Soziokulturelle Faktoren in der Sterbebegleitung



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Transkript:

Universitätslehrgang Palliativ Care Vertiefungslehrgang Palliativpflege Stufe II 2011 an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg Soziokulturelle Faktoren in der Sterbebegleitung Leitfaden für das Tageshospiz Salzburg Name: Sylvia Meder Adresse: Ulrich Schreier Str. 3/7 5020 Salzburg Betreuerin: Meike Schwermann Abgabedatum: 25. 9. 2011

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 1. 1. Methode 4 2. DER ISLAM 5 2. 1. Die Bedeutung des Islams 5 2. 2. In welchen Ländern ist der Islam am häufigsten vertreten? 6 2. 3. Die Bedeutung von Gesundheit und Krankheit im Islam 6 2. 4. Besonderheiten im Umgang mit muslimischen Patienten/Patientinnen 7 2. 4. 1. Besonderheiten bei der Körperpflege 8 2. 5. Hilfreiches Verhalten im Umgang mit Sterbenden 9 2. 6. Umgang mit Verstorbenen 10 2. 7. Abschiedsrituale und Bestattung 11 2. 7. 1 Rituelle Waschung 11 2. 7. 2. Totengebet/Totenfeier 12 2. 7. 3. Die Bestattung 12 2. 8. Trauerrituale 13 3. DAS JUDENTUM 14 3. 1. Die Bedeutung des Judentums 14 3. 2. In welchen Ländern ist das Judentum am häufigsten vertreten? 15 3. 3. Die Bedeutung von Gesundheit und Krankheit im Judentum 15 3. 4. Besonderheiten im Umgang mit jüdischen Patienten/Patientinnen 15 3. 4. 1. Hygienevorschriften 15 3. 4. 2. Speisevorschriften und Bekleidung 16 3. 4. 3. Gebetsrituale und Sabbatgebote 17 3. 4. 4. Kommunikation 18 3. 5. Hilfreiches Verhalten im Umgang mit Sterbenden 19 3. 6. Umgang mit Verstorbenen 20 3. 7. Abschiedsrituale und Bestattung 21 3. 8. Trauerrituale 22 2

4. DER BUDDHISMUS 24 4. 1. Die Bedeutung des Buddhismus 24 4. 2. In welchen Ländern ist der Buddhismus am häufigsten vertreten? 25 4. 3. Die Bedeutung von Gesundheit und Krankheit im Buddhismus 25 4. 4. Besonderheiten im Umgang mit buddhistischen Patienten/Patientinnen 26 4. 5. Hilfreiches Verhalten im Umgang mit Sterbenden 27 4. 6. Umgang mit Verstorbenen 28 4. 7. Abschiedsrituale und Bestattung 28 4. 8. Trauerrituale 29 5. Schlusswort 31 6. Literaturverzeichnis 32 7. Bestätigen des selbstständigen Verfassens der Arbeit 34 8. Anhang 35 3

1. Einleitung Im Tageshospiz Salzburg betreue ich vorwiegend Menschen mit christlichem Glauben. Patienten/Patientinnen mit anderem Glaubenshintergrund kommen eher selten vor. Hier stellte ich jedoch rasch fest, dass sich im Umgang mit diesen Patienten und Patientinnen und deren Angehörigen einige Unterschiede aufzeigen. Jede einzelne Religion weist ihre Besonderheiten im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer auf. Viele Kulturen betrachten den Tod nicht als endgültiges Ende ihrer Existenz oft wird an ein Leben danach oder ein Leben in einer anderen Form (z.b. Leben im Paradies) geglaubt. Der Tod wird als eine Art Übergang oder Verwandlung betrachtet und dies beeinflusst die gläubige Person bereits das ganze Leben. Da es in den letzten Jahren immer mehr Multikulturalisierung unserer Gesellschaft gibt, ist es besonders für uns Pflegepersonen wichtig, sich mit den verschiedenen Religionen und Ritualen auseinanderzusetzen, um eine optimale Versorgung gewährleisten zu können. Meine Fragestellungen sind: Welche Unterschiede in der Sterbebegleitung gibt es zwischen den einzelnen Kulturen? und Worauf muss in der Pflege Sterbender mit anderem Glaubenshintergrund geachtet werden?. Anhand dieser Projektarbeit, möchte ich mir Wissen über die verschiedenen Kulturen aneignen, um künftig in meiner Arbeit im Tageshospiz Salzburg besser auf die speziellen Bedürfnisse unserer PatientInnen eingehen zu können. 1. 1. Methode Das gewählte Thema bearbeite ich mit Hilfe einer Literaturarbeit, welche es mir ermöglicht, Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammenzutragen. Um dieses umfangreiche Thema ein wenig einzugrenzen, habe ich drei Glaubensrichtungen ausgewählt, welche neben dem Christentum am ehesten in Salzburg vorkommen: der Islam, das Judentum und der Buddhismus. Eine Gliederung soll helfen, klare Übersicht über die drei Religionen zu schaffen. Die Struktur dieser Gliederung ist in jeder von mir vorgestellten Religion gleich und soll zunächst aufzeigen, wo welche Religion am Häufigsten vorkommt, welche Bedeutung Krankheit und Gesundheit haben und geht dann über in die wichtigsten 4

Aspekte der Pflege und Betreuung von Patienten und Patientinnen mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Außerdem wird erklärt, wie die Versorgung von Verstorbenen gehandhabt wird und welche Bestattungs- und Trauerrituale es gibt. Diese Gliederung soll leicht verständlich sein und einen schnellen Überblick verschaffen, wenn im Pflegealltag Fragen zu dieser Thematik auftauchen. 2. Der Islam 2. 1. Die Bedeutung des Islams Der Islam ist mit circa 1,57 Milliarden Anhängern die zweitgrößte Weltreligion nach dem Christentum. (Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/islam) Er ist eine monotheistische Religion (Glaube an einen einzigen Gott) und die Gläubigen werden als Moslems oder Muslime bezeichnet (männliche Form: Moslem, weibliche Form: Muslima). Im Islam gibt es nur einen Gott: Allah. Er wird als der Eine Gott, als unteilbar, der Allmächtige, der Allwissende, der Gütige, der Gnädige oder der wahrhaftige bezeichnet. (Vgl. Lenthe 2011, 61; vgl. auch Domenig 2007, 71; vgl. auch islam.de/72.php) Der Islam beruht auf dem Koran das Wort Gottes. Nach islamischer Überlieferung erschien dem Propheten Mohammed der Erzengel Gabriel. Dieser diktierte ihm die göttliche Offenbarung des Korans. (Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/islam; vgl. auch Lenthe 2011, 62; vgl. auch Domenig 2007, 71) Im Koran werden die fünf Säulen des Islams beschrieben. Diese stellen die Grundpflichten jedes/jeder Gläubigen dar: 1. Schahada : (islamisches Glaubensbekenntnis) Es gibt nur den Einen Gott 2. Salat : Fünf Mal am Tag beten (Vor Sonnenaufgang, am Mittag, am Nachmittag, nach Sonnenuntergang und in der Nacht) 3. Zakat : Almosen an arme Menschen geben, um in das Paradies zu gelangen 4. Hidschra : Fasten am Ramadan (keine feste und flüssige Nahrungsaufnahme und der Verzicht auf Rauchen und Geschlechtsverkehr in der Zeit nach dem 5

Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang, im neunten Monat des islamischen Mondkalenders) 5. Hadsch : Pilgerfahrt nach Mekka (Vgl. Urban 2011, 39; vgl. auch Smith 1994, 303; vgl. auch Domenig 2007, 71; vgl. auch Bausewein + Roller + Voltz 2007, 538) Allerdings leben nicht alle Muslime streng nach diesen Regeln. Beispielsweise beten nicht alle das traditionelle Freitagsgebet, nicht alle Frauen tragen Kopftücher. Die Pilgerfahrt ist außerdem auch von finanziellen Möglichkeiten abhängig. (Vgl. Urban 2011, 39) 2. 2. In welchen Ländern ist der Islam am häufigsten vertreten? Die Menschen in Nordafrika, Pakistan, Iran, Afghanistan, Jordanien, Türkei, Marokko, Indonesien, in Ländern des ehemaligen Jugoslawiens und vermehrt in Zentralasien gehören dem Islam an. (Vgl. Urban 2011, 39) Durch Migration im 20. Jahrhundert gewinnt der Islam auch zunehmend in Westeuropa an Bedeutung. (Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/islam) 2. 3. Die Bedeutung von Gesundheit und Krankheit im Islam Es gibt drei Grundsätze, die das Krankheits- und Gesundheitsverständnis eines Muslims prägen. Diese sind ausschlaggebend für Entscheidungen bei medizinischem Handlungsbedarf im Krankheitsfall: Gesundheit und Krankheit als natürliches Phänomen (Ebene der Natürlichkeit) Der muslimische Glaube versteht Gesundheit und Krankheit als natürliche Phänomene, die sich im Leben regelmäßig abwechseln. Im Koran steht geschrieben, dass Gott weiß, dass es auch Kranke geben würde. In diesem Fall sind die Pflichten eines/einer Muslime aufgehoben. (Vgl. http://kulturgesundheit.de) 6

Gesundheit als Gottesgabe (Ebene der Verantwortung) Im Islam wird der Körper als ein Geschenk Gottes gesehen, welches es zu schützen gilt. Gott ist der Eigentümer des Körpers und jede Person muss im Jenseits entweder für schlechten Umgang büßen oder er/sie wird für einen guten Umgang mit dem Körper belohnt. Unter gutem Umgang werden Körperhygiene und medizinische Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit verstanden. (vgl. http://kulturgesundheit.de) Gesundheit als erforderlicher Zustand für die Pflichten (Ebene der Pflichten) Körperliche und geistige Gesundheit sind die Voraussetzung, um die religiösen Pflichten erfüllen zu können. (Vgl. http://kultur-gesundheit.de) Muslime sollen sich für ihren Glauben stark machen. Krankheit wird als Folge von Nichteinhaltung gesundheitlicher Präventionsmaßnahmen gesehen. Oft wird sie aber auch als eine Prüfung Gottes verstanden, die, wenn sie durchgehalten wird, Sühne und Reinigung von Körper, Geist und Seele bewirkt. (Vgl. Urban 2011, 39) 2. 4. Besonderheiten im Umgang mit muslimischen Patienten/Patientinnen Da viele Muslime glauben, mit einem Krankenbesuch eine gute Tat zu vollbringen, ist es nicht verwunderlich, dass in einem Krankenzimmer eines Muslims häufig viele Besucher anzutreffen sind. Pflegepersonen sollten daher wenn möglich darauf achten, dass der Patient, die Patientin idealerweise in einem Einzelzimmer untergebracht ist. (Vgl. Urban 2011, 40) Es kann vorkommen, dass ein männlicher Verwandter während ärztlicher Untersuchungen anwesend sein möchte, da es nach Vorschriften des Korans als Unsitte gilt, wenn eine Muslima mit einem männlichen Unbekannten alleine in einem Zimmer ist. (Vgl. Urban 2011, 41; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 67) Muslime besitzen ein ausgeprägtes Schamgefühl. Islamische Frauen verhüllen meist ihren gesamten Körper. Das Kopftuch ist bei vielen Muslima fixer Bestandteil der Kleidung, welches selbst bei Arztbesuchen nicht abgenommen wird. Darauf sollte man als Pflegeperson Rücksicht nehmen, da es sonst als Verletzung des Schamgefühls wahrgenommen werden kann. 7

(Vgl. Urban 2011, 41; vgl. auch Zeiß 2003, 11; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 67) Muslimische Männer sind angehalten die Taille bis zum Knie bedeckt zu halten. Bei Gebeten tragen sie eine Kopfbedeckung. Der Ort an dem Muslime ihr Pflichtgebet abhalten, sollte möglichst ohne Kreuz oder sonstigen christlichen Symbolen ausgestattet sein. Kranke und Sterbende sind laut Koran von den Pflichtgebeten befreit. Viele schwerkranke Muslime versuchen dennoch diesen Pflichten nachzukommen, da es für sie sehr tröstlich ist, so lange als möglich beten zu können. (Vgl. Urban 2011, 40) Beim Essen gibt es genaue Vorschriften, was gegessen werden darf (halal = erlaubte Speisen) und was nicht (haram = verbotene Speisen). Dies ist genau im Koran festgelegt. Streng verboten sind: Schweinefleisch, nicht ausgeblutetes Fleisch, Fisch ohne Schuppen, Alkohol in Nahrungsmitteln und die Einnahme jeglicher berauschender Substanzen. (Vgl. Urban 2011, 42, vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 66; vgl. auch Bausewein + Roller + Voltz 2007, 538) Das ist für Pflegepersonen und Ärzte von wichtig, da Alkohol in Medikamenten ebenso verboten ist und etwaige Medikamente bei der Schmerzbehandlung abgelehnt werden könnten. Prinzipiell bevorzugen Muslime selbst zubereitete und mitgebrachte Speisen. Daher ist es sinnvoll, wenn Pflegepersonen die genauen Essenswünsche mit den Angehörigen abklären und diese sofern möglich spezielle Lebensmittel mitbringen, die es in den jeweiligen Einrichtungen nicht gibt. (Vgl. Urban 2011, 42; vgl. auch Lenthe 2011, 64) 2. 4. 1. Besonderheiten bei der Körperpflege Körperliche Reinheit hat im Islam einen sehr hohen Stellenwert. Sie ist nicht nur Reinigung des Körpers sondern Reinigung der Seele und somit Grundvoraussetzung für das fünfmal am Tag stattfindende Pflichtgebet. (Vgl. Urban 2011, 41; vgl. auch Lenthe 2011, 63; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 67) Prinzipiell wird unter fließendem Wasser gewaschen, bei bettlägerigen Patienten/Patientinnen kann aber auch frisches Wasser aus einer Schüssel 8

verwendet werden. Das benutzte Wasser wird in einer zweiten Schüssel aufgefangen, da es als unrein gilt. (Vgl. Urban 2011, 41) Vor jedem Gebet wird eine rituelle Waschung durchgeführt. Hier werden Gesicht, Stirn, Ohren, Hände und Arme bis zu den Ellbogen und die Füße bis zu den Knöcheln gewaschen. Die Nase wird durch Hochziehen von Wasser gereinigt, der Mund wird ausgespült. (Vgl. Urban 2011, 41; vgl. auch Lenthe 2011, 63; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 68) Die rituelle Waschung kann der/die Muslime nur selber tun. Ist er/sie nicht mehr dazu in der Lage, wird lediglich die Körperpflege von einer/einem Verwandten übernommen. (Vgl. Urban 2011, 41) Für Pflegepersonen ist es wichtig zu wissen, dass ein muslimischer Mann nur von einer männlichen Person gewaschen werden darf und muslimische Frauen nur von weiblichen Personen. (Vgl. Urban 2011, 41; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 67) Außerdem wird großen Wert darauf gelegt, sich vor jeder Mahlzeit die Hände zu waschen. Ist die Person bettlägerig, kann es hilfreich sein eine Waschschüssel neben das Bett zu stellen. Badezimmer werden meist mit eigens dafür vorgesehene Schuhe betreten, um diese beim Toilettengang nicht zu beschmutzen; Muslime reinigen nach jedem Toilettengang ihr Geschlechtsteil mit fließendem Wasser. (Vgl. Urban 2011, 41, vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 67) 2. 5. Hilfreiches Verhalten im Umgang mit Sterbenden Muslime betrachten den Tod nicht als Ende des Lebens, sondern als Erlösung von den Prüfungen auf der Erde und als Übergang in ein neues Leben im Paradies. Der Tod gilt als Wille Gottes und wird nicht hinterfragt. Daher wird auch nicht über den Tod gesprochen. So wie das Leben nach den Regeln des Korans ausgerichtet ist, so gibt es auch Vorschriften im Umgang mit Sterbenden. Sterbende Muslime sollen nicht alleine gelassen werden, daher sind immer Familienangehörige, Verwandte oder ein Imam (= Rechtsschaffender Gläubiger, die Anwesenheit eines Imams ist jedoch keine Pflicht) am Sterbebett anwesend. Diese übernehmen die Körperpflege, beten für den/die Sterbende und führen religiöse Riten durch. (Vgl. Zeiß 2003, 15) 9

Der/die Sterbende soll mit erhöhtem Oberkörper, auf der rechten Körperhälfte und mit Blickrichtung nach Mekka gelagert werden. (Vgl. Zeiß 2003, 15; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 68) Falls dies nicht möglich ist, ist auch eine Rückenlagerung erlaubt, die Füße sollen Richtung Mekka zeigen. Die Angehörigen sorgen dafür, dass der/die Sterbende immer ausreichend Wasser zu trinken hat, da nicht durstig gestorben werden darf. (Vgl. Urban 2011, 44) Sterbende Muslime sollen kurz vor dem Tod folgendes Glaubensbekenntnis sagen, dieses gilt als Schlüssel zum Paradies: Es gibt keine Gottheit außer den einen Gott und Muhammed ist sein Gesandter. (Zitat: Urban 2011, 44) Kann der/die Sterbende diese letzten Worte nicht mehr selber sagen, so kann dies von den Angehörigen übernommen werden. (Vgl. Urban 2011, 44; vgl. auch Lenthe, 2011, 66) Die Augen sollen kurz vor dem Tod geschlossen sein. 2. 6. Umgang mit Verstorbenen Unmittelbar nach dem Sterben wird der Kopf des/der Verstorbenen auf die rechte Seite gedreht, damit er/sie später mit dem Gesicht in Richtung Mekka beerdigt werden kann. Mund und Augen werden geschlossen. Von anwesenden Muslimen wird die Sura Ya Sin gelesen. Angehörige drücken ihre Trauer oft laut und klagenreich aus. (Vgl. Zeiß 2003, 17; vgl. auch Urban 2011, 45; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 69) Aus diesem Grund ist es in Einrichtungen sinnvoll, wenn die verstorbene Person in einem Einzelzimmer liegt. Der/die Verstorbene darf prinzipiell nur von Muslimen berührt werden. Pflegepersonen sollten daher aus Respekt vor dem anderen Glauben Einmalhandschuhe tragen, wenn sie den Leichnam berühren. Außerdem ist darauf zu achten, dass der/die Verstorbene nur von Personen gleichen Geschlechts berührt werden dürfen. Männliche Verstorbene von Männern, weibliche Verstorbene von Frauen. 10

Der Leichnam wird von Angehörigen entkleidet, in ein weißes einfaches Tuch gehüllt und anschließend in die Moschee gebracht. Dort wird die rituelle Waschung durchgeführt. Wenn nicht anders möglich, kann der Leichnam auch in der Einrichtung versorgt werden, in der er/sie verstarb. Wobei die rituelle Waschung ausschließlich von gläubigen Muslimen durchgeführt werden darf. Grundsätzlich soll die Bestattung in der Regel innerhalb von vierundzwanzig Stunden erfolgen. (Vgl. Zeiß 2003, 17; vgl. auch Urban 2011, 46; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 69; vgl. auch Bausewein + Roller + Voltz 2007, 540) Pflegepersonen sind gut beraten, wenn sie mit den Angehörigen bereits im Vorfeld über die gewünschten Rituale sprechen, um weitgehend auf die Anforderungen in der Versorgung der verstorbenen Person eingehen zu können. Welche Vorkehrungen zu treffen sind kann davon abhängen, wie streng der Glaube gelebt wird. Da viele Einrichtungen oft nicht auf diese speziellen Anforderungen ausgerichtet sind, empfiehlt es sich die Informationen auch in Einrichtungen islamischer Glaubensgemeinschaften einzuholen. Ansprechpartner in Salzburg ist beispielsweise der Österreichisch-Türkische Islamische Verein. 2. 7. Abschiedsrituale und Bestattung Die Bestattung erfolgt in drei Schritten und ist für gläubige Muslime religiöse Pflicht. Die Reihenfolge ist folgendermaßen einzuhalten: Rituelle Ganzwaschung Totengebet/Totenfeier Beerdigung (Vgl. Zeiß 2003, 18) 2. 7. 1 Rituelle Waschung Die rituelle Waschung ist religiöse Pflicht und soll von Angehörigen gleichen Geschlechts sowie derselben Glaubensrichtung durchgeführt werden. (Vgl. Zeiß 2003, 19; vgl. auch Lenthe 2011, 66) Darauf ist von Pflegepersonen Rücksicht zu nehmen. 11

Über den Ort gibt es keine bestimmten Vorschriften. Die Waschung kann im Krankenhaus, im Bestattungsunternehmen und idealerweise in der Moschee erfolgen. Es ist erforderlich, dass ausreichend Wasser zur Verfügung ist, welches abfließen kann. Außerdem ist es gut, wenn ein Tisch vorhanden ist, auf dem der/die Tote in Leichentücher gewickelt werden kann. (Vgl. Zeiß 2003, 19; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 70) Je nach Tradition kann kaltes oder warmes Wasser, Kampfer- oder Rosenwasser verwendet werden. Die benutzten Handtücher dürfen danach nicht mehr verwendet werden. Nach der Ganzwaschung wird die eigentliche rituelle Waschung durchgeführt. Diese erfolgt gleich wie bei den fünfmal am Tag gehaltenen Pflichtgebeten: Mund, Nasenlöcher, Gesicht, Kopf und Füße werden gereinigt, anschließend die komplette rechte und danach die linke Körperhälfte. Dies geschieht nach den Regeln des Koran drei Mal hintereinander. Danach wird der Körper in weiße Leinentücher gewickelt. Bei Frauen werden fünf Tücher verwendet, bei Männern sind es drei. Der Kopf und die Körpermitte und das Fußende werden mit Stoffstreifen zugebunden. (Vgl. Zeiß 2003, 19; vgl. auch Urban 2011, 45; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 70) 2. 7. 2. Totengebet/Totenfeier Das Totengebet soll laut Tradition auf einem freien Platz (vor der Moschee) stattfinden und ist eine religiöse Gemeinschaftspflicht. Das Gebet wird von einem Vorbeter (Imam) gelesen und besteht aus vier Abschnitten. Der Imam steht bei verstorbenen Männern am Kopfende und bei Frauen am Fußende und hinter ihm die am Gebet teilnehmenden Muslime. (Vgl. Zeiß 2003, 20) Bei der Aufbahrung soll das Gesicht des Leichnams auf der rechten Seite Richtung Mekka liegen. 2. 7. 3. Die Bestattung Der Leichnam wird nach dem Totengebet auf einer Bahre oder einem schlichten offenen Sarg von der Gemeinde auf den Schultern zu Grabe getragen. Die Sargträger wechseln einander beim Tragen ab, da dies als Dienst für Allah gilt. 12

Der Trauerzug wird von einem Imam begleitet und die Teilnehmer sprechen das Totengebet. (Vgl. Zeiß 2003, 21; vgl. auch Elsas 2007, 334) Der Leichnam wird auf der rechten Seite in das Grab gelegt. Das Gesicht zeigt nach rechts in Richtung Mekka, die Füße liegen ostwärts. Am offenen Grab wird nochmals von Angehörigen gebetet und drei Handvoll Erde in das Grab geworfen. Lautes Klagen oder das Halten großer Lobreden sind zu unterlassen. Es ist üblich, dass das Grab von den Angehörigen mit bloßen Händen mit Erde gefüllt wird, nachdem der Leichnam zuvor mit Brettern und einer Decke bedeckt wurde. (Vgl. Urban 2011, 47) Da es Brauch ist den/die Verstorbene(n) ohne Sarg und nur in einem Leintuch gewickelt in geweihter Friedhofserde zu beerdigen, ist es schwierig eine Beerdigung nach Tradition des Islams durchzuführen. In Deutschland und Österreich besteht Sargpflicht, außerdem auch Pflicht der Grabpflege. Nach fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Jahren ist eine Grabauflösung üblich. Im Islam ist es jedoch Brauch, dass ein Grab bis in alle Ewigkeit dem/der Verstorbenen gehört und die Totenruhe unbefristet ist. (Vgl. Zeiß 2003, 21; vgl. auch Urban 2011, 47, vgl. auch Elsas 2007, 335) Aus diesen Gründen ist es oft der Fall, dass der Leichnam in das Heimatland überstellt wird, in dem eine traditionelle Bestattung möglich ist. Muslimische Friedhöfe haben eigens angelegte Grabfelder, welche Richtung Mekka ausgerichtet sind. Die Grabsteine sind schlicht und zeigen Richtung Westen. Grabschmuck und Blumen sind nicht üblich. (Vgl. Zeiß 2003, 22; vgl. auch Elsas 2007, 335; vgl. auch Urban 2011, 47) Um in das Paradies zu gelangen soll der Leichnam unversehrt bleiben. Daher sind Feuerbestattungen im Islam nicht erlaubt. (Vgl. Urban 2011, 46; vgl. auch Kern 2011, 64) 2. 8. Trauerrituale Die Trauerzeit beträgt im Islam vierzig Tage. Die intensivste Zeit sind die ersten drei Tage nach der Beerdigung. In dieser Zeit sollen sich die Trauernden nicht waschen, nicht kämmen und auf Kleiderwechsel verzichten. Die Kleidung wird dunkel gehalten und auf weltliche Freuden wird verzichtet. Die Nachbarn bereiten aus Tradition während dieser Tage die Mahlzeiten zu. Angehörige und Verwandte besuchen sehr häufig das Grab. Besuche bei der trauernden Familie ist religiöse Pflicht. 13

Am vierzigsten Trauertag ist es üblich die Trauerzeit mit einer rituellen Zeremonie zu beenden. (Vgl. Urban 2011, 46; vgl. auch Zeiß 2003, 63; vgl. auch Elsas 2007, 335) Prinzipiell wird die Beerdigung als Ende der Trennung zwischen den Lebenden und dem/der Toten gesehen. Das Grab macht die Wunde kalt (ZITAT Zeiß 2003, 24) 3. Das Judentum 3.1. Die Bedeutung des Judentums Nach religionswissenschaftlicher Definition ist das Judentum die erste und älteste Weltreligion, welche bis zurück in die Antike zu finden ist. Aus dieser Religion entspringt sowohl das Christentum als auch der Islam. Weltweit bekennen sich etwa achtzehn Millionen Gläubige zum Judentum. (Vgl. Domenig 2007, 69; vgl. auch Urban 2011, 47; vgl. auch http//de.wikipedia.org/wiki/judentum) Judentum bedeutet die Gesamtheit aus Kultur, Geschichte, Religion und Tradition. Das jüdische Volk bezeichnet sich selbst als das Volk Israels. Das Judentum ist eine monotheistische Religion (Glaube an einen einzigen Gott). Gott wird als Gott Israels bezeichnet und ist der Schöpfer des Universums. (Vgl. http//de.wikipedia.org/wiki/judentum) Die jüdische Religion basiert auf der Thora (eine Schriftrolle). Diese fußt auf religiöse Überlieferungen des jüdischen Volkes, welche besagen, dass Gott die Thora auf dem Berg Sinai an Moses, dem Befreier Israels aus der ägyptischen Sklaverei, übergab. Jüdische Gemeinden werden von einem Rabbiner geleitet (geistlich und rechtlich) und haben einige Glaubensprinzipien einzuhalten. (Vgl. Lenthe 2011, 78; vgl. auch http//de.wikipedia.org/wiki/judentum) Da grundsätzlich das Leben selbst im Judentum höchsten Stellenwert besitzt, dürfen einige religiöse Gebote zur Erhaltung des Lebens gebrochen werden. (Vgl. http//de.wikipedia.org/wiki/judentum) 14

3. 2. In welchen Ländern ist das Judentum am häufigsten vertreten? Zahlenmäßig ist das Judentum die kleinste Weltreligion. Von etwa dreizehn bis achtzehn Millionen Juden leben rund fünf Millionen in Israel. (Vgl. http://religion.orf.at/judentum; vgl. auch Urban 2011, 47; vgl. auch Lenthe 2011, 77) Etwa fünf bis sieben Millionen leben in den USA, weitere in Südamerika und Russland. Durch den Holocaust im Zweiten Weltkrieg ist die Zahl der Juden in Europa klein. Rund zwölf- bis fünfzehntausend Juden leben in Österreich. (Vgl.http://religion.orf.at/judentum; vgl. auch Lenthe 2011, 77) 3. 3. Die Bedeutung von Gesundheit und Krankheit im Judentum Im Judentum steht die Pflicht der Lebenserhaltung an erster Stelle. Krankheit und Behinderung werden zwar als von Gott gegeben aber auch als Herausforderung gesehen. (Vgl. Zeiß 2003, 5; vgl. auch Urban 2011, 47; vgl. auch Lenthe 2011, 79) MedizinerInnen und Pflegende genießen im Judentum einen hohen Status, da sie sich für die Bewahrung des Lebens einsetzen. Alle therapeutischen und medizinischen Maßnahmen sind erlaubt, ein Therapieabbruch gilt als undenkbar. (Vgl. Zeiß 2003, 5) 3. 4 Besonderheiten im Umgang mit jüdischen Patienten/Patientinnen Im jüdischen Glauben gibt es unzählige Gebote und Verbote, die jedoch im Krankheitsfall gebrochen werden dürfen. 3. 4. 1. Hygienevorschriften Der Körper ist für alle Juden/Jüdinnen ein Geschenk Gottes. Daher gilt die Pflege des Körpers als ein Dienst an Gott. Hygiene und Speisevorschriften dienen der Gesundheitserhaltung. Reinheit bedeutet nicht nur Sauberkeit, sie wird auch als rituelle Handlung gesehen. (Vgl. Zeiß 2003, 6; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 67) Sind Patienten/Patientinnen bettlägerig, ist es hilfreich einen Krug Wasser und eine Schüssel neben das Bett zu stellen, damit diese sich vor dem Essen oder dem Gebet die Hände unter fließendem Wasser waschen können, um rein zu sein. Moderne 15

Juden/Jüdinnen führen lediglich die tägliche Körperpflege durch. (Vgl. Zeiß 2003, 6; vgl. auch Lenthe 2011, 81) Pflegepersonen können im Vorfeld bei der Anamnese abklären und erheben, was der/die jüdische Patient/Patientin an zusätzlichen Hilfsmitteln braucht. Die Körperpflege sollte bei bettlägerigen Patienten immer von Pflegenden gleichen Geschlechts durchgeführt werden. Körperteile die gerade nicht gewaschen werden, müssen bedeckt bleiben, da sich Juden/Jüdinnen gegenüber Fremden niemals vollständig unbekleidet zeigen dürfen. (Vgl. Urban 2011, 48, vgl. auch Zeiß 2003, 6) Am Sabbat (jüdischer Ruhetag von Freitagabend bis Samstagabend) darf grundsätzlich keine Körperpflege durchgeführt werden. Männer rasieren sich an diesem Tag trocken. (Vgl. Urban 2011, 48, vgl. auch Zeiß 2003, 6) 3. 4. 2. Speisevorschriften und Bekleidung Essen spielt im Judentum eine große Rolle. Es gibt unzählige Speisevorschriften, die im Talmud (Lehrbuch des Judentums) stehen. Gerade bei kranken Patienten/Patientinnen sollte beim Speiseangebot Rücksicht darauf genommen werden. (Vgl. Zeiß 2003, 7; vgl. auch Lenthe 2011, 80; vgl. auch Urban 2011, 48) Daher ist es ratsam bereits im Vorfeld zu klären, was gegessen werden darf und welche Nahrungsmittel nicht angeboten werden sollten. Angehörige und nahe stehende Personen wissen meist am besten Bescheid, sollte die zu betreuende Person selber keine Angaben machen können. Strenggläubige also orthodoxe Juden/Jüdinnen nehmen ausschließlich koscheres (reines) Essen zu sich. Weniger Gläubige halten sich nicht immer so streng an diese Vorschriften. (Vgl. Zeiß 2003, 7; vgl. auch Lenthe 2011, 80; vgl. auch Urban 2011, 48) Einige Speisevorschriften aus dem Judentum: Bei pflanzlichen Lebensmitteln gibt es keine Einschränkungen. Gelatine gilt als nicht koscher, daher Vorsicht bei manchen Milchprodukten (beispielsweise Joghurt) und Süßigkeiten. 16

Das Essen von bestimmten Fetten (Schmalz) und Blut ist verboten. Tiere müssen auf spezielle Weise geschlachtet werden und ausbluten nur wenn das Fleisch frei von allen Blutresten ist, gilt es als koscher. Schweinefleisch ist verboten, Huftiere, Geflügel und Tiere mit gespaltenen Klauen sind erlaubt. Eier und Milch dürfen nur von koscher gehaltenen Tieren verzehrt werden. Fleisch und Milchprodukte dürfen nicht zusammen verzehrt und nur voneinander getrennt in unterschiedlichem Geschirr zubereitet werden. Nur Meerestiere mit Schuppen sind zum Verzehr erlaubt Meeresfrüchte hingegen sind verboten (Vgl. Urban 2011, 48; vgl. auch Lenthe 2011, 80; vgl. auch Zeiß 2003, 7) Im Krankheitsfall können diese Vorschriften gebrochen werden. Sofern es der Lebenserhaltung dient kann auch nicht koschere Ernährung zugeführt werden. Es ist auf jeden Fall ratsam Angehörige mit einzubeziehen. Diese können gegebenenfalls entsprechende Speisen mitbringen. Für Pflegende ist es auch wichtig zu wissen, dass es einige Feiertage gibt, die bei der Nahrungsaufnahme eine Rolle spielen. So ist es beispielsweise am Sabbat (heiliger Ruhetag, dauert von Freitagabend bis Samstagabend) verboten Speisen selber zuzubereiten, weil auch dies als Arbeit was am Sabbat untersagt ist gilt. (Vgl. Zeiß 2003, 7; vgl. auch Lenthe 2011, 81) Bei der Bekleidung gibt es folgende Vorschriften: Orthodoxe Männer tragen eine Kopfbedeckung, die so genannte Kippa und bei den täglichen Gebeten einen Gebetsmantel, den Tallit. Streng gläubige, verheiratete Jüdinnen tragen meist ein Kopftuch und dürfen keine Hosen tragen, da diese als Männerkleidung gelten. (Vgl. Lenthe 2011, 79+81; vgl. auch Urban 2011, 49) 3. 4. 3. Gebetsrituale und Sabbatgebote Für Pflegende ist es wichtig zu wissen, dass orthodoxe Juden/Jüdinnen mehrmals täglich beten. Vor jedem Gebet wird eine rituelle Handwaschung durchgeführt um vor Gott rein zu sein. 17

Bei Sterbenden dürfen diese Gebete auch von nichtjüdischen Menschen vorgelesen werden. Fast alle Gebete werden auf Hebräisch gebetet. Für Sterbende ist es tröstlich, wird ihnen die Thora (wichtigster Teil der hebräischen Bibel) am Krankenbett gereicht. (Vgl. Zeiß 2003, 8) Sabbat ist der heilige Ruhetag und beginnt am Freitagabend und endet am darauf folgenden Samstagabend. In diesem Zeitraum darf keinerlei Arbeit verrichtet werden, auch die Verwendung von Elektrizität ist untersagt. (Vgl. Lenthe 2011, 80; vgl. auch Zeiß 2003, 8) Es ist möglich, dass strenggläubige Patienten/Patientinnen in diesem Zeitraum sogar die Betätigung des Schwesternnotrufs unterlassen. Daher ist es ratsam, wenn Pflegende in dieser Zeit von sich aus nach den Patienten/Patientinnen sehen. (Vgl. Zeiß 2003, 8; vgl. auch Urban 2011, 48) 3. 4. 4. Kommunikation Zeitgeschichtlich gesehen muss heutzutage darauf geachtet werden, dass ältere jüdische Patienten/Patientinnen möglicherweise Erfahrung mit Konzentrationslagern machen mussten. Es könnten daher bei einer räumlichen Veränderung (Aufnahme im Krankenhaus) Erinnerungen hochkommen, welche Panik auslösen. Uniformähnliche Arbeitskleidung der Mitarbeiter, Geruch von Ausscheidungen anderer Patienten/Patientinnen, Maßnahmen zur Körperpflege sind nur ein Teil möglicher Auslöser. Deshalb ist hier besonderes Feingefühl angebracht. (Vgl. Urban 2011, 49) Auch im Umgang mit jüdischen Patienten/Patientinnen ist sehr viel zu beachten, so dass es wichtig ist, dass Pflegepersonen sich bereits bei der Aufnahme über die speziellen Gewohnheiten informieren. Da es oft davon abhängt, wie streng der Glaube des/der Kranken ist, können niemals alle jüdischen Patienten/Patientinnen gleich behandelt werden, da die Gepflogenheiten voneinander abweichen können. Angehörige und Verwandte sind bei der Betreuung ebenso mit einzubeziehen, da diese eventuell Hilfsmittel wie selbst zubereitete Speisen, Kleidung etc. - in die Einrichtung mitbringen können. 18

3. 5. Hilfreiches Verhalten im Umgang mit Sterbenden Für Juden/Jüdinnen gibt es keinen Glauben an ein weiteres Leben im Paradies. Es geht vielmehr darum, dass das Leben sinnvoll nach den Gesetzen Gottes gelebt wurde. Es herrscht aber die Überzeugung auf ein Leben nach dem Tod, wobei auch der Körper mit aufersteht. (Vgl. Zeiß 2003, 9; vgl. auch Kern 2011, 65) Da das Leben im Vordergrund steht, gibt es im Judentum keine speziellen Sterberiten. Es ist jedoch Tradition den/die Sterbende(n) nicht alleine zu lassen, da es von großer Bedeutung ist, einander in schweren Zeiten beizustehen. Oft wird der Besuch eines Rabbiners gewünscht oder die Begleitung durch die Chewa Kaddisha (Beerdigungsgesellschaft). (Vgl. Urban 2011, 53; vgl. auch Kern 2011, 65) Der/die Sterbende muss informiert sein wie es um ihn/sie steht, um sich bestmöglich auf den Tod vorbereiten und sich leichter von dieser Welt lösen zu können. Sterbehilfe ist im Judentum absolut verboten, ebenso alle anderen lebensverkürzenden Interventionen. (Vgl. Zeiß 2003, 9; vgl. auch Urban 2011, 53) Alle anderen Maßnahmen wie beispielsweise die Lagerung von Patienten/Patientinnen, die den Sterbeprozess verlangsamen oder unterbrechen könnten, sind ebenfalls untersagt. Prinzipiell wird mit den im Leben stehenden den Trauernden sehr sorgsam umgegangen. Lautes Klagen und Weinen am Sterbebett gilt als unangemessen. (Vgl. Zeiß 2003 9 + 10; vgl. auch Lenthe 2011, 82; vgl. auch Urban 2011, 53) Nach jüdischer Auffassung, muss der/die Sterbende vor dem Tod nochmals das gelebte Leben reflektieren und eventuell unglückliche Angelegenheiten in Ordnung bringen. Es kann auch noch eine letzte Beichte abgelegt werden. (Vgl. Zeiß 2003, 10; vgl. auch Kern 2011, 65; vgl. auch Urban 2011, 53) Aus Tradition ist es wichtig, dass Sterbende ihren Hinterbliebenen noch letzte Anweisungen über Familienzusammenhalt geben und ihre Kinder segnen, damit diese nach dem Tod ohne Schwierigkeiten ihr Leben weiterleben können. (Vgl. Zeiß 2003, 10) Die Angehörigen beten entweder leise am Bett oder auch sofern dies möglich ist gemeinsam mit dem/der Sterbenden das Sündenbekenntnis. Es kann auch, ja nach 19

Wunsch des/der Sterbenden, aus dem hebräischen Gebetsbuch gelesen werden. (Vgl. Zeiß 2003, 9 + 10; vgl. auch Lenthe 2011, 82; vgl. auch Urban 2011, 53) Im Moment des Todes soll von den nächsten Angehörigen das Schma Israel gesprochen werden, während sie dem Toten direkt ins Gesicht blicken. (Vgl. Zeiß 2003, 10; vgl. auch Urban 2011, 53; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 69) Höre, o Israel, Hashem ist unser Gott, Hashem, der Eine und Alleinige. Gesegnet sei der Name Seines herrlichen Reiches in alle Ewigkeit. (ZITAT Zeiß 2003, 11) Aufgrund der Gebetsrituale und der möglicherweise ständig anwesenden Verwandten, Angehörigen und dem Rabbiner ist es sinnvoll, den/die sterbende Person in einem Einzelzimmer unterzubringen. So ist für eine ruhige Umgebung gesorgt und die Rituale können ohne große Störung vollzogen werden. 3. 6. Umgang mit Verstorbenen Um den Tod festzustellen, wird dem/der Verstorbenen eine Feder über Mund und Nase gelegt, um eine noch vorhandene Atmung feststellen zu können. Ist das Ableben zweifelsfrei geklärt, werden nach etwa acht Minuten der Unterkiefer hochgebunden, die Arme seitlich zum Körper gelegt und die Augen geschlossen. Erst nachdem der Tod eingetreten ist, dürfen Vorbereitungen für die Beerdigung getroffen werden. (Vgl. Urban 2011, 53; vgl. auch Kern 2011, 65; vgl. auch Zeiß 2003, 12) Bis zur Beerdigung wird der Leichnam nicht alleine gelassen. Meist bleiben Angehörige oder auch die Chewra Kaddisha (Beerdigungsgesellschaft) bei ihm/ihr im Zimmer und führen sofern es sich um einen/eine orthodoxe(n) Juden/Jüdin handelt die rituelle Waschung (Tahara) durch. (Vgl. Kern 2011, 65; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 70; vgl. auch Zeiß 2003, 12, vgl. auch Urban 2011, 53) Die rituelle Waschung ist für orthodoxe Juden religiöse Pflicht. Sie sollte nach Tradition in einem eigenen Raum stattfinden. Dieser kann auch angemietet werden. Bei nicht orthodoxen Juden und Jüdinnen wird dieses Ritual nicht praktiziert. Eine Versorgung durch das Pflegepersonal ist dann ebenso möglich. (Vgl. Zeiß 2003, 13) An Feiertagen oder Sabbat darf der/die Verstorbene nicht bewegt werden. Daher ist es sinnvoll darauf zu achten, dass der Leichnam in einem separaten Raum liegt, wenn er/sie in einer Einrichtung verstirbt. 20

Ansonsten ist es Tradition den/die Verstorbene nach Eintreten des Todes für eine dreiviertel Stunde nicht zu berühren. Bei der Lagerung ist es wichtig darauf zu achten, dass der Körper mit den Füßen in Richtung Tür oder auf den Boden in Richtung Osten gelegt wird. Die Arme und Beine sind gerade ausgestreckt, Augen und Mund geschlossen. (Vgl. Zeiß 2003, 12; vgl. auch Urban 2011, 53, vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 70) Anschließend wird der Leichnam in ein einfaches weißes Sterbekleid gehüllt und mit einem weißen Tuch bedeckt. Bei jüdischen Männern wird zusätzlich der Gebetsmantel auf den Leichnam gelegt. Neben dem Kopf wird eine brennende Kerze gestellt. Der jüdische Glaube besagt, dass nun der Körper wieder zu Erde wird (daher auch die Lagerung auf dem Boden) und die Seele zu Gott zurückkehrt. Ist die Chewra Kaddisha anwesend, werden gemeinsam mit Angehörigen Gebete gesprochen und Totenwache gehalten. (Vgl. Zeiß 2003, 12; vgl. auch Urban 2011, 55) 3. 7. Abschiedsrituale und Bestattung In der Trauerphase vor der Beisetzung ist es Angehörigen untersagt Fleisch zu essen und Wein zu trinken. Sie dürfen niemanden grüßen und müssen sexuell enthaltsam sein. Trauernden Angehörigen sein Beileid auszusprechen gilt als unangemessen, da dies nur den Schmerz vergrößern würde. (Vgl. Urban 2011, 55; vgl. auch Zeiß 2003, 14) Als Ausdruck der Gefühle werden Teile der Kleidung eingerissen, um den Schmerz auch für die Außenwelt sichtbar zu machen. Es stellt symbolisch den Riss der Seele eines Hinterbliebenen dar. Meist wird der Ärmel eines Hemdes eingerissen. Verstirbt ein Elternteil wird die Kleidung über dem Herzen eingerissen. (Vgl. Zeiß 2003, 15; vgl. auch Urban 2011, 55; vgl. auch Lenthe 2011, 82; vgl. auch Elsas 2007, 197) Die jüdische Beerdigung soll innerhalb von vierundzwanzig Stunden stattfinden, idealerweise noch am Todestag selbst. Ausnahmen sind jüdische Feiertage und der Sabbat. An diesen Tagen ist der Friedhof, der auch bis in die Nachtstunden geöffnet ist, geschlossen. Eine Erdbestattung ist im Judentum Pflicht und Einäscherung verboten. (Vgl. Zeiß 2003, 14 + 15; vgl. auch Urban 2011, 54; vgl. auch Feichtner + Nagele 2009, 70 + 71) 21

Jüdische Verstorbene werden laut Tradition in einem einfachen, schmucklosen Sarg beerdigt. Da im Tod alle Menschen vor Gott gleich sind, soll auch die Kleidung schlicht sein. Diese besteht meist aus einem einfachen, weißen Leinenkleid. Ein männlicher Leichnam, trägt den Sterbekittel, den er zur Hochzeit von seiner Braut geschenkt bekommen hat. Außerdem wird ihm zusätzlich sein Gebetsmantel (Tallit) ins Grab gelegt. (Vgl. Zeiß 2003, 14; vgl. auch Urban 2011, 54+55) Im Judentum ist es üblich den Trauerzug da zu beginnen, wo der Tote verstorben ist. Daher kann es vorkommen, dass dies auch in einer Pflegeinrichtung stattfindet. Der Trauerzug führt zur Zeremoniehalle, unterwegs kann jede(r) trauernde Angehörige den/die Verstorbene(n) ein Stück tragen, um so die letzte Ehre zu erweisen. In der Halle findet dann in einem separaten Raum das traditionelle Einreißen der Kleidung statt (Kriah). In der Trauerhalle werden Nachrufe und das Kaddish (Gebet) gesprochen. Nach dieser Zeremonie erfolgt die Erdbestattung. An einem jüdischen Friedhof sind die Gräber meist in Ostrichtung angeordnet, da dies auch die Gebetsrichtung ist. In das Grab schaufelt zuerst der Rabbiner Erde, danach auch alle Angehörigen, um so der verstorbenen Person Respekt zu erweisen. Es wird auch hier wieder das Kaddish gesprochen, traditionell von einem der nächsten männlichen Angehörigen. Nachdem die Beerdigung zu Ende ist, werden Steine auf das Grab gelegt, als Zeichen, dass an den/die Verstorbene(n) gedacht wird. Nach der Bestattung ist es üblich, dass die trauernde Familie von den Nachbarn zu einem Essen geladen wird. (Vgl. Zeiß 2003, 14-16; vgl. auch Urban 2011, 55 + 56) 3. 8. Trauerrituale Die eigentliche Trauerzeit beginnt im Judentum erst nach der Beerdigung. Laut jüdischer Tradition erfolgt diese in drei Phasen, mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten für die Trauernden. 22

Erste Phase: Schiwa (Sieben Tage) Diese Phase beginnt mit dem Begräbnistag. Es ist die traurigste Phase und dauert prinzipiell sieben Tage. In dieser Zeit wird auch die bei der Beerdigung eingerissene Kleidung getragen und die Trauernden sitzen zu Hause auf dem Boden. Die Trauernden werden während der Schiwa von Nachbarn und Angehörigen versorgt. Sie dürfen nicht ausgehen, aber viel Besuch empfangen. (Vgl. Zeiß 2003, 17; vgl. auch Urban 2011, 56) Es ist wichtig zu wissen, dass trauernde Angehörige in den ersten Tagen nicht grüßen, daher gibt es keine Beileidsbekundung. Dem/Der Trauerden wird grußlos und schweigend begegnet. Nachbarn sollen Trost spenden und für jedes Gespräch offen sein, dass der/die Trauernde sucht. (Vgl. Zeiß 2003, 17; vgl. auch Urban 2011, 56) In der ersten Woche der Trauer ist es verboten zu arbeiten, Lederschuhe zu tragen, sexuell aktiv zu sein, Männer dürfen sich nicht rasieren, Schmuck wird nicht getragen und die Wäsche nicht gewechselt. Die Schiwa wird am Sabbat unterbrochen und mit einem kurzen Sitzkreis am siebten Tag beendet. Gemeinsam mit der Familie wird das Grab besucht und die Zeremonie wird mit einem Kaddish (Gebet) beendet. (Vgl. Zeiß 2003, 18) Zweite Phase: Scheloschim (Dreißig Tage) Diese Trauerphase dauert dreißig Tage und beginnt, so wie die Schiwa, mit dem Begräbnistag. Auch in dieser Zeit müssen Trauernde einige Regeln einhalten. Es darf keine Musik gehört und keine Feste gefeiert werden. Haare schneiden und Rasieren sowie das Tragen neuer Kleidung sind ebenso untersagt. Wenn das Scheloschim jedoch zu Ende ist, darf die Körperpflege wieder durchgeführt werden. (Vgl. Zeiß 2003, 18; vgl. auch Urban 2011, 56) Das Ende der dreißig Tage wird auch in der zweiten Phase durch einen Besuch am Grab und einem gemeinsamen Kaddish (Gebet) besiegelt. (Vgl. Zeiß 2003, 18) Dritte Phase: Awelut (Zwölf Monate) Diese Phase gilt es nur dann zu halten, wenn es sich bei der verstorbenen Person um ein Elternteil oder das eigene Kind handelt. Das Awelut beginnt mit dem Todestag und endet nach zwölf Monaten. 23

Söhne von Verstorbenen haben die Pflicht zwölf Monate lang täglich das Kaddish zu sprechen. Auch in dieser Zeit sind Gebote und Verbote der ersten und zweiten Trauerphase zu befolgen. Die lange Dauer des Aweluts soll dazu dienen die Trauer lange genug ausleben zu können, um nach dieser Zeit wieder gut ins Leben zurück zu finden. (Vgl. Zeiß 2003, 19; vgl. auch Urban 2011, 56) Während aller Trauerphasen brennt im Haus des/der Verstorbenen ein Licht. Diese Gedenkkerze wird dann in den darauf folgenden Jahren am Todestag für vierundzwanzig Stunden aufgestellt. Im Judentum ist das Tragen bestimmter Trauerfarben, wie beispielsweise schwarz, nicht üblich. (Vgl. Urban 2011, 56 + 57, vgl. auch Zeiß 2003, 19) Gerade in der Trauerbegleitung sind diese Richtlinien für Pflegende von großer Bedeutung, da sie in vielen Punkten vom Brauchtum des Christentums abweichen. Während zum Beispiel hierzulande im Christentum Beileid gewünscht wird, ist dies im Judentum absolut unangebracht. Auch hier ist es wichtig sich bereits im Vorfeld zu informieren, wie ausgeprägt der Glaube des/der Verstorbenen und seiner/ihrer Angehörigen war/ist. 4. Der Buddhismus 4. 1. Die Bedeutung des Buddhismus Der Buddhismus kommt ursprünglich aus Indien und ist Lehrtradition und Religion zugleich. Diese Religion basiert auf den Lehren Buddhas (der Erleuchtete), welcher bürgerlich Siddharta Gautama hieß und ein nordindischer Prinz war, der im vierten Jahrhundert das königliche Elternhaus verließ und vollständige Befreiung suchte. Laut Überlieferung hat er nach sechs Jahren der Meditation Erleuchtung gefunden. Daher bedeutet Buddhismus auch Befreiung aus dem leidhaften Dasein. Im Buddhismus existiert keine Gottesverehrung und es gibt auch keine Regeln für ein rechtschaffenes Leben. Er unterscheidet sich daher deutlich von monotheistischen Religionen wie das Judentum, dem Christentum oder dem Islam. 24

Ziel ist vielmehr das Nirwana (die Erleuchtung, die höchste Bewusstseinsstufe) zu erreichen. (Vgl. Urban 2011, 14; vgl. auch Bausewein + Roller + Voltz 2007, 540 + 541; vgl. auch http://de.wikipedia.org/wiki/buddhismus) Mitgefühl, Meditation und Weisheit haben einen großen Stellenwert. Gier genauso auch Lebensgier wird als die Ursache aller Leiden in der Welt betrachtet und Heilung kann nur durch Entsagung erfolgen. (Vgl. Urban 2011, 14) Im Buddhismus wird an Wiedergeburt geglaubt. Der Tod befreit nicht von Leiden, denn diese werden in das nächste irdische Leben mitgenommen, konnten sie noch nicht gelöst werden. (Vgl. Urban 2011, 14; vgl. auch Kern 2011, 64; vgl. auch Domenig 2007, 70) Der Mensch wird so oft wiedergeboren, bis er zu wahrhaftiger Selbstlosigkeit gefunden hat. (ZITAT Urban 2011, 14) 4. 2. In welchen Ländern ist der Buddhismus am häufigsten vertreten? Der Buddhismus zählt weltweit ungefähr vierhundert Millionen Gläubige. Nach dem Christentum, Islam und Hinduismus ist er die viertgrößte Religion und kommt vorwiegend in Süd- und Südostasien vor. Außerdem finden sich Anhänger dieser Glaubensrichtung in Tibet, Bhutan, Nepal, China, Hinterindien, Japan und Sri Lanka. In den letzten Jahren verbreitet sich diese Religion zunehmend in der westlichen Welt. (Vgl. Urban 2011, 14; vgl. auch http://de.wikipedia.org/wiki/buddhismus) 4. 3. Die Bedeutung von Gesundheit und Krankheit im Buddhismus Im Buddhismus herrscht die Überzeugung, dass Krankheit und Leid aufgrund äußerer und innerer Ursachen entstehen. Die Inneren gehen den Äußeren voran, da alles aus und durch den Geist entsteht. Daher wird im Buddhismus im Falle einer Erkrankung versucht den Geist von jener Haltung zu befreien, welche die Krankheit verursacht. Geschieht dies nicht, so treten äußere Probleme (z.b. häufiges Anstecken bei Infektionen, Verletzungen) immer wieder auf. (Vgl. www.shiatsu.at/magazin/magazin_3) Buddhisten glauben an das so genannte Karma. Karma bedeutet die Folge jeder Handlung und betrifft immer die Person selbst, welche diese Handlungen begeht. 25

Schlechtes Karma wird laut buddhistischem Glauben bei der Wiedergeburt mitgenommen. (Vgl. Elsas 2007, 115; vgl. auch http://wikipedia.org/wiki/karma) Heilmeditation und Meditation im Allgemeinen, gelten als gesundheitsfördernd und tragen zur Linderung negativen Karmas bei. Es ist wichtig, diese Meditation auch in stressigen oder belastenden Zeiten durchzuführen, um nicht in schlechte Verhaltensmuster zurückzufallen. Spezielle Meditationen bereiten auf den Tod vor. Es wird dabei das rechtzeitige Loslassen geübt, damit der Tod nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen wird. (Vgl. www.shiatsu.at/magazin/magazin_3) 4. 4. Besonderheiten im Umgang mit buddhistischen Patienten/Patientinnen In Einrichtungen sollte darauf geachtet werden, dass buddhistische Patienten/Patientinnen immer vom gleichen Geschlecht gepflegt werden. Das heißt, Männer von einer männlichen Pflegeperson und Frauen von einer weiblichen Pflegeperson. Da im Buddhismus großen Wert auf religiöse Symbole wie zum Beispiel Buddhastatuen gelegt wird, ist es hilfreich, wenn Patienten/Patientinnen ihr Krankenzimmer mit diesen Symbolen einrichten dürfen. Für Pflegende ist es auch gut zu wissen, dass im Buddhismus der Kopf als rein und die Füße als unrein betrachtet werden. Daher sollte der Fußteil des Krankenbetts tunlichst nicht auf religiöse Symbole zeigen, die im Zimmer stehen. Bei der Ernährung ist es wichtig zu wissen, dass die meisten Buddhisten aus Grundüberzeugung kein Fleisch und manche gar keine tierischen Lebensmittel zu sich nehmen. (Vgl. Urban 2011, 15; vgl. auch Zeiß 2003, 1+2; vgl. auch Lenthe 2011, 73, vgl. auch Bausewein + Roller + Voltz 2007, 541) Schmerzmittel und Medikation, die das Bewusstsein beeinträchtigen, könnten eventuell abgelehnt werden, da diese möglicherweise die spirituelle Wachheit beeinflussen. (Vgl. Bausewein + Roller + Voltz 2007, 541; vgl. auch Zeiß 2003, 2) Pflegepersonen können dies am besten bei der Aufnahme in Erfahrung bringen und so bei der Essensbestellung Rücksicht nehmen. Die meisten Einrichtungen bieten heutzutage auch vegetarische Kost an. Auch die Miteinbeziehung von Angehörigen erweist sich als hilfreich. Diese können vegetarische oder vegane Kost mitbringen und auch das Pflegepersonal über die Gewohnheiten des/der Patienten/Patientin aufklären. 26

4. 5. Hilfreiches Verhalten im Umgang mit Sterbenden Da im Buddhismus an Reinkarnation geglaubt wird, hat die Vorbereitung auf den Tod einen sehr hohen Stellenwert. Aus diesem Grund ist es notwendig, eine(n) Buddhisten/Buddhistin rechtzeitig über den bevorstehenden Tod zu informieren. (Vgl. Urban 2011, 16; vgl. auch Zeiß 2003, 4; vgl. auch Bausewein + Roller + Voltz 2007, 542; vgl. auch Kern 2011, 64; vgl. auch Lenthe 2011, 74) Dem Tod wird gelassen entgegen gesehen, da er lediglich als eine Art Übergang zur Wiedergeburt gesehen wird. (Vgl. Lenthe 2011, 74; vgl. auch Urban 2011, 16) Pflegende sollten darauf achten, dass es für den/die Sterbende(n) wichtig ist, Menschen am Sterbebett zu haben, die ihn/sie positiv stimmen. Der Sterbeprozess sollte sich für einen Menschen buddhistischen Glaubens so angenehm und leicht wie möglich gestalten. Denn negative Gefühle wie Ärger, Wut und Hass sollen zu einer ungünstigen Wiedergeburt führen. Wichtig ist, dass der/die Sterbende entspannt ist und Möglichkeit zur Meditation hat, da der geistige Zustand eines Sterbenden über die weitere Existenz im nächsten Leben bestimmt. Der Glaube besagt, dass die körperliche Hülle vergeht und der Geist bleibt. Es ist ratsam, wenn sich die Pflegeperson bei der sterbenden Person selbst oder bei nahestehenden Angehörigen informiert, ob ein buddhistischer Lehrer gewünscht ist, welcher spezielle Zeremonien am Sterbebett durchführt. (Vgl. Urban 2011, 16; vgl. auch Zeiß 2003, 4; vgl. auch Bausewein + Roller + Voltz 2007, 542) Dieser Lehrer oder auch Mönch liest am Sterbebett aus buddhistischen Schriften wie dem tibetischen Totenbuch. Schmerzmittel könnten möglicherweise abgelehnt werden, da der Sterbeprozess bei klarem Bewusstsein erlebt werden möchte. Hier ist es ratsam bei der Wahl der Medikamente darauf zu achten, dass diese das Bewusstsein nicht trüben. (Vgl. Urban 2011, 15; vgl. auch Zeiß 2003, 415) Es ist unbedingt notwendig dies bereits bei der Aufnahme in Erfahrung zu bringen, um sich als Pflegeperson und Mediziner ausreichend darauf vorzubereiten und eine gute Auswahl an Schmerzmitteln bereitstellen zu können. Es ist möglich, dass der/die sterbende Patient/Patientin auf die rechte Seite gelagert werden möchte, da laut Überlieferung Buddha in dieser Lage starb. Auch eine 27

Lagerung mit meditativer Haltung (Oberkörper möglichst aufrecht) kann gewünscht sein. (Vgl. Urban 2011, 17; vgl. auch Zeiß 2003, 6) Die Pflege des/der Sterbenden beschränkt sich auf ein Mindestmaß. Ruhe und Stille stehen im Vordergrund. Hektik sollte vermieden werden. (Vgl. Zeiß 2003, 5) Wenn möglich, ist eine Unterbringung in einem Einzelzimmer sinnvoll. So kann der Bedarf an Ruhe und Stille und die Möglichkeit zur Meditation am ehesten gewährleistet werden. 4. 6. Umgang mit Verstorbenen Nach Eintreten des Todes soll der Leichnam in den ersten dreißig bis sechzig Minuten nicht berührt werden, da in dieser Zeit das Bewusstsein des/der Verstorbenen noch hellwach ist und die Seele aber Ruhe benötigt um sich vollständig vom Körper zu lösen. Auch die Lagerung des Körpers wird belassen, um keine Unruhe zu erzeugen. Nach ungefähr fünfundvierzig Minuten wird dann das Gesicht des/der Verstorbenen mit einem weißen Tuch bedeckt, denn dann ist laut buddhistischem Glauben das Bewusstsein in eine Art Ohnmacht gefallen. (Vgl. Urban 2011, 18; vgl. auch Zeiß 2003, 1) Nach buddhistischem Glauben dauert es im Schnitt circa drei bis vier Tage in denen sich das Bewusstsein nach dem letzten Atemzug vollständig vom Körper trennt. (Vgl. Urban 2011, 17; vgl. auch Zeiß 2003, 8) Dies kann in Einrichtungen möglicherweise zu Schwierigkeiten führen, da es je nach Richtlinie des Hauses meist üblich ist, den Leichnam nach ein paar Stunden von der Station wegzubringen. Hier ist eine genaue Absprache mit den Angehörigen und Sensibilität der Pflegepersonen gefragt. Ist der/die Verstorbene in einem Einzelzimmer untergebracht, lässt sich dieser Zeitraum vielleicht verlängern, damit auch noch nach Eintreten des Todes Zeit und Platz für buddhistische Rituale und Zeremonien ist. 4. 7. Abschiedsrituale und Bestattung Die buddhistische Glaubensgemeinschaft bleibt beim Leichnam und spricht Gebete. Oft ist auch ein Lehrer (Lama) anwesend, der spezielle Zeremonien durchführt und 28