlungsforderungen geäußert haben oder sogar von ihrem Geldverlust nichts wissen, wie z. B.: die minderjährigen Kinder, deren Sparbücher geplündert wurden oder die Ehefrau, die ihren verpfändeten Erbschmuck noch nicht vermisst hat. An dieser Stelle ist es wichtig, dass der Behandler sehr genau nachfragt, da es sich um ein sensibles und schambesetztes Thema handelt, das Spieler gerne oberflächlich abgehandelt haben wollen. Die Schuldenregulierung sollte durch professionelle Schuldenberater erfolgen, jedoch sind die folgenden psychologischen Aspekte bei diesem Thema für die Beratung relevant: Vertrauensmissbrauch, Verantwortungsübernahme, Geiz oder auch Selbstfürsorge. Beim Schuldenabbau sollte darauf geachtet werden, dass neben der Rückzahlung selbst kleinster Beträge an private Gläubiger zum Vertrauensaufbau auch ein gewisser Betrag zur eigenen freien Verfügung ( Taschengeld ) eingeplant wird, damit positive Freizeitaktivitäten, wie z. B.: ins Kino oder Schwimmbad gehen, sich eine CD kaufen etc. möglich werden. Ziel der Arbeitsblätter Geldmanagement : Überblick erhalten über die aktuelle Einnahmen- und Ausgabensituation, Regulierung des Kaufverhaltens entsprechend der finanziellen Verhältnisse, Schuldenregulierung und Edukation über Geldumgangsformen. V Arbeitsmaterialien Hinweise zur Verwendung der Arbeitsblätter S.4
Arbeitsblatt Konfliktherde Einstellungen und Werte Häufige Rückfallauslöser sind Konfliktsituationen mit nahestehenden Personen, wobei sich nach einer gewissen Zeit bestimmte Streitthemen wiederholen. Mit dem Arbeitsblatt Konfliktherde Einstellungen und Werte soll das eigene Streitverhalten analysiert und reflektiert werden: Was sind meine zugrunde liegenden Einstellungen zu wesentlichen Themen wie Geld, Haushaltsführung oder Partnerschaft?, Welche Einstellungen habe ich bereits in meiner Kindheit entwickelt oder von meinen Eltern übernommen?, Welche Streitkultur herrschte in meinem Elternhaus?, Was bedeutet Streit für mich und wie verhalte ich mich, wenn es zum Streit kommt?, Trägt mein Streitverhalten möglicherweise zu einer Verschärfung der Konfliktsituation bei? Eine genaue Analyse der wiederkehrenden Konflikt- und Streitthemen sowie des eigenen Streitverhaltens kann zugrunde liegende Bedürfnisse oder Verhaltensmuster erkennbar werden lassen und den Teufelskreis aus Konfliktvermeidung und Spielverhalten offenbaren. So könnte es zum Beispiel sein, dass jemand in der Kindheit immer wieder die Erfahrung gemacht hat, im Streit von Stärkeren übervorteilt worden zu sein. Als erwachsener Mensch tritt er gegebenenfalls unnötig aggressiv auf, um stärker zu wirken und nicht erneut übervorteilt zu werden, zieht aber genau dadurch letztlich immer den Kürzeren, weil andere ihn wegen dieser Aggressivität ablehnen. So wiederholt diese Person unbewusst seine früheren Negativerlebnisse und verfestigt sein negatives Selbstbild. Die damit verbundenen Selbstzweifel können den nächsten Spielrückfall bedingen. Ziel des Arbeitsblatts Konfliktherde Einstellungen und Werte : eigene Streit- und Konfliktmuster erkennen und modifizieren, um zufriedenstellendere Sozialkontakte zu haben und rückfallauslösende Situationen zu minimieren. V Arbeitsmaterialien Hinweise zur Verwendung der Arbeitsblätter S.5