Cassis Kilian Schwarz besetzt. Postcolonial Studies Band 14



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Transkript:

Cassis Kilian Schwarz besetzt Postcolonial Studies Band 14

Cassis Kilian (Dr. phil.) lehrt Ethnologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Afrikanischer Film und Darstellende Kunst.

Cassis Kilian Schwarz besetzt Postkoloniale Planspiele im afrikanischen Film

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 2012 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: tosini / photocase.com Lektorat: Cassis Kilian Korrektorat: Marc Niemeyer Satz: Sarah Neumann Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2142-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: info@transcript-verlag.de

Inhalt Dank 7 Vorbemerkung 9 Einleitung 13 I DIE BESETZUNG SOZIALER WEISSER ROLLEN 1. Perspektivwechsel 35 1.1 LES MAÎTRES FOUS 36 1.2 XALA 57 1.3 Diagnosen 77 2. Peau noire, masques blancs 81 2.1 ET LA NEIGE N ÉTAIT PLUS 83 2.2 BOUBOU CRAVATE 93 2.3 Rückbesinnung? 103 3. Of Mimicry and Man 105 3.1 MOI ET MON BLANC 108 3.2 OSUOFIA IN LONDON 118 3.3 Kontinuitäten und Brüche 133 4. Blurred Genres 137 II DIE BESETZUNG WEISSER THEATERROLLEN 5. Differenzen? 151 5.1 LAMBAAYE 153 5.2 HYÈNES 175 5.3 A WALK IN THE NIGHT 196 5.4 Konvergenzen 210 6. Lokalisierungen 213 6.1 KARMEN GEÏ 218 6.2 U-CARMEN EKHAYELITSHA 227 6.3 Ikonisierungen 234

7. Spielräume 239 III DIE BESETZUNG WEISSER FILMROLLEN 8. Schwarze Cowboys 253 8.1 Mambétys Western 265 8.2 Kouyatés Western 275 8.3 Sissakos Western 284 8.4 Gewaltverzicht 290 9. Remakes 297 9.1 Ein Remake von PREDATOR 302 9.2 Ein Remake von TITANIC 314 9.3 Lebendige Medien 327 10. Umkämpfte Medienlandschaften 331 10.1 LE COMPLOT D ARISTOTE 333 10.2 IBRO SADDAM 347 10.3 Werbestrategien 357 11. Sichtbarkeit 363 Schluss 365 Literatur 373 Konferenzen und Seminare 391 Visuelle Medien 393

Dank Den Druck dieses Buches hat die inneruniversitäre Forschungsförderung der Universität Mainz unterstützt. Das Zentrum für Interkulturelle Studien (ZIS), der Forschungsfonds der Johannes Gutenberg-Universität und das Forschungszentrum für Sozial- und Kulturwissenschaften Mainz (SoCuM) haben mich gefördert, obwohl ich als spät berufene Wissenschaftlerin nicht geradlinig auf eine Promotion zumarschiert bin, sondern den Umweg über das Theater genommen habe. Herzlichen Dank! Ohne das Vertrauen, das mein Doktorvater Matthias Krings in mein Projekt hatte, ohne seine engagierte, kluge Betreuung wäre ich allerdings gar nicht so weit gekommen. In den vielen Gesprächen, die ich mit ihm zu Trance, Video und anderen für meine Arbeit relevanten Themen führte, hat er mich mit seiner Begeisterungsfähigkeit angesteckt, und so habe ich tatsächlich immer gerne am Schreibtisch gesessen. Ute Fendler hat den afrikanischen Film und seine Regisseurinnen und Regisseure ins verschneite Bayreuth geholt. Ich danke ihr, dass sie sich trotz ihrer vielen Verpflichtungen spontan bereit erklärt hat, meine Zweitgutachterin zu werden. Die thematische und methodische Vielfalt am Institut für Ethnologie und Afrikastudien in Mainz war für mich sehr inspirierend. Ein besseres Umfeld hätte ich mir nicht wünschen können: Anna-Maria Brandstetter brachte mich durch einen Dschungel von Studienordnungen schnell auf den richtigen Weg. Carola Lentz und Thomas Bierschenk hatten, obwohl beide andere Felder bearbeiten, immer großes Interesse an meiner Forschung. Oft beflügelten mich die Gespräche mit Jan Beek, Claudia Böhme, Nora Brandecker, Jan Budniok, Hauke Dorsch, Sarah Fichtner, Tine Fricke, Mirko Göpfert, Godwin Kornes, Manfred Loimeier, Andrea Noll und Anja Oed. Sehr anregend waren die immer geistreichen, oft lustigen Kommentare von Eva Spies. Danken möchte ich insbesondere den afrikanischen Gästen und Doktoranden des Instituts: Onookome Okome, Melvice Asohsi, Papa Oumar Fall, Gabin ogo und Clarisse Tama, ihr vor allem für ihre interessanten Anmerkungen zu den Themen Frauen und Bildung.

8 SCHWARZ BESETZT Außerdem waren mir einige Wissenschaftler anderer Fachbereiche eine große Hilfe: Mein Dank gilt Marie-Hélène Gutberlet, Thomas Klein, Friedemann Kreuder, Maren Lickhardt, Véronique Porra, Brigitte Schultze, Johannes Ullmaier und einem meiner wichtigsten Gesprächspartner: Abbé Beterbanfo Modeste Somé. In der interdisziplinären Doktorandengruppe von SoCuM konnte ich zentrale Thesen zur Diskussion stellen. Mein Übersetzer Ekililou Godje hat mir wichtige Impulse bei der Analyse der nordnigerianischen Videos gegeben. Von einer ganz anderen Warte konnte ich mein Thema mit Schauspielern und Regisseuren betrachten: Dank an Nisma Cherrat, Elke Czischek, Rainer Furch, Susanne Hake, Susanne Schwarz, Erika Skrotzki und Christiane Zerda. Die Regisseure Jean-Pierre Bekolo, Joseph Gaï Ramaka und Moussa Seydi haben mir Material zur Verfügung gestellt, das ich mir allein kaum hätte beschaffen können. Ich bin sehr froh, noch mit einem der Pioniere des afrikanischen Films, dem mittlerweile verstorbenen Mahama Johnson Traoré, gesprochen zu haben. Jaenick le Naour und Véronique Joo Aisenberg haben mir das Filmarchiv von Culturesfrance erschlossen. Sarah Neumann und Marc Niemeyer haben dankenswerterweise einen kritischen Blick auf die Formalia geworfen. Seit Langem begleitet mich meine Freundin Christina Schreiber. Ihr und meinem Mann Ulrich Namislow verdanke ich viel: Sie hat mir außerhalb der Universität einige Steine aus dem Weg geräumt, er hat mir beigebracht, konzeptuell zu denken, und mich gelegentlich vom Schreiben abgehalten.

Vorbemerkung Man besetzt die Rollen falsch und gedankenlos. Als ob alle Köche dick, alle Bauern ohne Nerven, alle Staatsmänner stattlich wären. Als ob alle, die lieben, und alle, die geliebt werden, schön wären! BERTOLT BRECHT: DER MESSINGKAUF 1 Das Thema dieser Untersuchung beschäftigte mich schon lange, bevor mir der Gedanke kam, eine Doktorarbeit zu schreiben. Ich war damals noch hauptberuflich Schauspielerin. In den Casting-Agenturen, die ich seinerzeit frequentierte, saß ich meist netten Frauen 2 gegenüber, die genauso gut oder noch besser als ich wussten, dass die Besetzung von Fernsehserien nach zweifelhaften Kriterien verläuft dies zu ändern stand nicht in ihrer Macht. Es blieb den Casterinnen wie den meisten, die mit Fernsehen ihr Geld verdienen, nichts anderes übrig, als permanent an der Reproduktion von Klischees mitzuarbeiten mir selbst ging es nicht anders. Meine Beraterin bei der zentralen Bühnen-, Film und Fernsehvermittlung des Arbeitsamtes, kurz ZBF genannt, ging die Sache pragmatisch an. Ich war bereits im schwierigen Besetzungsalter, das bei Frauen mit 30 beginnt und (wenn überhaupt) mit 60 endet. Mit einer Leibeslänge von 1,77 war ich für die kleineren Männer, von denen es unter Schauspielern viele gibt, zu groß. Frauen sollen vor der Kamera auch heute noch kleiner sein als der Mann, dem sie gegenüberstehen. 3 Die Welt will belogen werden, bemerkte meine Beraterin von der ZBF trocken und treffend, und so 1 Brecht [1937-1951] 1994: S. 856. 2 Die meisten Casterinnen sind weiblich. 3 Im Theater bestimmt diese Konvention die Besetzungsentscheidung in noch größerem Maße. Als ich für meine Magisterarbeit die sehr große und sehr erfolgreiche Wiebke Puls interviewt habe, sagte sie mir, dass weder sie selbst noch ihre Schauspiellehrer geglaubt hätten, dass sie jemals als Schauspielerin arbeiten könnte. Sie hatte zunächst eine Karriere als Performerin und Sängerin im Auge.

10 SCHWARZ BESETZT machte sie mich für ihre Kartei sieben Jahre jünger und zwei Zentimeter kürzer. Da ich eine Mannequinfigur und ausgeprägte Backenknochen habe, tauge ich im deutschen Fernsehen weder zur Mutter noch zur Putzfrau. Meine Lippen sind zu voll, als dass ich als Anwältin, Lehrerin oder Ärztin durchgehen könnte. Zu sinnlichen Lippen passen in Vorabendserien auch keine Partnerprobleme. Wie es das Klischee will, gehört zu einer dicken Lippe eine stattliche Oberweite. Mit Körbchengröße A habe ich diesbezüglich leider wenig anzubieten, also wurde mein BH mit Nylonstrümpfen gefüllt. Besetzt wurde ich in dieser Zeit meist als Edelschlampe, daher war ich auf den Demobändern, mit denen ich mich bewarb, auch fast ausschließlich in dieser Rolle zu sehen. Oft waren die Regisseure 4 allerdings enttäuscht, wenn ich ungeschminkt und mit Zopf erschien so viel Phantasie, sich vorzustellen, wie ich aussehen würde, wenn ich aufgedonnert und ausgestopft aus den Händen der Kostüm- und Maskenbildnerinnen komme, hatten sie offensichtlich nicht. Keine Regel ohne Ausnahmen, doch im Großen und Ganzen hatte ich mich weit von dem Motiv entfernt, das mich seinerzeit bewogen hatte, mich an einer Schauspielschule zu bewerben. Wie die meisten, die diesen Beruf anstreben, hatte mich die Überschreitung vermeintlicher Grenzen gereizt, die ich mir von der Übernahme möglichst unterschiedlicher Rollen erhoffte. Gerade hatte ich im Besetzungsbüro von Grundy UFA wieder einmal meine Haut zu Markte getragen und schlenderte schlechter Laune durch Babelsberg, als ich im Glaskasten der dortigen Filmhochschule die Ankündigung eines Blockseminars mit dem Ethnologen Jean Rouch sah. Ich hatte vor meiner Schauspielausbildung zwar ein paar Semester Ethnologie im Nebenfach studiert, aber der Name sagte mir nichts. Doch weil ich mit Wehmut an die Uni zurückdachte, entschloss ich mich kurzerhand, an diesem Seminar teilzunehmen. 5 Als mir jemand zutuschelte, da kommt auch Schlöndorff, dämmerte mir zwar, dass es sich bei diesem filmenden Ethnologen wohl um eine renommierte Persönlichkeit handeln musste, ansonsten war ich völlig unvorbereitet. In dieser Verfassung sah ich zum ersten Mal den Film LES MAÎTRES FOUS aus dem Jahre 1955. 6 Ich erinnere mich zwar weder an Rouchs Einführung noch an die anschließende Diskussion, aber sehr gut an meine Gefühle während des Films: Noch nie hatte mich eine Performanz auf einer Leinwand so beeindruckt wie die der nigrischen Wanderarbeiter, die sich dort in Trance den Geistern ihrer weißen Kolonialherren als Medien zur Verfügung stellten. Während meiner Schauspielausbildung und in der freien Arbeit hatte ich mich mit Fas- 4 Fernsehregisseure sind meist männlich. 5 Werkstattkurs. Das Lebenswerk Jean Rouchs [in Anwesenheit Jean Rouchs], 29.- 30.06.2000, Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) Konrad Wolf Potsdam- Babelsberg. Ich verdanke meine Teilnahme der Vermittlung von Susanne Hake. 6 LES MAÎTRES FOUS, Frankreich/Ghana 1955, R.: Jean Rouch.

VORBEMERKUNG 11 zination und Angst weit in Grenzbereiche vorgewagt. Vor diesem Hintergrund nötigte mir die mentale und körperliche Disponibilität der Medien, die da als britischer Kommandant, als Lokomotive und als Frau eines Arztes agierten, tiefe Bewunderung ab. Seither fasziniert mich die Dekonstruktion westlicher Besetzungskriterien in Afrika: Keine mir bekannte Casterin, kein mir bekannter Regisseur wäre je auf die Idee verfallen, einen schwarzen Mann eine europäische Arztgattin spielen zu lassen. Die Performanz der Medien war für mich richtungweisend, weil mir die Grenzüberschreitung der nigrischen Wanderarbeiter ein Paradigma für das dem Menschen Mögliche zu sein schien. Man kann die erste Begegnung mit dem Thema meiner Doktorarbeit als produktives Missverständnis qualifizieren der sich mir aufdrängende Vergleich zwischen dem Tranceritual der afrikanischen Arbeitsmigranten und meiner Arbeit in Fernsehserien war unzulässig. Aber mein wissenschaftlicher Blick auf die Performanzen meiner afrikanischen Kolleginnen und Kollegen ist immer noch maßgeblich von meinen eigenen Erfahrungen als Schauspielerin geprägt.

Einleitung Der Kinematograph ist eine Maschine, die, auf ihre Art, lebendigen und konkreten Internationalismus schafft: die einzige und gemeinsame Psyche des weißen Menschen. Und mehr noch. Indem der Film ein einheitliches Schönheitsideal als allgemeines Ziel der Zuchtwahl suggeriert, wird er einen einheitlichen Typus der weißen Rasse bewirken. BÉLA BALÁZS: DER SICHTBARE MENSCH ODER DIE KULTUR DES FILMS. 1924 1 Rollen, die in Europa und den USA nur mit weißen Darstellern besetzt werden, heißen in der Filmbranche white roles weiße Rollen. 2 Kaum einen Tag nach der Wahl von Obama zum Präsidenten der USA kam im Deutschland-Funk die Meldung, dass man jetzt in Erwägung ziehe, James Bond mit einem schwarzen Schauspieler zu besetzen. 3 In Afrika war man da schon weiter: Seit Anfang der 1960er- Jahre gibt es afrikanische Filme, und seither übernehmen schwarze Darsteller in Afrika weiße Rollen. Die Schauspieler dekonstruieren damit eine Besetzungskategorie, die auf einer Signifizierung der Hautfarbe gründet, 4 und die afrikanischen Regisseure nutzen diese weißen Rollen als eine Verhandlungsplattform, auf der sie den Umgang mit postkolonialen Gegebenheiten erproben. Aber lohnt es sich wirklich, diesem Phänomen eine Untersuchung von mehr als 300 Seiten zu widmen? Wenn eine schwarze Besetzung von James Bond nur denkbar ist, weil Obama zum Präsidenten gewählt wurde, dann heißt das doch, dass die Realität in die Medien hineinwirkt und nicht die Medien in die Realität? Ein Gegenbeispiel, ebenfalls aus 1 Balázs [1924] 2001: S. 22 [Hervorhebung im Original]. 2 Hondo 1986: 48/49. 3 Deutschland-Funk: Kultur nach drei, 06.11.2008. 4 Vgl. Wiegman 1998: S. 158ff.

14 SCHWARZ BESETZT der amerikanischen Politik: Wäre Schwarzenegger je Gouverneur geworden, wenn er sich den kalifornischen Wählern nicht vorher als Actionikone empfohlen hätte? Just dieser Schwarzenegger wird gleich in mehreren afrikanischen Filmen umbesetzt, natürlich mit schwarzen Schauspielern... Die Übernahme weißer Rollen im afrikanischen Film so die zentrale These dieser Untersuchung destabilisiert westliche Definitionshegemonien und entfaltet eine wirklichkeitskonstituierende Wirkung, weil schwarze Akteure neue Handlungsspielräume erkunden können: Die weiße Rolle wird zum Imaginationsraum, der die Inszenierung von Planspielen ermöglicht, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des afrikanischen Films ziehen. Weiße Rollen Der dem Filmjargon entlehnte heuristische Begriff der weißen Rolle bezeichnet im Rahmen dieser Untersuchung ein Differenzkonzept. Die Besetzung weißer Rollen mit schwarzen Darstellern schafft als eine evidente Entdifferenzierung neue Realitäten und kann damit als performativer Akt gelten. Gerade Wissenschaftler, die sich mit Alteritätskonstrukten beschäftigen, tun gut daran, die verwendete Begrifflichkeit kritisch zu hinterfragen. Ein problematisches Unterfangen: Wer über Rassismus schreibt, muss die Gruppe der Betroffenen bezeichnen. Man gerät aber damit in den Verdacht, das Konstrukt festzuschreiben, das man dekonstruieren will. 5 So ist die ausgiebige Verwendung der Adjektive schwarz und weiß in dieser Untersuchung durchaus kritisierbar, da sie letztlich auf das one drop -Konzept rekurriert, das in den USA die Klassifizierung Schwarzer bestimmt hat. 6 Das Problem stellte sich auch für den Filmwissenschaftler Richard Dyer, als er die Konstruktion der weißen Normen im amerikanischen Film untersuchte: Er sieht keinen Ausweg aus diesem Dilemma. 7 Kaum weniger problematisch sind die Adjektive afrikanisch und westlich, ohne die ich aber genauso wenig auskomme: Durch die Verwendung dieser Adjektive ist die Gefahr gegeben, essentialisierende Vorstellungen von Kultur zu evozieren. 8 Alle hier 5 Viele Autoren relativieren problematische Begriffe durch Anführungszeichen oder akzentuieren sie im Gegenteil durch Großschreibung (z.b. Cherrat 2005). Das erschwert die Lesbarkeit und wirkt auf die Dauer ermüdend, aus diesem Grund habe ich vollständig auf derartige Hervorhebungen verzichtet. 6 Differenziertere Unterteilungen von Hautfarben sind nicht weniger rassistisch. Vgl. dazu: Dyer 1995: S. 151. 7 Vgl. Dyer 1995: S. 152/153. 8 Der Gebrauch der Adjektive afrikanisch und westlich schreibt Konzepte kultureller Differenz fest. Die Problematik, die mit dem inflationären Gebrauch des Begriffs Kultur